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Benutzername: 
Glüxklaus
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Franken

Bewertungen

Insgesamt 612 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2021
Der Mädchenwald
Lloyd, Sam

Der Mädchenwald


sehr gut

Düster und rätselhaft

Die dreizehnjährige Elissa ist eine begabte Schachspielerin. Während eines Schachturniers wird sie entführt und in einen dunklen Keller gesperrt. Eines Tages entdeckt Elijah ihr Gefängnis und besucht sie von nun an regelmäßig, aber heimlich, niemand sonst weiß Bescheid. Elissa wird von der Polizei gesucht, die noch ziemlich im Dunkeln tappt. Gleichzeitig versucht Elissa, sich selbst zu befreien und zu fliehen. Ob sie auf Elijahs Unterstützung bauen kann?

Autor Sam Lloyd schreibt verständlich und flüssig aus drei Perspektiven, aus Elissas, Elijahs und der der ermittelnden Polizistin Detective Superintendent Mairéad MacCullagh. Je mehr die Figuren erzählen, desto komplexer und „verstrickter“ wird der Fall.

Für die allesamt „tragischen“ Figuren im Roman „Der Mädchenwald“ empfand ich großes Mitleid. Polizistin Mairéad muss private Schicksalsschläge verarbeiten und ist nun mit diesem Entführungsfall beauftragt, der starke Nerven fordert. Elijah ist in völliger Isolierung aufgewachsen, kennt weder Internet noch Handys, er hat keine Ahnung von der realen Welt. Wie er mit dem Wissen um Elissa und ihren Aufenthaltsort verfahren soll, weiß er genauso wenig. Elissa selbst schwebt in tödlicher Gefahr. Was haben die Entführer vor? Das Mädchen ist hochintelligent, schmiedet detaillierte, durchdachte Pläne für ihre Flucht, sie gibt nicht auf. Aber reicht das, um ihr Leben zu retten? Was bedeutet die Beziehung von Elijah und Elissa für die weitere Handlung? Und welche Rolle spielt die mysteriöse Zauber-Annie aus der Schrottstadt?

Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, in das Geschehen hineinzufinden. Es herrscht eine dunkle, deprimierende Grundstimmung. Mir fiel es schwer, die Situation der einzelnen Figuren genau einzuschätzen. Immer mehr Geheimnisse kommen im Verlauf des Romans ans Tageslicht, gleichzeitig wurde für mich trotzdem alles immer verworrener. Ich tappte noch mehr im Dunkeln. Ab der Mitte entwickelte der Plot Anziehungskraft. Ich wollte unbedingt wissen, wie alles zusammenhängt. Vieles wird am Schluss klarer, aber einige Rätsel behält der „Mädchenwald“ noch für sich.
„Der Mädchenwald“ spielt nach anfänglichen Längen gekonnt mit den Erwartungen der Leser. Wie in „Hänsel und Gretel“, auf das im Buch immer wieder angespielt wird, wirft der Autor seinen Lesern Brotkrumen hin, auf dass sie einen Weg aus dem Handlungswirrwarr finden. Aber wie im Märchen irren die Leser noch tiefer in den Sümpfen und Abgründen des „Mädchenwalds“ herum. Was ist überhaupt noch wahr und wirklich? Was findet nur in den Köpfen der Figuren statt?
„Der Mädchenwald“ ist ein komplex konstruierter, düsterer Roman. Schwer einzuordnen, aber durchaus interessant zu lesen. Weit entfernt von heiler Welt, eher die Hölle auf Erden, aber ein faszinierendes, geheimnisvolles literarisches Experiment, das herausfordert. Wer sich gerne überraschen lässt und mit Unausgesprochenem umgehen kann, dem sei dieser Roman empfohlen.

Bewertung vom 03.03.2021
Das Geheimnis der Themse
Goga, Susanne

Das Geheimnis der Themse


sehr gut

unkle Geheimnisse im historischen London

„Der Fluss hat viele Gesichter.“

1894 sind Tom und Charlotte Ashdown seit zwei Jahren verheiratet und gerade in ein neues Haus in London gezogen. Zum kompletten Glück fehlt nur noch ein Kind, aber das sensible Thema anzusprechen, vermeiden beide Ehepartner derzeit noch. Als Tom von einem alten Bekannten Sir Tristan Jellicoe zu einem Buchprojekt über magische Orte in London überredet wird, unterstützt auch Charlotte ihn bei den Recherchen und die beiden nähern sich einander wieder an. Ein kürzlicher Leichenfund an der Themse, dem „heiligen Fluss“, weckt in Charlotte und Tom besondere Neugier. Während ihrer Nachforschungen begeben sich die beiden in große Gefahr, merken es aber zu spät...

