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seschat
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Bewertungen

Insgesamt 909 Bewertungen
Bewertung vom 06.10.2019
Ist das Deutsch oder kann das weg?
Hirsch, Eike Christian

Ist das Deutsch oder kann das weg?


ausgezeichnet

Die vorliegende Sprachstudie bzw. Momentaufnahme der deutschen Gegenwartssprache hat mich begeistert. Der leidenschaftlicher Sprachpurist Eike Christian Hirsch hat unzählige Sprachglossen für den STERN geschrieben und arbeitet beim NDR-Hörfunk. Auch dem vorliegenden Buch merkt man des Autors germanistische Expertise an. Hirsch hört im Alltag genau hin und liest Zeitungen und Zeitschriften gegen den Strich. Dabei hat er stets die korrekten grammatischen Formen im Hinterkopf und wundert sich nicht nur einmal über den Wandel der deutschen Sprache. Heutzutage scheint fast alles möglich zu sein. Übertreibungen, wie z. B. alle Daumen drücken, sind normal geworden, beim Einkaufen wird man als Kunde geduzt und amerikanische Redewendungen (z. B. mit jmd. auf Augenhöhe reden) gehen uns viel zu locker von der Zunge. Ich teile Hirschs Kritik und Verwunderung sowie seinen Sinn für Humor. Daher konnte mich das 156-seitige Büchlein von Anfang bis Ende überzeugen. Die prägnanten ein- bis zweiseitigen Glossen orientierten sich am Puls der Zeit und hielten neben bekannten Themen (wie den Deppenapostroph) auch manches Überraschende bereit. Hirschs Sinn für Ironie tritt nicht nur in seinen Texten zutage, sondern auch in der humorigen Covergestaltung. Titel und Dichterfürst Goethe mit Papierflieger machen auf den ersten Blick neugierig

FAZIT
Kurzweiliges Büchlein im Stile von Bastian Sick, das besonders Sprachliebhaber mögen werden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2019
Sahra Wagenknecht
Schneider, Christian

Sahra Wagenknecht


sehr gut

Sahra Wagenknecht (*1969) galt bis zu ihrem Rückzug aus der Politik im Jahr 2019 als polarisierende Frontfrau der LINKEN. In TV-Talkshows argumentiert sie stets eloquent und versteckt sich nicht vor Wahrheiten. Mit ihrer ehrlichen Art eckt sie an. Politische Ränkespiele sind nicht ihr Ding, weil es ihr anders als den meisten Abgeordneten noch um die Sache und nicht um Macht und Geld geht.

Christian Schneiders Biografie, welche auf Gesprächen mit Sahra Wagenknecht und engen Vertrauten/Weggefährten basiert, versucht das Mysterium um die Linkenpolitikerin zu klären. Der Autor stellt dazu den Menschen und dessen Sozialisation wie Überzeugungen in den Fokus.

So erfährt der Leser u. a. von Wagenknechts ostdeutscher Herkunft und der prägenden Rolle ihrer Großeltern. Ihren iranischen Vater hat sie nie kennengelernt und sich früh in Traumwelten zurückgezogen. Wegen ihres exotischen Aussehens wurde sie in der Schule gehänselt und hatte nicht viele Freunde. Hinzu kam ihre hohe Intelligenz. Mit Einserabi in der Tasche träumte sie in der DDR von einem Philosophiestudium, was ihr aber verwehrt blieb. Ihre kritische Ader war schon damals stark ausgeprägt und so machte sie aus der Not eine Tugend und betrieb in Sachen Klassischer Philosophie eigenständige Studien. Dabei kam Wagenknecht ihre Liebe zu Büchern zugute. Bis heute gehört das Lesen zu ihrem Leben. Erst mit der Wende 1989 politisiert sie sich und tritt in die PDS ein. Nun darf sie auch studieren, erst Philosophie und Literatur dann Wirtschaftswissenschaften. Das nötige theoretische Rüstzeug für eine Politkarriere hat sie nun, aber Anerkennung und Wertschätzung innerhalb der Partei muss sich erst noch hart erarbeiten. Immer wieder sieht sie sich Anfeindungen ausgesetzt, flüchtet kurzzeitig ins EU-Parlament, um dann als neues Gesicht der LINKEN zurückzukommen. Hier lernt sie 2005 auch ihren zweiten Ehemann Oskar Lafontaine kennen. Er steht ihr bei innerparteilichen Grabenkämpfen bei und berät sie bis zum freiwilligen Rückzug von der Parteispitze. So weit, so bekannt.

