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solveig

Bewertungen

Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 21.10.2014
Küche totalitär
Kaminer, Wladimir

Küche totalitär


sehr gut

"Sozialistische" Rezepte


Was versteht man überhaupt unter „russischer Küche“?
Wer die Landkarte Russlands und der Sowjetunion vor Augen hat, mit ihren unendlich weiten Gebieten in Europa und Asien und den vielen unterschiedlichen autonomen Ländern - der kann sich vorstellen, dass die Gastronomie genauso bunt und vielseitig sein muss wie die Landstriche. Und dass ein solches Kochbuch mehrere Bände umfassen müsste.
Aber Olga und Wladimir Kaminer wollen dem Leser auch nur einen Teil typischer Rezepte östlicher Länder ein Stück näher bringen, sozusagen die Exotik der „sozialistischen“ Kochkunst tischfertig servieren. Und wer Kaminer bereits kennt, weiß, dass er das auf seine ganz eigene humorvolle, ironische Art tut.
Bei „Küche totalitär“ handelt es sich nicht um ein Kochbuch im herkömmlichen Sinn mit Rezepten und Fotos, sondern es ist eher ein Konglomerat aus wissenswerten, interessanten Aspekten und Anekdoten zu einzelnen Gebieten Russlands und seiner Bewohner, denen Olga Kaminer jeweils Rezepte zu landestypischen Gerichten anfügt. Teilweise leicht nachzukochen, teilweise aber auch mit nicht einfach zu beschaffenden Zutaten versehen (siehe Titelbild !), laden sie ein, einmal ausprobiert zu werden. Ob der Leser sich dabei für „Lula Kebap“ aus Aserbaidschan entscheidet oder Kaminers „Last Rezept“ ist schließlich Geschmackssache.

Bewertung vom 14.10.2014
Besserland
Friedmann, Alexandra

Besserland


sehr gut

Wo liegt "Besserland" ?

Wo liegt eigentlich „Besserland“? Vielleicht in Amerika? Oder doch Europa?
Als sich Ediks ökonomische Probleme in der Sowjetunion trotz seines Einfallsreichtums nicht mehr lösen lassen, entschließt er sich mit seiner Familie auszuwandern. Aus inoffiziellen Berichten weiß er, dass es Juden jetzt, in den 80er Jahren, möglich sei, auszureisen. Gemeinsam mit der befreundeten Familie Grosmann bereitet er sich darauf vor. Unter abenteuerlichen Umständen gelangen sie nach Wien, wo sich ein schlitzohriger Landsmann ihrer annimmt und sie auf illegalem Weg weiter nach Deutschland schleust - dabei stets auf seinen eigenen (finanziellen) Vorteil bedacht.
Liegt hier das „magische Land“, das Papa Edik seiner Tochter Sanja versprochen hat?

Sehr realistisch und farbig erzählt Alexandra Friedmann von ihrem Leben in dem russischen Ort Gomel und ihrer Familie. Mangelwirtschaft, das notwendige „Organisieren“, Schwarzarbeit, Korruption, stark gefilterte oder gestoppte Informationen, kurz: der ganz normale Alltag in der Sowjetunion Anfang der 80er Jahre wird detailgetreu geschildert. Dennoch gerät ihr Roman nicht zu einem Aneinanderreihen trostloser Fakten; denn es gelingt ihr, mit einem Augenzwinkern den Leser am Leben und Streben des Sowjetbürgers teilnehmen zu lassen, ihm auf humorvolle Weise die Bedingungen näher zu bringen, wie sich der Normalverbraucher so durchschlug.
Herzerfrischend lebendig sind auch die Beschreibungen ihrer Familie und ihrer Beziehungen untereinander. Man sieht sie förmlich vor sich: die energische Oma Anna oder auch Tante Rosa, die die Zukunft aus Spiegeleiern vorhersagt.

Die ganze Ausreiseaktion wirkt recht naiv, manchmal gar komisch. Die doch recht hohen Hürden hat die Familie wohl nicht zuvor bedacht. So strahlend und rosig, wie man es ihr gepriesen hat, ist „Besserland“ dann doch nicht. Und auch das Buchcover zeigt zwar einen bunt strahlenden Hintergrund - die kleine Sanja jedoch schaut sehr ernst drein.
Nicht ohne Ironie erzählt die Autorin, welche Schwierigkeiten es zu überwinden gilt, vor allem die Sprachbarriere.
Ist Familie Friedmann also an ihrem Ziel angekommen?
Ein sehr unterhaltsames Buch, das das Thema Auswanderung und Neuanfang aus den Augen einer jungen Immigrantin schildert.