Susanne Goga schreibt angenehm und unkompliziert. Es war für mich nicht schwierig, in das dargestellte Geschehen hineinzufinden. Die Autorin schildert zunächst abwechselnd drei verschiedene Handlungsstränge, Charlottes und Toms Nachforschungen und ihr Eheleben, eine noch unklare, seltsame Zusammenkunft von Frauen und die Erlebnisse des Strandsuchers und Waisenjungen Alfie, der die Frauenleiche in der Themse findet. Die verschiedenen Aspekte der Geschichte werden im Verlauf stimmig miteinander verbunden.

Charlotte und Tom sind die Hauptfiguren des Romans. Sie lieben sich, haben aber Sorge, sich aufgrund ihrer Kinderlosigkeit voneinander zu entfremden. Der Auftrag Sir Tristans kommt beiden da gerade recht. Die Ehepartner sind vielseitig interessiert, gehen den Dingen auf den Grund und forschen dadurch recht effektiv und erfolgreich. Während Tom etwas bedächtiger vorgeht, agiert die umtriebige Charlotte ein wenig spontaner und mehr aus dem Bauch heraus. Trotz ihrer Kommunikationsschwierigkeiten hatte ich das Gefühl, dass Charlotte und Tom füreinander geschaffen sind und prima harmonieren.
Sehr gerne mochte ich auch die Figur des cleveren Alfie. Er schlägt sich durch, hat sich mit seinem harten Leben arrangiert und gibt dabei die Hoffnung nicht auf, eines Tages zur See zu fahren. Alfie ist kein blitzsauberer Held, eher ein sehr dreckiger, aber liebenswerter.
Mit Sir Tristan und seiner Tochter Iris bekommen Charlotte und ihr Mann es mit zwei recht undurchsichtigen Figuren zu tun. Und auch über Julia Danby, der Toten aus der Themse, gilt es noch mehr herauszufinden.

Handelt es sich beim Tod von Julia um einen Unfall, um Selbstmord oder gar um Mord? Als Charlotte und Tom während der Forschung zu Toms Buch auf den Todesfall stoßen, macht das das Ganze gleich noch spannender und erweitert den Plot um Krimielemente. Mitunter wirkt die Atmosphäre des Romans dabei ganz schön mystisch, düster, aufregend, nicht klar zu beschreiben. Dass ägyptische Mythologie bei der Aufklärung aller Geheimnisse eine so große Rolle in London spielen könnte, damit hatte ich nicht gerechnet. Und so manche Person entpuppt sich überraschenderweise als ganz anders als erwartet.
Ich wurde vom „Geheimnis der Themse“ durchgehend gut unterhalten, habe den kurzweiligen Roman mit Vergnügen gelesen. Für mich eine recht gelungene Fortsetzung von „Der verbotene Fluss“. Auch wenn Susanne Gogas neuester Roman durchaus ohne den Vorgänger zu verstehen ist, kann ich allen Lesern dennoch den Vorgänger sehr ans Herz legen. Dieser hat mir nämlich aufgrund seiner speziellen geheimnisvollen Stimmung, die mich an Jane Eyre erinnerte, noch einen winzigen Tick besser gefallen als dieses Buch, das ich aber ebenso lesenswert finde und gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 03.03.2021
Wie man seine Eltern erzieht (Eltern 1) (eBook, ePUB)
Johnson, Pete

Wie man seine Eltern erzieht (Eltern 1) (eBook, ePUB)


gut

Überdrehte Geschichte, schräge Charaktere und mittelkomische Gags

Luis muss mit seiner Familie umziehen. Seine neue Schule ist leider nicht so der Brüller: viele Streber, wenig Spaß. Dabei will Luis doch eigentlich Komiker werden. Doch plötzlich möchten seine Eltern nur noch gute Schulnoten sehen und verhindern Luis künstlerische Weiterentwicklung. Die Teilnahme am Talentwettbewerb, bei dem sich Luis gute Chancen ausrechnet, verbieten sie ihm sogar. Beim Theaterkurs lernt Luis Maddy kennen, die ihm helfen will, dennoch am Wettbewerb teilnehmen zu können. Außerdem gibt Maddy Luis vielversprechende und konkrete Tipps, wie man seine Eltern richtig erzieht, damit sie einem nicht mehr so auf die Nerven fallen. Luis startet den Versuch. Ob es ihm tatsächlich gelingt, das Verhalten seiner Eltern zu steuern?

