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Juti
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Insgesamt 631 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2019
Lügen im Netz
Brodnig, Ingrid

Lügen im Netz


sehr gut

Was tun gegen Fake-News

12 Millionen Flüchtlinge wünscht Frau Merkel und einen 55jährige aus Bayern, die das glaubt. Auf den Fake angesprochen, sagt sie: „es kann passieren.“(11)
Verändern Fehlinformationen unsere Demokratie? Ja, sagt Brodnig, wenn die Gesellschaft schon gespalten ist und wenn Wahlentscheidungen knapp sind.

Das Vertrauen in den „Mainstream-Journalismus“ ist in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern im gesunken im unterschiedlichem Maß gesunken. Fake-News werden gerne geglaubt, wenn sie der eigenen Überzeugung entsprechen. Und sie sind bei Facebook attraktiver als normalen Nachrichten. Wut lädt zum Klicken ein und das verschafft den Fake-News noch mehr Aufmerksamkeit. Und Facebook findet das gut, weil seine Algorithmen möglichst viel Werbung akquirieren möchten.

Sie unterscheidet Fake-News in 7 Typen:
1. Satire, die als solche nicht oder kaum gekennzeichnet ist und nicht verstanden wird
2. Bilder in falschen Zusammenhang
3. irreführende Informationen
4. Informationen im falschen Zusammenhang
5. Betrügerische Inhalte
6. Überarbeitete Inhalte
7. falsche Inhalte
Die Gefahr der sozialen Medien liegt darin, dass sich ihre Benutzer recht bald in „Echokammern“ befinden, also ihre Meinung bestätigt wissen und abweichende gar nicht mehr angeboten bekommen. Rechte Gruppen sind dabei mehr abgeschirmt als linke.

Was auf deutschsprachigen, sozialen Medien 2016 am meisten „geliket“ wird, sind die Mainstream-Medien, Trash, alarmistische Medien, Kreml-Medien, Rechte Medien wie die Junge Freiheit, aber linke Medien wie die Nachdenkseiten schafften es keinmal unter die Top 100.

Der Kreml hat in St.Petersburg eine Agentur gegründet, die gesellschaftliche Spaltungen in einem Land mit Bots noch verstärken will. Zu den US-Wahlen hat das ganz gut geklappt, wie Untersuchungen des US-Senats zeigen. Le Pen wurde aber nicht französische Präsidentin.

Im Selbstexperiment zeigt die Autorin, wie wenig Geld es braucht, um sich Followers auf Facebook zu kaufen. Bilder lösen weit mehr Emotionen aus als Texte. Für Fakes helfen Memes, die ganz leicht zu verändern sind.
Werbung kann auch personengenau im Netz geschaltet werden. Trump- Wähler, die man zum Urnengang überzeugen musste erhalten andere Werbung als Wähler, die man überzeugen musste, Trump statt Clinton zu wählen. Hillary wurde unterstellt Vergewaltiger und Drogenabhängig ins Land zu lassen. Diese Facebook-Werbung kam aus Russland und wurde auch mit Rubel bezahlt.

Fake-News sind nur dann strafbar, wenn die Persönlichkeitsrechte verletzt werden. In Österreich besteht auch die Gefahr auf den Gerichtskosten sitzen zu bleiben.


Brodnig fordert, dass Facebook seinen Algorithmus zumindest darauf hin überprüfen lassen muss, wie es die Relevanz von Nachrichten sortiert. Auch die Autoindustrie unterliege gewisse Sicherheitsbestimmungen und die könne der Staat auch von den digitalen Firmen verlangen.
Vom Benutzer verlangt sie gewisses Misstrauen gegen Bilder, gegen Emotionen und fordert bei den Fakten zu bleiben. Dabei gibt sie als deutschsprachige Faktencheker die Internetseiten faktenfinder.tagesschau.de , correctiv.org/echtjetzt und mimikama.at an.


