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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 739 Bewertungen
Bewertung vom 21.08.2016
Kosmos und Materie
Asimov, Isaac; Asimov, Janet

Kosmos und Materie


sehr gut

Wunder der Natur

Der Universalgelehrte Isaac Asimov war einer der bedeutendsten Wissenschaftsautoren des 20. Jahrhunderts. Er veröffentlichte über 300 Bücher, darunter zahlreiche Science-Fiction-Werke. „Kosmos und Materie“ ist nach seinem Tod 1992 von seiner Frau, die auch seine engste Mitarbeiterin war, fertiggestellt worden.

Die Motivation ergibt sich aus dem Vorwort. „In diesem Buch werden wissenschaftliche Entdeckungen von heute in der Hoffnung präsentiert, die Phantasie anzuregen und unsere Welt gleichzeitig ein wenig durchschaubarer zu machen.“ (9) Diesem Anspruch werden die Autoren gerecht.

„Kosmos und Materie“ besteht aus mehr als 120 Essays zu den Themen Evolution, Zukunft, Astronomie,Technik und Physik. Die Beiträge umfassen jeweils nur wenige Seiten und sind allgemeinverständlich verfasst. Sie bauen nicht aufeinander auf und so kann der Einstieg in jedem beliebigen Kapitel erfolgen.

In „Unentbehrliche Kooperation“ (95) geht es um altruistisches Verhalten in der Natur zum Zweck der Erhaltung der Art, in „Mantel und Kern“ (117) steht der Geodynamo der Erde im Fokus und in „Entfernungsmessung“ (363) erläutern die Autoren, wie interstellare Entfernungsmessungen durchgeführt werden.

Asimov geht in seinen Essays nicht so in die Tiefe, wie Hoimar von Ditfurth in seinem Essayband „Zusammenhänge“. Dennoch handelt es sich um ein lesenswertes und auch heute noch zu empfehlendes Buch.

Bewertung vom 21.08.2016
Der Gefangene des Himmels / Barcelona Bd.3
Ruiz Zafón, Carlos

Der Gefangene des Himmels / Barcelona Bd.3


sehr gut

Weniger verzaubernde Magie, mehr harte Realität

„Der Gefangene des Himmels“ ist der dritte Band aus dem Zyklus „Der Friedhof der vergessenen Bücher“ von Carlos Ruiz Zafón. Im Fokus steht die Lebensgeschichte von Fermin Romero de Torres. Das ist ein falscher Name, den er aus Sicherheitsgründen angenommen hat. Fermin, der in „Der Schatten des Windes“ als väterlicher Freund von Daniel Sempere eingeführt wurde, erweist sich mit Weisheit und feiner Ironie als Sympathieträger und schillernde Figur dieses Romans.

Fermins Vergangenheit, die teilweise in dem Roman erzählt wird, ist bemerkenswert. Es war die Zeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg und Fermin saß in dem Kastell auf dem Montjuïc ein. Die Behandlung der Gefangenen durch Direktor Mauricio Valls erinnert an den Vorhof zur Hölle. Im Gefängnis lernt Fermin den Schriftsteller David Martin, Autor von „Die Stadt der Verdammten“ und Protagonisten aus „Das Spiel des Engels“, kennen. Bei dessen psychischer Situation und seinen einschneidenden Erlebnissen ist es kein Zufall, dass dieser Selbstgespräche mit Corelli, einer unheimlichen Gestalt aus „Das Spiel des Engels“, führt.

Querverbindungen zu den beiden früheren Bänden aus diesem Zyklus sind erkennbar. Diese bestehen nicht nur im Friedhof der vergessenen Bücher, sondern auch in einigen Protagonisten, wie z.B. Daniel Sempere, seine Mutter Isabella und David Martin. Entsprechend der Vorbemerkungen zum Roman können die Bände auch unabhängig voneinander bzw. jeder für sich allein gelesen werden. Das sehe ich nicht so. Um sich dem Geheimnis der Erzählungen nähern zu können, sollten alle drei Bände gelesen werden. In dem noch fehlenden vierten Band laufen hoffentlich die Fäden zusammen und werden letzte Geheimnisse gelüftet. Bei der Struktur der Bücher ist das aber nicht zwingend zu erwarten.

