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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 25.06.2019
Find mich da, wo Liebe ist
Harris, Anstey

Find mich da, wo Liebe ist


ausgezeichnet

Zerzaust und entflammt
Meine ursprüngliche Erwartung an das Buch war, eine leichte, vielleicht sogar ein wenig kitschige, locker und leicht lesbare Sommerlektüre vorzufinden. Ich war nicht darauf gefasst gewesen, dass mich die Geschichte in ihrer Intensität so komplett in ihren Bann zog, dass ich mich nicht mehr davon lösen konnte.
Grace steht als leidenschaftliche Cellistin am Beginn ihrer Karriere, bricht diesen Weg jedoch nach einer traumatischen Erfahrung rigoros ab und repariert in einem kleinen Örtchen in England Musikinstrumente. Ihr ganzes Denken und Handeln ist auf David ausgerichtet, der seit 8 Jahren ihre große Liebe ist, David, der beruflich erfolgreich, einfühlsam, liebevoll ist. Grace trifft sich mit ihm immer nur für wenige Stunden oder Tage in Paris, hat sich mit diesem Arrangement abgefunden und zweifelt keine Sekunde an David. Mit Sicherheit wird er irgendwann Frau und Kinder verlassen und das gemeinsame Leben mit ihr beginnen. Doch Grace wird durch ein unerwartetes Ereignis jäh aus ihrem ruhigen und hoffnungsfrohen Lebensgleichmaß gerissen und verliert völlig den Boden unter den Füßen…
Soweit klingt die Handlung tatsächlich nach einem üblichen Klischee: Junge Frau ist Geliebte eines verheirateten Mannes, der entgegen seiner Versprechungen die Familie nie verlassen wird. Doch die Autorin schafft es schier unbemerkt, dem Leser seine eigenen Vorurteile vor Augen zu führen und der Handlung eine unerwartete Wendung zu geben. Plötzlich befinden wir uns mitten in einer Geschichte der Selbstfindung, der wachsenden Selbstachtung, der Wertschätzung dessen, was ist, und der Gelassenheit gegenüber Unveränderbarem. Alle Protagonisten sind auf ihre besondere Art sympathisch dargestellt, weshalb es dem Leser unmöglich ist, Distanz zu wahren. Er wird unweigerlich hineingezogen in das Geschehen und erlebt die ganze Welt der Gefühle direkt mit. Die schmerzhaftesten Sätze graben sich ein wie Tattoos in die Haut. Und das Buch ist eine Hymne an die Musik! „Zerzaust und entflammt“ bleiben Nadja und Grace nach dem gemeinsamen Musizieren zurück. Und zerzaust und entflammt bleibt der Leser nach Lektüre dieses wunderbaren Buches zurück.

