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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 924 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2023
Perchtoldsdorfer Todesrausch
Schleifer, Christian

Perchtoldsdorfer Todesrausch


ausgezeichnet

Dieser 4. Teil der Reihe um die Ex-Polizistin Charlotte Nöhrer erzählt, wie ihre Karriere bei der Wiener Polizei ein abruptes Ende genommen und wie sie ihre große Liebe gefunden hat.

Das Prequel ist in einen nochmaligen Urlaub in Schladming eingebettet. Lydia, eine neugierige Reporterin will die Geschichte rund um die „Koks-Planai“ aus dem Vorjahr genau wissen und interviewt Charlotte und Andrea auf einer Skihütte. Dass die beiden die Journalistin ziemlich auf der Schaufel haben, ist nur ein witziges Detail am Rande. Lydia muss nämlich die Zeche, die während des Interviews aufläuft, bezahlen, Schampus inklusive.

Charlotte erzählt frisch von der Leber weg, was sich damals ereignet hat.

Nach dem Eklat in der Polizeiinspektion und den Jobs im Bewachungsgewerbe findet es Charlotte an der Zeit, sich einen Urlaub zu gönnen. Also schnappt sie ihre jüngere Schwester Flora und fährt nach Schladming, um dort in einen etwas speziellen Kriminalfall zu geraten. Denn einmal Polizistin, immer Polizistin.

Was ist passiert?

Flora und Charlotte sind wie zahlreiche Touristen auf der Piste zum Nachtskifahren auf der Hochwurzen, als eine Gruppe betrunkener Deutsche mehrere Sterne und zwei der Skifahrer stehen nicht mehr auf - tot. Während die Pistenrettung schon unterwegs ist, entdeckt Charlotte, dass die beiden Toten Schaum vor den Mund und blutunterlaufene Augen haben. Nicht Tod IM Schnee, sondern DURCH Schnee, wenn auch von der besonderen Sorte. Da sich die örtliche Kripo ein wenig desinteressiert anstellt, beginnt Charlotte ihre eigenen Erkundigungen anzustellen. Hilfreiche Tipps erhält sie dabei Joe von, der Barkeeper des „Schneeweißchen“, der nebenbei noch andere Jobs hat sowie von einer Dame des horizontalen Gewerbes.

Und gleich vorweg, es wird nicht bei den beiden Toten im Schnee bleiben. Wie es weitergeht, müsst ihr schon selbst lesen ...

Meine Meinung:

Passend zum Nachtslalom von Schladming ist der Krimi in drei Abschnitte geteilt: 1. und 2. Durchgang sowie Zieleinlauf.

Charlotte, Andrea und Flora sind mir ja seit dem ersten Fall („Perchtoldsdorfer Schweigen“) gut bekannt. Die Andeutungen, warum Charlotte den Dienst bei der Polizei quittiert hat, werden nun aufgelöst.

Außerdem erfahren wir, woher Flora den Luca kennt, der doch in einem der anderen Krimis eine Rolle spielt.

Gut gelungen ist die Beschreibung von Schladming. Ich kenn ja den Ort noch aus den 1970er-Jahren, wo es noch halbwegs beschaulich zugegangen ist. Lediglich mit einer Vierergondel auf die Planai und frierend auf dem Doppelsessellift auf die Hochwurzen. Und ja, die Andeutungen mit den ehemals berühmten Namen - gleich erkannt, um wen es da geht. Zur Heim-WM 1982 hat man ja groß umgebaut und aufgerüstet.

Der Schreibstil ist wie bekannt, locker und der Krimi lässt sich gut lesen. Die Charaktere sind gut gelungen. Was mir auch schon in den anderen Krimis ein wenig missfällt, ist ihr doch heftiger Alkoholkonsum. Vielleicht sollte sie, nachdem ihr Leben ja inzwischen gut geordnet ist, damit aufhören.

Ein bisschen unglaubwürdig ist, dass die Dealer das so hoch konzentrierte Koks einfach so verpulvert haben.