An Schneiders Buch fand ich vor allen Dingen die Einblicke in Wagenknechts Kindheit und Erwachsenwerden sehr spannend. Denn hier lernt der Leser die Person Sahra Wagenknecht mit ihren Talenten, Ängsten und Überzeugungen besser kennen. Und schnell wird klar, sie ist keine "eiskalte Politikerin", sondern eine blitzgescheite Beobachterin, treue Freundin und ehrliche Haut. Sie verstellt sich nicht, um anderen zu gefallen, sondern macht ihr Ding - was ich im politischen Einerlei sehr sympatisch finde. Auch ihre Leidenschaft für Literatur konnte ich gut nachvollziehen, da ich selbst viel lese.

Als weniger überzeugend, weil zu intellektuell und dadurch mit Details überfrachtet, empfand ich den Teil über ihre staatspolitischen/-philosophischen Überzeugungen bzw. Vorbilder, wie z. B. Marx. Hier wäre weniger mehr gewesen, gerade für Leser ohne entsprechende Vorkenntnisse. Im Ganzen war dieser Part einfach zu theorielastig.

Die Umstände und Ursachen für ihren Rückzug werden angeschnitten und hätten gern noch etwas ausführlicher ausfallen können. Gefallen hat mir hingegen der Ausblick auf ihr Leben jenseits der Politik. Denn mit 50 Jahren , ihren Erfolgen als Buchautorin bzw. Sprachrohr der sozialen Gerechtigkeit ist noch lang noch nicht Schluss. Mich würde es jedenfalls freuen, bald wieder etwas von ihr zu hören.

Über das Titelbild lässt sich vortrefflich streiten, schön fand ich aber, dass Christian Schneider Wagenknecht innerhalb des Buchs genügend Raum gab und auf allzu kritische Töne verzichtete.

FAZIT
Eine Biografie, die Sahra Wagenknecht zwar nicht zu 100 Prozent ergründen kann, aber nahe dran ist. Für eine Person, die nie mit der Politik geliebäugelt hat, hat sie ihren Job doch souverän gemeistert oder?

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2019
Frida Kahlo und die Farben des Lebens / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.11
Bernard, Caroline

Frida Kahlo und die Farben des Lebens / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.11


ausgezeichnet

INHALT
In ihrem neuesten Roman beschäftigt sich Caroline Bernard mit der Lebens- und Leidensgeschichte der mexikanischen Malerin Frida Kahlo (1907-1954). Mir war die Künstlerin vor der Lektüre vor allem durch ihre bunten naturalistischen Bilder und Kleider bekannt. Über Kahlos lebenslange Krankengeschichte wusste ich hingegen nicht viel. Es ist mehr als erstaunlich, dass sie trotz überstandener Polio, vielfachen Wirbelsäulenoperationen und Zehamputationen solch farbenprächtige Werke hervorbrachte. Bernard macht in ihrer Romanbiografie deutlich, dass gerade die Kunst sie vor Depressionen und Suizid bewahrt hat. Insofern transportiert jedes ihrer Gemälde ein Stück ihrer Lebensgeschichte. Die vielen Krankenhausaufenthalte stahlen Zeit, die sie versuchte auf exzessive Weise nachzuholen. Kahlos große Liebe - Diego Rivera - war ebenfalls Künstler, 20 Jahre älter und zudem ein Frauenheld. Nichtsdestotrotz waren beider Leben bis zum Schluss miteinander verbunden. Gemeinsam lebte man die Kunst und das Leben in vollen Zügen, stand sich gegenseitig Affären zu.

MEINUNG
Caroline Bernards Roman hat mich ab der ersten Zeile gefesselt. Meisterhaft fühlt sie sich in ihre Hauptfigur - Frida Kahlo - ein und lässt so den Leser am außergewöhnlichen Leben der Künstlerin teilhaben. Man merkt wie viel Recherchearbeit in der Erzählung steckt, wenn auf Bildsujets, Originalbriefe uvm. eingegangen wird. Hinzu kommt die bildreiche, emotional aufgeladene Sprache der Autorin. Infolge werden Kahlos wechselhafte Seelenzustände realistisch dargeboten, ohne jemals kitschig zu wirken. Die Kämpfe mit sich und ihrer große Liebe Diego beherrschen die Story. Kunst und Liebe gehen hier eine hypnotische Melange ein. Alles in allem las sich die Romanbiografie sehr schnell und versorgte den Leser ganz nebenbei mit allerhand Hintergrundwissen.

