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Benutzername: 
Lunamonique
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 413 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2015
Sturmbändiger
Smith, Jennifer E.

Sturmbändiger


ausgezeichnet

„Sturmbändiger“ ist nach „Punktlandung in Sachen Liebe“ und „Der Geschmack von Glück“ das neueste Jugendbuch von Jennifer E. Smith. Rubys Zwillingsbruder Simon benimmt sich in letzter Zeit merkwürdig. Was ist mit ihm los?

Die Eltern wollen sich ihre Träume verwirklichen, vom Physiklehrer zum Erfinder, von der Floristin zu Malerin. Die Zwillinge Ruby und Simon müssen sich an das Leben auf der Farm erst noch gewöhnen. Als eines Morgens die Hunde verrücktspielen, sieht Ruby einen Fremden aus der Scheune kommen. Sie verrät nichts von seinem Auftauchen und begegnet ihm bald wieder. Es geschehen seltsame Dinge. Simon lässt einen Toaster Funken sprühen und legt eine Autobatterie lahm. Das sind keine Zufälle mehr. Otis Gray will Simon helfen. Ein Sturm zieht auf. Simon bekommt hohes Fieber und muss wenig später ins Krankenhaus. Ein Mann verwickelt die Eltern ins Gespräch. Otis verschwindet. Müssen Ruby und Simon das Rätsel alleine lösen?

Mit dem Auftauchen des Fremden beginnt das Rätselhafte, die Spannung setzt ein, Fragen türmen sich auf. Warum verrät Ruby ihren Eltern und ihrem Bruder nicht, dass ein Unbekannter in der Scheune war? Das Verhältnis zwischen Ruby und Simon hatte sich in den letzten Monaten verschlechtert. Was ist der Grund dafür? Die Hunde gehen Simon aus dem Weg. Warum? Die Spannung steigt mit der Autowerkstattbesitzerin Daisy, die mehr zu wissen scheint und dem zweiten Fremden, der im Krankenhaus auftaucht. Autorin Jennifer E. Smith weiß ihre Leser mit geheimnisvollen Details und undurchsichtigen Charakteren zu fesseln. Gut und Böse sind scheinbar leicht einzuordnen. Die Kleidung unterstreicht den jeweiligen Charakter. Der Fremde aus dem Krankenhaus, Rupert London, macht von Anfang an einen berechnenden, eiskalten Eindruck. Was ist sein Plan? Warum ist Otis plötzlich verschwunden? Antworten auf wichtige Fragen werden nur langsam beantwortet. Die Autorin zögert Wissen hinaus. Eine Sache lässt sich im Laufe der Geschichte erahnen. Für eine interessante Kulisse sorgt Daisy. Besonders auffällig sind die Landschaftsbeschreibungen. Sie haben etwas Malerisches an sich und intensivieren die jeweilige Atmosphäre. Ruby sticht als Charakter hervor. Sie ist das gute Gewissen, begreift mit ihrem wissenschaftlichen Faible und ihrer Intuition Zusammenhänge eher. Ein waghalsiger Plan von Simon klingt nach Gefahr und Hindernissen. Hätten nicht bei ihm und Ruby alle Alarmglocken läuten müssen? Die Geschichte hat einige originelle Ideen parat. Allein der Einfall mit den Sturmbändigern hat viel Potential. Begriffe wie „Aufbrausen“ und „Abflauen“ sind in den Zusammenhängen sehr gelungen eingesetzt. Die Spannung steigert sich, wird aber nicht immer voll ausgeschöpft. Vielleicht liegt es an der Fülle der Möglichkeiten, dass die Erwartungen manchmal höher liegen. Otis, Daisy, Ruby und Simon wachsen einem schnell ans Herz. Jede hat seine Schwächen und Stärken. Otis und Daisy wurden durch ihre Erlebnisse geprägt. Zum Ende offenbaren sich die Gründe des Bösewichts für seine Taten. Sie sind bei allen Erklärungsversuchen nicht nachzuvollziehen. Das Wahnsinnige passt zum Bösen und wird auch nicht überstrapaziert. Der Showdown mit seiner Hintergrundkulisse hat es in sich. Nur ist er zu schnell vorbei. Es dauert ein bisschen, um den nicht so spektakulären Ausgang zu verarbeiten. Trotz kleiner Mankos hat „Sturmbändiger“ einen hohen Unterhaltungswert. Das liegt auch an der sehr überzeugenden Sprache.