Natürlich vergleicht man Bücher von Zafón mit „Der Schatten des Windes“, einem Werk, in dem Zafón Realismus und Magie auf unnachahmliche Weise miteinander vermischt und eine Atmosphäre schafft, die verzaubert. „Der Gefangene des Himmels“ ist realistischer als die beiden Vorgängerbücher und weniger Jugendbuch als „Der Schatten des Windes“. Wenngleich die Qualität des letztgenannten Buches nicht erreicht wird, ist „Der Gefangene des Himmels“ lesenswert. Zafón gehört zu den großartigen Autoren der Neuzeit.

Bewertung vom 21.08.2016
Vorsorge für den Erbfall durch Testament, Erbvertrag und Schenkung
Bayerischen Staatsministerium der Justiz (Hrsg.)

Vorsorge für den Erbfall durch Testament, Erbvertrag und Schenkung


sehr gut

Eine übersichtliche Info zum Erbrecht

In dieser Broschüre werden die Prinzipien des deutschen Erbrechts auf verständliche Art und Weise für jedermann erläutert. Die Autoren verzichten durchgängig auf Bezüge zu gesetzlichen Grundlagen; Schaubilder visualisieren die Zusammenhänge. Es sind sowohl Beispiele für Erbfälle als auch Muster für Testamente vorhanden. Steuerliche Aspekte werden behandelt.

Als Info erfüllt das Heft seinen Zweck, die Leser werden sachkundig über das Erbrecht aufgeklärt Ein Stichwortverzeichnis und eine Übersicht über die gesetzlichen Grundlagen habe ich vermisst. Wenngleich die Beispiele anschaulich sind, werden auch die Grenzen einer solchen Broschüre deutlich. Reale Erbfälle weichen meist von theoretischen Schulbeispielen ab. Das Heft dient als Hilfsmittel, abzugrenzen, in welchen Fällen eine Rechtsberatung durch einen Fachmann sinnvoll und notwendig ist.

Fazit: Für den Preis kann man nichts verkehrt machen.

Bewertung vom 20.08.2016
Evolution für Dummies
Krukonis, Greg; Barr, Tracy

Evolution für Dummies


ausgezeichnet

Ein Leitfaden zur Evolution für jeden, den es interessiert

Das Buch besteht aus fünf Teilen und ist übersichtlich gestaltet. Zu Beginn werden auf wenigen Seiten zentrale Fachbegriffe erläutert, die für das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen zwingend erforderlich sind. Evolutionsbiologische Prinzipien und sonstige besondere Arten der Information werden im Text durch Symbole gekennzeichnet. Im letzten Kapitel erläutern die Autoren häufige Argumente gegen die Evolution und zeigen deren Schwachstellen auf. Je nach Vorwissen ist der Einstieg in jedem Kapitel möglich.

Die Autoren erläutern, was Evolution ist, wie sie funktioniert und was sie bewirkt. Dass es sich nicht um ein abstraktes Thema handelt, wird spätestens im vierten Teil des Buches deutlich. Hier geht es um die evolutionsbiologische Geschichte der Menschheit. Die Prinzipien Artbildung, genetische Drift, natürliche Selektion etc. gelten auch für den Homo sapiens. Somit ist die Frage „Woher stammen wir?“ nicht nur spannend für Philosophen und Theologen, sondern insbesondere auch für Evolutionsbiologen. Im Gegensatz zu Erstgenannten stützen diese sich auf empirische Untersuchungen (Fakten, Hypothesen, Theorien). Hypothesen und Theorien sind nicht in Stein gemeißelt, sondern können falsifiziert oder erweitert werden.

Die Autoren erklären Darwins Konzeption und ergänzen diese durch die Erkenntnisse späterer Entwicklungen. Hierzu gehört insbesondere die Genetik. Diese wird in einem Kapitel behandelt, mit dem Ziel, den Lesern zu vermitteln, worum es in der Genetik überhaupt geht und wo die Berührungspunkte mit der Evolutionstheorie liegen. Unter anderem wird ein Experiment beschrieben, wie aus wenigen Zutaten ein „Erdbeer-Cocktail“ gemixt wird, dessen DNA isoliert werden kann. Eine ausführliche Beschreibung zur Genetik, in ähnlichem Stil wie die Beschreibungen zur Evolution in diesem Buch, befindet sich in „Genetik für Dummies“.