Pete Johnson schreibt aus der Sicht des zwölfjährigen Luis. Die Geschichte wird in Form von Tagebucheinträgen in der ersten Person erzählt. Die Sprache, die Formulierungen wirken recht authentisch. Luis schreibt frech, flapsig und mit Humor, gibt immer wieder Kostproben aus seinem imaginären Bühnenprogramm. Wie das so mit Witzen ist, sind manche davon für mich lustig und manche nicht, Humor ist eben Geschmacksache. Das Buch enthält ein paar wenige kleinere Illustrationen zur Auflockerung. Ich halte die Geschichte für Leser ab zehn Jahren geeignet, Jungen und Mädchen werden dabei gleichermaßen angesprochen. Leser der Zielgruppe haben für manche Gags vermutlich mehr Sinn als ihre alten Eltern.

Luis steht kurz vor der Pubertät und verhält sich so, wie sich Jungen seines Alters schon mal verhalten. Er nimmt die Schule, Erwachsene und manche Regeln weniger ernst, hat genaue Vorstellungen, die nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen und verliert nie den Humor.
Den kompletten Gegensatz zu Luis stellt sein Mitschüler der Streber Theo dar, der dem Druck seiner Eltern ausgesetzt ist und für den gute Noten alles sind.
Luis Eltern sind für Eltern nicht untypisch. Sie legen Wert auf das, was andere von ihnen denken, versuchen sich hin und wieder in Konsequenz, halten das aber auch nur hin und wieder durch. Die Figuren werden recht überspitzt dargestellt. Das ist manchmal recht komisch, manchmal zum Kopfschütteln.

Ob Luis letztendlich seine Eltern erzieht? Und kommt er seinem Traum vom Leben als Komiker näher?
„Wie man seine Eltern erzieht“ basiert auf einer originellen Grundidee, war überwiegend recht kurzweilig zu lesen. Das Buch brachte mich zum Schmunzeln, hatte aber gerade anfangs auch seine Längen, da fehlte mir mitunter der rote Faden. Bei all der schrägen Überdrehtheit schwingen auch ernste Gedanken in der Geschichte mit. Theos Problematik ist sicherlich übertrieben dargestellt, aber alles andere als frei erfunden. Leistungsdruck stellt für einige Kinder durchaus ein großes Problem dar. Und so witzig die Vorstellung, seine Eltern zu erziehen, ist, ist Erziehung doch immer eine Gratwanderung für Kinder und für Eltern genauso.

Vom Hocker hat mich das Buch nicht gerissen, aber für die schnelle Unterhaltung und Ablenkung taugt es durchaus. Kinder haben ohnehin oft einen anderen Humor als Erwachsene und Kinder sind ja die eigentliche Zielgruppe. Ich kann mir vorstellen, sie werden bei Luis Tagebuch auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 23.02.2021
Lebenssekunden
Fuchs, Katharina

Lebenssekunden


ausgezeichnet

Wenn irgendwann jetzt wird: Von Lebenssekunden, die alles verändern

„Obwohl ich das seit Jahrzehnten mache, hat dieser Moment für mich nichts von seiner Spannung eingebüßt.“ Angelika nickte, ohne den Blick von dem Negativ abzuwenden.
„Wenn sich die Mitteltöne aus dem braunen Film schälen, man eine Ahnung bekommt, ob es gelungen ist, ob es was Besonderes ist oder Durchschnitt, ob man eine Lebenssekunde festgehalten hat oder man nur Material verschwendet hat...“

Die fünfzehnjährige Angelika Stein wird 1956 ohne Abschluss von einem Kasseler Gymnasium verwiesen. Sie träumt nun davon, Fotografin zu werden. Für sie ist klar: „Fotografieren ist mehr als nur auf den Auslöser drücken.“ Doch es ist für Mädchen nicht so einfach, einen Ausbildungsplatz in der Branche zu finden. Dann passiert ein schreckliches Unglück, das Angelika an ihrem Berufswunsch zweifeln lässt.
Währenddessen hat die junge Kunstturnerin Christine Magold in Ostberlin ganz andere Vorstellungen von ihrer Zukunft. Ihr Trainer und ihre Mutter drängen sie dazu, extrem hart zu trainieren und alles zu geben, um an den Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Christines Leben besteht nur noch aus Sport.
Über Bekannte sind Angelika und Christine indirekt miteinander verbunden. 1961 werden sie sich dann in einem unvergesslichen Moment auch persönlich kennenlernen.

