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hasirasi2
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1167 Bewertungen
Bewertung vom 23.01.2022
Das Leben in unseren Händen
Neiss, Eva

Das Leben in unseren Händen


ausgezeichnet

Das Land der großen Freiheit?

Ada und Hannah Rosenbaum wollen 1939 zusammen mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder nach Amerika ausreisen, aber weil es keine 5 Tickets für das gleiche Schiff gibt, fahren die beiden Schwestern voraus. Ihre Emigration steht unter keinem guten Stern. In New York sitzen sie 6 Woche auf Ellis Island fest, weil ihre Tante Judith sie nicht wie erwartet abholt. Außerdem verheimlicht Ada ihre Schwangerschaft. Durch den Stress kommt die kleine Sarah 2 Monate zu früh zur Welt und das Krankenhauspersonal ist der Meinung, dass sie sowieso keine Überlebenschance hat – man will sie sterben lassen! (Eine damals leider übliche Praxis.) Ada hat nichts dagegen, aber Hannah, die in Deutschland Krankenschwester in einem jüdischen Krankenhaus war, kann das nicht hinnehmen. Als sie erfährt, dass ein Dr. Couney ein Haus für Frühchen betreibt, bringt sie die Sarah dorthin …

Ada und Hannah sind sehr verschieden. Hannah träumt davon, in Amerika endlich Medizin zu studieren – das war ihr in Deutschland verwehrt, obwohl sie getaufte Juden sind – aber erst einmal muss sie Geld verdienen und arbeitet in einer Fabrik. Sie will ein selbstbestimmtes Leben führen und auch für ihren Unterhalt aufkommen. Wo, wenn nicht in Amerika, dem Land der großen Freiheit, sollte sich dieser Traum verwirklichen lassen?! Als ihr Dr. Couney einen Job in seiner Frühchen-Klinik anbietet, scheint sie ihrem Traum ein großes Stück näher zu kommen. Und dann sind da auch noch Aaron, der Musiker und angehender Brückenbauer, denn sie auf Ellis Island kennengelernt hat und der ihr Herz zum Klingen bringt, und der junge Assistenzarzt Nathan, mit dem sie bald eine mehr als tiefe Freundschaft verbindet …
Doch mit dem Fortschreiten des Krieges werden die Schwestern immer öfter mit dem Vorurteil konfrontiert, dass sie ja Deutsche und damit Feinde sind. Dass sie als Juden zu Hause kaum eine Überlebenschance gehabt hätten, interessiert ihre Angreifer dabei nicht.

Hannah habe ich sofort gemocht. Sie ist zielstrebig, fleißig und sehr mitfühlend. Und obwohl sie die jüngere der beiden ist, ist es für sie selbstverständlich, dass sie sich um Sarah kümmert und ihren Verdienst mit Ada teilt.
Ada hingegen scheint nicht für ein eigenständiges Leben oder körperliche Arbeit geschaffen zu sein. Sie ist wunderschön, aber auch unnahbar, orientiert sich am Ideal der amerikanischen Frauen in den Magazinen. Sie will sich einen reichen Ehemann schnappen und Deutschland und die Erinnerungen daran so schnell wie möglich vergessen. Ich bin lange nicht mit ihr warm geworden und konnte einfach nicht verstehen, warum sie ihre Tochter ablehnt und die Hilfe anderer als selbstverständlich nimmt. Aber das Ende der Geschichte hat mich diesbezüglich überrascht und ich konnte sehr gut nachvollziehen, warum sie sich so verhalten hat.
Auch das Schicksal ihrer Eltern und ihres Bruders ist sehr aufwühlend. Die kommen nämlich nicht in den USA an, weil sie ausgerechnet auf der St. Louis über die Weltmeere irren, die überall abgewiesen wird und letzten Endes wieder in Europa strandet.

Eva Neiss hat einen extrem berührenden Roman über den Beginn der Neonatologie (Frühchen-Medizin) und den Neuanfang zweier junger jüdischer Frauen vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges in New York geschrieben. Mir hat die Verbindung realer historischer und medizinischer Hintergründe mit einer bewegenden Familiengeschichte sehr gut gefallen.
Ich war verblüfft, wie ausgereift die Medizin in Bezug auf die Frühgeboren damals schon war, auch wenn Dr. Couney wohl lange allen mit seinen Ansichten und Entwicklungen stand. Auch seine Art der Finanzierung hat mich überrascht – mehr verrate ich hier aber nicht.

Bewertung vom 16.01.2022
Die Verwegene
Leonard, Charlotte

Die Verwegene


ausgezeichnet

Die schönste Frau der Welt

Letztes Jahr habe ich im Podcats „Frauenleben“ zum ersten Mal von der zu Unrecht vergessenen Hollywood-Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr gehört. Schon damals hat mich der Einblick in ihr Leben fasziniert, um so gespanter war ich auf die Romanbiografie von Charlotte Leonard (hinter dem Pseudonym versteckt sich übrigens die Autorin Christina Lind).

