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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2019
Der Tote vom Elbhang / Svea Kopetzki Bd.1
Küpper, Anke

Der Tote vom Elbhang / Svea Kopetzki Bd.1


sehr gut

Svea Kopetzki leitet die Mordbereitschaft beim Hamburger KDD. Während einer nächtlichen Joggingrunde – sie muss sich den Beziehungsfrust von der Seele laufen – wird sie zu einem Tatort beordert. Auf einem grade zur Versteigerung stehenden Grundstück am begehrten Falkensteiner Ufer wurden menschliche Knochen gefunden. Sorgfältig in Kaninchenfelle und Pappschachteln verpackt, weisen sie auf ein Verbrechen hin. Sollte der Fundort ein Zufall sein oder hat es was mit der Zwangsversteigerung des Grundstücks zu tun? Denn es ist schon erstaunlich was der Immobilienhai Kampmann für das Gelände und das verwahrloste Häuschen zu zahlen bereit ist.
Ein gelungenes Krimidebüt habe ich hier gelesen. Es gibt eine kompakte, aber vielschichtig angelegte Handlung mit genügend Wendungen, die für Spannung sorgen und kenntnisreich beschriebene Schauplätze. Das geht von den begehrten Wohnlagen am Elbeufer bis zu den Sozialtürmen in Born.
Wenn es um Zwangsversteigerungen geht ist der Immobilienspekulant meist nicht sehr fern und da unsere Kommissarin nach der Trennung dringend eine neue Wohnung braucht, ist es eine nette Idee Motiv und privaten Frust zu thematisieren.
Aber auch anderen Spuren muss Svea und ihr Team nachgehen. Dabei ist Kollege Tamme im Augenblick ein wenig durch den Wind, der zuverlässige Beamte und liebevolle Familienvater hat Probleme, Kollegin Franzi nervt ein wenig mit ihrem Gesunde – Ernährung Gerede und verteilt großzügig und ungefragt, Kräutertee und Ratschläge, aber trotzdem hält das Team zusammen und die kleinen privaten Kabbeleien und Einschübe machen richtig Spaß zu lesen. Die Figuren, allen voran Svea Kopetzki, sind gut charakterisiert, sehr realistisch in ihrem Auftreten und mich haben sie neugierig gemacht auf die ihre weitere Entwicklung .Ich hoffe, dass es wirklich nicht bei diesem Debüt bleibt, denn Schauplatz und Personen bieten sich für eine Fortsetzung wirklich an.
Darauf bin ich schon neugierig.

Bewertung vom 27.08.2019
Öxit
Vertacnik, Hans-Peter

Öxit


ausgezeichnet

Die ehrgeizige Journalistin Lou Sorko wittert die große Story. Ein unbekannter Informant hat ihr heiße Details zu Politikerdeals versprochen.

4 Wochen später ist Lou Sorko tot und Oberst Radek Kubica und sein Kollege Dvorak stochern im Sumpf. Schnell wird klar, dass ihre Arbeit torpediert wird. Brisante Informationen gelangen an die Presse, in entscheidenden Augenblicken werden sie vom Chef Stankovic zurückgepfiffen und offensichtlich ist ihnen jemand immer einen Schritt voraus. Kein Wunder, bewegen sich doch alle Beteiligten im Bereich der Politik und der einflussreichen Wiener Gesellschaft. Wem können sie eigentlich noch vertrauen?

Das neue Buch von Hans Peter Vertacnik ist ein Politik Krimi erster Güte. Ich hätte ja gerne auch Satire gesagt, aber leider hat die Realität den Einfallsreichtum von Romanciers und Satirikern bereits eingeholt. Man muss sich nur die Schlagzeilen ansehen und das trifft auf die Alpenrepublik genau so zu, wie in anderen Ländern unserer global vernetzten Welt.

Der Krimi ist sehr temporeich und auch anspruchsvoll geschrieben. Kein Buch für so zwischendurch, man braucht schon eine gewisse Konzentration um all die Beteiligten und ihre Schachzüge zu durchschauen. Das hat mir gut gefallen, vor allem weil ich ständig das Gefühl hatte, hier wirklich einen realistisch recherchierten Plot zu lesen. Kein Wunder, denn der Autor kann auf eine veritable Karriere bei der Polizei zurückblicken.