Im Anschluss an den Krimi erzählt Christian Schleifer, wie er überhaupt zur Figur der Charlotte Nöhrer gekommen ist. Außerdem deutet er an, dass es einen 5. Band geben, der auf einem Maskenball spielen wird. Auf die Fortsetzung freue ich mich schon.

Fazit:

Ein gelungenes Prequel, das die Wartezeit auf den nächsten Krimi mit Charlotte, ohne e bitte, verkürzt. Gern gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 31.10.2023
Der Hund hat Recht
Hammerl, Elfriede

Der Hund hat Recht


ausgezeichnet

Elfriede Hammerls Kolumnen im österreichischen Magazin „Profil“ sind pointiert und treffen fast immer ins Schwarze.

Das lässt sich von diesem satirischen Dialog zwischen einer Frau und ihrem Hund auch sagen. Der aus dem Tierheim, Pardon, Boarding House, stammende Hund verwickelt seine Besitzerin in zahlreiche Diskussionen, aus denen es kein Entrinnen gibt.

So stellt er mehrmals die Frage, was denn der Unterschied zwischen ihm und Michael, dem Liebhaber sei, beide fressen den Kühlschrank leer, liegen auf der Couch. Und, ob er, Michael, denn der Richtige wäre.
Gleichzeitig bekommt allerdings ER die Frage nach seinem Beitrag zur Haushaltskasse gestellt. Die Antwort fällt entsprechend ernüchternd aus.

Diesen gewitzten Dialog, der teilweise eine bissige Gesellschaftskritik enthält, habe ich sehr gerne gelesen. Manchmal musste ich ob der hündischen Besserwisserei herzlich lachen. Besonders die Szene im Supermarkt mit der quengelnden Tochter, die das Kleinkindalter schon längst überschritten hat, hat mir gut gefallen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem satirischen Dialog 5 Sterne.

Bewertung vom 31.10.2023
Lieber Winter!
Lipp, Franziska

Lieber Winter!


ausgezeichnet

Der Winter lässt keinen kalt! Ein Paradoxon? Nicht wirklich.

Dieses in silbergraues Leinen gebundene Buch aus dem Verlag Anton Pustet, betrachtet den Winter aus verschiedenen Perspektiven. In fünf Kapiteln zeigt uns Autorin Franziska Lipp, mit welchen Schönheiten der Winter aufwarten kann:

Spätherbst - Heimkehr
Advent - Erwartung
Weihnachten - Festlichkeit
Raunächte - Zwischenwelten
Hochwinter - Rückkehr des Lichts

Von Allerheiligen (1. 11.) bis Maria Lichtmess (2.2.) spannt sich der Bogen der kalten Jahreszeit. Zahlreiche Festtage, Bräuche und Rituale begleiten uns durch diese Zeit.

Das Buch lädt uns ein, ein wenig innezuhalten, und der hektischen Welt für ein paar Minuten oder Stunden zu entsagen. Was spricht dagegen, einen Spaziergang über Friedhöfe, Parkanlagen oder durch den Wald zu wagen? Die Hagebutten oder Schlehen bewusst anzusehen? Oder, falls doch Schnee fallen sollte, eine kleine Schneeballschlacht zu wagen? Für Meisen Futterknödel aufzuhängen und anschließen die Vögel beim Fressen beobachten, kann uns der Natur wieder näher bringen.

Franziska Lipp lädt uns ein, das Buch mehrmals in die Hand zu nehmen und gemeinsam mit der Familie Kraft zu tanken.

Kommt gut durch den Winter!

