Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
liesmal
Wohnort: 
Wilhelmshaven

Bewertungen

Insgesamt 439 Bewertungen
Bewertung vom 19.10.2018
Der Apfelbaum
Berkel, Christian

Der Apfelbaum


ausgezeichnet

Mehr als ein ganzes Leben - Christian Berkel ist ein toller Schauspieler mit einer angenehmen Stimme und – das weiß ich nach seinem Buch – ein großartiger Schriftsteller.
Ich habe mich für das Hörbuch entschieden, weil der Autor die Geschichte seiner Familie selbst liest. Das war eine gute Entscheidung, denn ich glaube, kein anderer hätte mehr Emotionen hineinlegen können als er selbst. Grandios!
Als er merkt, dass seine Mutter Sala zunehmend dement wird, denkt er daran, dass es bald keine Chance mehr geben wird, etwas über das Leben seiner Familie und vor allem seiner Mutter zu erfahren. Die Gespräche mit Sala zeichnet er auf und begibt sich mit ihr auf den Weg in die Vergangenheit:
1932 ist es, als Sala, 13 Jahre alt, dem 17-jährigen Otto zum ersten Mal begegnet. Seit dieser ersten Begegnung steht fest, dass diese beiden Menschen zusammengehören. Sala muss durch die politische Lage 1938 Deutschland verlassen. Damit trennen sich ihre Wege für viele Jahre. Otto zieht als Sanitätsarzt in den Krieg und landet in russischer Gefangenschaft. Sala ist in den Kriegsjahren wegen ihrer jüdischen Herkunft voller Angst und immer auf der Flucht in verschiedenen Ländern. Es gibt nur wenige Menschen, die es gut mit ihr meinen und denen sie trauen kann. Hier hat mich die Erzählung über Mopp, die Sala zur Freundin geworden ist, einige Male zum Lächeln gebracht.
Es ist bemerkenswert, wie es Christian Berkel gelungen ist, die Geschichte seiner Eltern, Groß- und Urgroßeltern durch Gespräche mit seiner Mutter und Recherchen in Archiven, durch Briefwechsel und nicht zuletzt durch Reisen an die Orte, von denen seine Mutter erzählt hatte, zu einem runden Abschluss zu bringen.
Aus vielen einzelnen Puzzleteilen hat er nicht nur das Leben seiner Familie zu einem Ganzen zusammengefügt, sondern es ist ein lehrreicher Weg in die Vergangenheit entstanden mit einer realitätsnahen Schilderung der Ereignisse gerade auch des Zweiten Weltkriegs mit all seinen Schrecken und menschenverachtenden Geschehnissen, dass ich voller Hochachtung und dankbar bin, auf diesen Weg mitgenommen worden zu sein.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.10.2018
Bösland
Aichner, Bernhard

Bösland


ausgezeichnet

Versteckt im Bösland - Das Buch beginnt damit, dass Ben an seinem 10. Geburtstag seinen Vater auf dem Dachboden findet, aufgehängt an dem Gürtel, den Ben immer wieder auf seinem Rücken zu spüren bekommen hatte, wenn sein Vater ihn bestrafte. Gründe dafür fand der Vater zur Genüge. Und die Mutter? Die hat hilflos die Augen davor verschlossen. Ben hatte nur einen einzigen Freund, mit dem er viel Zeit verbracht hat: Kux, den Sohn des Apothekers.
Drei Jahre später findet man auf demselben Dachboden die Leiche eines ermordeten Mädchens, im Arm von Ben. Ben landet in einer Psychiatrischen Einrichtung.

Das Cover ist schlicht gehalten, wirkt aber sehr gruselig durch das Farbspiel. Verstärkt wird dieser Eindruck, wenn man erst mehr über das Bösland erfahren hat.
Die Geschichte ist nach Bens Entlassung nicht vorbei. Er führt ein sehr zurückgezogenes Leben, hat eine Arbeit in einem Fotolabor und ist damit zufrieden.
Psychologische Begleitung hatte er schon während der Zeit in der Psychiatrie durch Frau Therese Vanek. Ben erinnert sich nicht an den Tathergang und die Psychologin hilft ihm bei der Aufarbeitung seiner Vergangenheit.
Schon die Leseprobe dieses Buches hat mich fasziniert und sie hat nicht zuviel versprochen. Schon nach einigen Kapiteln habe ich einen dicken Kloß in der Magengegend gespürt und Schreckliches geahnt. Doch auch nachdem sich die Vermutung bestätigt hatte, wurde es nicht besser, sondern die Spannung hatte mich ganz eisern im Griff.

