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seschat
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 897 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2019
Happy Hour für die Liebe
Bybee, Catherine

Happy Hour für die Liebe


ausgezeichnet

INHALT
Shannon Wentworth (34) ist Hochzeitsfotografin und seit drei Jahren vom kalifornischen Ex-Gouverneur geschieden. Ihr neuestes Engagement führt sie in den mexikanischen Badeort Tulum. Hier soll sie die Hochzeit des reichen Unternehmers Victor mit seiner viel zu jungen Freundin Corrie fotografieren. Doch es kommt anders, als gedacht. Corrie bekommt nämlich kalte Füße und lässt Bräutigam Victor kurz vor der Hochzeit vorm Altar stehen. Shannon nimmt sich prompt seiner an und entdeckt dabei erstaunliche Seiten am anfangs unsympathischen Workaholic.

MEINUNG
Catherine Bybee Roman ist geprägt durch ein ständiges emotionales Auf und Ab zwischen Hauptfigur Shannon und ihrem ungewollten Urlaubsflirt Victor. Vor allem Shannon ist anfangs so gar nicht vom geschäftigen Victor angetan und gibt ihn wenig schmeichelhafte Spitznamen. Doch was sich neckt, das liebt sich. Ihre gegenseitigen Sticheleien machen das Buch so lesenswert. Zudem öffnet sich Shannon das erste Mal nach der Trennung von ihrem Mann ausgerechnet gegenüber Victor und wird dabei von ihren eigenen Gefühlen überrascht. Ihre Zukunftspläne geraten auf einmal ins Wanken. Dann grätscht auch noch ihr Ex-Mann Paul dazwischen. Kurzum, dieses Buch bietet eine Menge emotionales Wirrwarr à la Pilcher. Neben den beiden Turteltauben nehmen Shannons neugierige Freunde eine wichtige Rolle ein. Sie kümmern und sorgen sich um ständig um Shannons Seelenheil und wollen sie möglichst vor einer nächsten emotionalen Bruchlandung bewahren. Wirklich echte Freunde. Einzig das allzu blumige Ende hätte ein klein wenig realistischer ausfallen können - aber Liebesromanfans werden es mögen. Insgesamt lasen sich die 376 Buchseiten ausgesprochen flüssig.

FAZIT
Eine wirklich emotional mitreißende Romanze, die mit einer wohldosierten Prise aus Drama und Heiterkeit versetzt wurde.

Bewertung vom 02.08.2019
Geht's dir gut oder hast du Kinder in der Schule?
Willers, Anke

Geht's dir gut oder hast du Kinder in der Schule?


ausgezeichnet

Anke Willers ist Buchautorin und Journalistin, hat u.a. für die Magazine "Eltern" und "Eltern family" geschrieben. Im vorliegenden Buch berichtet sie über die komplizierte Schulzeit ihrer beiden Töchter Greta und Ida. Beide hingen schulisch hinterher und benötigten stets Unterstützung. Mutter Anke schlüpfte dadurch ungewollt in die Rolle der "Hilfslehrerin". Neben ihren anspruchsvollen Beruf bestimmte das Thema Schule ganze 13 Jahre ihr Leben. Ehrlich und mit viel Witz erzählt sie ihre Geschichte. Anke Willens war dabei oft nah an der Verzweiflung, doch brachte beide Töchter bis zum Schulabschluss. Die eine hyperaktiv, die andere langsam und verträumt, beides kam in der Schule nicht wirklich an. Dort, wo Auswendiglernen und schnelle Stoffbewältigung an der Tagesordnung stand, spielte Mutter Anke stets Feuerwehr. Sowohl das besondere Schulsystem in München mit seinen unzähligen Zwischenprüfungen, das mangelnde Prestige von Mittelschulen als auch die Einführung des Smartphones als Konzentrationskiller machten der engagierten Mutter, die in der Schule selbst nie Hilfe benötigte, arg zu schaffen. Willers realistische Einschätzung des derzeitigen Istzustands in deutschen Schulen macht betroffen. Denn nicht alle Eltern, ob nun aus beruflichen oder geistigen Gründen, können diese Aufgabe stemmen. Und nicht jeder ist der geborene Pädagoge, dafür gibt es ja die Schule, aber wenn selbst die nichts mehr vermittelt, was bleibt dann? Da kann man sich wie die Autorin nur in Ironie flüchten (s. Buchtitel). Quo vadis deutsche Schulbildung?