Fazit:

Dieses Buch ist ein schönes (Weihnachts)Geschenk in hochwertiger Aufmachung. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 31.10.2023
Gottes Plagen
Preis, Robert

Gottes Plagen


ausgezeichnet

Mit diesem historischen Roman entführt uns Robert Preis in das Spätmittelalter, genauer gesagt in die Zeit Kaiser Friedrichs III. (1415-1493). Diese Epoche ist geprägt von Aberglauben, Hexenwahn, Türkeneinfällen, Feudalherrschaft sowie von Wetterkapriolen und dem Kampf um die Vormachtstellung der Kirche. Der wortkarge und menschenscheue Kaiser in seinen Residenzen in Graz und Wiener Neustadt trägt sein eigenes Scherflein zu diesem düsteren Umfeld bei. Menschen zählen für ihn nicht, sondern sind häufig Figuren auf dem Schachbrett der Politik. Dazu tragen auch zahlreiche Günstlinge wie der Münzmeister von Graz, Balthasar von Eckenperg bei.

Über den Inhalt des Romans will ich nur so viel sagen:

Das Buch beginnt und endet mit der Enthüllung eines Freskos mit dem Titel „Gottesplagen“, das an der Außenseite des Grazer Doms gemalt worden ist. Schöpfer, des von den Grazer Bürgern gestifteten Bildes ist Thomas von Villach, ein bekannter Maler dieser Epoche.

Dazwischen liegen fesselnde Seiten von Krieg, Brandschatzung, Mord und Totschlag, eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, zwischen einem Georgsritter und einer entmachteten Königin sowie die Sicht auf eine politisch höchst instabile Zeit und einen zaudernden Kaiser.

Robert Preis ist für seine peniblen Recherchen und seine opulente Erzählweise bekannt. Seine Leidenschaft gilt den Sagen und Mythen seiner Heimat Steiermark. Mit diesem historischen Roman, der uns in das Spätmittelalter führt, hat er sich einen großen persönlichen Wunsch erfüllt.

Geschickt verknüpft Robert Preis Fakten mit Fiktion. Dazu gibt es ein Personenverzeichnis, das die historischen Personen als solche kennzeichnet. Im Nachwort erklärt der Autor, an welchen Stellen er die (Welt)Geschichte der Dramaturgie des Buches wegen ein wenig geglättet hat. Ein Verzeichnis der wichtigsten Begriffe ergänzt diesen historischen Roman.

Fazit:

Ein historischer Roman, der das Hochmittelalter in der Steiermark höchst lebendig auferstehen lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 31.10.2023
Aussöhnung mit uns selbst und dem unvollkommenen Leben
Böschemeyer, Uwe

Aussöhnung mit uns selbst und dem unvollkommenen Leben


sehr gut

Prof. Dr. Uwe Böschemeyer ist Psychotherapeut und Theologe ist der Entwickler der »Wertimagination« und der »Wertorientierten Persönlichkeitsbildung«. Er ist Leiter des Instituts für Existenzanalyse und Logotherapie sowie der Akademie für Wertorientierte Persönlichkeitsbildung und hat zahlreiche Bestseller verfasst.

Dieses Buch ist sein neuester Ratgeber, in dem er „den Mut zur Lücke“ empfiehlt, auch wenn er seinen Rat nicht so nennt. Niemand muss perfekt sein, dafür authentisch. Er gibt Anregungen, wie es uns gelingen kann, in Zeiten von Hass und Unsicherheit, sich selbst zu verändern.

In zwei großen Blöcken stellt er seinen Lesern Tipps und Tricks vor, wie es gelingen kann, mit sich und dem eigenen Umfeld ins Reine zu kommen. Natürlich gibt es dafür kein Patentrezept, doch Böschenmeyers Hinweise können ein Rüstzeug für die Bewältigung von Schwierigkeiten in alle Lebenslagen sein. So mancher bisherige Glaubenssatz kann durch einen neuen, positiven ersetzt werden.