„Es gibt nicht viele Rollen für Frauen mit ihrem Äußeren. Sie wirken wie eine Göttin. Eine Göttin aus Marmor.“ (S. 105) Was als Kompliment gemeint ist, wird für Hedy in Hollywood bald zum Fluch. Sie ist es gewöhnt, dass ihr die Männer zu Füßen liegen und sie mit Geschenken überhäufen, hat mit 16 den Skandalfilm „Ekstase“ gedreht, danach am Wiener Burgtheater die Sissy gespielt, mit 18 den steinreichen Waffenfabrikanten Felix Mandl geheiratet und ist ihm und seinem goldenen Käfig nur wenige Jahre später (1937) nach Amerika entflohen. Dort will sie Charakterrollen spielen, aber MGM besetzt sie zu oft als die exotische (erotische) Schöne, ohne viel Text und in kleinen oder Nebenrollen. Kritiker hetzen: „Hedy Lamarr ist immer noch als das teuerste Stück Dekoration in der Show zu sehen.“ (S. 293) Dabei hat sie eine ernsthafte und talentierte Schauspielerin, wenn sie ihr Können dann mal beweisen darf.

Charlotte Leonard hat es geschafft, Hedy vor meinem inneren Auge lebendig werden zu lassen, ihre innere Zerrissenheit wiederzugeben und die verschiedenen Sichten, die ihre Fans und Kritiker auf die skandalumwitterte Frau hatten. Ich erlebe eine wunderschöne, zielstrebige und warmherzige Frau, mit einem eigenen Kopf, die um Anerkennung und den großen Durchbruch im Filmgeschäft kämpft und sich dabei nicht unterkriegen lässt. Und ich sehe die Privatperson Hedwig Kiesler, die außerhalb von Hollywood mit vielen Tieren lebt, nur ungern auf Partys geht, sich in ihrem Erfinderzimmer am wohlsten fühlt und von der großen Liebe und einer eigenen Familie träumt.
Ich konnte den Hass der konvertierten Jüdin auf die Nazis und die Sorge um ihre Mutter, die noch in Europa lebte, gut nachvollziehen. Hedy ist schon als Kind an allem interessiert und sehr intelligent, forscht in Drehpausen und der Freizeit an vielen Erfindungen. Sie will Amerika im Kampf gegen die Deutschen unterstützen und ersinnt zusammen mit dem Musiker George Antheil ein Verfahren, um Torpedos genauer und unbemerkt steuern zu können (das Frequenzsprungverfahren). Sie bekommen auch das Patent dafür zugesprochen, aber die Army nimmt die „Idee einer Schauspielerin und eines Klavierspielers“ trotzdem nicht ernst ...

„Die Verwegene“ versprüht viel Glamour und liest sich wie das Who’s Who Hollywoods der dreißiger Jahre, denn Hedy arbeitet mit den ganz Großen zusammen. Aber das Buch zeigt auch, dass das Filmgeschäft viel weniger prachtvoll ist, als die PR-Leute der Studios es aussehen lassen. Es geht in erster Linie um den Profit. Der Chef von MGM bestimmte, wer welchen Film drehte. Er „schuf“ seine Schauspieler, legte ihr Aussehen, ihre Namen und ihren Ruf fest. „In Hollywood wirst du nichts, wenn du facettenreich bist. Du brauchst eine Rolle, die deine ist, eine Figur, die sich für lange Zeit vermarkten lässt.“ (S. 298) Am erschreckendsten fand ich, dass die Darsteller mit Medikamenten „versorgt“ wurden, damit sie die harten Drehtage durchhielten, und Schlafmitteln, damit sie abends runterkamen und am nächsten Tag ausgeruht waren. Kein Wunder, dass Hedy in späteren Jahren tablettensüchtig war, wie die Autorin hier schon andeutet.

Charlotte Leonard schreibt sehr fesselnd, detailliert und bildreich. Man merkt, dass sie für diesen beeindruckenden biographischen Roman viel recherchiert hat. Mich konnte Hedy begeistern auch wenn sich ihre Träume nicht erfüllt haben.

Bewertung vom 13.01.2022
Ende in Sicht (MP3-Download)
von Rönne, Ronja

Ende in Sicht (MP3-Download)


ausgezeichnet

Zum Sterben schöner Roadtrip

„Warum weitermachen in einer Welt, in der es eigentlich niemanden interessiert, ob man weitermachte.“ Zwei Frauen, die nichts mehr von Leben erwarten und darum nicht mehr leben wollen, treffen an einem verregneten Donnerstagabend auf der A33 aufeinander. Juli ist erst 15, als sie von einer Grünbrücke springt. Leider hat sie nicht bedacht, dass diese viel zu niedrig und das Auto, das gerade auf die Brücke zu fährt, viel zu langsam ist. Am Steuer des uralten Passats sitzt Hella, 69, unterwegs in die Schweiz zu Dignitas. Sie bringt Juli ins Krankenhaus und denkt, dass sie ihre Fahrt danach allein fortsetzen kann, doch so leicht lässt sich Juli nicht abschütteln. Mithilfe kleiner Lügen und Tricksereien bringt sie Hella dazu, sie immer noch ein kleines Stückchen weiter mitzunehmen ...

„Es schien nicht im Interesse dieses Kindes zu sein, weiter auf diesem Planeten verweilen.“ Julis Geschichte hat mich berührt. Ihre Mutter hat sie verlassen, als sie noch ein Baby war, und ihr Vater musste sie allein aufziehen. Dabei schien er oft überfordert zu sein, auch wenn er sich echt Mühe gegeben hat. Juli ist clever, aber auch anders, wird von ihren Mitschülern gemobbt oder ignoriert. Außerdem hat sie gerade erfahren, dass ihr Vater sie in einer wichtigen Sache die ganze Zeit belogen hat. Sie fühlt sich ungeliebt und sieht einfach keinen Sinn mehr in ihrem Leben.