Das Layout des Buches ist sehr gelungen und damit ganz nach meinem Geschmack. Der Zeilenabstand ist nicht ganz eng. Dadurch „fliegen“ die Seiten noch schneller. Die Kapitel sind recht kurz gehalten und das Besondere daran: Ein einzelner Satz aus dem jeweiligen Kapitel bildet die Überschrift, die allein auf einer ganzen Seite Platz findet und damit große Wirkung erzielt. Das bietet an einigen Stellen Zeit zum „Luftholen“ und auch zum Nachdenken. Nicht zu vergessen auch die übersichtliche Gestaltung der Dialoge, die ohne Anführungszeichen auskommt.

Auch wenn meine erste Ahnung schnell zur Gewissheit wurde, gab es doch ständig neue spannende und unvorhersehbare Elemente in der Geschichte, die mich bis zur letzten Seite gepackt hielt. In Ben konnte ich mich gut hineinversetzen und sein Verhalten verstehen, wenn auch nicht immer gut heißen, weil ich oft Angst um ihn hatte. Nur notgedrungen habe ich das Buch kurzzeitig aus der Hand gelegt. Ein Buch, das ich unbedingt empfehlen kann – für alle, die Psycho-Thriller mögen!

Bewertung vom 25.09.2018
Stern des Nordens
John, D. B.

Stern des Nordens


ausgezeichnet

Gefühle von Liebe und Hass - Der Prolog erzählt von dem Tag im Jahre 1998, als Soo-min zusammen mit einem 19-Jährigen vom Strand einer südkoreanischen Insel ganz in der Nähe Nordkoreas ganz plötzlich verschwand. Die Suche nach den beiden jungen Leuten wurde bald eingestellt. Man ging davon aus, dass sie ertrunken wären. Doch die Zwillingsschwester von Soo-min, Jenna Williams, glaubt nicht an ein Unglück und will alles versuchen, dem Grund des Verschwindens ihrer Schwester auf die Spur zu kommen. Sie glaubt fest daran, dass Soo-min noch lebt, und nutzt im Jahr 2010 die Gelegenheit, nach ihr zu suchen, als sie sich unter anderem Namen als Agentin der CIA in geheimer Mission nach Nordkorea schicken lässt.

Agententhriller sind so gar nicht das Genre, das mich interessiert. Doch in diesem Fall habe ich gehofft, etwas mehr Wissen über das Land Nordkorea zu erlangen, das ich bisher nur aus den Nachrichten kannte – und die waren in der Vergangenheit fast ausschließlich negativ. Meine Neugier und mein Wissensdurst haben mich nicht enttäuscht.
Ich kann nicht sagen, dass der Roman mich von Anfang an gepackt hat, denn das Lesen fiel mir zu Beginn nicht leicht wegen der vielen verschiedenen und fremdartig klingenden Namen und Handlungsorte. Doch dann hat mich das Buch völlig in den Bann gezogen. Es ist unfassbar und unglaublich, welche Gesetze es in dem Land gibt und wie arm die Menschen dran sind, weil sie keine eigene Meinung haben dürfen.
Da hat mir Frau Moon, eine Bäuerin aus der nordkoreanischen Provinz, sehr gut gefallen. Sie ist eine unglaublich starke Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sich einsetzt für die Gerechtigkeit. Innerhalb kurzer Zeit hat sie als neu hinzugekommene Marktfrau eine Gemeinschaft mit den anderen Frauen gebildet und bei ihnen durch ihre kämpferische Art schnell Ansehen erworben. Vor der Obrigkeit ist das für sie selbst natürlich nicht unbedingt von Vorteil, doch wo sie auch ist, sie gibt nicht auf und kämpft weiter.

„Die Saat der Klassenfeinde, wer auch immer sie sind, muss bis in die dritte Generation ausgerottet werden.“ Mit diesem Leitsatz des „Großen Führers“ Kim Il-Sung aus dem Jahr 1970 ist der erste Teil überschrieben.
In Pjönjang bekommt das der vor einer Beförderung stehende Parteifunktionär Cho zu spüren, als seine familiäre Vergangenheit durchleuchtet wird.