Die wichtigste Botschaft ist meiner Ansicht folgende:

„Du darfst sein, wie du bist“

Fazit:

Ein kleines Buch zum Innehalten und zum Nachdenken, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Bewertung vom 28.10.2023
Camus muss sterben
Catelli, Giovanni

Camus muss sterben


sehr gut

»Der Gipfel der Absurdität ist der Tod durch einen Verkehrsunfall.«

War der Unfall des Nobelpreisträgers Albert Camus am 4. Jänner 1960 ein Werk sowjetischer Agenten? Oder lag alles bloß am übermotorisierten Auto seines Verlegers? Wie bei vielen Prominenten, die einem profanen Autounfall zu Opfer fielen, tauchen recht schnell diverse Verschwörungstheorien auf - siehe Fürstin Gracia Patricia (1982) oder Lady Diana Spencer (1997). Der Tod Albert Camus und seinem Verleger Michel Gallimard bildet da keine Ausnahme. Noch dazu, wo der Unfall, wie es scheint, von der Polizei nachlässig untersucht worden ist.

Der italienische Autor Giovanni Catelli hat seine Theorie zu Camus‘ Unfalltod bereits 2019 veröffentlich. Der Verlag Emons hat das Buch nun neu herausgebracht.

Mit diesem, an manchen Stellen verstörenden Buch, versucht Catelli den mysteriösen Todesfall neu aufzurollen. Seiner Meinung nach hat der KGB Albert Camus umbringen lassen. Sind dem französischen Autor seine sowjetkritischen Reden letztlich zum Verhängnis geworden? Immerhin hat sich Albert Camus lautstark für die Verleihung des Literaturnobelpreises an Boris Pasternak (Dr. Schiwago), der die Sowjetregierung kritisch beleuchtet hat, eingesetzt.

Catelli stützt sich bei seinen Theorien auf das Tagebuch von Jan Zábrana, das erst vierzig Jahre nach dem Tod Camus ans Licht kommt. Da ist Zábrana allerdings bereits verstorben und kann nicht mehr befragt werden. Historisch interessant sind die Ausflüge in das Ungarn von 1956 bzw. in die Tschechoslowakei von 1968 , als die UdSSR die dortigen Volksaufstände blutig niederschlägt, sowie die Geschichte(n) rund um die Übersetzung von Boris Pasternaks „Dr. Schiwago“, jenem Historienepos, der in der UdSSR als Bedrohung der Macht gesehen und deswegen verboten ist. Catelli geht auch auf die politische Situation in Frankreich der 1960er-Jahre ein, in der die Kommunistische Partei in Frankreich doch einigen Einfluss hatte.

Giovanni Catelli zählt zahlreiche Menschen, die (nachweislich oder nur vermutet) (Gift)Anschlägen des KGB zum Opfer fallen auf. Ein Weg-Zeit-Diagramm, das Catelli erstellt, lässt eine solche Manipulation an Michel Gallimards Auto durchaus im Bereich des Möglichen erscheinen.

Allerdings bleibt uns der Autor handfeste Beweise schuldig. Übrig bleibt, wie so oft, wenn ein Prominenter bei einem Autounfall stirbt, ein gewisses Unbehagen bzw. Rest von Unglauben an der Tatsache, dass auch Promis bei Autounfällen sterben können.

Dazu passt auch Albert Camus‘ eigene Feststellung:

»Der Gipfel der Absurdität ist der Tod durch einen Verkehrsunfall.«

Dass ihn dann dieser Tod auch tatsächlich ereilt, ist wohl ein Treppenwitz der Geschichte.

Fazit:

Dieser Mischung aus Spionage-Thriller, Investigativ-Roman und Verschwörungstheorie gebe ich gerne 4 Sterne.

Bewertung vom 28.10.2023
Der Flakon (eBook, ePUB)
Pleschinski, Hans

Der Flakon (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Man schreibt das Jahr 1756, Friedrich II. der Große, überfällt Sachsen ohne die sonst übliche Kriegserklärung. (Friedrich) August II. Kurfürst von Sachsen und König Polen (1696-1763) und sein erster Minister Heinrich von Brühl (1700-1763) setzen sich nach Warschau ab, um dort militärische Hilfe von ihren Verbündeten zu erbitten.

Beider Ehefrauen bleiben in Dresden, die Gemahlin des Königs, Maria Josepha von Habsburg (1699-1757), aus Krankheitsgründen, Maria Anna Franziska Reichsgräfin von Brühl aus Staatsräson.