„Das halbe Kind, das nie gesehen wurde, und deshalb doch wenigstens gehört werden wollte, und wenn es im Radio war.“ Hella war mal ein Schlagerstar, aber jetzt wird sie nur noch für Möbelhauseröffnungen gebucht. Sie ist wahrscheinlich schon pleite, hat schon ewig nicht mehr auf ihr Konto geguckt. Hella ist eine ziemlich sperrige Person, die es einem nicht immer leicht macht, sie zu mögen, aber auch gewitzt und einfallsreich. Die letzten Jahre hat sie sich irgendwie durchs Leben gemogelt, aber jetzt ist es ihr nur noch überdrüssig.

Ronja von Rönne liest das Hörbuch zu ihrem Roman „Ende in Sicht“ selbst und hat mich mit ihrer Stimme und Modulation begeistert. Sie erzählt diese intensive Geschichte übers Sterben oder Leben in kurzen, prägnanten Sätzen, mal poetisch, mal melancholisch, mal dramatisch, oft tieftraurig und dann wieder unfreiwillig komisch. Hellas und Julis besonderer, sehr emotionaler Roadtrip soll sie eigentlich dem eigenen Tod näherbringen, aber die Enge des Autos und die gemeinsame Fahrt führen dazu, dass sie sich miteinander und ihren jeweiligen Problemen auseinandersetzen und endlich auch darüber reden.
Besonders anrührend fand ich, dass die Außenseiterin Juli auf der Fahrt endlich ihren ersten Kuss bekommt – und Hella den vielleicht letzten ihres Lebens …
Trotz des traurigen Grundthemas ist es aber auch ein Buch, das Hoffnung macht und Mut zum Weiterleben, uns daran erinnert, auch die kleinen Freuden des Lebens zu erkennen und zu genießen.

Bewertung vom 04.01.2022
Die Künstlerin der Frauen / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.20
Rosenberger, Pia

Die Künstlerin der Frauen / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.20


ausgezeichnet

Zwischen Kunst und Leben

„Als Kind hatte sie sich gewünscht, die größten Bildwerke der Welt zu schaffen, begehbar und voller Wunder.“ (S. 5)
Zum ersten Mal bin ich Niki de Saint Phalle (genauer gesagt ihren Plastiken) im Strawinski Brunnen neben dem Centre Georges Pompidou in Paris Ostern 1990 begegnet. Das weiß ich deshalb so genau, weil es unsere erste Reise nach dem Fall der Mauer in „den Westen“ war. Damals fand ich die Installation bunt und faszinierend, über ihre Erschaffer habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Später ist mir hin und wieder eine ihrer Nanas begegnet, aber so richtig in Zusammenhang habe ich das alles jetzt erst durch Pia Rosenbergers Buch „Die Künstlerin der Frauen“ gebracht. Darin schildert sie Nikis spannendes und zum Teil dramatisches Leben, geprägt von Krankheiten und Depressionen, das eigentlich ganz anders geplant war.
Niki entstammt einem alten französischen Adelsgeschlecht, ihre Familie lebt in New York. Sie ist das Ebenbild ihrer wunderschönen Mutter – hat aber viel mehr Temperament und fliegt immer wieder von den Internaten und Klosterschulen, auf denen sie zur perfekten katholischen Ehefrau und Mutter erzogen werden soll. Doch auf ihrem Debütantinnenball 1947 fällt sie einem Fotografen auf und setzt durch, dass sie Fotomodel werden darf – ihre Mutter hofft, dass Nikis Marktwert dadurch steigt ...
Dabei will Niki ganz anders leben als ihre Eltern, die trotz 5 gemeinsamer Kinder ständig Affären haben. Sie will eigenes Geld als Malerin oder Bildhauerin verdienen, unabhängig von einem Ehemann sein. Aber dann begegnet sie ihren ersten Liebe Harry Mathew wieder, der Musik studiert. Sie heiraten jung und bekommen sehr schnell ihr erstes Kind – und das Leben ihrer Mutter scheint sich zu wiederholen, denn auch Mathew hat dauernd Affären. Frankreich soll einen Neubeginn bringen, stattdessen rutscht Niki immer tiefer in Depressionen, bis deren Ursache durchbricht und Niki sich an ein lange verdrängtes traumatisches Erlebnis aus ihrer Kindheit erinnert (das mich sprachlos gemacht hat). Erst Jean Tinguely und seine kinetischen Kunstwerke bringen die Wende …

Niki de Saint Phalles Leben hat mich aufgewühlt und berührt. Trotz der ganzen Dramen, die sie erleben musste, und Krankheiten, gegen die sie ankämpfte, ist sie sich stets treu geblieben. Die Kunst hat ihr Kraft gegeben und einen Ausweg gezeigt, mit ihren Schießbildern (von denen ich in diesem Buch zum ersten Mal gelesen habe) verarbeitet sie ihr Kindheitstrauma, sprengt gleichzeitig ihre innere Leere und Dunkelheit und schafft den großen Durchbruch. Dabei war ihr immer wieder gesagt worden: „… durchsetzen wirst du dich als Frau ohnehin nicht. Du wirst scheitern, stell dich darauf ein. Erfolg haben nur die Männer.“ (S. 144) Selbst andere Künstlerinnen bezeichneten sie abfällig als „malende Schriftstellergattin“ (ihr Mann war inzwischen Autor).