Ein wichtiges Thema, auch mit Tipps und Lösungen. Mir missfällt aber, dass die in Kapitel 1 genannten 4 Teile des Buches nicht im Inhaltsverzeichnis zu finden sind und es gibt zahlreiche Wiederholungen. Daher 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.08.2019
All das zu verlieren
Slimani, Leïla

All das zu verlieren


sehr gut

Freibadlektüre um Beziehung und Verzeihung

Im Gegensatz zu Daniela Krien „ Die Liebe im Ernstfall“ erzählt uns die Autorin nur diese eine Beziehung von Adèle und Richard mit ihrem Sohn Lucien. Aber hier erfahren wir mehr über die deren Leben. Richard arbeitetet als Arzt in Paris, Adèle ist Journalistin. Sie verdient deutlich weniger, ist also abhängig von ihrem Ehemann. Sexuell ist sie aber nicht erfüllt und sucht jedes Liebesabenteuer. Richard arbeitet aber so viel, dass er dies nicht mitbekommt.

Eines Tages nach der Arbeit erleidet Richard übermüdet einen Unfall und bricht sich das Bein. Er träumt vom Landleben im Eigenheim und kündigt. Er bittet auch Adèle zu kündigen. Dann erfährt er von den Affären seiner Frau, scheint sie erst in die Wüste zu schicken, verzeiht ihr dann doch, weil sein gesellschaftliches Ansehen leiden würde. Adèle kann sich auch nicht trennen, da sie nicht verarmt zu ihren Eltern ziehen will.

So ziehen die beiden aufs Land. Adèle hat keine Gelegenheit mehr fremd zu gehen. Sie lebt in einem goldenen Käfig. Richard arbeitet als Arzt, kontrolliert sie aber mehr als in Paris. Erst als ihr Vater stirbt, muss sie zur Beerdigung nach Paris zurück und sucht das Abenteuer. Ihr daheim gebliebener Mann vermisst sie.


Besser beschriebene Bettszenen (wie bei Franzosen üblich), das Schwanken zwischen finanzieller Abhängigkeit und gutem Sexleben sowie das Verzeihen der Seitensprünge wegen der gesellschaftlichen Konvention sind Pluspunkte gegenüber Krien.
Dennoch will ich einer Sommerlektüre keine 5 Sterne geben, da das Buch außer der Beziehung wenig Inhalt bietet, es liest sich aber schnell. Also 4 Sterne mit Tendenz zu 5 Sternen.

Bewertung vom 31.07.2019
Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv
Droste, Wiglaf

Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv


gut

116 Glossen habe ich gezählt. Oft reicht ein Wort oder ein Satz. Anfangs war ich so motiviert, dass ich aus allem das Witzigste rausholen wollte, doch gegen Ende zieht es sich. Zur Ehren des Todes vom Autor habe ich seine Glossen gelesen, bei denen man hin und wieder Pausen machen muss. 3 Sterne, aber auch witzige Worte und Zitate. Also los gehts:

Denglisch: to do-Liste, Coffee to go, no go, place to be, must have
Businessdeutsch: VW Service-Kernprozess im Dialogcenter
Ebenso in Stellenanzeigen: Teamplayer, Facility Manger, Key-Account Manager statt Schlüsselkind
Apps, um Apps zu finden
6jähriger will schwul werden und bekommt im Kindergarten von Migranten auf die Fresse
Weisheit bei der Post: „Gar nicht drüber nachdenken“, als ein 6 Euro Gutschein aus dem Automaten anstatt Briefmarken kamen

fit, topfit, Top-Spieler, Top-Mensch, Top-schnäppchen, Top-Themen

Paket, Doppelpack, Mogelpackung
Super, echt super, total entspannt
Meine Wenigkeit

chinesische Blase, Blasenexperte, Blase ist anderes Wort für Familie (ich musste an Knebels Blasenprobleme denken, mal googeln)

Fußgängerzone, Tempo30-Zone, Umweltzone, Sicherheitszone am Flughafen, usw., Komfortzone..
„Lumpige 9 cm vor dem Zweiten, das ist nicht einmal das Maß eines mittleren Schw...“ (54)
Präteritum, Präterium, Klimakteritum
4.1. Welthypnosetag, 23.4. Tag des Buches, 24.4. Tag des Lärms, Trommelfell 19.11. Welttoillentag

Damenkloschwert
Bahnbonusprämien, Wohlfühlelemente vom Feinsten, Fahrplanmedium

Niemand ist so gut motorisiert wie die Bewohner ländlicher Idyllen. (105)