Das Cover mit Simon und Ruby in Aktion, der Kombination aus Sturm und Feuer, hat eine ungeheure Anziehungskraft. Die kreative, effektvolle Gestaltung passt perfekt zum Inhalt. Auffällig ist das Barometer, das in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt und mit dem jedes Kapitel beginnt. Es hat etwas Wertvolles und Abenteuerliches an sich. Das Buch wird ab einem Lesealter von 10 Jahren empfohlen und spricht Jungs und Mädchen gleichermaßen an.

Bewertung vom 19.09.2015
Where the fuck is the Führer?
Seltmann, Christian

Where the fuck is the Führer?


sehr gut

Ein Historiker und Schriftsteller, der sich als Touristen-Guide durchschlägt, hat jede Menge zu erzählen. Christian Seltmann plaudert in „Where the fuck is the Führer?“ nicht nur Anekdoten und Geheimtipps aus Berlin aus.

In „Wie ich zum Führer wurde“ erzählt Christian Seltman wie er an den Job des Touri-Guide geraten ist. Auf seiner ersten Tour mit Jerome lernt der Neuling die größten Feinde eines Guides kennen. Jerome, mit seiner ganz eigenen Art, die Sehenswürdigkeiten zu präsentieren, ist gleich zu Anfang ein Highlight. Für Christian beginnt eine nicht enden wollende Lernphase. Wie lassen sich Hindernisse im Alltag eine Guides aus dem Weg räumen? Wie muss man mit Hamburgern im Gegensatz zu Dorfbewohnern umgehen? Wer gibt das meiste Trinkgeld? Eine der lustigsten Geschichten des Buches ist „Erich auf der Flucht“. Auch dem ruhigsten Gesellen reißt mal der Geduldsfaden. Wer sind die schlimmsten Nervensägen im Leben eines Touri-Guides? Langweiler, Zeitzeugen, Sprachlehrer oder doch eher Provinzschnepfen? Wer hat höheres Gefahren-Potential, Familien auf Fahrrädern oder Ungeübte auf Segways? Die Tücken des Großstadtdschungels Berlin machen nicht nur den Touristen das Leben schwer. Ein verantwortungsbewusster Touri-Guide gerät mehr als einmal in Handlungsnot. Baustellen, rasende Kurierfahrer, kuriose Fahrradwege, im Weg stehende Schülergruppen, die Hindernisse treten vielseitig auf und verändern sich ständig. Nicht die einzigen Herausforderungen. Kunden, die sich nicht für eine Tour entscheiden können, müssen mit viel Feingespür auf den richtigen Weg gebracht werden. Es sind die Anekdoten, die „Where the fuck is the Führer?“ so unterhaltsam machen. Durch dieses Buch lässt sich aber auch viel über Berlin erfahren. Geheimtipps werden eingestreut, die Macken und Wünsche der Berliner erklärt. Christian Seltmann geht auch auf soziale Brennpunkte ein. Wie hat der Film „Christiane F – Wir Kinder vom Bahnhofzoo“ die Szene verändert? Was treibt einen Teenager zum Autoscheiben-Putzen an Straßenkreuzungen? Berlin ist nicht nur schwarz und weiß, sondern hat auch viele Grauzonen. Nur ein Insider weiß, wie es wirklich aussieht. Die Frage, warum Christian lieber auf Fahrräder und Segways als auf andere Verkehrsmittel setzt, wird dank seiner kurzen Ausflüge in die Bus- und Bootstouren-Welten deutlich. Am humorvollsten und unterhaltsamsten ist das erste Drittel des Buches. Neben interessanten Informationen gibt es auch später einige witzige Passagen. Wofür dient eine große U-Bahn-Baustelle als Tarnung? Wie lässt sich ein Fahrradweg mit einem Löwenkäfig vergleichen? Egal ob das Dalai-Lama-Gebot oder die Berliner Schnauze-Tabelle, wer mal wieder Schmunzeln, Lachen oder aus dem Alltag ausbrechen will, liegt mit diesem Buch richtig. Auf der ersten nächsten Berlin-Reise lassen sich so manche Verhaltenstipps perfekt umsetzen.

Der Titel spielt auf die besonderen Wünsche meist ausländischer Touristen an. Die Gestaltung stimmt auf einen humorvollen Inhalt ein. Der Titel als Schild und die farbenfroh gekleideten Touristen lenken die Aufmerksamkeit auf das Buch. Das Cover ist kreativ und sehr gelungen. Gerne darf es bei einem Nachfolgewerk wieder lustig zu gehen.