Besonders gefallen hat mir der unaufgeregte aber eindringliche Erzählstil, in dem Pia Rosenberger beschreibt, was Niki zur Künstlerin gemacht hat, welche Erlebnisse sie wie in ihren Kunstwerken verarbeitet, bringt dem Leser damit Nikis Intentionen für die jeweiligen Objekte und / oder Stilrichtungen nahe. Außerdem gibt sie einen großartigen Einblick in die New Yorker High Society und Nikis unangepasstes Leben (oft von der Hand in den Mund) im Pariser Impasse Rosin oder dem mallorquinischen Künstlerdorf Deià. Sie hat mir eine Künstlerin nähergebracht, die als erste weibliche Neorealistin in die Gruppe um Yves Klein aufgenommen wurde, sich ständig weiterentwickelte, nie stehenblieb und ihren Traum vom Skulpturengarten im Olivenhain inspiriert von Dalí nie aus den Augen verlor. Mir war nicht bewusst, mit welchen anderen berühmten Künstlern, Förderern und Kritikern Niki bekannt war. (Und wenn ich mir etwas wünschen dürfte, sollte das nächste Buch der Autorin von dem im Buch erwähnten Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude handeln, die scheinbar eine symbiotische, gleichberechtigte Beziehung geführt h

Bewertung vom 23.12.2021
Lady Blake und das Grab im Meer
Glenconner, Anne

Lady Blake und das Grab im Meer


sehr gut

Das Geheimnis der Korallen

„Jetzt bist du endlich frei und keine Hofdame mehr. Du kannst selbst ins Rampenlicht treten.“ (S. 97)
Vierzig Jahre lang war Lady Veronica Blake die Hofdame von Prinzessin Margaret. Nach deren Tod zieht sie sich auf die beschauliche Privatinsel Mystique in der Karibik zurück, wo sie und ihr Mann schon lange ein mondänes Anwesen besitzen. Dort lebt auch ihre Patentochter Lily, die sie nach dem frühen Tod von deren Mutter aufgezogen haben. Lily hat sich der Wiederaufforstung des Korallenriffs vor der Insel verschrieben, was nicht nur auf Gegenliebe stößt. Eines Morgens steht an ihrem Boot: „Verschwinde von Mustique oder stirb wie die Korallen.“ (S. 47). Kurze darauf ist Lilis Freundin Amanda verschwunden. Lady Veronica sorgt sich um die junge Frau und beginnt sich umzuhören.
Auch Detective Sergant Solomon Nile, der einzige Polizist der Insel, sucht die Vermisste. Sein einziger Hinweis ist das Stück Koralle mit eingeritzten Voodoo-Zeichen, dass er in ihrem Haus findet.
Dann verschwindet noch jemand, weitere gekennzeichnete Korallenstücke tauchen auf und ein Tropensturm rast auf die Insel zu – niemand kann sie verlassen, der Entführer und die Gesuchten müssen noch irgendwo auf der Insel sein …

Die Bewohner von Mustique führen ein echtes Jet-Set-Leben. Bis auf zwei Luxus-Hotels gibt es nur Privatanwesen, in denen berühmte Musiker, Schauspieler und Mitglieder des englischen Königshauses einen Teil des Jahres leben. Es werden glamouröse Partys gefeiert und man hat keine Geheimnisse voreinander – denkt Lady Veronica wenigstens. Aber bei ihrer Suche nach Amanda fallen ihr immer mehr Ungereimtheiten auf, viele Inselbewohner scheinen plötzlich verdächtig. Da ist zum einen der stumme Gärtner, der überall auftaucht und panisch wirkt, der alternde Rockstar, der endlich zu sich gefunden und von den Drogen gelassen hat, oder der komische schweigsame Vertretungsarzt, der die Insel eigentlich nicht verlassen darf und doch angeblich draußen auf einer fremden Jacht gesehen wurde …

DS Solomon Nile ist erst seit 3 Monaten zurück auf der Insel. Er wurde in Großbritannien ausgebildet und hat viele Jahre dort gearbeitet, doch wegen einer persönlichen Krise und der Parkinsonerkrankung seines Vaters ist er zurückgekehrt. Da das Inselleben so familiär und noch nie was passiert ist, ist er für „richtige“ Polizeiarbeit gar nicht ausgerüstet und muss sich mit dem behelfen, was er vorfindet. Er ist dankbar für das Wissen und die Erkenntnisse, die Lady Veronica besteuern kann – die tropische Miss Marple und er sind ein tolles Team.

Die Handlung wird in kurzen Kapiteln abwechselnd aus der Sicht der beiden Ermittler erzählt und hat durch die Abgeschlossenheit der Insel und den heraufziehenden Sturm Kammerspielcharakter.

„Lady Blake und das Grab im Meer“ ist der Auftakt einer neuen Cosy-Krimireihe mit Spannung, Herz und tropischem Flair und dürfte nicht nur Fans von „Death in Paradise“ begeistern. Das Setting ist einfach traumhaft, das Meer und die Flora und Fauna der Insel werden toll beschrieben und wecken Sehnsüchte. Besonders begeistert hat mich, dass es die Insel wirklich gibt und die Autorin Prinzessin Margarets Hofdame war! Sie gewährt ihren Lesern einen tollen Einblick in ihr Leben und die Arbeit als Hofdame, plaudert aus dem Nähkästchen, z.B. worauf sie achten musste und was ihre Aufgaben waren. Das macht für mich den Charme des Buches aus.