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.07.2019
Was nicht mehr im Duden steht
Graf, Peter

Was nicht mehr im Duden steht


ausgezeichnet

Autor Peter Graf nimmt den interessierten Leser in seinem Buch "Was nicht mehr im Duden steht" auf eine spannende Zeitreise mit. Es geht einmal quer durch den deutschen Wortdschungel, wobei Wörter im Fokus stehen, die mit der Zeit aus dem deutschen Rechtschreibduden gestrichen wurden. Seit der Erstausgabe von 1880 bis zur aktuellen 27. Auflage von 2017 sind einige Jahre mit wechselnden historischen Ereignissen, Reformen und Trends ins Land gegangen. Dementsprechend hat die Dudenredaktion das ein oder andere Wort, wie z. B. Zugemüse, Schwitzer oder Lichtbildner, streichen müssen. Die im Buch enthaltenen 20 Essays widmen sich ganz unterschiedlichen Themenfeldern (Medizin, Mode, Historie usw.). Auf diese Weise bekommt der Laie einen kurzweiligen Einblick in die Materie, den dieser mithilfe der angeführten Lektüretipps, je nach Laune, vertiefen kann. Persönlich konnte ich viel Wissenswertes zur deutschen Sprach- und Kulturgeschichte mitnehmen. Besonders Grafs Wortlisten und kleine Wortanekdoten mochte ich.

FAZIT
Eine spannende Lektüre, die für deutsche Sprachliebhaber und -stilisten wie geschaffen ist und zeigt, dass sich Sprache Gott sei Dank immer im Wandel befindet.

Bewertung vom 19.07.2019
Herzklopfen nicht ausgeschlossen
Hanel, Julia

Herzklopfen nicht ausgeschlossen


ausgezeichnet

INHALT
Der Münchener Leonard Maywald, 29, ist Multimillionär und Playboy. Täglich feiert er ausgelassene Partys und schwelgt im Luxus. Als er eines Abends im Suff mit einem Rollator einen Polizeiwagen rammt, muss er zur Strafe 100 Sozialstunden in einem Pflegeheim in Starnberg ableisten. Natürlich hat Leonard, genannt Leo, wenig Interesse daran, früh aufzustehen und sich mit alten Leuten zu beschäftigen, aber er hat die Rechnung ohne Ophelia Friedmann, 27, gemacht, die im "Seniorenglück" jobbt und ihn stets auf die Finger schaut. Sie ist vom reichen Beau anfangs alles andere als begeistert, regelrecht genervt.

MEINUNG
Julia Hanels neuester Liebesroman las sich ausgesprochen flüssig und leicht. Mir hat vor allem der moderne wie humorvolle Sprachstil gefallen. Ophelia und Leo schenken sich verbal nichts und ziehen sich fortwährend gegenseitig auf. In Charakter und Lebensstil unterscheiden sie sich diametral voneinander. Vor allem Ophelia, genannt Feli, ist von Anfang an in Sachen Leo auf Krawall gebürstet. Dass Hanel die Erzählerrolle unter beiden Protagonisten aufgeteilt hat, war ein kluger Schachzug. Auf diese Weise kann der Leser in beider Seelenleben eintauchen und hautnah an ihrer ungewöhnlichen Liebesgeschichte teilhaben. Während Feli um jeden Cent kämpft, wegen ihrer an Alzheimer erkrankten Großmutter ihr Medizinstudium auf Eis legt und im alten Haus der Großeltern lebt, führt Leo ein sorgenfreies Leben, sieht man einmal von dem zerrütteten Verhältnis zu seinen Eltern ab. Mit einer App hat er Millionen verdient, wird aber vom konservativen Juristenvater nicht anerkannt. Es hat mir eine Menge Freude bereitet, Hanels spannenden, z. T. recht klischeebesetzten Figuren über die Schulter schauen zu dürfen. Am meisten habe ich aber mit Feli mitgefiebert, die aus dem oberflächlichen Schnösel Leo einen emotionalen Menschen macht. Darüber hinaus mochte ich die Episoden aus dem Altersheim sehr, in denen Leo sich von einer anderen, verständigen Seite zeigte. Vor allem die Zeitungslesestunden waren ein Fest für die Lachmuskeln. Das verspielte Cover spricht mit seinem floral-filigranen Stil vor allem die weibliche Leserschaft an.