Katharina Fuchs schreibt sehr klar, prägnant und angenehm, aber eher sachlich als emotional. Trotz des eher neutralen, beobachtenden Erzählstils gelingt es der Autorin auf beeindruckende Weise, ihre Leser zu erreichen, ja einzufangen. Ich fühlte mit den beiden Protagonistinnen, wurde von ihren Geschichten regelrecht mitgerissen.

Angelika geht eigentlich nur ihrer besten Freundin Irmgard zuliebe in die Schule, innerlich hat sie sich von der Schule längst verabschiedet. Als sie dann vom Direktor von der Schule „geworfen“ wird, ist sie fast erleichtert. Angelika ist eine Träumerin. Sie möchte wichtige Momente des Lebens festhalten, konservieren. Im Kopf kann sie das bereits. Denn alles, was sie einmal gesehen oder gelesen hat, vergisst sie nicht mehr. Angelika hat ein fotografisches Gedächtnis. Sie wird von anderen unterschätzt, so wie es Frauen generell damals häufig erging.
Christine in der DDR leidet. Sie wird nur auf ihre sportlichen Leistung reduziert, erträgt körperliche Schmerzen, Qualen, ja fast Folter, muss hungern, um als Aushängeschild für ihr Land in Wettkämpfen Erfolge zu erzielen. Was Christine selbst möchte, ist nicht wichtig. Ihre Träume für die Zukunft sehen ganz anders aus. Sie möchte raus aus dem Hamsterrad des ständigen Trainings, sehnt sich nach einer Liebe, die nicht sein darf: „Wann wird aus „Irgendwann“ ein „Jetzt“?, dachte sie. Eine feine Traurigkeit lag in dem Gedanken. „Irgendwann“ war ein seltsames Wort. Wenn man nicht aufpasste, konnte es leicht zu „Niemals“ werden.“

In Katharina Fuchs Roman wird Zeitgeschichte einmal aus westdeutscher, aus Angelikas Perspektive, einmal aus ostdeutscher, aus Christines Sicht dargestellt und das so anschaulich, als wäre man als Leser selbst dabei. Was im Geschichtsunterricht bloße Zahlen und ferne Ereignisse waren, wird hier lebendig, fast hautnah spürbar. „Lebenssekunden“ erzählt klar und mitreißend von zwei besonderen Frauenschicksalen und von beispielloser Solidarität in einer Zeit, die niemals vergessen werden sollte. „Jeder Moment ist Ewigkeit.“ Ein beindruckender Roman, der aufwühlt und dem ich mich nicht entziehen konnte. Sehr lesenswert!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.02.2021
Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1
Blum, Antonia

Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1


sehr gut

Packende Zeitreise in eine Kinderklinik Anfang des letzten Jahrhunderts

Nachdem 1898 die Mutter von Marlene und Emma Lintow stirbt, leben die Mädchen im Waisenhaus. 1911 erhalten beide dann die Chance, in der neuen Kinderklinik Weißensee eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester zu absolvieren. Dass Waisen diese Gelegenheit erhalten, ist äußerst ungewöhnlich. Die beiden müssen sich daher besonders anstrengen, zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen, um den Anforderungen der Ausbildung zu genügen. Die Arbeit mit den kleinen Patienten macht beiden jungen Frauen sehr viel Freude. Doch dann verliebt sich Emma in einen Mann, der es nicht ganz so ehrlich meint, wie er vorgibt. Unglücklicherweise findet das ausgerechnet Marlene heraus...

Autorin Antonia Blum schreibt angenehm flüssig und unkompliziert. Es fiel mir daher nicht schwer, einen Zugang zur Geschichte und zu den Figuren zu finden.