Bewertung vom 20.12.2021
Eine Bibliothek in Paris
Charles, Janet Skeslien

Eine Bibliothek in Paris


sehr gut

Historisch sehr gut recherchierte und emotionale Geschichte

„Ich lebe, um zu lesen.“ (S. 31) könnte auch von mir stammen, denn ich wollte nie etwas anderes als Bibliothekarin werden. Odile geht es 1939 ebenso. Sie hat die Bibliotheksschule abgeschlossen und bekommt eine Stelle an der Amerikanischen Bibliothek (ALP). Bald fühlt sie sich dort wohler als zu Hause. Die Mitarbeiter sind wie eine kleine Familie, man weiß einiges voneinander und den Nutzern, empfiehlt sich Bücher passend zur Stimmung oder Lebenslage.
Doch mit dem Ausbruch des 2. Weltkrieges ändert sich vieles. Immer mehr junge Männer werden einberufen, Odiles Zwillingsbruder Rémy meldet sich sogar freiwillig. Ohne ihr „Gegenstück“ fühlt sie sich oft einsam und verloren, wären da nicht ihre große Liebe Paul und die neue Aufgabe der ALP. Sie richten einen „Soldier´s Service“ ein, schicken Bücherkisten in Lazarette und an die Front, um den Soldaten mithilfe von Literatur Fluchten aus dem grausamen Alltag zu bieten.
Doch dann besetzen die Deutschen Paris besetzen und mischen sich auch in den Bibliotheksalltag ein. Gewisse Bücher dürfen nicht mehr ausgeliehen werden – und gewisse Leute die Bibliothek nicht mehr nutzen. Also beschließen die Mitarbeiter, diesen Ausgeschlossenen die Bücher nach Hause zu bringen … „Bücher auszuliefern wird unser Akt des Widerstandes.“ (S. 281)

Montana 1983: Obwohl Odile schon seit 1945 in dem kleinen Örtchen Froid lebt, wird sie immer noch als Kriegsbraut und Fremde bezeichnet. Sie ist Witwe und lebt extrem zurückgezogen, fällt aber durch ihren französischen Akzent, die schicke Kleidung und das gekonnte Makeup auf. Für Lily, die 12jährige Nachbarstochter, macht sie das sehr interessant. Unter dem Vorwand, einen Schulaufsatz über Paris zu schreiben, kann sie Odile überreden ihr von früher zu erzählen … „Im Krieg sind Dinge passiert, über die keiner spricht, die so beschämend sind, dass wir sie in einem geheimen Friedhof vergraben und dann die Gräber für immer sich selbst überlassen haben.“ (S. 456)

„Eine Bibliothek in Paris“ zeigt ein sehr persönliches Bild von Paris und seinen Bewohner zur Besatzungszeit anhand vieler bewegender Einzelschicksale. Die Versorgungslage wird immer schlechter, die Menschen immer dünner, die anonymen Anzeigen immer schlimmer. Trotzdem hilft man sich, versorgt oder versteckt jüdische Mitbürger, leiht weiter verbotene Bücher aus. Man fragt nicht nach, woher der andere z.B. dringend benötigte Lebensmittel oder Medikamente hat, macht ihm dann nach Kriegsende aber Vorwürfe, dass mit den Deutschen fraternisiert wurde. Mir gefällt, dass alle Protagonisten Fehler oder Schwächen haben, niemand glorifiziert wird.

Odile stammt aus gutem Haus und soll nach dem Willen ihrer Eltern bald heiraten. Ihr Vater, ein Polizeikommissar, stellt ihr jeden Sonntag einen anderen, in seinen Augen passenden, Untergebenen vor und ihre Mutter hat ihre Aussteuer längst beisammen. Zwischen dem Polizisten Paul und ihr funkt es auch wirklich, aber heiraten will sie so schnell nicht – schon gar nicht während des Krieges und ohne ihren Zwillingsbruder.
Zu Beginn ist sie noch recht jung und unerfahren. Für sie sind die Dinge entweder Schwarz oder Weiß, die leisen Zwischentöne und Abstufungen im Zwischenmenschlichen muss sie erst lernen. Trotzdem hat sie mich sehr beeindruckt und ich habe sie für ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen bewundert.
40 Jahre später ist Odile immer noch eine Frau mit Vorbildfunktion. Sie hilft Lily (mithilfe von Büchern) beim Erwachsenwerden und findet dadurch selber zurück ins Leben. Das ist zwar sehr berührend, hat für mich aber mit der eigentlichen Geschichte nichts zu tun und ich hätte den zweiten Strang als Rahmenhandlung nicht gebraucht. Wobei mir die Parallelen zwischen dem kalten Krieg, der die Welt damals in Atem hielt, und dem 2.Wk gut gefallen haben.