FAZIT
Ein insgesamt mehr als gelungener Frauenroman, der zwar keine neue Geschichte erzählt, diese aber in modern-heiteres Gewand verpackt.

Bewertung vom 16.07.2019
Deutschland verdummt
Winterhoff, Michael

Deutschland verdummt


ausgezeichnet

Dem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Michael Winterhoff liegt das Wohl unserer Kinder und Jugendlichen am Herzen. Letzteres sieht er seit Jahren durch die gravierenden Änderungen im Bildungssystem gefährdet. "Offener Unterricht" und "autonomes Lernen" in Kindergärten und Grundschulen seien seiner Meinung nach die Wurzeln allen Übels. Wenn es keine Lehrer-Schüler-Beziehung mehr gibt und nur noch gemacht wird, was Spaß macht und bloß nicht anstrengt, dann sind die Auswirkungen auf die psychische Entwicklung der Kinder immens. Emotionale Intelligenz war gestern, heute herrschen Wirtschaftlichkeit und Ellenbogenmentalität in Schulen vor. Die Tendenz, dass Eltern zunehmend nicht mehr in der Lage sind, empathisch auf den Nachwuchs einzuwirken, diesen gar als persönliche Projektionsfläche und damit als Erwachsenen ansehen, halte ich für äußerst bedenklich. Die Schule kann die mangelnde Schulreife vieler Kinder häufig nicht beheben, ist durch ständig wechselnde Konzepte und schülerzentrierte Lehrmethoden gar oftmals außen vor. Die Folge sind unzureichend gebildete Auszubildende und Studenten. Als Schulabgänger richtig schreiben, lesen und rechnen zu können, ist nicht mehr die Norm.

Das Schreckensszenario, welches Winterhoff in seinem Bestseller "Deutschland verdummt" zeichnet, ist keine Vision, sondern längst in der Gegenwart angekommen. Das bezeugen nicht nur die angeführten Interviews mit Lehrern, Eltern und Hausmeistern, sondern auch zahlreiche Zeitungsartikel wie Erlebnisse aus Winterhoffs psychotherapeutischen Praxisalltag. Wenn selbst Erstsemesterstudenten der Germanistik Rechtschreibung und Grammatik nicht mehr beherrschen und Auszubildende bei einfachsten Umgangsformen versagen, dann sieht's wirklich düster aus. Mehr noch, Theoretiker entscheiden über Lehrpläne und -inhalte (wie z. B. "Lesen durch Schreiben"). Lehrer versetzen wiederum schlechte Schüler aus Angst vor beruflichen Konsequenzen und bürokratischen Folgen in die nächste Klassenstufe. Sitzenbleiben soll am liebsten nicht mehr vorkommen.

Das Besondere an diesem Buch ist, dass endlich mal jemand in einer Zeit des "großen Schweigens" die deutsche Bildungsmisere und ihre Folgen offen und ungeschönt, unter Bezugnahme vieler Quellen, diskutiert. Winterhoff äußert seine Kritik mit Witz und Verstand und liefert zudem Lösungsansätze.

FAZIT
Eine Streitschrift, die viele Wahrheiten offen und ehrlich transportiert und zeigt, Bildung geht uns alle an. Eltern, Lehrer und Bildungspolitiker müssen ihre Rollen überdenken.

Bewertung vom 13.07.2019
Überflieger
Ernst, Karin

Überflieger


sehr gut

Familiendrama

INHALT
Karin Ernsts Debütroman beschäftigt sich mit dem aktuellen Thema "Helikoptereltern". Im Mittelpunkt der Handlung steht dabei der 5-jährige Raffael von Koppenstein, den seine Mutter Claire für hochintelligent hält. Nachdem die vierköpfige Familie von Koppenstein nach einem längeren Forschungsaufenthalt in den USA nach Deutschland zurückgekehrt ist, läuft ab Raffaels vorzeitiger Einschulung alles schief. Die sonst so entspannten Akademikereltern sind auf einmal mit dem ach so intelligenten Nachwuchs überfordert. Raffael, genannt Raffi, langweilt sich und hasst seine Schule. Er hat sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht und träumt lieber vor sich hin bzw. liest Fachbücher. Schönschreiben und Hausaufgaben will der Sohnemann nicht. Die polyglotte Mutter Claire führt Unterforderung als Grund für Raffis Schulunlust an und erwirkt nach zähem Ringen, dass er eine Grundschulklasse überspringt. Doch auch dadurch ändert sich Raffis Verweigerungshaltung nicht, Claire und Ehemann Niko sind verzweifelt. Die ältere Vorzeigetochter Cordelia fühlt sich von ihren Eltern mehr und mehr vernachlässigt.