Während die geschlagene Armee Sachsen kapituliert und der König in der Ferne versucht, zu retten, was noch zu retten sein könnte (wie man aus der Geschichte weiß eher weniger, denn mehr), schmiedet die Reichsgräfin einen Plan. Man müsste doch, ....

Kurzerhand setzt sie sich mit ihrer Kammerzofe Luisa von Barnhelm in die ordinäre Postkutsche und reist nach Leipzig, wo der Preußenkönig Hof hält. In Leipzig trifft die Reichsgräfin auf Friedrichs schwer verschuldeten Kammerdiener Glasow. Kann die resolute Reichsgräfin den Kammerdiener für ihre Pläne gewinnen?

Meine Meinung:

Hans Pleschinski ist ein überaus farbiger Roman gelungen, der gut unterhält und der Sachsen im 18. Jahrhundert zeigt. Neben dem unvermeidlichen Kriegsgeschehen erzählt der Autor einiges über Dresden und seine Bewohner. Es kommt allerdings nicht nur die High Society, sondern auch das Volk, das wie immer das Leid tragen muss, zu Wort. So wird die Misswirtschaft des Kurfürsten August II. und des Reichsgrafen von Brühl angeprangert. Während das Volk unter der ihm auferlegten Steuerlast leidet, nach Missernten hungert und die ohnehin kleine Armee kaputt gespart wird, frönen die beiden mächtigen Männer ihrer Leidenschaft für opulente Bauten und Kunstschätzen. Die Brühlschen Gärten und Brühlsche Terrasse geben beredtes Zeugnis für die teuren Hobbys des Ministers.

Wie dem Epilog zu entnehmen ist, hat Pleschinski eine kleine und zudem unklare Notiz entdeckt, die als „Glasowsche Angelegenheit“ in die Hofchronik des Grafen Lehndorff eingeht. Diese diffuse Randbemerkung, der Glasow sei ein Spion der Reichsgräfin, reicht, um Pleschinskis Fantasie zu entfachen. Hat sie oder hat sie nicht? Die Antwort bleibt es offen. Zuzutrauen wäre es der Anna Maria Franziska Reichsgräfin von Brühl sehr wohl, spricht sie doch ihre Gedanken zum Tyrannenmord offen aus. .

Ich habe diesen historischen Roman mit großem Interesse gelesen, da ich im Herbst 2022 eine Woche in Dresden verbringen durfte und mich vorab in die Geschichte Sachsens eingelesen habe. Natürlich bin ich auf der Brühlschen Terrasse spaziert.

Hans Pleschinski hat mit diesem Roman vergnügliche Lesestunden beschert, treten doch zahlreiche bekannte Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts auf. Gut gelungen ist die Darstellung der Lebensumstände des einfachen Volkes, abseits von Zobelpelzen und Juwelen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem penibel recherchierten und opulent erzählten historischen Roman 5 Sterne.

Bewertung vom 28.10.2023
Mord im Astoria (eBook, ePUB)
Heinrich, Ursula

Mord im Astoria (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Gauner unter Mordverdacht

Just am 13. Juli 1927 beschließt Theo von Hagendorf, augenscheinlich Sohn eines reichen Reeder aus Hamburg, das Wiener Hotel Astoria auf „französisch“ zu verlassen. Denn Theo ist eigentlich ein Hochstapler, Zechpreller und Gauner, der sich Aufenthalte in teuren Hotels erschleicht sowie die eine oder andere Affäre mit einsamen Frauen hat und eine unbezahlte Rechnung hinterlässt. Doch diesmal gelingt ihm der Abgang nicht so recht elegant. Seine aktuelle Flamme Adele vermisst ein teures Collier und, obwohl sie behauptet immer alleine im Zimmer gewesen zu sein, findet die Polizei dort Theos Fingerabdrücke.
Für die Polizei ist der Fall klar, denn Theo, eigentlich Teddy Steuber, ist kein Unbekannter, hat er doch schon dreimal wegen Zechprellerei eingesessen. Zunächst gelingt ihm die Flucht, doch dann wird Adele ermordet und der Linkshänder Teddy ist natürlich der Hauptverdächtige. Noch dazu ist Teddys Messer die Tatwaffe.
Teddys Vater, ehemaliger Polizeibeamter, begleitet seinen Sohn zu Polizei, um die Sachlage klarzustellen, doch niemand will ihm glauben, sprechen doch die Indizien gegen Teddy.