4 Sterne und meine Leseempfehlung für diese historisch sehr gut recherchierte und emotionale Geschichte.

Bewertung vom 17.12.2021
Sturm über der Tuchvilla / Tuchvilla Bd.5
Jacobs, Anne

Sturm über der Tuchvilla / Tuchvilla Bd.5


sehr gut

Dunkle Zeiten ziehen auf

Nach dem 4. Band der Tuchvilla hatte ich schon gemutmaßt, dass es eine weitere Fortsetzung geben wird, da mit Dodo und Leo, den Kindern von Marie und Paul Melzer, bereits die nächste Generation in den Startlöchern steht. Und so ist es jetzt auch gekommen.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1935. Leo studiert in München Musik und Dodo hat in Berlin eine Ausbildung zur Motorfliegerin gemacht. Beide haben Träume und Wünsche für ihre Zukunft, doch die Zeiten ändern sich schnell. Die Nationalsozialisten sind an der Macht, in Leos Schule werden die jüdischen Lehrkräfte vertrieben und Dodo muss feststellen, dass Frauen nach Ansicht der neuen Machthaber schwanger an den Herd gehören und nicht hinter das Steuerruder eines Flugzeugs. Auch ihre Mutter Marie bekommt Probleme, weil ihr Großvater Jude war – obwohl sie getauft und christlich erzogen wurde, gelten sie und ihre Kinder als Juden. Ihre Kundinnen beginnen, ihr Modeatelier zu meiden, als sich das rumspricht. Und ihrem Mann Paul wird mehrfach nahegelegt, sich scheiden zu lassen, wenn er die Fabrik (be-)halten will.
Aber auch Pauls Schwester Lisa hat es nicht leicht. Ihr Mann Sebastian ist ein überzeugter Kommunist und war deswegen schon einmal für 4 Wochen im KZ. Es sieht so aus, als hätte man ihn dort gebrochen, er wird immer wunderlicher und damit zur Gefahr für die Familie ...

Anne Jacobs hat einen unheimlich tollen und mitreißenden Schreibstil. Sie versteht es, die Spannung über die fast 700 Seiten zu halten, die ich (wieder mal) an nur 3 Tagen gelesen habe. Nur mit dem Wiedereinstieg hatte ich zu Beginn kleinere Probleme. Bei den vielen Personen, die inzwischen zum Universum der Melzers gehören, war ich dankbar für das Personenregister.
Neben den Familienangehörigen und Angestellten tauchen auch alte Bekannte wieder auf. Die ehemaligen Gouvernante Serafina will immer noch höher hinauf. Auch die ehemalige Kammerzofe Gerti hat große Pläne für ihre Zukunft. Und leider holen auch die Erlebnisse mit dem russischen Kriegsgefangenen die Bewohner der Villa wieder ein.

Die drängendste Frage für Paul, den Fabrik- und Familienvorstrand der Melzers, ist die nach seiner Nachfolge. Theoretisch wäre Leo sein Erbe, aber der will die Fabrik nicht, genau wie Dodo, die sich nur fürs Fliegen interessiert. Der Nachzügler Kurt ist eben erst in die Schule gekommen und glänzt leider nicht durch gute Leistungen. Henny, Pauls Nichte, hat ein Händchen für das Geschäft und kann sehr gut mit Menschen – aber sie ist „nur“ eine Frau.
Und über allem schweben die neuen Gesetze der Nationalsozialisten, nach denen Marie und ihre Kinder in großer Gefahr sind – auch wenn die Familie das noch nicht wahrhaben will. Aber Marie hat ein untrügliches Gespür und ist bereit, sich für die Familie zu opfern …

Anna Jacobs entfaltet auch im 5. Band ein sehr umfassendes und ausführliches Bild des damaligen aktuellen Welt- und politischen Geschehens und verknüpft dieses mit den unterschiedlichen Schicksalen der Familienmitglieder und ihrer Angestellten. Sie zeigt, wie sich Herrschaft der NSDAP auf den Einzelnen auswirkt und sich das Familiengefüge dadurch langsam verschiebt. Denn nicht nur Marie, Leo und Dodo müssen durch die neuen Rassengesetze ihre Träume neu überdenken ...

Auch der „Sturm über der Tuchvilla“ ist wieder sehr spannungsgeladen, fesselnd und unterhaltsam und endet so, dass man sich eine weitere Fortsetzung unbedingt wünscht – aber vielleicht mit etwas weniger Personen ;-) …

Bewertung vom 13.12.2021
Der süße Himmel der Schwestern Lindholm
Russo, Andrea

Der süße Himmel der Schwestern Lindholm


ausgezeichnet

Eine hyggelige Familiengeschichte

2020: Auf der schwedischen Halbinsel Kullaberg betreiben die Frauen der Familie Lindholm seit über 80 Jahren das Café „Söta Himlen“ mit von ihnen über Generationen entwickelten und in einem Buch festgehaltenen Rezepte. Um so erstaunter sind sie, als sich eines Tages eine Deutsche bei ihnen meldet – sie besitzt ein altes handschriftliches Buch mit ihren Rezepturen und behauptet, ebenfalls eine Lindholm zu sein …