Bewertung vom 17.06.2019
Unbarmherzig / Gina Angelucci Bd.2
Löhnig, Inge

Unbarmherzig / Gina Angelucci Bd.2


sehr gut

Wenn zwei Autorenseelen gemeinsam erzählen
Bislang hatte ich aus der Reihe rund um Kommissar Tino Dühnfort und Gina Angelucci nur einen Band gelesen (Sieh nichts Böses), und zwar mit großer Begeisterung. Genauso begeistert hatte ich gelesen Die Vergessenen von Ellen Sandberg, dem Psedonym von Inge Löhnig. Insofern freute ich mich sehr auf das vorliegende Buch.
Worum geht es? Gina Angelucci arbeitet in der Abteilung für Cold Cases, während ihr Ehemann Tino Dühnfort die kleine Tochter Chiara betreut. Eine Radfahrerin findet in dem idyllischen Dorf Altbruck in der Nähe von München die Knochenfragmente eines Schädels. Es stellt sich heraus, dass an dieser Stelle die Gebeine von zwei Toten liegen, und zwar schon seit Jahrzehnten. Obwohl Ginas Vorgesetzter weitere Nachforschungen unterbinden will, lässt sie nicht locker, um die Identität der Toten und ihre Todesumstände zu klären. Und sie findet Verbindungen zu einer Munitionsfabrik am Ort, die während der Zeit des Nationalsozialismus Zwangsarbeiter beschäftigte. Je mehr Gina in die Thematik eintaucht, desto mehr stößt sie auf Abwehr, auf Schweigen, auf Lügen…
Inge Löhnig erzählt in gewohnt routinierter Weise den gut durchdachten, sorgfältig recherchierten Plot. Die Personen werden psychologisch nachvollziehbar und lebendig geschildert. Insofern habe ich das Buch gerne gelesen. Und doch fehlte mir etwas. Die Geschichte wird als Kriminalroman ausgewiesen, aber ich vermisse einen konstanten, vielleicht sich noch steigernden Spannungsbogen. Ich vermisse eine verwirrende Spurenlage, die den Leser auf der Suche nach dem Täter immer wieder in die Irre führt. Für keinen der Protagonisten konnte ich echte Sympathie entwickeln, sie blieben blass, manchmal sogar unglaubwürdig. So als wären sie ohne echtes Autoren-Herzblut entstanden. In kursiv gesetzten Rückblenden erfahren wir viel über die Ausbeutung der Menschen in der Heeresmunitionsanstalt während des Zweiten Weltkrieges, aber auch Eindringliches über das Schicksal des lettischen Volkes. Das sind für mich die besten Passagen des Buches. Obwohl ich eigentlich kein Freund von Zeitsprüngen bin, passen sie in diesem Buch perfekt, weil gerade sie den Kriminalroman, wenn er denn wirklich einer ist, aus der Beliebigkeit des Krimi-Genres herausheben und mit einer wichtigen politischen Stellungnahme versehen. Mir kommt es ein wenig so vor, als hätten sich Inge Löhnig und Ellen Sandberg bei diesem Buch nicht wirklich einigen können, wer von beiden denn nun eigentlich erzählen soll…

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Bewertung vom 14.06.2019
Furzipups, der Knatterdrache / Furzipups Bd.1
Lüftner, Kai

Furzipups, der Knatterdrache / Furzipups Bd.1


ausgezeichnet

Pupsfröhliche Mutmachgeschichte
"Nein, nicht viele Ungeheuer
spucken, wenn es ernst wird, Feuer.
Für Drachen ist es sogar Pflicht,
die meisten tun es – einer nicht!"

Feuerspeien ist Drachenpflicht, das ist bekannt. Und alle können es. Alle, bis auf den kleinen Furzipups. Er strengt sich an und übt und übt mit großem Eifer – und schafft letztlich doch nur kleine Rauchwölkchen. Also probiert er es wieder, diesmal mit allergrößtem Krafteinsatz, denn er möchte doch so gerne sein wie alle Drachen, und was passiert da? Na, was wohl? Ja, er pupst. Und Furzipups übt weiter, bis er etwas ganz Besonderes kann, nämlich im Rhythmus pupsen. Wer kann das schon?
Der Verlag Coppenrath ist immer gut für ungewöhnliche und besonders schön gestaltete Bücher. Ein zauberhaftes Mutmach-Buch ist die vorliegende Geschichte von Furzipups. Denn es ist gar nicht schlimm, wenn du nicht bist wie die anderen, wenn du etwas nicht so kannst wie die anderen. Du bist einzigartig, du bist etwas Besonderes und kannst mit Sicherheit irgendetwas besser als die anderen. In eingängigen Reimen bringt der Autor und Songwriter Kai Lüftner die witzige Geschichte von Furzipups und seine Mutmach-Botschaft zu Papier. Wiebke Rauers hat dazu einmalig schöne ausdrucksstarke Bilder gemalt, deren beeindruckende Farbigkeit und Lebendigkeit besticht. Nicht zu vergessen der im Buch integrierte „Pups-Knopf“. Buch und Pups-Button machen übrigens nicht nur kleinen Kindern Spaß…