Die Leser erfahren, was die Unterschiede zwischen phänotypischer und genotypischer Variation sind, wie phylogenetische Bäume erstellt werden, wie Gruppenselektion wirkt und was reziproker Altruismus ist. Mit den beiden letztgenannten Themen hat sich auch recht anschaulich Stefan Klein in „Der Sinn des Gebens“ auseinandergesetzt. Medizinische Aspekte werden in den Kapiteln 17-19 behandelt. Die Leser erfahren, wie Antibiotika wirken, warum der HI-Virus so tückisch ist und wie der Körper mit Virenattacken umgeht.

„Evolution für Dummies“ ist kein typisches in Prosa verfasstes populärwissenschaftliches Buch, aber auch kein in die Tiefe gehendes Fachbuch. Es ist ein Buch, dass Wissenschaft in anschaulicher Form vermittelt. Wer sich für das Thema Evolution interessiert, wird durch dieses gut strukturierte Buch einen fundierten Überblick bekommen. Die Prinzipien der Evolution werden nachvollziehbar beschrieben, wobei die Entwicklungsgeschichte der Evolutionstheorien zu kurz kommt. Wer sich dafür interessiert, ist mit zum Beispiel „Evolutionsbiologie“ von Ulrich Kutschera besser bedient.

Bewertung vom 20.08.2016
Wege zum philosophischen Denken. Einführung in die Grundbegriffe.
Bochenski, Joseph M.

Wege zum philosophischen Denken. Einführung in die Grundbegriffe.


sehr gut

Aufforderung zum philosophischen Denken

Das Buch beruht auf zehn Vorträgen, die der Autor 1958 im Bayerischen Rundfunk gehalten hat. Ziel ist die Vermittlung von Grundproblemen der Philosophie, sodass das Alter der Vorträge keine Rolle spielt und Leser nicht abschrecken sollte. Joseph Bocheński verbindet mit der Veröffentlichung die Hoffnung, dass einigen Lesern der Zugang zum philosophischen Denken erleichtert wird.

Die Themen sind lt. Vorwort populär gehalten. Dabei ist populär nicht gleichbedeutend mit leicht verständlich. Zumindest gilt das für Bocheńskis Reflexionen über ontologische Fragen. „Wie stehen das ideale Seiende und das reale zueinander?“ und „Soll man das Ideale als ein Abbild des Realen oder, umgekehrt, das Reale als ein Abbild des Idealen sich denken?“ sind solche Fragen. (102)

Daneben gibt es Fragen, die einfach klingen, aber bei genauer Analyse enorm an Tiefe gewinnen. Das gilt für die Untersuchung von Begriffen wie „Gesetz“, „Denken“ oder „Wahrheit“. „Denn in den philosophischen Fragen … ist nichts einfach.“ (45) Das liegt auch daran, weil in der Philosophie erkenntnistheoretisch untersucht wird, was wir überhaupt sicher wissen können. Bei der Analyse der Begriffe „Mensch“ und „Gesellschaft“ habe ich am ehesten aktuelle Bezüge vermisst.

Es handelt sich zwar um ein populärwissenschaftliches Buch, dennoch merkt man den Fragestellungen, den präzisen Ausführungen und auch dem Respekt des Autors vor den Themen an, das Bocheński ein Fachmann ist. Er stellt unterschiedliche Sichtweisen gegenüber und erläutert seine persönliche Auffassung. Seine religiöse Grundhaltung wird in „Das Absolute“ deutlich. Hier geht Bocheński auch auf das Verhältnis von Philosophie und Religion ein. „Wege zum philosophischen Denken“ ist kein Buch über die Geschichte der Philosophie oder über bekannte Philosophen der Menschheitsgeschichte, sondern eine Aufforderung zum Philosophieren.

Bewertung vom 20.08.2016
Raketenmänner
Goosen, Frank

Raketenmänner


sehr gut

Crisis? What Crisis?

Frank Goosen erzählt kleine Episoden aus dem Leben von Männern überwiegend mittleren Alters. Die Geschichten fangen mitten im Leben an und hören mitten im Leben wieder auf. Manch ein Traum erhält einen Dämpfer. Zurück bleibt ein nachdenklicher Leser.