FAZIT
Eine lesenswerte Lektüre mit Pageturnergarantie, die vor allem Frauen anrühren wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2019
Vom Sinn unseres Lebens
Nast, Michael

Vom Sinn unseres Lebens


ausgezeichnet

Bücher über die Wendezeit bzw. das Ost-/West-Verhältnis in Deutschland haben zurzeit wieder Hochkonjunktur. 30 Jahre nach dem Mauerfall macht sich der zeitkritische Bestsellerautor Michael Nast daran herauszufinden, inwiefern Deutschland mittlerweile zusammengewachsen ist und was sich bis heute verändert hat. Nast, der selbst aus Ostdeutschland stammt, begibt sich anlässlich seiner Zusammenschau immer mal wieder auf Zeitreise in die eigene Vergangenheit/Sozialisation. Dabei beklagt er das gegenwärtige entartete Konsumverhalten, den Verlust von echten Freundschaften und Nachbarschaftsverhältnissen in Zeiten von Instagram, Twitter & Co und die damit einhergehende Vereinzelung in den Großstädten. Dabei verherrlicht er seine eigene DDR-Kindheit nicht, betont aber positive Errungenschaften, wie den Zusammenhalt, die kostenlose medizinische Versorgung oder die billigen Mietpreise. Auch die zunehmende Ablenkbarkeit sowie der Dokumentationszwang von Smartphonebesitzern ist ihm, dem 1975 Geborenen, ein Gräuel. Des Weiteren beschreibt er, wie er seine Herkunft aus Ostberlin lange verheimlichte, um nicht länger der Quotenossi sein zu müssen. Viele von Nasts persönlichen Erlebnissen und gegenwärtigen Beobachtungen kann ich als Ostkind unterschreiben. Zudem gefiel mir sein lockerer und damit gut lesbarer Schreibstil sehr. Authentisch erzählt er Geschichten über die immer noch bestehenden Missverständnisse in Deutschland, wobei mir gefiel, wie er seine ehrliche Meinung und Gedankengänge aus seinen bisherigen Veröffentlichungen in den Fließtext einbrachte. Insgesamt empfand ich seine Ausführungen als ungeheuer aktuell und aufschlussreich in Sachen Ost- und Westdeutschland.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2019
Nenne drei Streichinstrumente: Geige, Bratsche, Limoncello
Greiner, Lena;Padtberg-Kruse, Carola

Nenne drei Streichinstrumente: Geige, Bratsche, Limoncello


sehr gut

Lena Greiner und Carola Padtberg haben den nunmehr dritten Band zum Thema witzige Schülerantworten und Lehrersprüche herausgegeben. In "Nenne drei Streichinstrumente: Geige, Bratsche, Limoncello" sind die beiden Autorinnen ihrem Stil treu geblieben, aber es gab im Vergleich zu den Vorgängerbänden weniger zu lachen. Die letzten beiden Kapitel, in denen Schüler von auffälligen Lehrern und deren Marotten berichten und Lehrer über ihren "schweren Job" lamentieren, brachten etwas Abwechslung in das gleichförmige Frage-Antwort-Spiel. Nichtsdestotrotz fühlte ich mich vom Buch insgesamt gut unterhalten. Die wenigen Seiten ließen sich schnell in einem Rutsch durchlesen. Die passende Lektüre für einen entspannten Nachmittag oder Urlaubstag.

Lieblingsfundstücke:
"Mein Vater ist ein Spekulatius. Er verdient ganz viel Geld an der Börse." (S. 48)

"In Frankreich hat man die Verbrecher früher mit der Gelatine hingerichtet." (S. 77)

Bewertung vom 11.09.2019
Wie alles anders bleibt
Hensel, Jana

Wie alles anders bleibt


ausgezeichnet

Die ZEIT-Journalistin und Autorin Jana Hensel, geb. 1976 in Leipzig, hat sich im vorliegenden Buch facettenreich mit Ostdeutschland und den Ostdeutschen auseinandergesetzt. Über allem steht die Frage: Ist Deutschland 30 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch gespalten? Hensel hat dazu viele Interviews, vornehmlich mit Angela Merkel, geführt und Zeitungsartikel geschrieben, die der Leser in "Wie alles anders bleibt" je nach Gusto unabhängig voneinander lesen kann.