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.06.2019
Zehn Stunden tot / Fabian Risk Bd.4
Ahnhem, Stefan

Zehn Stunden tot / Fabian Risk Bd.4


sehr gut

Gespaltenes Leseerlebnis
Insofern gespalten, weil mir das Buch einerseits richtig spannende, packende Leseunterhaltung bot, andererseits die Handlungsstränge unfertig blieben und ich deshalb irgendwie frustriert nach knapp 500 Seiten die Lektüre beende. Liegt es daran, dass ich die Vorgängerbände nicht kenne? Oder ist das eine besonders fiese Masche des Autors, damit man stets die nachfolgend erscheinenden Bücher des Autors rund um den Ermittler Fabian Risk lesen will?
Der Verlag kündigt das Buch so an: „Helsingborg ist nicht mehr der idyllischen Ort an der schwedischen Küste, der er mal war. Während eine Reihe von Morden die Stadt erschüttert, kämpft Kommissar Fabian Risk gegen sein ganz persönliches Leid: Seine Familie droht an seiner Arbeit als Mordermittler zu zerbrechen. Aber sein Job ist sein Leben. Er kann nicht anders und nimmt sich der Aufklärung der Morde an, doch er findet keine Spur. Risk und seine Kollegen ahnen nicht, dass der Täter seine Opfer durch ein Würfelspiel rein zufällig auswählt, genau wie die Mordwaffe und den Tatort. So lassen sich keinerlei Verbindungen zu ihm herstellen. Wird dieser Fall ungelöst bleiben?“
Der Autor kann schreiben, und wie! Packend, lebendig, fesselnd, spannend. Eine faszinierende Tätergestalt, die anhand eines komplizierten Würfelsystems Opfer und Mordmethode auswählt, unberechenbar, eiskalt, bedrohlich. Kurze Kapitel, rasche Szenenwechsel halten den Leser permanent in Spannung. Die Zeitsprünge und verschiedene Handlungsstränge fordern den Leser allerdings sehr. Umso ärgerlicher ist es, dass offensichtlich die Kenntnis der Vorgängerbände ratsam ist, was jedoch von Verlagsseite nicht kommuniziert wird. Besonders das offene Buchende habe ich als ärgerlich empfunden.

Bewertung vom 10.06.2019
Stadtvilla Hoheluft / Hammonia Bd.1 (eBook, ePUB)
Lüdders, Kai