Es handelt sich um Einzelgeschichten, die mehr oder weniger miteinander verknüpft sind. Das erinnert an Kehlmanns „Ruhm“, jedoch wirken die Verknüpfungen von „Raketenmänner“ weniger konstruiert. Die Geschichten sind gleichzeitig humorvoll und melancholisch. Goosen erzählt, ohne zu moralisieren.

Die Musik der 1970er Jahre spielt auch hier eine Rolle, aber keine so große wie in „So viel Zeit“. Sie schafft die nötige Atmosphäre und so verwundert es nicht, dass in einer Episode ein alter Plattenladen vorkommt.

Die Protagonisten sind keine Lebenskünstler, wie sie Genazino in seinen Romanen zelebriert, sie gehen dennoch gelassen mit ihrem Schicksal um. Ladenbesitzer Wenzel bringt die Situation auf den Punkt: „Jeder braucht ein Ziel im Leben, … ,nur kriegt man die meisten Ziele nicht richtig scharf gestellt und sie halten nicht still.“

Die Raketen sind gezündet, wenngleich sie nicht senkrecht nach oben fliegen oder sich auf einer präzisen Umlaufbahn bewegen. Es ist eher ein Sinkflug voller Kapriolen. Die Landung muss noch berechnet werden. Goosen bietet nette Unterhaltung in einer Atmosphäre, in der man sich wiederfinden kann.

Bewertung vom 20.08.2016
Naturwissenschaft und die Frage nach Gott
Scheipers, Paul

Naturwissenschaft und die Frage nach Gott


gut

Der Versuch eines Brückenschlages

Paul Scheipers macht in diesem Buch das, was er als Chemielehrer schon immer beherrscht hat, er vermittelt komplexe Sachverhalte auf verständliche und anregende Art und Weise und er nimmt die Leser mit auf seiner Reise. Zu den schwierigen Sachverhalten gehört zweifelsohne die Quantenphysik.

Manche Autoren vermischen naturwissenschaftliche, religiöse und visionäre Aussagen derart, das die Leser eher verwirrt, als informiert werden. Diesen Fehler macht Scheipers nicht. Sein Buch ist streng in zwei Teile getrennt. Im ersten Teil geht es ausschließlich um Naturwissenschaften und im zweiten Teil um religiöse Bezüge.

Autor Scheipers versucht, ebenso wie schon vor ihm Hoimar von Ditfurth in „Wir sind nicht nur von dieser Welt“, aufzuzeigen, dass sich Naturwissenschaft und Religion nicht gegenseitig ausschließen müssen. Nach seiner Auffassung dürfen Erkenntnisse der Kosmologie und Quantenwelt von den Religionen nicht übergangen werden.

Die Ausführungen haben nicht die Tiefe, wie sie für Bücher von Brian Greene oder Hoimar von Ditfurth typisch sind. Scheipers setzt sich nicht mit erkenntnistheoretischen Fragen auseinander, wie das Hoimar von Ditfurth ausführlich gemacht hat. Auch bewegen sich seine Ausführungen zum freien Willen an der Oberfläche.

Andererseits versteht es Scheipers, auf den Punkt zu kommen und keinen unangenehmen oder schwierigen Fragen auszuweichen. Die Kapitel sind kurz und prägnant. Die Antworten bieten Denkanstöße für Vertiefungen. Scheipers vermittelt eine solide Basis. Das Buch ist für eine breite Leserschaft geeignet.

Bewertung vom 19.08.2016
So sieht uns die Welt

So sieht uns die Welt


sehr gut

… und immer wieder Berlin

Wie wird Deutschland in anderen Ländern gesehen? Mit dieser Frage haben sich fünfzehn Journalisten beschäftigt, die in fünfzehn verschiedenen Ländern als Auslandskorrespondenten tätig waren. Ihre Erfahrungen fließen in dieses Buch ein. Herausgekommen ist ein differenziertes Stimmungsbild, welches sämtliche Facetten der Gefühlsskala abdeckt. Auffallend ist, dass die Stimmungsbilder keine statischen Größen sind, sondern einem ständigen Wandel unterliegen. Die Verhältnisse können durch aktive Gestaltung verbessert werden.