Die Charaktere der Protagonisten sind sehr farbig und vielschichtig angelegt. Bei den Politikern hatte ich sofort Bilder im Kopf von karrieregeilen, gelackten Erfolgsmenschen, die populistisch mit den Medien und ihren Anhängern spielen, ohne je ihre eigenen Ziele aus den Augen zu verlieren. Es geht halt immer nur um Macht und Geld.
Kubica und Dvorak gefallen mir besonders, auf ihre Weise bleiben sie integer, obwohl sie sich nicht scheuen auch mal etwas krumme Wege zu gehen und eher unkonventionelle Quellen anzuzapfen. Dabei hat mir ihre manchmal melancholische und desillusionierte Weltsicht sehr gut gefallen.

Wien glänzt als Schauplatz, gut beschriebene Locations und stimmig eingefangene Atmosphäre, wie ich finde.

„Öxit“ hat mich überzeugt, das Buch hat mir mitunter Gänsehaut verursacht.

Bewertung vom 26.08.2019
Das Geheimnis der Fjordinsel
Kabus, Christine

Das Geheimnis der Fjordinsel


sehr gut

Rieke ist eine junge Frau mit einem ungewöhnlichen Berufswunsch, zumindest im Jahr 1980. Sie macht eine Ausbildung zur Schlepperkapitänin. Aber sie hat einen Großvater, der ihr nicht nur Vater und Mutterersatz ist, sondern sie auch fördert und unterstützt.
Deshalb bricht für Rieke auch die Welt zusammen, als Großvater Fiete stirbt. Zur Beerdigung taucht auch ihre kühle Mutter auf und will sofort das Haus verkaufen, das Riekes Heimat und Anker ist. Im Nachlass findet sie Briefe von Johanne, ihrer Großmutter, die vor vielen Jahren die Familie verlassen hat und Norwegen zurückgekehrt ist. Mutter Beate hat ihr das nie verziehen und sich mit einem Schutzwall aus Gefühlskälte umgeben. Rieke macht sich auf, Spuren dieser Frau in Norwegen zu finden.

Der zweite Handlungsstrang führt in die Geschichte zurück. Johanne ist in den 40iger Jahren eine junge und behütete Tochter eines wohlhabenden Weinhändlers. Sie steht kurz vor der Hochzeit mit einem jungen Mann bester Familie. Da wird ihr Vater im Kontor tot aufgefunden. Ein Selbstmord, wie es den Anschein hat und Johanne setzt alles daran, das zu verheimlichen um das Ansehen ihres Vaters nicht posthum zu verunglimpfen. Aber es kommt noch schlimmer, das Geschäft stand wohl kurz vor dem Ruin und ein Konkurrent drängte zuerst den Vater und nun Johanne zum baldigen Verkauf. Immer deutlicher wird, dass es bei dem Tod nicht mit rechten Dingen zuging. Doch Johanne steht mit ihrem Verdacht fast allein, sie lässt sich nicht unterkriegen auch wenn ihr Verlobter gleich das Weite gesucht hat, sie verlässt sich auf ihre eigene Tatkraft und die Hilfe von Leif, einem Abenteurer und Ingvald, einem treuen Mitarbeiter.

Beide Handlungsstränge ergeben einen faszinierenden und spannenden Frauenroman. Genau wie ich es gerne lesen, mit interessanten historischem Hintergrund und viel eingestreutem Wissen aus der Zeit. Was ich aus dem Alltagsleben der Norweger während der deutschen Besatzung und in der Nachkriegszeit erfuhr, war ein echter Mehrwert für mich. Dazu gelingt es der Autorin zwei starke und sympathische Frauen in den Vordergrund zu stellen, die beide ihren Lebensweg auch unter schwierigen Umständen finden und ihn konsequent gehen. Für Emotionen sorgt die wunderschöne und tragische Liebesgeschichte von Johanne, die mich sehr berührte. Vielleicht ist mir auch deshalb der historische Handlungsstrang noch stärker und fesselnder vorgekommen. Riekes Leben in den 1980iger Jahren dienten dabei eher zur Abrundung und ermöglichte immer wieder Rückblicke und auch ein wirklich gelungenes bittersüßes Happy End.

Ich schätze es sehr, wenn sich Emotionen und ein interessantes Hintergrundthema perfekt ergänzen. Das macht für mich einen guten Unterhaltungsroman aus und da bin ich mit Christine Kabus‘ Norwegenroman wirklich auf meine Kosten gekommen. So spannend geschrieben, dass ich beim Lesen kaum ein Ende finden konnte und gleichzeitig wünschte, dass ich noch länger weiterlesen könnte.