Die Schwestern Marlene und Emma müssen in ihrer Kindheit einiges ertragen, den frühen, erschütternden Tod der Mutter und den anschließenden langen qualvollen Aufenthalt im Waisenhaus. Die Ausbildung in der Kinderklinik stellt für die Frauen eine ganz besondere Chance dar. Beide sind aufgrund ihrer Persönlichkeit hervorragend für die Arbeit mit Kindern geeignet. Sie sind klug, warmherzig, sensibel und gehen behutsam auf die Kinder und ihre Bedürfnisse ein. Die Patienten sind ihnen wichtig, die Kleinen fassen ihrerseits rasch Vertrauen zu den Schwestern. Emma und Marlene sind tief miteinander verbunden, würden füreinander alles tun. Während Emma von einer eigenen Familie träumt, hat Marlene ehrgeizigere berufliche Pläne. Sie möchte studieren und Ärztin werden. Als sich Emma verliebt und Marlene offen Vorbehalte gegen ihren Auserwählten hegt, entzweien sich die Schwestern, worunter beide sehr leiden.
In der Klinik haben die beiden Schwesternschülerinnen zwar durchaus Fürsprecher, die sie mit ihren gute Leistungen, ihrem Wissen und ihrem Engagement überzeugen konnten. Aber es wird den beiden auch Misstrauen aufgrund ihrer Herkunft entgegengebracht. Vor allem die Elevin Marie-Luise mit ihrem Standesdünkel versucht die anderen Lernschwestern gegen Marlene und Emma aufzuhetzen und nutzt jede Gelegenheit, ihr Gift zu verspritzen. Der Gegenwind durch die Konkurrentin sorgt zwar für unangenehme Differenzen, zusätzliche Schwierigkeiten für Emma und Marlene, die es zu überwinden gilt, aber gleichzeitig auch für spannende Abwechslung in der Handlung.

Werden die Schwestern sich wieder versöhnen? Schaffen beide die Abschlussprüfungen?
Ich fühlte mich die ganze Geschichte über mittendrin im Geschehen, wurde emotional gepackt, litt mit den sympathischen Protagonistinnen mit.
Der erste Band der Reihe „Kinderklinik Weißensee - Zeit der Wunder“ hat für mich alles, was ein unterhaltsamer historischer Roman braucht: Protagonistinnen, mit denen ich mitfieberte und mich identifizieren konnte, einen aufregenden Plot mit Entwicklungen, die sich bis zum Schluss dramatisch zuspitzen, eine komplizierte Liebe und einen reizvollen Schauplatz mit Potential für vielfältige Geschichten. Zudem fand ich es sehr aufschlussreich und informativ über die damaligen Behandlungsmethoden von Kindern zu lesen. Die Leser erleben hier einen Abschnitt der Medizingeschichte, verpackt in eine ansprechende Handlung, selbst mit. Allen Fans des Genres kann ich diesen kurzweiligen, fesselnden Schmöker nur empfehlen.

Bewertung vom 18.02.2021
Dein erster Blick für immer (eBook, ePUB)
Folbigg, Zoe

Dein erster Blick für immer (eBook, ePUB)


gut

Charmante Liebesgeschichte, die auf ziemlich verwirrende Weise erzählt wird

Jeden Tag beobachtet Maya im Zug den Mann, den sie, seit sie ihn das erste Mal gesehen hat, nicht mehr aus dem Kopf kriegt. Zu gerne würde sie ihren Bahn-Mann näher kennenlernen und einmal mit ihm ausgehen. Die junge Frau ist zwar ausgesprochen romantisch, träumt von der einzig großen wahren Liebe, aber leider ist sie auch ausgesprochen schüchtern. Eines Tages fasst sie endlich Mut und steckt ihm einen Zettel mit ihrer Mailadresse zu. Ob er sich melden wird?

Autorin Zoë Folbigg erzählt im Präsens in der dritten Person Singular wie ein allwissende Erzähler von Maya und für sie prägenden Momenten. Dabei geht sie nicht chronologisch vor, sondern schildert scheinbar unzusammenhängend verschiedene wichtige Episoden, Entwicklungen aus dem Leben der Protagonistin. Die ständigen Zeitsprünge machen es gerade anfangs schwer, die Geschichte nachzuvollziehen. Mitunter verlor ich dabei leider die Übersicht. Ab dem Mittelteil fiel mir die Orientierung in der Handlung etwas leichter und ich konnte die einzelnen Textabschnitte besser einordnen.