Deutschland hat aufgrund der NS-Zeit eine Erblast zu tragen. Umso erstaunlicher ist es, dass Polen und Israel heute ein positives Bild von Deutschland haben. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit Israel und Israel erkennt an, dass Deutschland eine Führungskraft in Europa geworden ist, die Verantwortung übernimmt und auch übernehmen soll. Polen spricht vom Tandem Polen-Deutschland als dem Motor für Europa. Damit entsteht im Osten eine Freundschaft, die im Westen zu Frankreich zur Zeit von de Gaulle früh nach Ende des Zweiten Weltkrieges beschworen wurde und auch entstanden ist.

Anders liegen die Verhältnisse mit Griechenland und der Türkei. Der griechische Politikanalyst Kokinidis bringt die Situation auf den Punkt: „Einerseits wird Deutschland für das Wirtschaftswunder und die Exporterfolge seiner Industrie bewundert, andererseits wollen die Griechen nicht, dass die Deutschen ihre eigenen Prinzipien allen Europäern aufzwingen.“ Viele Türken sind enttäuscht von Deutschland. „Rund vierzig Prozent der Türken in Deutschland leben an der Armutsgrenze.“ Dagegen boomt die Wirtschaft in der Türkei.

Das Bild, das die Autoren zeichnen, macht deutlich, dass ferne Länder wie Brasilien, China und Israel ein besseres Bild von Deutschland zeichnen, als europäische Nachbarn wie Schweiz, Österreich oder Italien. Einigkeit besteht hinsichtlich der positiven Einschätzung der Kulturszene von Berlin. Dies gilt für Franzosen, Griechen, Engländer und Israelis gleichermaßen. Der griechische Überlebenskünstler Thanassis Kanellopoulos bringt es treffend zum Ausdruck: „In meinen Augen ist Berlin offen und multikulturell – eine Stadt, die ein Gefühl von Freiheit vermittelt und Kreativität beflügelt.“ Aus dem Blickwinkel von Autor Richard Schneider ist Berlin der neue Ort der Sehnsucht für junge Israelis.

Deutschland ist erwachsen geworden. Das haben auch die USA erkannt. Sie hofieren Kanzlerin Merkel, stellen aber auch Forderungen. Doch Deutschland ist nicht mehr der Musterschüler vergangener Jahre. Das wurde insbesondere beim Irak-Krieg deutlich. „Warum könnt ihr Deutschen eigentlich nicht stolz auf euer Land sein, warum ist euch Selbstkritik geläufiger als Eigenlob?“, ist eine typisch amerikanische Frage.

„So sieht uns die Welt“ ist ein politisches Buch. Es ist eine Momentaufnahme, die zehn Jahre früher anders ausgesehen hätte als heute. Die Eurokrise beeinflusst maßgeblich die Stimmung und das Verhältnis zu Deutschland. In der Auswahl der Länder, deren Vertreter zu Wort kommen, ist eine gute Streuung erkennbar, wenngleich auffällt, dass Nordeuropa und Afrika nicht vertreten sind. Das Buch ist rundum gelungen.

Bewertung vom 19.08.2016
Das sogenannte Übernatürliche
Bröckers, Mathias

Das sogenannte Übernatürliche


gut

Auf dem Weg zur Yogi-Wissenschaft

Das Modell ist nicht die Wirklichkeit. Naturwissenschaft baut auf Hypothesen auf und diese gelten - bis zur Falsifikation. „Übernatürliche“ Phänomene im Grenzbereich der wissenschaftlichen Erklärungen machen deutlich, dass unsere Wahrnehmungen „unternatürlich“ sind. Mit dieser Thematik beschäftigt sich Mathias Bröckers. Er vermittelt den Lesern eine faszinierende Rundfahrt entlang der Grenzen der Einzelwissenschaften und erläutert auf verständliche Weise über das allgemein anerkannte Weltbild hinausgehende Antwortmöglichkeiten.

Seit Fritjof Capras „Wendezeit“ wird der Bauklötzchen-Materialismus in Frage gestellt. Stattdessen tritt die ganzheitliche Wahrnehmung in den Mittelpunkt. Wo liegt das Problem?