Als dann alle verfügbaren Polizeikräfte zu einer Demonstration auf der Ringstraße gerufen werden, gelingt es Teddy, im darauffolgenden Chaos erneut zu fliehen. Blöderweise ist damit noch nichts gewonnen, denn außer seinem Vater glaubt nur noch Mina, eine Schreibkraft der Wiener Polizei, an seine Unschuld. Mina, die an einem Kriminalroman schreibt, unterstützt Teddy tatkräftig, nur um selbst in Gefahr zu geraten.

Wird es den beiden gelingen, Adeles Tod aufzuklären und Teddys Unschuld zu beweisen?

Meine Meinung:

Als historischen Hintergrund hat sie sich die Ereignisse rund um den Justizpalastbrand vom 15. Juli 1927 ausgesucht. Die Vorgeschichte zu den Demos und der Brandstiftung ist das sogenannte „Schandurteil von Schattendorf“: Eine Versammlung der Sozialistischen Frontkämpfer wurde von einer Gruppe nationalistischen Schutzbündlern beschossen. Dabei wurden zwei unbeteiligte Menschen ermordet - ein Kriegsinvalide und ein Kind. Der nachfolgende Prozess zeigte deutlich, dass Morde an Arbeitern und Sozialisten als „Kavaliersdelikt“ behandelt worden sind. Die Ermittlungen der Polizei sowie die Zeugenaussagen waren widersprüchlich, sodass die Geschworenen die Zweidrittelmehrheit für einen Schuldspruch nicht erreicht haben. Der Richter fällte daher eine Freispruch für die drei Angeklagten. Der mutmaßliche Mord wurde als Notwehr dargestellt, und die Täter als „ehrenwerte Männer“.
Nach dem Bekanntwerden des Urteils kam es in Wien zu einem Generalstreik, der von der berittenen Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. In diesem Zusammenhang wurde der Justizpalast - als Symbol für die ungerechte Justiz - in Brand gesteckt. Bilanz des Polizeieinsatzes: 84 tote Demonstranten, 5 tote Polizisten und Hunderte Verletzte auf beiden Seiten. Einer davon ist der fiktive Charakter von Teddy Steubers Vater, der ehemalige Polizist.

Der Autorin gelingt es ausgezeichnet, das Leben der Zwischenkriegszeit in Wien darzustellen. Dieser Krimi besticht durch das Lokalkolorit und die gut herausgearbeiteten Charaktere.

Ursula Heinrich hat mit Teddy Steuber eine sympathische Figur geschaffen. Ein Schlitzohr, dem man fast nicht böse sein kann. Auch der Charakter der Mina Nowak, die davon träumt, einen Kriminalroman zu schreiben und ihr Herz am rechten Fleck hat, gefällt mir. Sie schnüffelt in den Akten, wird natürlich erwischt und hilft dennoch Teddy bei seinen Nachforschungen. Unterstützung erhalten die beiden von Otto Novacs, dem Besitzer der Veilchen-Bar, mit dem Teddy im Gefängnis war.

Ich hatte recht bald eine Idee, die sich als richtig erwiesen hat. Trotzdem habe ich mit diesem Krimi vergnügliche Lesestunden verbracht.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der im Wien von 1927 spielt, 5 Sterne.