Stadtvilla Hoheluft / Hammonia Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Interessante Familiensaga – suboptimal umgesetzt
Soeben habe ich das Buch zu Ende gelesen – aber was schreibe ich nun? Ich bin ratlos. Da ist zum einen dieses unsäglich missglückte, fast lächerlich wirkende Cover, bei dem ein Hamburger Gebäude einer gepflegten alten Frau aus dem Kopf wächst. Klar, die Symbolik habe ich schon verstanden, Verbundenheit zur Stadt Hamburg, die Firma steht über allem. Aber ein Cover soll Kaufimpulse auslösen, nicht Kopfschütteln.
Worum geht es im Buch? Hamburg 1991 – die Zeit der deutschen Wiedervereinigung und des immer stärker werdenden Konkurrenzkampfes. Adele Bartelsen ist Chefin und Haupteigentümerin tausender BEST-KAUF-Supermärkte. Sie möchte dieses Erbe an ihre Söhne übergeben, doch sowohl Konstantin als auch Gero halten sich aus den Firmengeschäften heraus. Claus, der Älteste, fühlt sich von der Mutter nicht wertgeschätzt und konkurriert stark mit seinem Bruder Hans. Ein scheinbar lukratives Immobiliengeschäft wird an Claus herangetragen, und er sieht darin eine einmalige Chance, sich endgültig zu profilieren und die Achtung aller zu erringen…
Eine Trilogie soll es werden. Viel Arbeit für den Autor, der aufgrund familiärer Verbindung zu einem Gründer der SPAR Supermarkt-Kette zu dieser Aufgabe inspiriert wurde. Mit Sicherheit hat Kai Lüdders sorgfältig und fleißig recherchiert, nicht nur was das Wirtschaftsleben in Deutschland bis 1991 betrifft. In locker eingestreuten Rückblicken erfährt man auch von der Zerstörung Hamburgs im Zweiten Weltkrieg. Das ist zweifelsfrei interessant und lesenswert. Und trotzdem lässt mich das Buch ratlos zurück. Da sind z. B. die von sehr lockerer Hand eingestreuten Zeitsprünge: 1992, 1943, 1991, 1989 – das alles bereits auf den ersten 40 Seiten! Oder die Cliffhanger… Mir kommt es so vor, als habe der Autor die „Tricks“ der erfolgreichen Thriller-Autoren abgeschaut und dabei vergessen, dass sein Buch die Geschichte einer Kaufmannsfamilie ist, also ein Familienroman, der einer weitgehend linearen Erzählweise bedarf. Der Leser wird sowieso schon sehr gefordert durch die ausschweifenden wirtschaftstheoretischen Einschübe, durch die sehr, sehr breit ausgewalzten Gedankengänge mancher Protagonisten, durch die ermüdenden Wiederholungen. Zum Beispiel genügt es dem Leser, einmal zu lesen, dass Konni ein Freigeist ist und der Kunst zugetan. Und es genügt, einmal die aufrechte Haltung Adeles zu beschreiben. Es braucht keine vielfachen Wiederholungen, es braucht keine Verwirrung durch wahllos eingestreute Zeitsprünge. Und, ach ja, immer ist die Mutter schuld, bei den Bartelsen, bei Broderson. Selbst bei Eggemeyer ist Adele schuld. Nein, lieber Autor, so einfach sind Menschen nicht gestrickt.
Fazit: Ein interessanter Plot, suboptimal umgesetzt.

Bewertung vom 07.06.2019
Perfekt für dich
Schreiber, Chantal

Perfekt für dich


ausgezeichnet

Witzig, frisch, fröhlich
Das Cover finde ich häßlich, aber das mag daran liegen, dass ich ü60 bin – also nicht zur eigentlichen Zielgruppe des Buches gehöre. Dennoch lese ich ab und zu gerne und neugierig Kinder- und Jugendbücher.
Im vorliegenden Buch (ab 12) geht es um Kim, die am liebsten Fußball spielt und deren großer Schwarm das Mathegenie Danny ist. Kim ist schlecht in Mathe und braucht dringend Nachhilfe, am liebsten natürlich von Danny. Doch ihre Mutter setzt ihr ungefragt Mila, die Streberin, als Nachhilfelehrerin vor die Nase, was natürlich gar nicht gut gehen kann…
Was mich von der ersten Seite an für das Buch eingenommen hat, ist der Schreibstil. Der Autorin gelingt es perfekt, sich mit viel Humor in das Leben der 13-jährigen Kim hineinzuversetzen und ihren Alltag, ihre schwärmerischen Gedanken, ihren Trotz und alles, was sonst noch zum Erwachsen-Werden gehört, lebendig zu schildern. Frech, ungeheuer witzig und frisch wird erzählt. Und, was ich wichtig finde, die Sprache ist nicht auf „jugendlich“ gemacht, sondern sie wirkt echt, aus dem Leben gegriffen, dabei aber immer ansprechend. Die gelegentlich eingestreuten Kurznachrichten mit Emojis peppen das Buch zusätzlich auf. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Protagonisten liebenswert, besonders Oma Bine und Leo haben es mir in ihrer herzerfrischenden Art angetan. Die erzählte Geschichte nimmt die Achterbahn der Gefühle der Altersgruppe der Zwölf- bis Vierzehnjährigen ernst, lässt nicht aus, dass unbedachte Handlungen durchaus unangenehme Konsequenzen haben können und wie wichtig gerade dann ein verständnisvolles Umfeld ist.
Mir hat das Buch rundum gut gefallen – bis auf das Cover…