Bewertung vom 23.08.2019
Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
Turton, Stuart

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle


sehr gut

Der Ich-Erzähler irrt durch einen dunklen Wald, er hört den Schrei einer Frau und weiß, dass es Anna ist, die Hilfe braucht. Aber mehr weiß er nicht, offensichtlich hat er sein Gedächtnis verloren, er ist benommen, blutet aus einer Stichverletzung am Arm und sucht ein Entkommen aus dem Wald. Da drückt ihm ein geheimnisvoller Mann einen Kompass in die Hand und raunt ihm zu: „Nach Osten“.

So steht er plötzlich vor einem riesigen aber verwahrlostem ein Anwesen aus Georgianischer Zeit und wird sofort als Sebastian Bell angesprochen. Aber auf Blackheath geschehen seltsame Dinge.
Der Erzähler, wir erfahren nach einigen Kapiteln seinen Namen Aiden, erlebt den gleichen Tag in einer Endlosschleife. Aber jeden Tag ist er in einem anderen Körper gefangen. Er kann dem nur entrinnen, wenn er den Mörder der Evelyn Hardcastle benennt, die jeden Abend getötet wird. Doch Aiden erkennt, dass er nicht allein in einem perfiden Spiel gefangen ist.

Genau so ist der Leser gefangen, in einer Geschichte, die sich mit jedem Kapitel komplett dreht. Es gibt keine Gewissheiten und ich habe wirklich bis zum Ende des Romans keinerlei Idee über den Schluss gehabt. Der Autor spielt mit den Stilelementen des klassischen englischen Krimis, wie er mit Agatha Christie oder Dorothy Sayers in Verbindung gebracht wird. Ein Herrenhaus darf dabei nicht fehlen, eine Gästeschar, die sich aus allen Schichten der Gesellschaft zusammensetzt und jeder der Gäste hat mindestens ein dunkles Geheimnis. Dazu kommt noch eine undurchsichtige Dienerschaft.

Gleichzeitig bedient sich der Autor auch bei den Motiven des Viktorianischen Schauerromans. Es gibt einen geheimnisvollen maskierten Mann, Hinweise, die noch in der Zukunft liegen, düstere Ruinen und ein dunkles Familiengeheimnis.

Jeder Tag wiederholt sich und jeder Tag wird aus dem Blickwinkel eines anderen Menschen erlebt, Aiden kann seinen Wirtskörper nur in Teilen mit seinem Charakter beeinflussen, aber jeden Tag findet er ein neues Puzzlestück. Allerdings habe ich manchmal, vor allem in der Mitte des 600 Seiten Romans die Wiederholungen auch mal als Länge wahrgenommen.

Ich finde die Idee zu diesem Buch grandios und ich kann mich nicht erinnern, schon einmal etwas Ähnliches gelesen zu haben. Turton jongliert mit so vielen Handlungsfäden, dass es schon verwunderlich ist, wie glatt und schlüssig sich alles zum Ende fügt.

Schon als ich das Buch aufschlug, war ich angetan. Ein liebevoll gezeichneter Plan des Anwesens und der Umgebung. Die Einladung zum Maskenball war gleichzeitig eine Auflistung aller beteiligten Personen, zusammen mit Plan eine gute Einstiegshilfe.

Eine wirklich intelligente Variation des klassischen „Wer war es“ – Kriminalromans.

Bewertung vom 21.08.2019
Die schwarze Fee
Ehmer, Kerstin

Die schwarze Fee


ausgezeichnet

Berlin in den Zwanzigern. Oft als die goldene Zeit verklärt. Es gab aber nicht nur die Tanzpaläste, die sexuelle Freizügigkeit und die wilden Partys. Eine große russische Exilgemeinde hat sich in der Stadt zusammengefunden, Literaten und Künstler, Wissenschaftler, Adlige und Revolutionäre jeder Couleur. Es gibt den immer stärker spürbaren Antisemitismus und die ersten Anzeichen des kommenden Nationalsozialismus werden deutlich.

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Fließt in den teuren Hotels der Champagner und glitzern die Juwelen, leben die Menschen in den Arbeiterbezirken in unglaublichem Elend. Krankheiten und Hunger sind an der Tagesordnung, das Heer der Arbeitslosen wächst.