Bewertung vom 26.10.2023
Die Unerhörten
Dützer, Volker

Die Unerhörten


ausgezeichnet

»Vergiss nie, dass man eine Brücke stets von zwei Seiten baut, sonst stürzt sie ein.«


Auch im dritten der Reihe um Hannah Bloch fehlt es nicht an Dramatik. Inzwischen sind wir im Jahr 1964 angelangt und die Zeit Nazi-Verbrecher zu jagen und zu enttarnen ist vorbei. Sie folgt ihrem Ehemann Scott Young in die USA. wenig später muss sie feststellen, dass Rassismus hier zum Alltag gehört. Die Afroamerikaner sind hier, trotz Massenprotesten, die Unerhörten.

„Sie hatte Deutschland verlassen, weil sie die Jagd nach Kriegsverbrechern beinahe das Leben gekostet hatte. Für ihr Verlangen, die kleinen Nazis und Mitläufer zur Rechenschaft zu ziehen, hatte sie einen hohen Preis gezahlt, Freunde und Weggefährten verloren, allen voran Ruth. Sie war nicht in die USA immigriert, um ihren Kampf hier fortzusetzen. Frieden und Vergessen war es, was sie hatte finden wollen.
Und nun begann alles von vorne. Es entsprach eben ihrer Natur, sich einzumischen. Wie könnte sie jemals, nach alldem, was sie in Deutschland während des Krieges erlitten hatte, schweigend mit ansehen, wie Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe gequält und gedemütigt wurden?“

Als während der Protestmärsche gegen Rassismus 1965 Scott getötet wird, hält Hannah nichts mehr in den USA. Sie kehrt nach Deutschland zurück, nicht ohne Ben Morrison, einen schwarzen Jungen, den sie in ihr Herz geschlossen hat und der unbedingt Brücken konstruieren lernen will, mitzunehmen. Doch damit sind ihre Probleme noch nicht zu Ende, denn in Frankfurt am Main kreuzen sich Hannahs Wege mit jenen der sechzehnjährigen Marie Lenz, die vor Kurzem ein dunkles Familiengeheimnis in ihrer Familiengeschichte entdeckt hat, und ob der Doppelmoral der Nachkriegszeit von zu Hause ausgerissen ist und ihre eigenen Nachforschungen anstellt.

Meine Meinung:

Auch in diesem dritten Teil der Reihe ist die Handlung unglaublich fesselnd aufgebaut. Die regelmäßigen Perspektivenwechsel zwischen den einzelnen Protagonisten erlauben tiefe Einblicke in die Gedanken und Gefühle der relevanten Charaktere. Sehr gut sind auch Hannahs Rückblicke in die Vergangenheit gelungen. Die sind für jene Leser, die die Vorgänger noch nicht kennen, unerlässlich. Trotzdem ist es ratsam „Die Unwerten“ und „Die Ungerächten“ zu lesen, um Hannahs Beweggründe kennenzulernen und zu verstehen.

Sprachlich sind Volker Dützer historische Romane ein Genuss, wenn auch der Inhalt (NS-Zeit, Judenverfolgung und Nachkriegszeit) auf manche verstörend wirken könnten. Fakten und Fiktion sind gekonnt zu einem spannenden Plot verwebt.

Wie im Nachwort zu lesen ist, hat Volker Dützer penible Recherche betrieben. Die eine oder andere historische Begebenheit musste aus Rücksicht auf die Dramaturgie des Romans ein wenig geglättet werden. Ob es, wie der Autor andeutet, einen möglichen vierten Band geben könnte, steht noch in den Sternen. Doch ich habe einen Namen ausgemacht, der in den späteren Jahren in Deutschland noch Geschichte schreiben wird: Ulrike Meinhof. Sollte es ein weiteres Buch mit Hannah Bloch geben, bin ich wieder dabei.