Pünktlich wie die Mauren … vor Wien, Pünktlich wie die Mauer

Allah ist groß, Allah ist mächtig,
wenn er auf dem Stuhl steigt, ist er eins60. (113)
Mohamed war ein Prophet, der von Fußball nichts versteht. (117)

Vorhaut auf alt machen für den Reliquienhandel oder als Calamares verkaufen

Er kann das Spiel lesen (157),
hau mal nen strammen Max raus aus 16 m. (188)

DDR= Drei Doofe Regieren

Zum Abschluss noch ein Witz aus der Lobrede auf Ernst Kahl:
Am Fkk-Grill: „Es geht mich zwar nichts an, aber Sie grillen gerade ihr Glied.“ - „Und ich hatte mich schon gewundert, dass das Ding sich nicht umdrehen lässt.“ (96)

Bewertung vom 28.07.2019
Die Liebe im Ernstfall
Krien, Daniela

Die Liebe im Ernstfall


sehr gut

Gelungenes Frauenbuch als Urlaubslektüre

Was soll ich noch schreiben? Die FAZ erzählt den Werdegang der Autorin, die SZ den Inhalt des Buches. Fünf Frauen aus Leipzig und ihre Beziehungsproblemchen oder Probleme. Nein, heile Welt wie Rosamunde Pilcher liefert der Roman nicht. Wäre auch langweilig.

Kein „normales“, bürgerliches Leben mit einem Mann und Kindern. Mal ist der Mann so attraktiv, dass er zwei Frauen hat, mal zu grün und dann stirbt ein Kind auch noch an einer Masernimpfung! Wenn Herr Spahn das hört.

Außer Ludger aus der ersten Geschichte kann ich kein Grünes Milieu erkennen, ja Vater Helmut der letzten beiden Schwestern wird sogar ein Freund der Rechten. Politisch ist das Buch dennoch nicht. Aus Heidelberger Sicht kann ich mir das Leben in Leipzig tatsächlich so vorstellen.

Trotz der Schwierigkeiten hinterlassen die Erzählungen bei mir keinen traurigen Eindruck, es wird ja auch gevögelt (wenn auch nicht detailliert beschrieben). Also gute Unterhaltung und 4 Sterne.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.07.2019
Bilder deiner großen Liebe
Herrndorf, Wolfgang

Bilder deiner großen Liebe


sehr gut

Die weibliche Tschick

Nach der Verfilmung von Tschick hörte ich von diesem unvollendeten Roman, da der Autor starb.
Dennoch ist bei guten Stellen der Klang von Tschick zu hören, die gewollte Gesetzlosigkeit, diesmal mit schnellen Füßen anstatt eines Autos. Wie bei Tschick kann man den Roman auch als Sammlung von Kurzgeschichten lesen. Und auch die Stelle, wo sie die beiden Jungs trifft, ist schon geschrieben.

Im Nachwort steht, dass der Autor mehrere Varianten hatte und sich noch nicht entschieden hatte. Dies mit Anmerkungen anzudeuten, wäre wohl eine Bereicherung gewesen. Die genannten lokalen Unstimmigkeiten sind mir beim Lesen nicht aufgefallen.

Ich kann die knappen 140 Seiten als kurzweilige Urlaubslektüre empfehlen. Echte Höhepunkte fehlen zwar, aber 4 Sterne ist in Ordnung.

Bewertung vom 25.07.2019
Europa ohne Identität?
Tibi, Bassam

Europa ohne Identität?


gut

Beleidigter Professor wünscht sich Euro-Islam statt Kopftuch-Islam

Mein Lesebedarf in Sachen Migration neigt sich langsam dem Ende. Sich erinnernd an 2015, wird klar, dass ein Buch von 2016 mehr Ängste enthält als ein neueres. Deswegen ist von Tibi Bassam auch schon ein neues erschienen.