Nachfolger von Kim Il-Sung wurde sein Sohn Kim Jong-Il, bezeichnet als „Geliebter Führer“. Doch auch unter der neuen Herrschaft änderte sich nichts für das unterdrückte Volk. Immer noch konnten Christen sich nur heimlich in Verstecken treffen. Der Geliebte Führer war derjenige, der angebetet werden wollte. Wer beim Verteilen von Bibeln erwischt wurde, für den galt die Todesstrafe!

Besonders dankbar bin ich für die vom Autor verfasste Vorbemerkung über das Land Nordkorea und die Anmerkungen am Ende des Buches, die den Leser erkennen lassen, welche Teile des Romans auf Tatsachen beruhen.

Bewertung vom 14.09.2018
Mexikoring / Chas Riley Bd.8
Buchholz, Simone

Mexikoring / Chas Riley Bd.8


sehr gut

Keine Chance - In Hamburg brennt ein Auto. Das ist jetzt nichts Besonderes, weil in jeder Nacht in Hamburg so wie in vielen anderen Städten Autos brennen. Nur etwas ist diesmal anders: In dem verschlossenen Wagen sitzt ein Mann. Schnell wird er als Nouri Saroukhan identifiziert. Nouri gehörte zu einem Clan aus Bremen, dessen Familie sich aber von ihm losgesagt hatte. In diesem Mordfall ermittelt Staatsanwältin Chastity Riley. Mit ihrem Team befasst sie sich zunächst mit der Welt der Clan-Familien. Das war für mich sehr interessant und lehrreich, so etwas über die Mhallamiye zu erfahren.
Der Schreibstil ist etwas ungewöhnlich, aber leicht verständlich und macht Spaß. Trotz der Thematik kommt auch der Humor im Kollegenteam nicht zu kurz.
Mir war leider lange nicht klar, wer da in der Ich-Form erzählt, wahrscheinlich weil ich bisher kein Buch aus der Reihe gelesen habe. Ich war der Meinung, es müsse ein Mann sein, der spricht. Darum habe ich auf Chastity Riley gewartet. Bis ich endlich auf Seite 40 erfahren habe, dass es kein Mann ist, sondern sie, die die Geschichte erzählt. Nachdem sich die Ermittler über die Mhallamiye schlau gemacht haben, ging es mit den Nachforschungen richtig los und es entwickelte sich eine spannende Geschichte, die durch kurze Kapitel mit tollen Überschriften gut zu verfolgen war.
Gerade die Kapitel, in denen wieder Neues über Nouri und seine Freundin Aliza bekannt wurde, haben mir besonders gefallen.
Was mir allerdings nicht gefallen hat – mag es dazugehören oder nicht – ist die ständige Rede vom Rauchen, vom Anzünden über das Inhalieren… Das war mir zu viel des Guten, weil ich wirklich beim Lesen richtig fixiert war auf diese vielen Zigaretten.

Bewertung vom 08.09.2018
Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste
Schwenke, Philipp

Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste


sehr gut

Verwirrende Wahrheit - 60 Jahre alt war Karl May, als er wahrscheinlich seine erste große Reise angetreten hat, die ihn in den Orient führte. Doch schon viele Jahre zuvor wurde er bekannt durch seine Reiseerzählungen. Viele Bücher schrieb er in der Ich-Form und vermittelte dadurch den Eindruck, er selbst wäre einer seiner Buchhelden wie Old Shatterhand oder auch Kara Ben Nemsi und hätte auch verschiedene Länder bereist.
In diesem Buch lernen wir den privaten Karl May, seine Ehefrau und seine Freunde Richard und Klara Plöhn kennen und erfahren viel über deren Leben.
Mich hat die Geschichte sehr beeindruckt, die sich gut lesen und mich oft schmunzeln lässt. Der Autor Philipp Schwenke hat seinen Schreibstil der Zeit angepasst, aus der er erzählt, ca. zwei Jahre vor bis zwei Jahre nach 1900.
„Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste“ ist ein gut gewählter und passender Name für diesen Roman. Es ist tatsächlich so, dass dieses Flimmern mich beim Lesen ständig begleitet und ich mich mehr als einmal frage, ist das, was ich gerade lese, Wahrheit, Lüge oder Illusion? Das hat sich Karl wohl auch häufig gefragt, denn es wirkt tatsächlich so, als ob er seine Geschichten selbst glaubt.
Wechselweise geht es in der Geschichte einmal um seine Reise in den Orient, in der er aufregende, spannende und verrückte Abenteuer erlebt, und zum anderen um sein Leben in seiner deutschen Heimat nach dieser Reise. Dieser Wechsel hat mir zu Beginn gut gefallen, in dem letzten Drittel des Buches allerdings nicht mehr, weil es meinen Lesefluss oft unterbrochen hat. Außerdem waren mir einige Passagen zu umfangreich erzählt, aber es geht natürlich um Karl May, der nicht nur selbst gern sehr ausschweifend erzählen, sondern sich scheinbar auch selbst endlos lange zuhören mochte. Die Orte und damit die Erzählungen auf den letzten Buchseiten wechselten manches Mal mehrmals pro Seite. Komischerweise hat mir das wieder gut gefallen, weil es irgendwann irgendwie zu einem Ganzen verschmolz.
Karls Beziehung zu von Hoven war für mich ganz besonders interessant.
Dass Karl May bis zu seinem 5. Lebensjahr blind war, habe ich nicht gewusst, bevor ich dieses Buch gelesen hatte. Das erklärt mir einiges über das „Flimmern“ und über Karls Fantasie.
Tolle Geschichte – nicht nur für Karl-May-Fans!