Bewertung vom 09.10.2014
Letzten Mittwoch habe ich die Zukunft befreit / Kurt, Sandro und Tilda Bd.3
Herden, Antje

Letzten Mittwoch habe ich die Zukunft befreit / Kurt, Sandro und Tilda Bd.3


ausgezeichnet

Weltretter im Einsatz


Eigentlich ein Traum: mit einer Zeitmaschine in die Zukunft oder Vergangenheit reisen zu können!
Für Kurt, Sandro und die Prinzessin, die mit bürgerlichem Namen „Tilda“ heißt, wird dieser Traum wahr. Allerdings entwickelt er sich zum Alptraum, als sie, nur mit Unterwäsche bekleidet und von dem bösen Mr. Baker verfolgt, unter enormem Zeitdruck nichts Geringeres als die Zukunft sichern müssen. Aber sie haben ja bereits Erfahrung in Weltretter-Angelegenheiten, das haben sie in den beiden voran gegangenen Bänden schon bewiesen, als sie das Böse besiegt und die Welt gerettet haben.
Antje Herden entführt die jungen Leser auf eine spannende, temporeiche Reise ins viktorianische London. Ganz nebenbei erfahren sie als Begleiter von Kurt, Sandro und Tilda, unter welchen Bedingungen die Menschen im Jahr 1895 dort lebten.
Erfrischend locker und humorvoll, aber auch sehr sensibel schildert die Autorin die Abenteuer der Kinder und ihre Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen des 19.Jahrhunderts.
Die einzelnen Kapitel sind von angenehmer (Vor-) Leselänge, und fröhliche schwarz-weiße Vignetten von Eva Schöffmann-Davidov stimmen auf das jeweilige Thema ein.
Ob es dem mutigen Trio gelingt, das Gleichgewicht von Raum und Zeit wieder herzustellen? Eine knifflige Aufgabe für die Weltretter-Experten!

Bewertung vom 08.10.2014
Vom Vergnügen anders zu sein, m. DVD
Patel-Missfeldt, Ute;Albrecht, Karina

Vom Vergnügen anders zu sein, m. DVD


sehr gut

Unkonventionell


„Wenn du meinst, zu klein zu sein, um etwas zu bewegen, dann hattest du noch nie eine Mücke im Bett.“
Eigentlich als Schlusswort ihres Buches gedacht, könnte diese indische Weisheit als Motto für Ute Patel-Missfeldts Biographie dienen; denn sie hat viel bewegt in ihrem Leben.
Mit Talent, Kreativität und Engagement ist es ihr gelungen, ihren Lebenstraum zu verwirklichen und ihre Passion zu ihrem Beruf zu machen.
Als Gemeinschaftsarbeit mit der Schriftstellerin Karina Albrecht entstand die Lebensgeschichte der Künstlerin Patel-Missfeldt, die hier sehr offen aus ihrem ereignisreichen, nicht immer einfachen Werdegang und von ihrer Familie erzählt. In ihrer lockeren, trocken-humorvollen Art sind sich beide, Autorin und Künstlerin, sehr ähnlich.
Bei allen Missgeschicken, die sie erlebt hat, strahlt Patel-Missfeldt dennoch viel Optimismus und Warmherzigkeit aus. Ihre abwechslungsreiche, farbige Vita ergänzt sie mit zahlreichen Fotografien ihrer Familie und ihrer Arbeiten. Hübsche und humorvolle Vignetten und Zeichnungen stimmen auf das jeweilige Kapitel ein.
Aus jeder Zeile spürt der Leser die Lebensfreude dieser starken Frau, die mit Fleiß und Willenskraft so viel geschafft hat. Souverän und treffend in Worte gefasst von Karina Albrecht und Ute Patel-Missfeldt, wirken ihre stets positive Einstellung und Lebensklugheit sehr erfrischend und aufmunternd. Es macht vielleicht auch so manchem Leser Mut, sich zu seiner Individualität, seinem „Anderssein“, zu bekennen.
Wer nun Ute Patel-Missfeldt einmal in persona erleben möchte, hat die Möglichkeit, sich mittels der beigefügten DVD selbst ein Bild von ihr zu machen und sie in ihrem Atelier zu „besuchen“.
Ein anrührendes, kluges Buch!