Maya ist eine liebenswerte, sehr sympathische Hauptfigur: schüchtern, hoffnungslos romantisch und sehr warmherzig. Zu ihrem vollkommenen Glück fehlt Maya die große Liebe.
Sie interessiert sich sehr für ihre Mitmenschen und kümmert sich um andere.
Velma, Mayas Freundin, fasst zusammen: „Du bist wunderbar genug, wenn du einfach Du selbst bist, Maya! Wenn du lächelst und Hallo sagst.“ So ganz glauben kann Maya das aber nicht.
Der Bahn-Mann James bleibt über weite Strecken recht blass und passiv. In seiner Beziehung spielt er anscheinend keine Rolle, nimmt die schwer erträglichen Launen seiner Freundin einfach hin. Zwar hegt er durchaus Leidenschaften z.B. fürs Fotografieren, aber beim Lesen spürbar war das für mich nicht. Maya und James sind beide beruflich noch nicht angekommen, fühlen sich in ihren Jobs nicht wohl und sind noch auf der Suche, nach einer Tätigkeit, die sie erfüllt und ihren Neigungen besser entspricht als die aktuelle.
Obwohl Maya ganz fest glaubt, der Bahn-Mann sei der Eine für sie, beurteilte ich als Leserin das etwas anders.

Gibt es nur den Einen? Kann man sich in jemanden verlieben, den man nicht kennt?
Während Maya Antworten auf diese Fragen sucht, irrt sie über weite Strecken ziemlich herum, nimmt ihre Leser mit, die sich gerade anfangs in Mayas Leben nicht klar orientieren und zurecht finden. Dem Roman liegt eine sehr schöne Grundidee zugrunde, doch leider fehlt der rote Faden. Auf mich wirkte das Ganze wie ein Experiment, einmal eine etwas andere, ungewöhnliche Erzählweise auszuprobieren. Ein charmantes Experiment zwar mit einigen durchaus netten, lesenswerten Episoden, aber ganz überzeugt hat mich das Versuchsergebnis nicht.

Bewertung vom 16.02.2021
Die Farben der Schönheit - Sophias Triumph / Sophia Bd.3
Bomann, Corina

Die Farben der Schönheit - Sophias Triumph / Sophia Bd.3


sehr gut

Solider stimmiger Abschluss der Trilogie

1934 steht Henny völlig erschöpft und schwer krank vor Sophias Wohnung in New York. Sophia bringt sie in die Klinik und tut alles dafür, dass ihre Freundin gesund wird und von ihrer Drogensucht loskommt. In der Beziehung mit Darren läuft es indessen so gut, dass Sophia und Darren spontan heiraten. Immer noch träumt Sophia davon, ihr Chemiestudium zu beenden. Nach ihrer Hochzeit spricht Sophia bei Madame Rubinstein vor, um sie um eine Arbeit zu bitten. Diese macht ihr ein verlockendes Angebot: eine Anstellung und die Kostenübernahme für das Studium, wenn sie zudem auch noch das Fach Wirtschaft belegt. Sophia willigt ein. Nachdem Sophia sehr viel arbeiten muss und dazu eine allesverändernde Nachricht erhält, kriselt es in ihrer Ehe, während der zweite Weltkrieg wütet. Darren fällt eine folgenschwere Entscheidung.

Corinna Bomann schreibt gut verständlich und klar, aber auch recht schlicht, wenig lebendig und ohne stilistische Raffinesse. Ihre Formulierungen wirken -wie schon oft bemängelt- etwas steif.

Sophia ist eine ehrgeizige, willensstarke Figur, die trotz ihrer jungen Jahre schon sehr viel erlebt hat. Sie beweist in „Sophias Triumph“ erneut, dass sie immer einen Ausweg findet. Als sozialer Mensch kümmert sich Sophia engagiert um andere wie Freundin Henny. Auf mich macht sie nach wie vor einen etwas spröden, zu braven und gutgläubigen Eindruck. Der Charakter „Sophia“ hätte durchaus etwas mehr „Feuer“ vertragen können. Das gilt ebenso für Darren, der über weite Strecken recht blass bleibt.
Madame Rubinstein hingegen verfügt über wesentlich mehr Temperament als Sophia, sie hat verschiedene Gesichter, präsentiert sich etwas vielschichtiger, ja oft unberechenbar und sorgt für so manche Überraschung. In diesem Band taucht erstmals die historische Figur Estée Lauder auf, die ein etwas anderes Konzept verfolgt als die großen „Puderkriegerinnen“ Helena Rubinstein und Elizabeth Arden.