Die Vielschichtigkeit ihrer Darstellung sowie die Abbildung Hensels persönlicher Sozialisation und Meinung hat mir imponiert. Obschon ich nicht all ihre Gedankengänge und Ergebnisse gut heiße, mochte ich die luzide wie abwechslungsreiche Lektüre sehr. Das lag auch daran, dass ich selbst aus Ostdeutschland komme und mir dadurch vieles bekannt gewesen ist. Hensel ist insgesamt ein aktuelles Psychogramm der ostdeutschen Gesellschaft gelungen, das bestehende Problematiken ungeschönt in den Blick nimmt. Hierbei wird u.a. das Gefühl des Abgehängtseins geschildert, über Pegida und Legida nachgedacht oder über die miese Ostquote in Führungspositionen und einschneidende zeithistorische Ereignisse diskutiert. Und das Gute daran ist auch, dass Hensel nicht lamentiert, sondern die harten Fakten auf den Tisch legt und Fehlentwicklungen deutlich anspricht.

FAZIT
Die Wende in den Köpfen ist noch lange nicht vollzogen. Es muss sich noch einiges verändern, bis man in Ost und West von einem gleichen Lebensniveau sprechen kann. Die unterschiedliche Sozialisation und Kultur in beiden deutschen Staaten spielt noch immer eine Rolle. Wer Ostdeutschland und seine Bewohner besser verstehen möchte, der sollte zu dieser spannenden Textsammlung greifen und selbst Fragen stellen.

Bewertung vom 04.09.2019
Good Morning, Mr. President!
Dorey-Stein, Beck

Good Morning, Mr. President!


sehr gut

Beck Dorey-Stein (*1986) hat von 2012 bis 2017 als Stenografin für den amerikanischen Präsidenten Barack Obama gearbeitet. Über ihre Erlebnisse in dieser besonderen Zeit berichtet sie im vorliegenden Buch. Mir hat vor allem die offene Art der Autorin gefallen. Sie war sich nie zu fein auch über Niederlagen und persönliche Missgeschicke zu reden. Wenn immer es um Präsident Obama ging, menschelte es sehr. Dorey-Stein begegnete ihn z. B. bei den morgendlichen Fitnesseinheiten oder auf Auslandsreisen. Sonst stand sie als Stenografin eher im Hintergrund des Geschehens, schnitt Interviews, Reden etc. mit, wurde aber Teil einer eingeschworenen (Presse-)Gemeinschaft. Zu viel Raum nahm m. E. allerdings ihre Affäre mit Jason, einen einflussreichen Mitarbeiter im Obama-Team und Womanizer, ein. Die hier gezeigten Teenagerallüren wollten nicht so recht ins Bild passen. Nichtsdestotrotz gewährt Dorey-Steins Buch interessante Einblicke in den US-politischen Mikrokosmos namens Weißes Haus.

Bewertung vom 25.08.2019
Liebeserklärungen
Kaminer, Wladimir

Liebeserklärungen


sehr gut

Wladimir Kaminer zählt seit der Veröffentlichung seines ersten Buchs zu meinen Lieblingsautoren. Dementsprechend fiebere ich jeder Neuerscheinung euphorisch entgegen.

Sein druckfrischer Erzählband beschäftigt sich, wie man bereits dem Titel entnehmen kann, mit dem zeitlosen Thema "Liebe". Die darin enthaltene Anekdoten aus dem Bekanntenkreis und der eigenen Familie schlagen verschiedene Töne an. Ernsthaft, dramatisch, skurril-komisch und dabei immer unverstellt menschlich macht Kaminer das, was er am besten kann, plaudern. Durch seine genaue Beobachtungsgabe und seinen schelmischen Charme weiß Kaminer den Leser für seine Kurzgeschichten einzunehmen; gerade weil sie so klingen, als würde ein aufmerksamer Nachbar sie uns erzählen. Doch die Qualität der einzelnen Erzählungen schwankt. Mich konnten vor allem jene Schilderungen aus Kaminers Familienhistorie überzeugen. Immer wenn der russische Blickwinkel und Pragmatismus durchblitzte, musste ich schmunzeln. Auf den 256 Buchseiten werden alle Seiten und Arten der Liebe besprochen. So geht es z. B. um unerfüllte Fanliebe, um eine Frau mit Vorliebe für Poeten oder um den Vergleich von Fruchtfliege und Mensch. Alles in allem ließ sich Kaminers neuestes Buch sehr flüssig in einem Rutsch durchlesen. Die gediegene Covergestaltung im Stile des letzten Buchs "Die Kreuzfahrer" gefiel mir gut.