Ariel Spiro, der noch nicht lange in Berlin lebt, ist weiterhin der Außenseiter. Da hilft ihm der Erfolg als Kommissar bei seinem letzten Fall nicht viel. Im Gegenteil, das hat auch Neid und Eifersucht geweckt. Zwei Tote werden gefunden, keiner kennt sie und keiner vermisst sie. Gestorben auf einem Ausflugsdampfer und in einem Bus, inmitten von Menschen, die nichts gesehen haben.

Dann trifft Ariel wieder auf Nike. Sie haben sich einmal etwas bedeutet, aber nun will Nike Anton vermisst melden. Einen jungen Sozialdemokraten, den sie bei ihrer freiwilligen Arbeit bei der AWO kennengelernt hat. Liebt sie ihn oder ist es nur der sexuelle Reiz? Oder ist es nur Ausflug in der Arbeiterwelt, den Nike in der Kleidung ihres Dienstmädchens inkognito unternimmt, aus hehren Beweggründen, aber immer auch mit der garantierten Rückkehr in den gediegenen Luxus ihrer Bankiersfamilie.

Kerstin Ehmer hat schon mit ihrem ersten Krimi ein erstaunliches Gespür für die Stimmung der Zeit gezeigt. Den historischen Hintergrund fand ich auch in ihrem neuen Buch unglaublich faszinierend dargestellt. Das ist wie eine Geschichtslektion aus erster Hand. Es fließt viel aus der unruhigen Zeit der Weimarer Republik als Handlungshintergrund in das Buch ein. Das macht für mich den Reiz dieses Kriminalromans aus. Ich finde, die Autorin hat den Ton dieser Zeit perfekt getroffen.

Ihre Figuren sind vielschichtig gezeichnet, auch in den abstoßenden Charakteren finden sich noch menschliche Züge. Stark sind auch ihre Frauenfiguren, wie Nike, die selbstbewusste junge Frau, die in ihrem Medizinstudium aufgeht – auch nicht selbstverständlich in der Zeit – und Helene, die starke Frau aus dem Arbeitermilieu, die ihre ganze Kraft einsetzt um ihre Familie zusammenzuhalten.

Ein spannender Kriminalroman mit einem überzeugendend erzählten historischen Hintergrund. Ein Ermittler, Ariel Spiro, vom dem man unbedingt mehr lesen möchte. Das ist mein Fazit für dieses Buch, das ich wirklich empfehlen kann.

Bewertung vom 20.08.2019
Die Welt in allen Farben
Heap, Joe

Die Welt in allen Farben


sehr gut

Man stelle sich vor, ein Mann wird blind geboren und man lehrt ihn, durch Betasten zwischen einem Würfel und einer Kugel zu unterscheiden. Wenn man ihm nun als Erwachsenem das Augenlicht geben könnte, wäre er dann durch bloße Anschauung, noch vor dem Betasten, in der Lage, die Kugel vom Würfel zu unterscheiden? (W. Molyneux)


Nova ist seit ihrer Geburt blind. Dann gibt es da plötzlich eine Operationsmethode, die ihr das Sehen ermöglicht. Lange zögert Nova, sie fühlt sich sicher in ihrer dunklen Welt und weiß nicht, was danach kommen wird.


Kate ist eine recht erfolgreiche Architektin, aber es gibt einen dunklen Punkt in ihrem Leben. Nach zwei Jahren ehe ahnt sie, dass Tony sie nicht liebt, sondern beherrscht. Sie wird immer kleiner bis zu dem Tag, als Tony sie stößt und sie schwer stürzt. Ein Hämatom breitet sich unbemerkt immer weiter in ihrem Kopf aus, bis sie ins Koma fällt.


In der Klinik treffen sich Kate und Nova und für beide Frauen beginnt Schritt für Schritt und langsam tastend ein Weg in ein farbiges Leben.
Dieser Roman verursachte mir Gänsehaut . Ich versuchte mir vorstellen, wie es ist zu sehen, wenn man vorher nicht wusste, was „sehen“ ist. Wenn Farben und Formen fremd und unverständlich sind, wenn man Gesichter sieht und sie nicht deuten kann. Das alles ist für Sehende völlig unverständlich und trotzdem hat es die Autorin geschafft, mir eine Ahnung davon zu geben. Sie erzählt Novas erste Monate als Sehende unglaublich einfühlsam und sensibel.
Auch die Geschichte von Kate hat mich berührt. Wie sich allmählich in ihr Auflehnung gegen ihr kontrollsüchtigen und gewalttätigen Mann regt, wie sie mit Hilfe von Novas Freundschaft sich auf ihre Stärke besinnt, war großartig.