Bewertung vom 04.10.2014
Die Reise des Elefantengottes
Rösler, Beate

Die Reise des Elefantengottes


sehr gut

Reise in zwei Welten


Als die junge Inderin Asha ins winterliche Berlin kommt, nur mit einem Koffer als Gepäck und einer Figur des Gottes Ganesha als Talisman, ist sie absolut nicht darauf vorbereitet, was sie hier erwartet: nicht nur die unwirtliche Witterung sondern vor allem die gesellschaftlichen Bedingungen, die sie sich in ihrer Heimat nie vorzustellen gewagt hätte, bereiten ihr Probleme. Denn das Berlin Ende der 60er Jahre ist geprägt vom Widerstand der Jugend gegen Eltern und Autoritäten und dem Aufbruch in eine freiere, selbstbestimmte Zukunft - weit entfernt von den indischen Traditionen, mit denen Asha aufgewachsen ist.
Dennoch schafft sie es nach und nach mit Hilfe von Karl, beruflich Fuß zu fassen und gründet mit ihm eine Familie.
39 Jahre später bricht ihre Tochter Priyanka zu einer Reise nach Indien auf, gegen den Willen ihrer Mutter. Nie hat sie ihrer Tochter von den Gründen erzählt, warum sie aus Indien ausgereist ist. Aber sie vertraut ihr Ganesha an, die Figur des Gottes mit dem Elefantenkopf, der Priyanka begleiten und beschützen soll.
Der Roman beginnt ruhig, geordneter Alltag und Routine bestimmen das Leben der Protagonistin. Mit Priyankas Aufbruch zur Indienreise steigert die Autorin das Erzähltempo, spannend und farbig schildert sie ihreErlebnisse in dem fremden Kulturkreis.
Aus verschiedenen Erzählperspektiven entwickelt Beate Rösler den Roman einer deutsch-indischen Familiengeschichte. In Kapiteln, die wechselweise Ashas Vergangenheit beleuchten und Priyankas Gegenwart in Berlin und Indien schildern, werden die Beziehungen zwischen Mutter, Tochter und den Verwandten sehr einfühlsam dargestellt. Wie bei einem Puzzle kann der Leser nach und nach ein Bild aus gesellschaftlichen Bedingungen und politischen Verflechtungen zusammen setzen, die Ashas überstürzte Flucht erklären.
Priyankas Leben in Delhi ist anstrengend und aufregend, ihre Suche nach überlebenden Verwandten und der Vergangenheit ihrer Mutter bringt Schwierigkeiten mit sich. Ob Ganesha, der „Zerstörer der Hindernisse“ ihr zur Seite steht?

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.09.2014
Mitsukos Restaurant
Peters, Christoph

Mitsukos Restaurant


sehr gut

Narbenprinzessin


Ein ruhig fließender, nachdenklicher Roman, der sehr sensibel menschliche Gefühle analysiert. Das Zusammenprallen deutscher auf die total andersartige japanische Kultur birgt nicht nur brisanten Stoff für Probleme sondern auch für Komik. Mit einem Augenzwinkern, aber auch sehr viel Einfühlungsvermögen, schildert der Autor einige Jahre im Leben des jungen Achim, der heimlich in die undurchschaubare Köchin Mitsuko verliebt ist und ein Faible für alles hat, was japanisch ist. Wechselweise wird die etliche Jahrhunderte früher spielende Geschichte eines Samurai erzählt. Gegenwart und Vergangenheit treffen sich schließlich in Gestalt eines Teegefäßes, der "Narbenprinzessin".
Auch für Nicht-Kenner der japanischen Kultur und Traditionen zu empfehlen.