Fazit:

Dieser dritte Teil der Hannah-Bloch-Reihe hat es in sich. Wie schon oben angesprochen, empfehle ich, die beiden ersten Teile aus Hannahs Leben zu lesen. Dieser historische Roman erhält 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 26.10.2023
Tiohtiá:ke
Jean, Michel

Tiohtiá:ke


ausgezeichnet

Dieser Roman von Michel Jean handelt von Élie Mestenapeo, einem jungen Innu, der wegen Mordes an seinem gewalttätigen und alkoholsüchtigen Vater nicht nur zehn Jahre im Gefängnis von Montréal verbracht hat, sondern - wie es die ungeschriebenen Gesetze der Innu vorschreiben - aus der Gemeinschaft seiner Gemeinde Nutashkuan an der Côte Nord verbannt worden ist. Nach Verbüßung der Haftstrafe kann Élie daher nicht zurück in sein Heimatdorf und auch seine Mutter, derentwegen er ja im Gefängnis gesessen ist, nimmt keine Notiz von ihm.

So landet er bei einer Gruppe autochthonen Männern und Frauen zu, die als Obdachlose auf den Straßen Montréals – Tiohtiá:ke, wie die Stadt in der Sprache der Mohawk genannt wird – leben.

Anders als zahlreiche andere Autochthone gelingt es Élie Mestenapeo unter den Obdachlosen, die unterschiedlichen Nationen wie den Innu, Cree, Atikamekw oder Inuit angehören, Freunde zu finden. Obwohl jeder von ihnen seine eigene Geschichte hat, helfen vor allem Geronimo, Charlie, der Sänger Caya, die Inuit-Zwillinge Mary und Tracy aus Nunavik oder der alten Nakota Jimmy, der die Obdachlosen in seinem Kochmobil mit Essen versorgt, über die erste Zeit.

Mit den Zwillingen Mary und Tracy verbindet ihn eine besondere Freundschaft, als er entdeckt, dass Mary ihre Tochter Lisbeth zur Adoption freigegeben hat. Lisbeth ist nun Ärztin, wird Élies Freundin und bestärkt ihn, seinen Schulabschluss zu machen und zu studieren.

Als dann mehrere Obdachlose, darunter auch Mary, durch scheinbare (Auto)Unfälle getötet werden, beginnt Élie zu recherchieren.

In einem Selbstbesinnungscamp, in dem er auf Anraten von Nakota-Jimmy, arbeitet, findet Élie Mestenapeo zu seinen Wurzeln zurück.

Meine Meinung:

Dieses Buch hat mich so berührt, dass ich es in einer Nacht gelesen habe. Ich habe es nicht weglegen können. Michel Jean spricht in diesem Buch neben Élie Mestenapeo zahlreiche andere Schicksale stellvertretend für das Unrecht, das den Autochthonen angetan worden ist, an. Da geht es um erzwungene Sesshaftigkeit durch die dann die Jagd und das Fischen als Lebensgrundlage wegfallen und die, nunmehr in eilig errichteten Häusern lebenden Autochthonen, zum Nichtstun verurteilt worden sind. Dass ein Großteil dieser Menschen von Alkohol und Drogen abhängig geworden sind, ist keine Überraschung. Ohne sinnvolle Beschäftigung und der Traditionen beraubt, sind Tage ewig lang.

Ein weiteres dunkles Kapitel in der Geschichte Kanadas ist die Verschleppung der autochthonen Kinder in kirchliche Umerziehungsinternate, die ihre Auswirkungen auf die Menschen bis heute haben.

Allerdings gibt es einige, die trotz (oder gerade deswegen) ihre Menschlichkeit haben bewahren können.

Dieser Roman schließt an die anderen Romane Michel Jeans an und ist quasi die Brücke ins 21. Jahrhundert. Wie begegnen wieder der Anwältin Audrey Duval und Nakota-Jimmy, die bereits in „Maikan“ eine wichtige Rolle gespielt haben.

Dass sich Élie Mestenapeos Schicksal zum Guten wendet, ist einer Heerschar von Personen zu verdanken, doch nicht zuletzt Élie selbst, der hart dafür arbeitet.

Das Buch selbst ist in gediegener Aufmachung inklusive Lesebändchen im kleinen österreichischen Verlag Lojze Wieser erschienen.


Fazit:

Ein bewegendes Buch, das ich mit einer unbedingten Leseempfehlung und 5 Sterne versehe.