Auch wenn es diesmal etwas entspannter zugeht, kommt Sophia erneut weit in der Welt herum. Die Geschichte spielt hauptsächlich in New York, doch auch an ihre alten Wirkungsstätten Berlin und Paris zieht es Sophia zurück.
Alles rund um das Thema „Entwicklung der Kosmetik“ und die Erweiterung des Rubinstein-Imperiums war für mich sehr interessant und unterhaltsam zu lesen.
Richtige Spannung und Dramatik entwickelt sich erst zum Schluss, vorher fließt die Handlung recht ruhig dahin. Der Plot um Sophias Sohn hätte für meine Begriffe noch mehr Raum einnehmen können, die Auflösung wurde doch recht schnell abgehandelt.
Insgesamt trotzdem ein stimmiger und solider Abschluss der Trilogie, der meine Erwartungen an die Reihe erfüllen konnte.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.02.2021
Mega dumm gelaufen
Bertram, Rüdiger

Mega dumm gelaufen


ausgezeichnet

Schräger, witziger Comic für Erstleser und Lesemuffel

Alex hat gewaltige Angst vor Kalle. Der ist nämlich total stark, ziemlich brutal und dabei auch noch unheimlich fies. Dummerweise hat Kalle Alex dazu auserkoren, ihm aus der Patsche zu helfen. Und da steckt er ziemlich tief drin, in der Patsche, seit er den Pokal, das Aushängeschild der Schule, zuerst geklaut und dann unfreiwillig weitestgehend zerstört hat. Alex soll Kalle nun helfen, Ersatz für den Pokal zu beschaffen. Aber Pokale sind teuer, also müssen die beiden irgendwie schnell zu Geld kommen. An Ideen mangelt es den Jungen nicht, leider hapert es aber daran, diese auch erfolgreich in die Tat umzusetzen. Ob sie am Ende doch noch Glück haben?

Die Geschichte wird als Comic erzählt. Jede Seite zeigt die Handlung in Bildform, dazu stehen höchstens zwei, drei kurze Sätze pro Seite. Die Texte sind einfach und klar verständlich formuliert und recht groß in gut lesbarer Comic-Druckschrift gedruckt. Siebenjährige Kinder dürften kaum Schwierigkeiten haben, den Text selbstständig zu lesen und zu erfassen. Bei der richtigen Aussprache von manchen englischen Ausdrücken („cool“, „chillen“, „Wow“) werden sie vermutlich noch Hilfe brauchen. Horst Hellmeiers schwarz-weiß Illustrationen sind gut zu erkennen, ausdrucksstark und vor allem sehr witzig. Die wunderbar passenden detailreichen, lebendigen Zeichnungen sorgen für viel Dynamik und Action in der Geschichte und machen einfach Spaß.

Schon äußerlich sehen die beiden Hauptfiguren Kalle und Alex so unterschiedlich aus wie Tag und Nacht. Alex ist schlaksig und ziemlich dünn, Kalle sehr kräftig. Alex wird von anderen geärgert, Kalle ärgert andere. Alex ist ängstlich, Kalle mutig. Alex ist klug, Kalle steht manchmal auf der Leitung. Als die beiden gemeinsam auf Pokalbeschaffungsmission gehen, zeigen sie aber auch andere Seiten von sich. Die zwei ungleichen Schüler sind erfrischende Hauptfiguren, die immer wieder für eine Überraschung gut sind.

Wie können die Jungs nur an Geld kommen? Sehr witzig, wie sie ihre Einfälle in die Tat umsetzen und dabei jedes Mal krachend scheitern. Da heißt es mehr als einmal „Megadumm gelaufen“. Aber dann sind sie auf einmal doch zur richtigen Zeit am richtigen Ort...
Rüdiger Bertram schreibt gewohnt unterhaltsam. Er hat sich einmal mehr eine ziemlich schräge und irre komische Geschichte ausgedacht, die wichtige Themen wie Ausgrenzung, Vorurteile, Angst, Feind- und Freundschaft behandelt. Aber das tut sie so leicht und locker, dass es gar nicht auffällt und absolut nicht „pädagogisch“ wirkt.
Gerade Jungen haben oft Probleme, sich zum Lesen zu motivieren. Dieses Buch ist ideal für Leseanfänger. Die wenigen kurzen Sätze überfordern sie nicht, gleichzeitig bekommen sie aber für ihre vergleichsweise geringe Anstrengung eine witzige, turbulente, rasante, schräge und abenteuerliche Geschichte mit tollen Bildern geboten. Die Seiten fliegen beim Lesen nur so dahin, das motiviert natürlich besonders. In vielen Erstlesebüchern werden konventionelle, oft ereignisarme, ja langweilige Geschichten erzählt. „Mega dumm gelaufen“ ist anders und absolut nicht langweilig. Lesemuffel kommen genauso auf ihre Kosten wie Leseratten. Wer auf der Suche nach einem etwas anderen Erstlesebuch mit Spaß und Action ist, liegt mit diesem Buch richtig. Meinen Kindern und mir hat es megagut gefallen.