Bewertung vom 27.09.2014
Miss Violet goes London
Kiani, Violet

Miss Violet goes London


sehr gut

Kulinarischer Reiseführer


„Hi, nice to see you“, wird der Leser auf dem Vorsatzblatt herzlich begrüßt. Recht persönlich und unkonventionell geht es auch weiter: so fällt gleich das Inhaltsverzeichnis sehr angenehm mit ungewöhnlichem Design auf.
Violet Kianis Buch präsentiert sich abwechslungsreich, aber übersichtlich auf hochwertigem, glänzenden Papier. Unterschiedliche Schrifttypen und Farbtöne heben die einzelnen, breitgefächerten Themen hervor.
In lockerem Plauderton berichtet die Autorin von mehr oder weniger bekannten englischen Traditionen, streut ein wenig Klatsch über angesagte Köche ein, erklärt Wissenswertes zum Londoner Nachtleben, „hippen“ Londonern und gibt natürlich Erläuterungen zu diversen Gerichten. Wer käme zum Beispiel auf die Idee, dass Grünkohl hier ein Trendgericht ist?
Jedem Abschnitt folgen gut erklärte und appetitlich illustrierte Rezepte für traditionelle, aber auch leicht abgewandelte Gerichte, ebenso Gebäcke und Drinks. Ich habe selbst schon einige ausprobiert und finde sie gut und leicht nachzukochen.
Kianis Tipps zu Restaurants und Pubs werden durch schöne, atmosphärische Fotos der Stadt, Collagen und phantasievolle Zeichnungen ergänzt und wirken in dieser Zusammenstellung sehr individuell.
Solch ein lockerer kulinarischer Reiseführer ist sicher geeignet, Vorurteile der englischen Küche gegenüber abzubauen oder ihr zumindest eine Chance zu geben. Und am Ende weiß der aufmerksame Leser, dass es sich bei „Yorkshire Pudding“ keinesfalls um eine Süßspeise handelt.
Auf alle Fälle macht der unterhaltsame Mix aus Kultur und Gastronomie aber neugierig auf London und - Appetit! Wie heißt es auf der letzten Seite? „Good bye“ !

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2014
Und morgen du / Fabian Risk Bd.1
Ahnhem, Stefan

Und morgen du / Fabian Risk Bd.1


ausgezeichnet

Forever ago


„In meinen Geschichten soll man sich nie sicher fühlen. Genau wie im wirklichen Leben kann alles passieren. Wenn man am wenigsten damit rechnet.“
Und so, wie Stefan Ahnhem es in einem Interview erklärt, hat er sein erstes Buch geschrieben: Kaum glaubt der Leser, aufatmen zu können, da geschieht bereits wieder etwas Unerwartetes!
Aber der Reihe nach.
In Helsingborg will Kriminalinspektor Fabian Risk eine neue Stelle antreten - und außerdem seiner nicht mehr völlig intakten Ehe eine Chance geben. Doch obwohl noch einige Wochen Urlaub vor ihm liegen, wird er bereits am Tag seines Umzugs zu einem Mordfall hinzugezogen. Kein Wunder; denn der Ermordete Joergen Paalsson ist ein ehemaliger Klassenkamerad! Während Risk, seine neue Chefin Tuvesson und die Kollegen noch an dem Motiv rätseln, geschieht erneut ein Mord an einem Schulkameraden. Langsam regen sich Erinnerungen in Risk, und die "Stimmen", die ihn zuvor in Stockholm verfolgt haben, werden wieder lauter und beginnen ihn zu quälen. Während ihn die Ermittlungen beschäftigen, droht seine Ehe zu zerbrechen. Auch für seine Kinder hat er wenig Zeit, besonders für seinen Sohn, der sich gerade in einer schwierigen Phase befindet.
So nordisch kühl und distanziert wie Risk erscheint, so durchdacht und konsequent führt er auch seine Ermittlungen durch.
In rasantem Tempo und spannungsreich entwickelt sich der Roman aus verschiedenen Erzählperspektiven und bietet immer wieder neue, überraschende Wendepunkte. Wie das Ermittlerteam kommt auch der Leser kaum zum Durchatmen. Nichts in diesem Thriller ist vorhersehbar, nichts ist offensichtlich.
In einem sachlichen, angenehm lesbaren Stil schildert Ahnhem Fabians Situation und eröffnet dem Leser sogleich Möglichkeiten zur Spekulation: Gab es in Risks Schulzeit einen Vorfall, der den Mord an Paalsson erklärt? Besteht zu dem Mann, der im Prolog einen grässlichen Tod erleidet, ein Zusammenhang? Ist Fabian möglicherweise selbst bedroht?
Die Stimmen aus der Vergangenheit scheinen ihm nicht, wie sein Lieblingslied, zu versprechen: "Forever ago".