Ich hoffte in diesem Buch zu finden, welche Werte wir in Deutschland verteidigen müssen. Der Autor schreibt das auch, z.B. auf S.76: „drei No-Gos für syrische Flüchtlinge [..]: keine Frauenfeindlichkeit, keine Gewaltkultur und kein Antisemitismus.“

Wenn ich mich recht entsinne, war auch Boris Palmer sein Leser. Wichtig ist die Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik nach Max Weber. „Ein Paradebeispiel für diese Denkweise [der Gesinnungsethik] ist die deutsche Willkommenskultur, die sich als Gute begreift und das Böse in der ganzen Welt abschaffen will.“ (30) Für die Folgen seiner guten Tat fühlt sich der Gesinnungsethiker nicht verantwortlich. Der Verantwortungsethiker dagegen besitzt:
„Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit,
Augenmaß als Fähigkeit die Realitäten rational zu erkennen,
Verantwortungsgefühl, das völlig frei ist von einer „ins Leere verlaufenden Romantik.“ (30)
Weber: „Es ist nicht möglich Gesinnungsethik und Verantwortungsethik unter einem Hut zu bringen.“ (30)

Bassam kritisiert einerseits die rechtsradikale Reaktion auf islamistische Terroranschläge, andererseits aber auch deren Verharmlosung als Einzelfälle.

Schon 1996 hat der Autor einen hellenistischen Islam vorgestellt und er wollte von einer europäischen anstatt deutschen Leitkultur sprechen.
Religionskritik versteht er im Sinne der Aufklärung, die im heutigen Zeitgeist von einem „selbst-defaitistischen Kulturrelativismus der Anything-Wertebeliebigkeit“ abgelöst wurde (22).
Auch wenn Europa nicht islamisiert wird, „behindert die Islamisierungspolitik des organisierten Islam jede Integration der islamischen Zuwanderer zu Citoyens Europas. [… Sie] zersetzt auch das Gemeinwesen europäischer Gesellschaften“ (40). Ähnlich schreibt auch Abdel-Samad.

Weil er anderer Meinung war als das deutsche Narrativ, durfte er zwischen 2002 und 2016 nichts mehr veröffentlichen, war in der FAZ und in seinem früheren Verlag unerwünscht. Nur die Wissenschaftliche Buchgesellschaft veröffentlichte 2009 ein Buch von ihm.(70) Dieser wohl korrekte, aber doch beim Leser als beleidigt empfundene Vorwurf wird leider mehrfach wiederholt.
Ständig empfiehlt er auch seine alten Bücher, wo er alles schon früher wusste. So verlor er durch sein Türkei-Buch 2005 die Freundschaft mit Özdemir, der heute selbst kein AKP-Freund mehr ist.

Auch wenn auf S.90 sechs Thesen für einen europäischen Islam stehen, las ich den alten Teil nicht mehr. Ständig auf alte Bücher des
Autors hingewiesen zu werden, das reichte mir. Eine Mediendebatte, warum Bassam 14 Jahre unerwünscht war, wäre schön. Sein Buch wurde auch 2016 nicht von der FAZ rezensiert.

3 Sterne, da das Buch trotz fehlender Aktualität gutes Hintergrundwissen liefert.

Bewertung vom 24.07.2019
Hier ist noch alles möglich
Molinari, Gianna

Hier ist noch alles möglich


ausgezeichnet

Was beim Lesen so alles passiert

Wenn ich einen Roman beginne, dann frage ich mich immer, ob es sich lohnt, sich den ersten Satz zu merken: „Der Wolf kam aus den Berge, und mit ihm kamen andere Wölfe, kamen ins Flachland.“
Auch wenn dieser Satz nicht in die Literaturgeschichte eingehen wird, er ist wichtig für das Verständnis des Buches, denn der Prolog endet mit „Auch ich drang in Gebiete vor.“

Weiter geht es mit einem Abschnitt über Insel. Da ich die Bücher von Bonnett gelesen habe, fand ich diesen philosophischen Ansatz spannend, der nicht in einem Kapitel, sondern inselartig über das ganze verteilt wird.

Die Hauptebene fängt erst auf S.10 an, als die Ich-Erzählerin in einer Fabrik eingestellt wird, die ohnehin bald schließt. Auf S.23 werden beide Stränge zum ersten und einzigen Mal verbunden. Der fehlende Putz in der Fabrik hinterlässt freigelegte Stellen, die wie Inseln aussehen. S.24 unten enthält den besten Witz des Buches, der leider zu lang ist, um hier zitiert zu werden. Ab S.35 kommen 3 Bilder mit Löchern. Aber die Löcher sind eher in der Vegetation als im Zaun, durch die der Wolf aufs Fabrikgelände kommen könnte.