Bewertung vom 16.02.2021
Homefarming
Rakers, Judith

Homefarming


ausgezeichnet

Macht große Lust, sofort loszulegen

Judith Rakers kennen wohl die allermeisten als Sprecherin der Tagesschau. Dass die Journalistin bei sich zuhause - sie wohnt in einem Fachwerkhaus mit Garten in der Nähe von Hamburg- eine eigene kleine Farm betreibt, hätte ich niemals vermutet. Zumal sie von sich behauptet, keinen grünen Daumen zu haben. Auch ich habe absolut keinen grünen Daumen, fände es aber durchaus reizvoll, mehr aus meinem Garten rauszuholen als zig verschiedene Sorten „Unkraut“. Klar, dass dieses Buch meine Neugier geweckt hat.

Nach einem kurzen, persönlichen Vorwort widmet sich die Autorin im umfangreichen Abschnitt „Ein Garten voller Obst und Gemüse“ zunächst dem Anbau von Obst und Gemüse: Was braucht man zum Anbau? Wie legt man ein Beet an? Welches Gemüse eignet sich? Was gilt es bei der Erde und beim Düngen zu beachten? Das Thema Fruchtwechsel wird genauso angesprochen wie der Obstbaumschnitt. Rakers erzählt auch von ihrem Besuch bei „Selbsversorgerkönig“ Wolf- Dieter Storl auf dessen Hof im Allgäu.
Der zweite Teil „Ein Garten mit Hühnern“ liefert einen grundlegenden Überblick über die Hühnerhaltung. Welche Voraussetzungen müssen für erfolgreiche Hühnerhaltung erfüllt sein? Welche Hühnerrassen eignen sich für Anfänger? Braucht man einen Hahn? Wie sollte ein Hühnerstall aussehen? Wie läuft das Brüten ab? Zum Abschluss kommt Hühnerzüchter Bernd Eggers im Experteninterview zu Wort.
Der letzte Abschnitt „Ein Garten zum Genießen“ befasst sich mit der Lagerung und Aufbewahrung von Obst und Gemüse, Judith Rakers stellt ihren Bio-Kühlschrank vor. Im Anhang finden sich noch allerhand Rezepte für Sirup, Marmelade, Salate und andere Gerichte sowie Tipps zum Einkochen. Das letzte Interview führt Rakers mit Bruder Felix aus dem Benediktiner Kloster Beuron, das auf die alte Tradition des Selbstversorgens setzt.

Sachbücher und Ratgeber sind ja oft recht trocken zu lesen, dieses hier absolut nicht. Rakers schreibt sehr unterhaltsam und abwechslungsreich und zu keiner Zeit langweilig. Meine neunjährige Tochter hat den gesamten Teil über Hühner regelrecht verschlungen, obwohl sie eigentlich sonst kaum Sachbücher liest. Ihr Urteil: „Interessant und so spannend wie eine Sachgeschichte“.

Einiges an Basiswissen war mir schon bekannt, aber sehr vieles war mir auch komplett neu und sehr erhellend. Ich wäre beispielsweise nie auf die Idee gekommen, den Maulwurf als Freund zu betrachten und seine vorgelockerte, umgegrabene Erde in Beeten zu verwenden. Und tatsächlich denke ich jetzt auch ernsthaft über die Anschaffung von Hühnern nach, so spannend fand ich Rakers Ausführungen zum Thema.

Ein Buch für Garten-Anfänger, das Mut und Lust macht, Neues auszuprobieren. Rakers Begeisterung fürs Gärtnern, für die Hühnerhaltung, ihre Freude am Verarbeiten der Nahrungsmittel sind fast spürbar und sehr ansteckend. Ich glaube ihr (und weiß es eigentlich auch schon aus eigener Erfahrung), dass die Arbeit im Garten, das Säen, das Ernten und Genießen einfach glücklich macht. Gärtnern ist gut für die Seele. Ich kann jedem nur empfehlen, sich von diesem Buch inspirieren zu lassen und loszulegen.