Bewertung vom 23.08.2015
Totenhaus / Totenfrau-Trilogie Bd.2
Aichner, Bernhard

Totenhaus / Totenfrau-Trilogie Bd.2


gut

„Totenhaus“ ist Band 2 der Totenfrau-Trilogie von Autor Bernhard Aichner. Bestatterin Brünhilde Blum deckt durch Zufall ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit auf und gerät bei ihren Nachforschungen in Lebensgefahr.

Ein Urlaub in Griechenland mit den beiden Töchtern soll Blum endlich aus ihrer Trauer um Mark herausbringen. In einer Zeitschrift stößt sie auf ein unglaubliches Foto. Sie kann nicht anders als der Sache nachzugehen, bricht ihren Urlaub ab und gibt ihre Kinder in Karls Obhut. Ihre Vermutungen bestätigen sich und ihr wird Hilfe angeboten. Kann sie dem Fremden trauen?

Die Geschichte startet mit einem schockierenden Blick in die Zukunft. Ein Mensch zwischen Leben und Tod. Wie ist es dazu gekommen? Drei Wochen zurück, Blum wird unsanft aus ihrer Fast-Idylle gerissen. Mit der Entdeckung des Fotos überschlagen sich die Ereignisse. Der Sprachstil des Autors mit den abgehackten Sätzen ist gewöhnungsbedürftig. Auch dass die Bestatterin immer mit Nachnamen genannt wird, sorgt für eine seltsame Distanz. Die Ausstellung im naturhistorischen Museum bleibt nicht das einzig Abstoßende in diesem Thriller. Nicht nur Blum hat ein düsteres Geheimnis. Die Seltsamkeiten häufen sich. Für Spannung sorgen ein Handlungsort und noch mehr Unheimliches. Hitchcock lässt grüßen. Leider bleibt der Leser auf einem merkwürdigen Abstand zum Geschehen. Die Szenerie hat etwas Alptraumhaftes, Unwirkliches. Oder ist alles nur Einbildung? Wem kann Blum vertrauen? Wer in ihrer engsten Umgebung ist gefährlich? Die Vergangenheit holt Blum gleich von zwei Seiten ein. Blum verliert die Kontrolle über sich. Gibt es ein Entrinnen? Die Frage wird zeitweise überstrapaziert. So manches Handeln ist nicht nachvollziehbar. Blum scheint das Misstrauen gegenüber Fremden von Anfang an völlig zu fehlen. Ihr fallen keine Ungereimtheiten auf. Das Gruselige kommt viel zu spät bei ihr an. Die Verbindung zum Anfang der Geschichte wird bald deutlich. Auch hier gibt es eine Überraschung. Für Spannung sorgt das Rätselraten von wem die Gefahr ausgeht. Bewahrheiten sich die Vermutungen? Ist die Geschichte vielleicht doch zu durchschaubar? Enttäuschend sind die Parallelen zu einem bekannten Hitchcock-Film. Auch wenn neue Ideen und Figuren einfließen, die Ausgangslage über lange Strecken des Buches ähnelt. Ein bisschen zu viel des Guten, der Gedanke kommt auf, wenn sich seltsame Schicksale aufdröseln. Blum fragt zu wenig nach. Was ist vor drei Jahren wirklich geschehen? Worin liegt das Motiv? Zum Ende häufen sich die Spekulationen. Überraschende Wendungen reißen immer wieder das Ruder rum. Die Auflösung ließ sich erahnen. Der Ausklang von Band 2 ist gelungen. Was soll noch im letzten Band der Trilogie geschehen? Die Frage beschäftigt. Scheinbares, Trügerisches wird wieder eine Rolle spielen.

Das Cover setzt auf den Titel und vermeidet aussagekräftige Details. So bleibt der Inhalt im Dunkeln. Das Schwarz auf Weiß ist sehr gut gewählt. „Totenhaus“ setzt auf Rätselraten und will schockieren. Die Art und Weise ähnelt nicht den Splatterfilmen. Es ist die Häufung des Wahnsinns, die das Entsetzen schürt. Nicht jedermanns Sache. Selbst Blum spaltet die Gemüter. Einerseits Rächerin, andererseits liebende Mutter. Auch wenn der Einstieg mit Band 2 mühelos gelingt, ist es sicherlich ratsam, vorher Band 1 „Die Totenfrau“ zu lesen. Wer sich mit unkontrolliertem, überraschendem Wahnsinn eher schwer tut und mehr auf Psychologie setzt, wählt einen anderen Thriller.