1936: Die drei Schwestern Hannah, Ingrid und Matilda leben zusammen mit ihren jüngeren Zwillingschwestern Ulla und Ebba, ihrer Mutter und ihren Großeltern auf einem Hof in Arild direkt Meer. Die Familie betreibt eine kleine Bäckerei, Hannah arbeitet zusammen mit der Großmutter in der Backstube und Ingrid verkauft im Laden. Mathilda ist Servierkraft in einem Hotel im Badeort Mölle und gibt ihr Gehalt zu Hause ab. Aber die Wirtschaftskrise hat auch Schweden fest im Griff und so kommen sie mit dem erwirtschafteten Geld kaum über die Runden. Darum arbeitet ihr Vater 2000 km entfernt in einem Erzbergwerk und kann sie nur einmal im Jahr besuchen, schickt aber regelmäßig Geld.
Da hat Ingrid die Idee, den Laden um ein kleines Gartencafé zu erweitern um die Touristen aus Mölle herzulocken. Mit viel Fantasie und Elan setzen sie diesen Plan in die Tat um. Hannah entwickelt immer neue Rezepte und langsam haben sie mit dem Café Erfolg, da verliebt sich Hannah ausgerechnet in einen Deutschen und setzt den Familienfrieden aufs Spiel …

Andrea Russo hat unter ihrem Pseudonym Anne Barns schon viele Familiengeschichten veröffentlicht, in denen das Meer und der Genuss eine große Rolle spielen. Auch hier hat sie wieder ein wundervolles Setting gezaubert, man möchte das zauberhafte Gartencafé direkt am Meer unbedingt mal besuchen, erst am Strand spazieren gehen und dann (mindestens) eine der Köstlichkeiten probieren, die einem beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.

Obwohl der Roman in einer sehr bewegten Zeit spielt, strahlt er eine große Wärme und Ruhe aus – er ist geradezu hyggelig. Die Handlung dreht sich um Familie, Harmonie und den Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten.
Die Schwestern sind sehr verschieden und suchen ihren Platz im Leben und im Familienunternehmen. Mathilda träumt davon, Schauspielerin zu werden und die Welt zu sehen und hat immer wieder Affären.
Hannah ist schon viele Jahre mit ihrem Jugendfreund zusammen, als sie sich in den Deutschen verliebt. Das bringt böses Blut in die Familie, da ihr Großvater, ein überzeugter Sozialdemokrat, gegen Hitler und die Nationalsozialisten im Allgemeinen und Hannahs Freund im Besondern wettert. Aber auch ihre Schwestern sind vom neuen Freund nicht begeistert. „Willst Du auf lange Sicht etwa mit ihm nach Deutschland gehen? … Glaube mir, dieser Hitler ist gefährlich. … Großvater … befürchtet, das Land würde auf einen Krieg zusteuern.“ (S. 27)
Ingrid ist die bodenständigste der drei. Sie hatte die Idee mit dem Café, wollte damit das Einkommen der Familie steigern und ihre Schwestern in Arild halten, fester an die Familie binden. Doch als der Krieg ausbricht, wird das immer schwieriger.

Der Zusammenhalt zwischen den drei Schwestern aber auch in der Familie generell hat mir sehr gut gefallen. So viele starke Persönlichkeiten, die sich ähnlich und trotzdem sehr verschieden sind – da würde man gern dazugehören.

Andrea Russo gewährt guten Einblick in das Leben in Schweden zur damaligen Zeit. Das Land war zwar nicht aktiv am 2. WK beteiligt, sympathisierte aber mit Finnland und war wirtschaftlich stark mit Deutschland verbunden – das bedeutet einerseits Mobilmachung und Angst vorm Kriegseintritt und andrerseits die Verknappung von Lebensmitteln etc., die Lindholms mussten noch enger zusammenrücken und unterstützen trotzdem die Menschen im Dorf, die es nötig haben.

Mich hat „Der süße Himmel der Schwestern Lindholm“ sehr gut unterhalten. Ich mag die Mischung aus Familiengeschichte verknüpft mit historischen Hintergr

Bewertung vom 11.12.2021
Einfach gutes Brot backen
Gruber, Jennifer

Einfach gutes Brot backen


ausgezeichnet

Liebt ihr auch den Duft von frischem Brot? Könnt ihr kaum erwarten, dass es nach dem Backen endlich abgekühlt ist und man es anschneiden kann? Hört ihr das Knirschen und Knuspern, wenn das Messer die Kruste durchtrennt, spürt ihr den Geschmack und die verschiedenen Aromen auf der Zunge?

Bei diesem Buch ist der Namen Programm – die Rezepte sind einfach und leicht verständlich und punkten mit zum Teil außergewöhnlichen Zutaten oder Zubereitungsarten. Die Bäckerin legt außerdem viel Wert auf Nachhaltigkeit und eine lange Teigführung bzw. Teigruhe.
Jennifer Gruber ist geprüfte Sensorikerin und man spürt beim Ausprobieren der Rezepte, dass dieses Wissen auch in ihre Rezepturen eingeflossen ist. Ein gutes Brot braucht theoretisch nur Wasser, Mehl und Salz, darum sind sich viele Brotrezepte ähnlich. Aber Jennifers haben immer das gewisse Etwas, das sie zu etwas Besonderem macht, sei es ein Quäntchen Schmalz oder eine großzügige Prise getrockneter Knoblauch.
Die Autorin lässt viele spannende Geschichten rund um das Leben der verschiedenen Generationen ihrer Familie auf dem Bauernhof bzw. im Dorf einfließen, z.B., mit welchen Gerätschaften und Hilfsmitteln das Brot früher gebacken wurde. Das alles erzählt sie so lebendig, dass man das Gefühl hat, an einem uralten Küchentisch zu sitzen, während man einen Teig ansetzt oder weiterverarbeitet.
Besonders interessant in fand ich, dass früher „Ura“ als Triebmittel genommen wurde und sie das heute noch verwendet, davon habe ich hier zum ersten Mal gelesen. Auch in den Kapiteln zu Sauerteig und Hefe habe selbst ich als erfahrene Bäckerin wieder Neues gelernt. Überhaupt zeigt sie viele Tricks und Kniffe, wie man Fehler vermeiden oder Dinge noch besser machen kann. Dadurch und durch die kurze Einführung und die Erklärungen zu den Zutaten und Zubereitungsweisen bzw. den Fachbegriffen ist das Buch auch für Anfänger geeignet.