MEINUNG
Ernst hat ihren 448-seitigen Roman als Drama angelegt, das sich von Kapitel zu Kapitel steigert. Sie zeigt darin eindrücklich, was passiert, wenn Eltern versuchen, von Anfang an alles in Sachen Kindererziehung und -förderung richtig zu machen, dabei aber das Wohl und den Willen des Kindes außer acht lassen. Vor allem die omnipräsente Akademikerin Claire von Koppenstein steht im Fokus. Ihre verblendete Auffassung, dass alle Familienmitglieder Intelligenzbestien seien, entfacht das Drama um Anerkennung erst. Im Freundeskreis vergleicht sie sich und den eigenen Nachwuchs stets und glaubt, besser als der Durchschnitt zu sein. Schönheit und Klugheit spielen eine übergeordnete Rolle. Obschon Claire die Erziehung von Raffi und Cordelia allzu häufig schleifen lässt und nicht eingreift, wenn nicht mit Messer und Gabel gegessen wird oder Raffi nur noch mit falschem Bart durch die Gegend läuft. Mir hat vor allem der sarkastische Grundton der Story gefallen. Claire ist der Aufbrausende und messerscharf analysierende Elternteil, während Niko den ruhigen, pragmatischen Part übernimmt. Die Kinder Raffi und Cordelia haben ihren eigenen Kopf und rebellieren auf, was fortwährend zu innerfamiliären Kämpfen führt. In deren Folge bekommt das ach so heile Familienbild Risse und jedes Familienmitglied leidet auf seine Weise, weil nach außen stets der schöne Schein gewahrt wird. Hierbei fand ich es spannend, dass die Autorin die handelnden Personen wechselweise zum Sprechen brachte. Problem hatte ich damit, dass sich der Plot ab dem 2/3 bis zum Ende recht hinzog und redundante Passagen enthielt. Hier wäre weniger, mehr gewesen. Auch der offene Schluss war nicht nach meinem Geschmack, da ich mir nach dem aufwühlenden Hin und Her einen geradlinigen Schnitt gewünscht hätte.

FAZIT
Eltern müssen lernen, dass nicht jedes Kind automatisch ein Genie ist. Ernst zeigt in ihrem Debüt eindrücklich, wohin falsche Erwartungen und Entscheidungen führen können. Wahrlich ein tagesaktuelles Familiendrama, das zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 03.07.2019
Von wegen Dolce Vita!
Hennig, Tessa

Von wegen Dolce Vita!


ausgezeichnet

INHALT
Ex-Hippie und Journalistin Angi Schirner hat jahrelang keinen Kontakt zu Tochter Janis und Enkeltochter Leonie. Doch ein Sardinientrip wird alles verändern. Für eine Reportage reist die rüstige Berlinerin nach 1968 wieder ins Val della Luna. Mit dabei ist ihre Enkeltochter Leonie, die keine Lust auf Schwedenurlaub mit Spießermutti Janis und deren neuen Partner Sven hat...

MEINUNG
Tessa Hennigs neuester Roman erzählt eine turbulente und zugleich ungemein heitere Familiengeschichte. Vor der italienischen Traumkulisse finden plötzlich ungewollt drei Generationen der Familie Schirner - Großmutter, Tochter und Enkeltochter - wieder zueinander. Ausgerechnet der Spirit der 68er führt zur Läuterung. Ich habe mich jedenfalls herzhaft über die rüstige Angi und ihre kecke Enkelin Leonie amüsiert. Beide sind mir gleichermaßen mit ihren Sprüchen und ihrer direkten Art ans Leserherz gewachsen. Hinzu kam, dass die Story abgesehen vom Hippieflair auch viel emotional anrührende Passagen enthielt, die keineswegs kitschig waren. Insgesamt ließ sich die Generationengeschichte, gespickt mit allerlei zwischenmenschlichen Konflikten, recht flüssig lesen.