Bewertung vom 15.09.2014
An der Mordseeküste
Minck, Lotte

An der Mordseeküste


sehr gut

Ruhrpott meets Friesland


Ruhrgebiet meets Friesland: Hier treffen zwei Welten aufeinander, und dabei bleibt kein Auge trocken!

Die bodenständige junge Frau mit dem bezeichnenden Namen Loretta Luchs macht Urlaub von ihrem Callcenter im Ruhrgebiet. Gemeinsam mit einer Gruppe guter Freunde weilt sie an der Nordsee, nimmt an einer Vernissage teil und findet prompt eine Leiche am Strand. Der Tote ist ihr und der Clique nicht unbekannt, und ihr Freund Frank gerät sofort ins Visier des ermittelnden Kommissars Claassen. Keine Frage, da muss Loretta auf das süße Nichtstun in der „Strandburch“ verzichten und den Fall selbst in die Hände nehmen. Mit dem ihr eigenen Spürsinn und der Hilfe ihrer Freunde sucht sie nach dem wahren Täter: Minipli-Man und Hornbrillen-Girl eilen zur Hilfe!

Erfrischend und mit viel Humor erzählt Lotte Minck in dieser verzwickten „Krimödie“ vom beruflichen und privaten Leben der sympathischen Freizeit-Kriminalistin, mit der man sich durchaus identifizieren mag. Frech und respektlos, amüsant und kurzweilig, aber stets mit Niveau führt sie den Leser durch die Geschichte, wobei es ihr hervorragend gelingt, zwischen Witz und Spannung die Waage zu halten.

Ein echtes Vergnügen für den Leser, der nicht nur mit Vorliebe Krimis rätselt, sondern auch - um es in authentischem Ruhrpott-Slang auszudrücken - gern „Spässken“ hat.

Bewertung vom 10.09.2014
Paul ist tot
Schneider, Regine

Paul ist tot


sehr gut

"Der Tod lächelt uns alle an ..."



Ein fröhlich-pinkfarbener Schutzumschlag mit dunkler Sonnenbrille und groß geschriebenem Titel „Paul ist tot“ - wie passt das zu den „Witwengeschichten“? Nun, wenn der Leser sich die Mühe macht und unter die Oberfläche schaut, dann entdeckt er unter dem Pink einen tiefschwarzen Einband, wie aus edlem Stoff gearbeitet, ein Trauerflor.
Ebenso kann er den (oberflächlich verborgenen) Schmerz und die Trauer der Witwen spüren, die in diesem Buch zu Worte kommen.
Das Thema „Tod“ ist zwar stets aktuell, wird aber dennoch weitgehend aus dem öffentlichen Leben verdrängt. Doch die Frage, wie sich das Leben für den Hinterbliebenen verändert, betrifft uns alle einmal. Wie bewältigt man seine Trauer? Wie findet man ins Leben zurück?
Daher sind die Berichte über den Umgang mit dem Sterben, die Regine Schneider zu einem kompakten Buch zusammengefasst hat, interessant und aufschlussreich, sehr ehrliche Berichte aus dem Blickwinkel von jungen und älteren Witwen. Ob „plötzlich und unerwartet“ oder „nach langem Leiden“ : Hier werden die unterschiedlichsten Situationen geschildert. Sehr offen erzählen die Frauen, wie betroffen sie waren oder ob sie sich vielleicht auch erleichtert fühlten. Sie berichten, wie sie selbst ihre Trauer erlebt und bewältigt haben und wie ihre Umwelt damit umgegangen ist. Sie schreiben, wie sich der Schmerz verändert hat und wie ihr Alltag heute aussieht.
Auf die emotionale Schilderung jeder Witwe folgt ein sachlicher Abschnitt aus der Feder der Autorin, der Bezug nimmt auf den jeweiligen Inhalt (etwa auf Krankheiten, die Einrichtung Hospiz oder Bestattungsriten) und ergänzendes Wissen vermittelt. Dieser Überblick ist stets kurz gehalten, aber informativ und ausreichend. Wer die einzelnen Themen noch vertiefen möchte, kann sich an der Liste weiterführender Literatur orientieren, die Regine Schneider am Ende ihres Buches empfiehlt.
Die Geschichten der Frauen - so traurig oder konfus sie sind - wirken dennoch tröstlich und geben der Leserin das Gefühl, nicht ganz allein mit ihrem Schicksal (als Witwe) fertig werden zu müssen