Bewertung vom 07.09.2018
Mit der Faust in die Welt schlagen
Rietzschel, Lukas

Mit der Faust in die Welt schlagen


sehr gut

Gewalt ist keine Option - Schornsteine, die nicht mehr rauchen, Überreste von Schienen und verlassene Fabriken erinnern an das Leben vor der Wiedervereinigung und erzählen davon, wie das Leben der Menschen früher verlaufen ist.
Im Jahr 2000 freuen sich Vater und Mutter mit ihren Söhnen Philipp und Tobias über den Neubau ihres Hauses in Neschwitz, einer Kleinstadt in Sachsen, und damit auch auf ihr neues Leben. Doch die Zukunft mit ihren Wünschen und Plänen sieht anders aus als in ihren Vorstellungen. Großen Anteil daran hat das Weltgeschehen.

Die Geschichte ist in 3 Bücher eingeteilt. Das erste erzählt aus den Jahren 2000 bis 2004, das zweite aus 2004 bis 2006 und das dritte aus 2013 bis 2015.
Der Autor, selbst in Ostsachsen geboren, erzählt die Geschichte eher sachlich und unverschnörkelt, aber realitätsnah.
Wie leicht man auf eine Bahn gerät, auf der man gar nicht sein möchte, und Dinge – auch mit eigener Beteiligung – geschehen lässt, nur um dazuzugehören, ist einfach erschreckend, wird aber sehr glaubhaft vermittelt.
Philipp und Tobias leben in einer Familie, in der keine Liebe zu spüren ist. Der Vater lässt offen seinen Fremdenhass spüren. Tobias, der Jüngste, muss erfahren, dass seine selbstgemachten Geschenke nichts wert sind. Das lässt ihn so wütend werden, dass er sie nicht verschenkt, sondern mit den Füßen zertrampelt. Irgendwann gibt es keine Perspektiven mehr.
Der Bezug zum Weltgeschehen, besonders die Aufnahme vieler Flüchtlinge und das Zusammenleben mit ihnen, ist ein Problem vieler Menschen, nicht nur in Sachsen, sondern leider in unserem ganzen Land.
Am Ende des Romans angelangt und durch das Beispiel das Wissen zu haben, wie sich Hass aufbauen kann, verstehe ich, dass man manchmal am liebsten „Mit der Faust in die Welt schlagen“ möchte.
Doch Gewalt ist keine Option!
Die hochaktuelle Geschichte lässt mich nachdenklich zurück.
Sehr empfehlenswertes Buch!

Bewertung vom 29.08.2018
Manhattan Beach
Egan, Jennifer

Manhattan Beach


gut

Volle Kraft voraus! - Die Geschichte von Anna hat mir sehr gut gefallen. Bewundernswert, mit welchem Eifer, mit welcher Verbissenheit und Entschlossenheit sie ihr Ziel verfolgt, Taucherin zu werden. Auf der anderen Seite ist sie der Familienmensch der sich hingebungsvoll ihrer kleinen pflegebedürftigen Schwester Lydia widmet, in die Anna sich so hingebungsvoll hineinversetzen kann, dass es einfach nur schön ist. Gern hätte ich mir diesen Teil - um Anna - etwas ausführlicher gewünscht.
Sehr gut hat mir die auch Erzählung von Annas Vater Eddie gefallen, die zum großen Teil spannend, an einigen Stellen aber auch sehr gefühlsbestimmt war.
Alles andere, was selbstverständlich zur Beschreibung von „Manhattan Beach“ interessant und wissenswert ist, hat für mein Empfinden einen zu großen Raum eingenommen und ist teilweise zu ausführlich beschrieben worden.
Darum von mir nur 3 von 5 Punkten.