Bewertung vom 27.05.2019
Das Verschwinden der Stephanie Mailer
Dicker, Joël

Das Verschwinden der Stephanie Mailer


ausgezeichnet

Spannend und anstrengend gleichermaßen
Eine Leseprobe hatte mich „angefixt“, so dass ich mich mit Begeisterung auf den dicken Wälzer mit fast 700 Seiten stürzte.
Die recht verschlungene Handlung wird vom Verlag so erzählt: „Es ist der 30. Juli 1994 in Orphea, ein warmer Sommerabend an der amerikanischen Ostküste: An diesem Tag wird der Badeort durch ein schreckliches Verbrechen erschüttert, denn in einem Mehrfachmord sterben der Bürgermeister und seine Familie sowie eine zufällige Passantin. Zwei jungen Polizisten, Jesse Rosenberg und Derek Scott, werden die Ermittlungen übertragen, und sie gehen ihrer Arbeit mit größter Sorgfalt nach, bis ein Schuldiger gefunden ist. Doch zwanzig Jahre später behauptet die Journalistin Stephanie Mailer, dass Rosenberg und Scott sich geirrt haben. Kurz darauf verschwindet die junge Frau ...“
Eigentlich erzählt Dicker so packend und lebendig-fesselnd, dass das Buch leicht lesbar ist. Und doch verlangt das Lesen volle Konzentration, denn nicht nur der oft willkürlich wirkende Wechsel zwischen zwei Handlungssträngen mit einem Zeitabstand von 20 Jahren ist irgendwie anstrengend. Auch die Schilderung der Personen in Vergangenheit und Gegenwart und deren Umgang miteinander empfand ich als anstrengend. Dennoch bin ich dem Autor sehr gerne auf allen von ihm auf den Leseweg gestreuten Puzzle-Teilchen gefolgt, kreuz und quer, hin und her, bildhaft-atmosphärisch füllig erzählend. Immer wenn mich das Lesen zu ermüden begann, packte mich der Autor erneut, mit einem Cliffhanger, mit einer überraschenden Wendung, mit einer skurrilen Nebengeschichte… Kurzum: Der Roman ist sowohl leicht lesbar und packend erzählt, als auch fordernd-anstrengend. Mir hat er sehr gefallen.

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Bewertung vom 26.05.2019
Die Katze im Lavendelfeld
Stellmacher, Hermien

Die Katze im Lavendelfeld


ausgezeichnet

Ein lebenskluges, warmherziges Buch
Schön ist es, ab und zu ein Buch zu entdecken, das den Leser ganz und gar einhüllt in den Kokon seiner warmherzig erzählten Geschichte, ein leicht lesbares Wohlfühlbuch also, so etwas wie eine Seelenwärmflasche. Genau das schafft Hermien Stellmacher auf bezaubernde, ganz und gar nicht kitschige Weise.
Alice, Biologin und Foodbloggerin, ist nach einem Schicksalsschlag, von dem wir erst im Laufe des Buches Näheres erfahren, auf der Suche nach einem, nein, nach dem idealen Haus in der Provence, in dem sie mit ihren beiden Katzen ein Zuhause finden könnte. Doch diese Suche gestaltet sich außerordentlich schwierig. Ein kleines Findelkätzchen vertreibt dann auch noch Alice’s Katzen, die sich in den verwunschenen Garten eines ehemaligen Hotels, heute verlassen und leerstehend, zurückziehen. Doch damit nicht genug, Alice wird ihre kleine Wohnung gekündigt, die 70-jährige Nachbarin Jeanine gleitet mehr und mehr in die Demenz ab und der Restaurantbesitzer Georges muss nach einer gewaltigen Pachterhöhung um seine Existenz fürchten.
Wir erleben den Sommer in der malerischen Provence, wir sehen, riechen und schmecken die Natur, die wunderbaren Farben, das leckere Essen – rundum, wir genießen, was uns die Autorin serviert, mit allen Sinnen, bis wir völlig abgetaucht sind in ein entspanntes Urlaubs-Wohlgefühl. Alice selbst und der Freundeskreis um sie herum werden ebenfalls sehr lebendig und lebensnah geschildert. Schön auch, wie leiser Humor immer wieder aufblitzt und dem Buch eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Wir lernen Individualisten kennen, die dennoch mehrheitlich gewillt sind, in Freundschaft auf einander zu achten, die zu kämpfen haben, aber nicht aufgeben. Die weniger sympathischen Protagonisten und die erzählten Lebensprobleme sind wichtig, um dem Roman ein wenig Tiefe zu geben. Und natürlich wünschen wir uns alle beim Lesen das dann tatsächlich eintretende märchenhaft gute Ende. Mit einem wohligen Seufzer schließen wir das Buch ab und fühlen uns gut.
Ein atmosphärisch schön geschriebener Roman, warmherzig und lebensklug.