FAZIT
Eine unterhaltsame Lektüre für zwischendurch, in der das Thema Liebe mit einem Augenzwinkern betrachtet wird.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2019
Der andere Stauffenberg
Christ, Karl

Der andere Stauffenberg


sehr gut

Alexander Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1964) stand stets im Schatten seiner zeithistorisch bekannteren Brüder Claus und Bertold. Der Althistoriker und Lyriker war ein Mann der leisen Töne, empfindsam und wahrlich ein ausgeprägter Schöngeist. Für ihn stand immer die Kunst und Wissenschaft im Vordergrund, gleichwohl er im 2. Weltkrieg als Leutnant diente. Der Dichter Stefan George und der Althistoriker Wilhelm Weber prägten ihn. An den Universitäten in Würzburg und in München lehrte er als Professor und verschrieb sich anfangs der Universalgeschichte. Später spezialisierte er sich auf die Zeit der Tyrannenherrschaft auf Sizilien. Im Vergleich zu seinen Fachkollegen beließ er es allerdings nicht bei der nüchternen Wiedergabe der Antike, sondern zeigte sich als kritischer wie autonomer Denker.

Karl Christs Versuch einer Annäherung an den weniger bekannten Stauffenbergspross bleibt limitiert. Das liegt zum einen der Quellenlage. Alexander Schenk Graf von Stauffenberg hat zu Lebzeiten wenig über seine Person öffentlich gemacht bzw. seinen Kindern erzählt. Was man allerdings hat, sind private Gedichte, Vorlesungsmanuskripte und Erzählungen/Berichte von Bekannten und Freunden. Zum anderen wurde über seine Person nie groß geforscht, weil man seinen Brüdern einfach mehr Aufmerksamkeit schenkte. Nichtsdestotrotz liefert die vorliegende Studie des emeritierten Althistorikers Karl Christ interessante Einblicke ins Leben und Wirken des schwäbischen Grafen. Er habe, so Christ, immer hintenangestanden, ob im Georgekreis, bei seinem Vater oder in der Schule. Dementsprechend hat man lange Zeit auch gedacht, dass er bis zum Schluss nichts über die "Operation Walküre" gewusst hat; was seine Tochter Dr. Gundula Knerr-Stauffenberg allerdings vehement verneint. Alexander war politisch interessiert und kam nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Sippenhaft. Seine erste Frau Melitta war nicht nur Mathematikerin und Physikerin, sondern auch Sturzkampfpilotin in der NS-Zeit.

Inhaltlich konnten mich vor allem der biografische erste Teil und das Interview mit Alexander Schenk Graf von Stauffenbergs Tochter mitreißen und überzeugen. Hier erfährt man allerhand Neues über den Privatmann und kann Originalgedichte u.a. über Stefan George und Alexanders Frau Melitta samt Fotos studieren. Seine wissenschaftliche Karriere wird im zweiten Teil ausführlich besprochen. Mögen die inneruniversitären Querelen den Leser noch interessieren, so richten sich die Inhaltsangaben zu Stauffenbergs historischen Monografien und Studien wohl eher an ein Fachpublikum. Wenn man selbst Alte Geschichte studiert hat, dann sind diese theoretischen Beschreibungen durchaus spannend.

Zu guter Letzt soll noch der umfangreiche Anhang gewürdigt werden. Denn hier findet der Leser nicht nur eine Kurzvita und ein Werkverzeichnis, sondern auch ein detailliertes Anmerkungen- und Literaturverzeichnis.

FAZIT
Ein wohl recherchiertes Werk, das, wie es der Titel verspricht, vor allem dem Historiker und Dichter Alexander Schenk Graf von Stauffenberg gerecht wird.