Bewertung vom 27.08.2018
Wo alles beginnt / Hazel Wood Bd.1
Albert, Melissa

Wo alles beginnt / Hazel Wood Bd.1


sehr gut

Unheimliche Suche - Alice mit ihren Eigenarten, die sie nicht unbedingt sympathisch erscheinen lassen, lebt allein mit ihrer Mutter Ella, die sehr ruhelos ist und es nie lange an einem Ort aushält, so als ob sie vor etwas davonläuft. Alice kennt es nicht anders, als dass sie ständig umziehen. Eine Familie gibt es nicht. Alice weiß nur, dass sie eine Großmutter hat, die Althea heißt und Märchenerzählerin ist. Aber Fragen danach weicht Ella stets aus und Alice muss sich damit zufrieden geben, keine Antworten zu bekommen. Als Althea stirbt, verschwindet Ella unverhofft. Alice sieht keine andere Möglichkeit, als sich auf den Weg zu machen um ihre Mutter zu suchen, obwohl sie noch deren Worte im Ohr hat: „Halte dich fern von Hazel Wood!“
In Finch, einem Fan und Liebhaber von Altheas Märchen, findet Alice einen gleichaltrigen hilfsbereiten Begleiter.
Das Buch "Hazel Wood" ist schon äußerlich ein Schatz. Das Cover ist märchenhaft schön und so fühlt es sich auch an. Auch unter dem Schutzumschlag ist das Buch wunderschön anzusehen.
Mir gefällt der Schreibstil, er ist fesselnd, geheimnisvoll und spannend. Ich fühlte mich sofort mit hineingenommen in die Geschichte wie in eine andere Zeit und eine andere Welt. Das liegt sicher zum einen daran, dass die Autorin es versteht, Orte und Situationen auf ihre ganz eigene Art zu beschreiben, in der die Spannung nicht nachlässt und alles sehr geheimnisvoll, märchenhaft und fantastisch wirkt, zum anderen aber auch daran, dass Alice und Finch viele Abenteuer bestehen müssen, die oft von furchteinflößenden Wesen begleitet und erschwert werden.
Finch wirkt wie ein Beschützer. Im Gegensatz zu Alice kennt er die Märchen und er erzählt ihr auch eines davon. Auch hier wieder das Gefühl, dass Finch Alice beschützen möchte, indem er vielleicht einige Stellen des Märchens nicht erzählt.
Dabei gefällt mir, dass sich das abgedruckte Märchen durch Rahmen an den Seitenrändern von dem anderen Text absetzt.
Es ist schon eigenartig: Ich halte mich in der Regel für einen realitätsnahen Menschen und finde es grandios, dass die Erzählung, die manchmal märchenhaft schön, aber häufig düster, unheimlich und gruselig ist, mich so fesseln und solch eine Wirkung auf mich haben kann.
„Wo alles beginnt“ heißt der Untertitel dieses Buches, das noch eine Fortsetzung finden soll. Allerdings hat dieses Buch auch ohne Fortsetzung einen guten Abschluss.