FAZIT
Ein durchweg unterhaltsamer Frauen- und Sommerroman, der neben Flower Power auch viel fürs Herz zu bieten hat.

Bewertung vom 01.07.2019
Mein Leben als Sonntagskind
Visser, Judith

Mein Leben als Sonntagskind


sehr gut

INHALT
Jasmijn Vink verhält sich seit ihrer Kindheit anders. Sie meidet Gemeinschaften, ist gern allein und redet nur mit ihr bekannten Personen, auch längeren Blickkontakt kann sie nicht halten. Sie lebt in ihrer eigenen Welt bestehend aus Musik von Elvis, ihrer besten Freundin, Hündin Senta, und Büchern. Die Eltern kennen Jasmijn nur so und hinterfragen ihr Verhalten mit der Zeit nicht mehr.

MEINUNG
Judith Vissers Geschichte über das einzelgängerische Mädchen aus Rotterdam las sich ausgesprochen flüssig. Hauptprotagonistin und Ich-Erzählerin Jasmijn verkörpert darin viele typisch autistische Eigenschaften sehr realistisch. Sie nimmt sich selbst als Außenseiterin wahr und wäre gern anders, offener, lebendiger. Was dahinterstecken könnte, offenbart sich ihr aber erst mit Anfang zwanzig. Vissers Roman erzählt die Geschichte vor der Diagnose - mal herrlich witzig, mal verstörend emotional. Wer wissen möchte, wie sehr der normale Alltag einen Autisten aus der Bahn werfen kann und was es heißt, von den anderen immer als arrogant bzw. seltsam wahrgenommen zu werden, sollte zu dieser wirklich lesenswerten Lektüre greifen. Jasmijns Kindheit und Erwachsenwerden werden recht anschaulich und ausführlich, samt schulischer Strapazen, geschildert. Einzig die Seitenzahl und damit das unnötige In-die-Länge-Ziehen der Story konnte mich nicht überzeugen.

FAZIT
Ein aufschlussreicher und zugleich unterhaltsamer Roman über ein Mädchen, das nicht weiß, dass es Asperger hat.

Bewertung vom 29.06.2019
Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter
Bechtolsheim, Sophie von

Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter


sehr gut

Sophie von Bechtolsheim, geb. 1968, ist nicht nur eine Enkelin des deutschen Widerständlers Claus Schenk von Stauffenberg, sondern auch Historikerin. Als solche lehnt sie es kategorisch ab, ihren Großvater als Attentäter zu bezeichnen, weil dieser nicht mit den heutigen Terroristen bzw. Attentätern gleichzusetzen sei, denen es vorrangig nur um Zerstörung und Ausrottung gehe. Die Widerstandsgruppe um den 20. Juli 1944 wollte nämlich ein neues, politisch gerechtes System begründen. Dafür erachteten sie die Ermordung Hitlers allerdings als unumgänglich. Dass es im Nachgang gerade ihr Großvater ist, der immer im Fokus der Öffentlichkeit steht, wenn es um den 20. Juli 1944 oder den Widerstand gegen Hitler geht, ist ihr eine zu eindimensionale Sichtweise. Es gab unzählige Personen neben Stauffenberg, die bereit waren, für eine neue Ordnung ihr Leben zu lassen, über die aber wenig bis gar nicht gesprochen wird. Diese ungenügende Betrachtungsweise und gleichzeitige Instrumentalisierung, gar Überhöhung ihres Ahnen goutiert sie daher keinesfalls.

Sophie von Bechtolsheim konnte ihren Großvater leider nicht kennenlernen. Ihr Wissen stammt daher größtenteils aus Gesprächen mit ihrem Vater Franz Ludwig, ihrer Großmutter Nina und aus überlieferten Quellen (Briefen, Fotos etc.). Dementsprechend hat sie es sich, gerade auch als Historikerin, nie leicht gemacht Stellung zu einem ihr fremden Mann zu beziehen. Bis heute hat sie Probleme damit, allein auf die "heroische Tat" reduziert und entsprechend hofiert zu werden. Diese Beweihräucherung betrieben weder ihre Großmutter noch die anderen Verwandten.