Mir gefällt gut, dass es neben den klassischen Rezepten auch welche mit Zugaben wie Gemüse, Gewürze oder Saaten gibt, Rezepte für Outdoor-Fans (die Brote werden dann im Dutch Oven, in der Fischgrillzange (crazy!) oder auf dem Grill gebacken), verschiedene Pizzateige und -beläge, Deftiges wie die geniale Brotsuppe, Salziges, Pikantes (Schüsseln aus Teig) und natürlich süßes Gebäck. Ein besonderes Schmankerl ist das Kapitel mit Sachen, die aufs Brot passen – da wird z.B. erklärt, wie man aus Schlagsahne selber Butter macht und die verfeinert, und es gibt Rezepte für verschiedene Aufstriche und aromatisierte Öle.

Noch ein kleiner Tipp für deutsche (Hobby-)Bäcker: Da die Autorin Österreicherin ist, sind im Buch österreichische Mehltypen angegeben, im Netz findet man aber Umrechnungstabellen, also keine Angst und ran an das Brot.

Ich bin von dem Buch rundum begeistert und habe es bereits meinen brotbackenden Freundinnen weiterempfohlen.

Bewertung vom 09.12.2021
Jane Austen und die Kunst der Worte / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.7
Bell, Catherine

Jane Austen und die Kunst der Worte / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.7


gut

Eine interessante Frau, aber der Erzählstil konnte mich leider nicht fesseln

„Ich möchte nur schreiben. Sogar an Tagen, an denen mir eigentlich überhaupt nicht danach ist. Wenn ich das darf, und wenn es ein paar wenige Leserinnen gibt, die sich dafür begeistern, ist es alles, was ich will.“ (S. 350)
Jane Austen ist eine Ausnahmekünstlerin, die es zu ihrer Zeit allerdings nicht leicht hatte. Erst 6 Jahre vor ihrem frühen Tod mit 42 wurde sie endlich veröffentlicht. Catherine Bell (das Pseudonym von Kerstin Sgonina) lässt uns in „Jane Austen und die Kunst der Worte“ an deren Ringen um Selbständigkeit und Erfolg teilhaben.

Jane ist 20, als sie sich zum ersten Mal verliebt – in den Neffen ihrer Nachbarin. Sie, die sich bis dahin nie für Männer interessierte, außer, um Teile oder Eigenschaften von ihnen für ihre Romanfragmente zu verwenden, kann plötzlich nur noch an Thomas Lefroy denken, dabei warnen sie alle vor diesem Herzensbrecher. Doch wenn sie nicht ewig bei ihren Eltern leben und von ihnen abhängig sein möchte, braucht sie einen Mann und Versorger. „Wärst du ein Junge, würde dir alle Welt versichern, dass Du es einmal weit bringen wirst.“ (S. 45) „Vielleicht bringe ich es auch als Mädchen weit. … Stell Dir vor, ich könnte für mich selbst sorgen. Dann bräuchte ich gar keinen Ehemann.“ (S. 46)

Jane ist das siebente von acht Kindern einer Pfarrersfamilie und da ihre älteren Geschwister alles Jungs waren, kam sie ebenfalls in den Genuss einer sehr umfangreichen und damals nicht üblichen Bildung. Ihr Talent fürs Schreiben zeigte sich schon früh und wurde von der Familie gefördert, allerdings glaubte niemand, dass sie davon leben könnte.

Catherine Bell zeichnet das Bild einer ungewöhnlichen jungen Frau, die zwar gern auf Bälle geht, sich aber nicht um einen Ehemann bemüht, die heimlich schwimmen lernt, um sich frei zu fühlen, und fast überall schreiben kann, wenn sie nicht gerade von Liebeskummer oder Schwermut niederdrückt wird. Aber Jane ist auch sehr empfindlich, was ihren Geist und Körper angeht. Sie ist oft krank und schnell niedergeschlagen, grübelt zu viel und ihr fehlt die Leichtigkeit und Naivität, die damals gern bei einer Frau gesehen wurde. Ich fand es erschreckend, dass sie mit 22 schon als alte Jungfer galt und ihre Eltern immer wieder versuchten, sie „an den Mann“ zu bringen.

Obwohl ich Janes Leben und die geschilderten Entstehungsprozesse und Überarbeitungsphasen ihrer Romane interessant fand, konnte mich der Erzählstil nicht fesseln. Die Autorin beschreibt Janes Arbeitsweise, die Reisen, Spaziergänge, Besuche bei Freunden oder Bällen viel zu ausführlich, aber man kommt ihr als Mensch nicht wirklich nahe, von ihren Selbstzweifeln und depressiven Phasen mal abgesehen. Mir waren auch die Zitate aus ihren Romanen zu lang und die Zeitsprünge mittendrin zu verwirrend. Darum gibt es von mir leider nur 3 von 5 Sternen.