Bewertung vom 20.08.2018
Das rote Adressbuch
Lundberg, Sofia

Das rote Adressbuch


ausgezeichnet

Ein ganzes Leben -

Doris ist 96 Jahre alt. Zu ihrem 10. Geburtstag bekam sie von ihrem Vater ein rotes Adressbuch geschenkt, in dem sie alle Adressen der Menschen festhalten sollte, die eine Bedeutung in ihrem Leben haben. Dieses Buch hat sie ihr Leben lang gehütet und gepflegt. Jedes Mal, wenn sie erfahren hat, dass einer dieser Menschen verstorben war, hat Doris dessen Namen durchgestrichen und TOT daneben geschrieben. Inzwischen gibt es nur noch wenige Namen, die nicht durchgestrichen sind. Zu ihnen gehört Jenny, Doris‘ Großnichte, die sie liebt wie ihr eigenes Kind.
Für Jenny schreibt Doris zu jeder Adresse die Geschichte. Dadurch reist auch sie selbst gedanklich noch einmal an die verschiedenen Orte ihrer Vergangenheit.
So bezaubernd wie das Cover sind auch die Geschichten, die Doris erzählt, auch wenn die Stationen ihres Lebens nicht einfach waren.
Ein warmherziger Schreibstil, der zwar das Lesen leicht macht, aber der es schwer macht, das Buch auch mal aus der Hand zu legen. Dazu tragen nicht zuletzt die kurzen Kapitel bei, in denen wechselweise aus Doris‘ Gegenwart und die Geschichten der Menschen aus dem Adressbuch und damit auch aus Doris‘ Vergangenheit sehr spannend erzählt werden, die aber auch Einblick geben in Jennys Leben und das ihrer Familie. Die Warmherzigkeit zwischen Doris und Jenny wird sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, selbst wenn sie örtlich weit voneinander entfernt wohnen und ein Kontakt nur durch Skypen aufrechterhalten wird.
Was ich nicht unerwähnt lassen möchte: Doris war auf häusliche Pflege angewiesen. Die Autorin scheint genau zu wissen, welche Unterschiede es gibt im Bereich der Altenpflege. Da gibt es Pflegerinnen wie Sara, die sich liebevoll um Doris kümmern, die ein Gespür für deren Wünsche haben und ohne großen Aufwand erreichen, dass Doris zufrieden ist. Doch es gibt leider auch Pflegerinnen, die dieses Gespür nicht haben. So habe ich mir – allein nach der Beschreibung, wie sie das Essen für Doris vorbereitet und serviert hat – gewünscht, Ulrika hätte doch besser einen anderen Beruf erlernt.
Ein wunderschönes Buch, mal anders als alle anderen!

Bewertung vom 27.07.2018
Sprichst du Schokolade?
Lester, Cas

Sprichst du Schokolade?


ausgezeichnet

Miteinander in einer Welt - Die Geschichte spielt in England. Als Nadima als „Neue“ in Josies Klasse kommt, ist es mit der Verständigung nicht ganz einfach. Über die Sprache gibt es jedenfalls zunächst keine Möglichkeit, denn Nadima spricht kein Englisch. Doch die Sprachbarriere wird durchbrochen, als Josie Nadima ein Stück Schokolade anbietet und dazu die Frage stellt: „Sprichst du Schokolade?“ Auch Nadima hat etwas zum Naschen dabei – und schon klappt es zwischen den beiden Mädchen mit der Verständigung. Immer wieder finden sie Wege, wie sie „ohne Worte“ miteinander kommunizieren können.
Allerdings ist die Sprache nicht das einzige, was die Mädchen voneinander unterscheidet. Nadima, ihre Eltern und Geschwister kommen aus einem anderen Kulturkreis, sind als Flüchtlinge nach England gekommen und versuchen hier ein neues Leben zu beginnen.
Ganz langsam nähern sich Josie und Nadima an. Feinfühligkeit und Fingerspitzengefühl sind notwendig. Das ist für Josie nicht immer ganz einfach. Sie hat zwar ein großes Herz, einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und setzt sich für andere ein, allerdings kommen die Worte oft schneller aus ihrem Mund, als dass sie sich Gedanken darüber macht, was unüberlegte Worte anrichten können.
Das Cover sieht fremdartig und sehr ansprechend aus. Viele Geschichten aus dem Buch tauchen dort in Bildern auf. Die einzelnen Kapitel, die im Schnitt fünf Seiten lang sind, sind mit Überschriften versehen. Themen sind Legasthenie, Essen aus anderer Kultur, Katastrophen, die manchmal durch Unüberlegtheit entstehen, es geht um Ausraster, um Wut, Tränen und Eifersucht, aber auch um Verständnis füreinander, um Freundschaft und Einsicht, um Armut und um Stolz.
Was viele Menschen nicht bedenken, wird in diesem Buch, das sicherlich nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene lesenswert ist, sehr einfühlsam beschrieben: was einzelne Menschen und Familien erlebt haben, die ihre Heimat sicherlich nicht gern verlassen haben, aber dennoch als Flüchtlinge in einem für sie fremden Land versuchen, sich ein neues – ein sicheres – Leben aufzubauen.