An dieser Stelle dachte ich an die Ex-DDR. Eine Fabrik kurz vor ihrem Ende und Wölfe, die von Osten einwandern. Ein Blick bei Wikipedia verriet mir, dass die Autorin aus der Schweiz kommt und dass die Schweizer Berge auch Wölfe haben (siehe erster Satz).

Wikipedia verriet mir weiter, dass Molinari 2017 am Ingeborg-Bachmannpreis teilgenommen hat, also habe ich den Text „Loses Mappe“ gelesen. Ich wunderte mich, dass der Text einerseits ähnlich war (die sinnlose Fabrik, Nachtwächter), andererseits aber im Bachmanntext auch Elemente völlig fehlten (Wölfe und Kollege Clemens). Der vorgetragene Text erinnerte mich an Peter Handke wegen der Langsamkeit, aber genauen Beschreibung der Handlung.

Ab S.61 wird aber der Text aus Klagenfurt Teil des Romans mit dem Unterschied, dass Lose Mitarbeiter und nicht Nachtwächter bei der Firma ist und dass die Fotos der Kleidung des Mannes, der vom Himmel fiel, fehlen. (Vielleicht als Reaktion der Klagenfurter Diskussion.)
Am meisten beeindruckt hat mich der Satz: Ich „wische Zitronenkuchenkrumen von der Tischplatte, die dort gar nicht sind.“ Zentral in diesem Roman ist das Sehen. Kann man Löcher sehen? Der Mann, der vom Himmel fiel, wurde gesehen, aber nicht erkannt. Und was ist mit Krumen, die es nicht gibt?

Im Roman beginnt nun der zweite Teil. Lose wechselt zum Bodenpersonal des Flughafens, Haare werden gefunden. Wolfshaare? 3 Himmelsbilder, wobei die letzten beiden nur ein vergrößerter Ausschnitt des ersten sind, aber keine Rezension schreibt das. Bilder sind für Germanisten wohl Fremdkörper.
Auch eine Inselgeschichte behandelt einen Leuchtturmwärter, der den Himmel kennt.
Unsere Ich-Erzählerin besucht Lose, lernt eine Mechanikerin kennen und kann das Fahrwerk sehen, in dem sich der Mann, der vom Himmel fiel, versteckte.

Teil drei berichtet von einem Phantombild, das der Ich-Erzählerin ähnlich sieht. Wenn sie die Gesuchte wäre, hätte sie im Dorf einen Laden überfallen. Deswegen traut sie sich kaum noch einzukaufen. In eine Wolfsfalle tritt der Koch. Und während ich das Warten auf den Wolf für ein Warten auf Godot hielt, taucht er am Ende doch noch auf.

Auch wenn ich aus Platzgründen auf eine Inhaltsangabe verzichtet habe, nicht alles schildern kann und nicht alles verstanden habe, lohnt es sich diesen Roman ein zweites Mal zu lesen. Da er viele Bilder enthält, ist der Text nur etwa 170 Seiten lang, dennoch inhaltsreich und deswegen 5 Sterne.

Bewertung vom 21.07.2019
Kaffee und Zigaretten
Schirach, Ferdinand von

Kaffee und Zigaretten


ausgezeichnet

48 juristische Kurz- und Mikrogeschichten

5 Sterne. Heute falle ich mal mit der Tür ins Haus. Auch das Lesetempo spielt eine Rolle. Nach nicht einmal zwei Tagen war das Buch schon aus. Keine Geschichte hat mich gelangweilt. Im Schnitt gefallen mir die Mikrogeschichten sogar noch etwas besser.

Jede wäre es wert ausführlich erwähnt zu werden. Ich nenne nur die zweite, in der ein englischer Regenmantelhersteller von den arabischen Staaten boykottiert wird. Diese Firma bleibt aber ganz gelassen, da es in Arabien ohnehin kaum regnet und sie fast nichts dahin exportieren. Eine wirklich gelungene Mikrogeschichte.
Und Geschichte 41 erzählt auf zwei Seiten, wie sich zwei alte Männer so unterhalten, dass das Vorurteil entsteht, ein Schwarzer hätte einen Arzt ermordet. Ich musste am Ende richtig lachen.