Bewertung vom 11.05.2019
Düsternbrook
Milberg, Axel

Düsternbrook


ausgezeichnet

Eine gelungene literarische Collage
Kurzweilig ist dieses Buch und leicht lesbar. Ein Buch für zwischendurch sozusagen. Doch Leichtigkeit darf nicht mit Belanglosigkeit gleichgesetzt werden. Denn das Buch hat es tatsächlich in sich.
Wir begleiten Axel von der Kindheit bis ins Studentenleben und zur Aufnahme in der Schauspielschule. Wir folgen diesem Werdegang anhand von Erinnerungssplittern, anhand von Momentaufnahmen, die bruchstückhaft auftauchen und als unvollständige Puzzle-Teile erzählt werden. Dies geschieht in einem ganz eigenen Sprachstil, sehr reduziert, dabei punktgenau, mit dem gelegentlich aufblitzenden unterkühlten Humor des Norddeutschen. Es ist eine Lust, als Leser diese Lebenssplitter einzusammeln und der Entwicklung des jungen Axel zu folgen. Dem Autor ist die große Kunst gelungen, sehr genau die Sichtweisen des Kindes in Sprache umzusetzen. So wie sich dem Heranwachsenden neue Erlebnisse in ihrer eigenen Bedeutsamkeit eröffnen, so erweitert sich auch mit zunehmendem Alter die Sprache. Hier schreibt nicht ein wissender Erwachsener über sein Kind-Sein, sondern die gesammelten altersgemäßen und unzensierten Erinnerungsfetzen sprechen für sich selbst. Wir erleben die Gabe des Kindes, sich in träumerischer Weise das Überleben in einer nicht gerade warmherzigen Familie zu sichern. Mit großer Fantasie rückt Axel seine Welt für ihn passend zurecht, und liebenswert-komische Zeitgenossen, wunderbar beschrieben, übernehmen zeitweise die Führungsrolle bei der Suche nach dem Wohin. All das wird durch die kurzen Sequenzen, durch das nicht-lineare Erinnern für den Leser spürbarer und ehrlicher, weil hier eben nicht ein Erwachsener die Erinnerungen zurechtrückt, zurechtbiegt, in einen eitlen Konsens bringt. Es gibt im Buch auch sehr verstörende Puzzle-Teile, die scheinbar nicht ins Gesamtbild passen, aber eben nur scheinbar. Denn auch sie haben ihre eigenen Auswirkungen, tragen vielleicht sogar dazu bei, dass Axel letztlich seine Heimatstadt verlässt.
Das Buch wirkt lange nach, obwohl oder vielleicht gerade weil es in dieser wohltuend-zurückhaltenden Weise geschrieben ist. Hier pflegt nicht ein Schauspieler seine Eitelkeiten, sondern es hat ein feinsinniger Mensch seine eigene Sprache gefunden, unaufdringlich-eindringlich. Das ist Literatur.