Das Problem ist, es mangelt an wissenschaftlicher Nachvollziehbarkeit. Statt überprüfbarer neuer Erklärungsmodelle, werden dem Leser Erfahrungsmodelle zugemutet, die nur verifiziert werden können, wenn man sich in einen Zustand versetzt, der einem die beschriebenen Erfahrungen ermöglicht. In dieser Subjektivität besteht ein Hemmnis für die Akzeptanz. Die Erde von außen zu betrachten, um diese als Lebewesen erfahren zu können, wird niemanden gelingen. Von bewußtseinserweiternden Wirkstoffen sollte man die Finger lassen, selbst dann, wenn sie in der griechischen Kulturgeschichte eine große Rolle gespielt haben sollten. Übrig bleibt die Meditation als Methode, um transzendente Erfahrungen zu machen. Aber wem gelingt das schon. Ein Prophetentum ist vorgezeichnet.

Ein Trost bleibt: Schaut man sich alternative Erklärungen an, z.B. die der Ufologen, so scheinen mir die Antworten von Wissenschaftsjournalist Bröckers plausibler zu sein, auch wenn mir die Antenne fehlt, um Frequenzschwankungen an der Nahtstelle unseres vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums wahrnehmen zu können.

Ich glaube, dass Mathias Bröckers einen interessanten Beitrag geleistet hat, über bestehende Denkbewegungen und deren Grenzen aufzuklären. Das naturwissenschaftlich geprägte Weltbild steckt (ebenso wie der Mensch selbst) voller Widersprüche und muss kontinuierlich weiter entwickelt werden. Bemerkenswert finde ich, dass natürliche Erklärungen viel phantastischer sein können, als die sogenannten übernatürlichen Erklärungen.

Zum Themenkomplex „Grenzbereiche der Wissenschaft“ gibt es viel Literatur. Was Bröckers auszeichnet, sind neben der breiten Palette seiner Themen, die Art seiner Darstellung und sein Repertoire an Ausdrucksformen. Er erhebt nicht den Anspruch, die Wahrheit gefunden zu haben, sondern stellt alternative Erklärungen vor für Grenzbereiche unserer Erkenntnis.

Bewertung vom 19.08.2016
Lektüreschlüssel zu Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt
Hellberg, Wolf Dieter

Lektüreschlüssel zu Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt


sehr gut

Erläuterungen in Kurzform

„Daniel Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ ist ein Bestseller mit internationaler Anerkennung. In diesem Roman beschreibt er Ausschnitte aus dem Leben der beiden deutschen Forscher Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt. Er macht das auf humorvolle Weise im historischen Rahmen, aber unter Vernachlässigung bzw. durch Überzeichnung historischer Wirklichkeit.

Der Roman spricht für sich und es wurde viel über ihn geschrieben, insofern verkleinert sich der Kreis möglicher Interessenten für weitere Erläuterungen in Form dieses Lektüreschlüssels. Ein großer Teil der Leser dürfte aus dem Kreis der Lehrer, Schüler und Studenten stammen, die sich im Fach Literatur mit dem Werk auseinandersetzen.

Der Literaturschlüssel gibt zu Aufbau, Personen und Inhalt Auskunft. Es folgt eine zwölf-seitige Interpretation, in der nicht nur Sprache und Erzähltechnik untersucht werden, sondern auch Fragen nach dem fiktionalen Anteil angesprochen werden. „Messbarkeit“ und „Vermessung“ sind mehrdeutige Schlüsselbegriffe für diesen Roman. Die Komik ist bestechend.

Unter „Rezeption“ stellt Autor Wolf Dieter Hellberg heraus, dass der Roman in der Presse durchgängig positiv besprochen wurde. Er schreibt: „Man war vom hohen Unterhaltungswert des Romans beeindruckt und stellte heraus, dass Kehlmann mit großer Sorgfalt den beiden Wissenschaftlern gerecht geworden ist.“ Das wirkt auf mich wie Satire, da die Protagonisten deutlich überzeichnet dargestellt wurden.

Aufschlussreich, da kennzeichnend, ist der letzte Satz in den Erstinformationen: „Der Roman aber handelt zugleich auch von der Vermessenheit zu glauben, die Welt durch Gitternetze, Zahlen und statistische Ergebnisse erfassen zu können.“ Wer sich für den historischen Carl Friedrich Gauß interessiert, dem empfehle ich das Buch „Gauß“ von Hubert Mania.