Der Titel mit den Zigaretten stammt vor allem aus einer Geschichte mit Helmut Schmidt, obwohl auch anderswo geraucht wird. Kaffee getrunken wird eigentlich immer.

In diesem Frühling habe ich kaum gute belletristische Bücher gelesen, dieses gehört aber keinesfalls dazu.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.07.2019
Monte Verità
Bollmann, Stefan

Monte Verità


sehr gut

Lebensreformbewegung am Lago Maggiore nach 1900

Wer immer glaubte Grüne Ideen seien in den 70er Jahre entstanden, der irrt. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts trafen sich in Ascona am von ihnen so getauften Monte Verita 3 Gründungsväter und 2 Gründungsmütter.
Alternative Menschen fielen auf, weil sie Reformkleider trugen, Vegetarier waren und dem nackten Sonnenbad frönten. Ursprünglich war die Halbinsel Lavedo am Comer See ins Auge gefasst worden.

Schon 1901 kam es zur Trennung zwischen Realos und Fundis. Während der Industriellensohn Henri Oedenkoven und Ida Hofmann ein Naturheilhotel schufen und es versuchten wirtschaftlich zu betreiben, wollten die Brüder Gräser und Lotte Hattemer nur für die Selbstversorgung arbeiten, also möglichst wenig mit Geld zu tun haben.

Der Berg der Wahrheit zieht einen Haufen Pilger an, darunter auch Hermann Hesse. Im Gegensatz zum Buch von Schwab wird Hesses erster Besuch auf 1907 datiert (nicht 1906) und auch seine Freundschaft mit Gusto Gräser scheint nicht so fest gewesen zu sein. Er hatte später Eheprobleme, die von Johannes Nohl behandelt wurden, aber nicht erfolgreich. Nohl lebte erst mit dem Pazifisten und Anarchisten Erich Mühsam zusammen, lernte dann aber eine Polin kennen (und ist der Großvater von Christian Berkel).

Wichtige Elemente des Reformlebens war auch der neu entstanden Sport wie Tennis und der Tanz. Später wurde in Ascona auch eine Künstlerkolonie gegründet.

Die Gründer verließen 1920 den Berg, der zur Partymeile wurde, bis 1926 der Kunstsammler Eduard von der Heydt den Berg mit seinen Immobilien bis zu seinem Tod 1964 übernimmt. Der Kanton Tessin erbt und der Monte Verita gerät in Vergessenheit bis ihn Harald Szeemann 1978 mit einer Ausstellung wieder in Erinnerung ruft.


Interessante Menschen erzählen interessante Geschichten. Leider weiß man nicht, ob alles stimmt. Der Autor gibt ein langes Literaturverzeichnis an, verzichtet auch löblich auf Fußnoten.
Nach dem Buch von Schwab (wohl dem Tagungsband 100 Jahre Monte Verita) mein zweites Buch zum Thema. Ohne Wiederholungen, aber mit kleinen inhaltlichen Unterschieden.
Ich vergebe 4 Sterne, vor allem, weil noch das Buch 1900 lesen will und wenn dieses besser ist, dann kann ich keine bessere Note vergeben. Vielleicht ist es auch schlechter, dann ärgere ich mich keine 5 Sterne verteilt zu haben. Aber an dem Prinzip ein Buch direkt nach dem Lesen zu bewerten, möchte ich festhalten.

Bewertung vom 17.07.2019
Zazie in der Metro
Queneau, Raymond

Zazie in der Metro


schlecht

Wenn witziges nicht lustig ist

Frau Westermann hat mir schon oft geholfen. Ich befolgte ihren Rat mit den Anmerkungen des Übersetzers anzufangen. Aber irgendwie gelingt es mir dieses Jahr nicht, Bücher zu finden, die ich auch im Freibad lesen kann.

Auf S.100 nach 8 Kapiteln habe ich mein Tun beenden. Das Buch über die französische Pippi Langstrumpf konnte mich nicht fesseln und auch die Frage Zazies, ob ihr Onkel Gabriel „hormosessuel“ sei, ließ mich nicht lachen. Ebenso konnte mich „Paris bei Nackt“ nicht von den Stühlen reißen.

Nur angefangene Bücher bekommen nach wie vor nur einen Stern.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.