Im vorliegenden Buch geht es hauptsächlich um den Privatmann Claus Schenk Graf von Stauffenberg, aber auch um den 20. Juli 1944 und dessen Folgen bzw. Stauffenbergs Pläne für danach. Die dürftige Quellenlage und die Hinrichtung am 21. Juli 1944 lassen bis heute nur Spekulationen zu. Wichtiger ist der Autorin aber, was für ein Mensch ihr Großvater gewesen ist. Um sich der "Überfigur" zu nähern, hat sie, so mein Eindruck, vor allem das Buch ihrer Tante Konstanze von Schultheiss genutzt. Denn viele Passagen aus der genannten Biografie über Großmutter Nina kamen mir bekannt vor. Wer Schultheiss' Buch gelesen hat, der wird also nicht viel Neues erfahren, eher Altbekanntes wiederfinden. Bechtolsheims 75-seitige Familiengeschichte ist trotzdem lesenswert. Das liegt nicht nur am baldigen 75. Gedenktag des Attentats, sondern vor allem an den vielen Einblicken ins Stauffenberg'sche Privatleben. Von den Großeltern Claus und Nina über den Vater Franz Ludwig bis zu Enkelin Sophie wird der Bogen gespannt. Meine Highlights waren die Schilderungen über Stauffenbergs Charakter und Eigenheiten sowie die großmütterliche Kritik an bekannten neuzeitlichen filmischen Inszenierungen (Operation Walküre und Stauffenberg (Der Film)).

FAZIT
Persönlicher Annäherungsversuch an den medial überhöhten Großvater, der zwischen den Zeilen viel Stolz und Dankbarkeit offenbart. Spannend bleibt, wie in Zukunft über Stauffenberg und dessen Attentat gesprochen und gerichtet werden wird.

Bewertung vom 25.06.2019
Liebe ist Chefsache (eBook, ePUB)
Garde, Kerstin

Liebe ist Chefsache (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

INHALT
Für Sidonie Albrecht könnte es nicht besser laufen. Beruflich ist die 26-Jährige als Grafikdesignerin sehr gefragt und steht noch dazu kurz vor der Hochzeit mit Freund Jonas. Blöd nur, wenn der geliebte Promisohn dann überraschend nicht zur Trauung erscheint und man von allen nur bedauert wird. Doch Sidonie macht aus der Not eine Tugend und tritt die geplante Hochzeitsreise nach Mykonos mit ihrer besten Katja samt Terrier Shorty dann doch an. Auf der griechischen Trauminsel möchte sie nun zur Ruhe kommen und alles verarbeiten. Doch dafür hat sie nur wenig Zeit, denn ihr versnobter und kritischer Chef Konstantin hat im gleichen Hotel eingecheckt - wenn das mal kein Zufall ist?!

MEINUNG
Kerstin Gardes locker-leichter Frauenroman hat mir witzige Lesestunden beschert.

Sidonie ist eine sympathische Hauptprotagonistin, die sich viel Zeit für ihre Mitmenschen nimmt und das Herz am rechten Fleck hat. Ihre ehrliche, kämpferische Art mochte ich auf Anhieb. Obgleich sie von Jonas vorm Altar sitzen gelassen wurde, verzweifelt sie nicht, sondern macht das Beste daraus. Dass nicht nur die griechische Traumkulisse, sondern vor allem ihr miesepetriger Chef sie aufmuntern wird, hätte wohl keiner für möglich gehalten. Denn auf Mykonos besitzt der sonst so überkorrekte Anzugträger auf einmal menschliche Züge und viel Einfühlungsvermögen. Bei der Romanze zwischen Herzmensch Sidonie und Kopfmensch Konstantin werden dann auch keine Klischees ausgelassen. Doch das hat mich nicht gestört, da Garde die Liebelei sehr witzig und emotional treffend schildert. Die anderen Nebencharaktere, wie Sidonies Freundin, der herzige Terrier oder die Schriftstellerin Hennie, runden die Geschichte mit ihren Eigenheiten und persönlichen Geschichten stimmig ab.

Mir hat nicht nur die Tatsache imponiert, dass in Gardes Buch ein Roman im Roman erzählt wird, sondern auch archäologische Fachbegriffe (z. B. Himation) und Stätten (z. B. Delos) Beachtung fanden.

Die kurzweilige Herangehensweise packte mich sofort. Der moderne Sprachstil wies zudem interessante psychologische Fachtermini auf. Und von den ausführlichen Landesbeschreibungen bekam man direkt Fernweh.

FAZIT
Ein durchweg gelungener Sommerroman für Frauen, der beste Unterhaltung bietet.