Die Autorin hat die Geschichte ihrer beiden Protagonisten beeindruckend erzählt dass sich Kate und Nova dann ineinander verlieben, war für mich eine logische Fortführung. Allerdings fand ich die Liebesgeschichte mit ihren Dialogen und Szenen bei weitem nicht so stark, wie die Entwicklung der beiden Frauen.


Ich finde das Schriftbild des Buches ebenfalls der Erwähnung wert. Es wird mit Schriftgrößen und Formen gespielt. So gibt sich Nova in den ersten Wochen „Sehregeln“, die abgesetzt vom Text sind. Jede dieser Regel fällt sofort ins Auge und regen zum Nachdenken an. Dann gefiel mir ganz besonders ein Stern aus Text, der symbolisiert, wie Nova zum ersten Mal nach einem Stern im Nachthimmel sucht.


Ein beeindruckender und berührender Roman, dem ich viele Leserinnen wünsche.

Bewertung vom 19.08.2019
Frische Brise auf dem Sommerdeich / Sehnsuchtsorte Bd.9
Just, Katja

Frische Brise auf dem Sommerdeich / Sehnsuchtsorte Bd.9


ausgezeichnet

Frische Brise auf dem Sommerdeich. Dieser Titel ist ein Versprechen und das Buch hat es für mich eingelöst. Ich fühlte mich mitgenommen auf die Hallig Hooge und ließ mich von Wind, Wellen und Watt verzaubern.
Katja Just lebt nun seit fast zwei Jahrzehnten auf der Hallig und hat diese Welt zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht. Sie erzählt von diesem ganz besonderen Leben, abhängig von Gezeiten und Wetter und immer eine ganz besondere Herausforderung. Die meisten Leser werden eine Hallig - wenn überhaupt - nur von kurzen Ausflügen oder Urlaubstagen kennen. Das ist dann sicher eine erholsame Erfahrung, die sogar die Sehnsucht weckt so zu leben. Aber es ist eben nicht nur alles Sonnenschein. Das Leben in einer kleinen, fast abgeschlossenen Gemeinschaft ist nicht immer einfach. Was tun, wenn man eilig einen Arzt oder Tierarzt braucht, wenn ein Sturm oder sogar Sturmflut droht. Das Leben inmitten des Wattenmeers ist etwas Besonderes und man muss schon in sich selbst ruhen, um damit klar zu kommen.
In kurzen Episoden und Anekdoten lässt Katja Just die Leser an ihrem Leben teilhaben. Sie berichtet von alten Traditionen, gewachsenen Strukturen und besonderen Aufgaben. Mit ihrer Hingabe an die neue Heimat hat sie sich auch neuen Herausforderungen gestellt und übernimmt seit einiger Zeit als Bürgermeisterin der kleinen Gemeinschaft Verantwortung.
Die Liebe zur Natur, zu diesem ganz besonderen Flecken Erde, dessen Reiz man manchmal erst auf den zweiten Blick sieht, spricht aus jeder Seite. Ich habe mich sehr wohlgefühlt und mitgenommen gefühlt. Ich werde in Zukunft Halligen aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Als bedrohte Landschaft, für die es sich lohnt, sich einzusetzen.

Bewertung vom 18.08.2019
Mordshass
Dorra, Simone;Zellner, Ingrid

Mordshass


sehr gut

Am Flussufer in Waiblingen wird eine junge Frau gefunden, missbraucht und anschließend getötet. Die DNA Spuren an der Leiche weisen auf einen alten Bekannten der Kriminalpolizei hin. Der mehrfach verurteilter Gewalttäter Pierre Meyer, seit einigen Tagen aus der Haft entlassen, hat wieder zugeschlagen. Doch bevor die Suche richtig angelaufen ist, wird Meyer tot aufgefunden. Gemeldet hat den Fund der Friedrichshafener Kollege Kommissar Sinha. Für den zuständigen KK Malte Jacobsen ein seltsamer Zufall. Sinha ist zur Zeit wegen interner Ermittlungen suspendiert und das Opfer, eine junge indische Studentin lebte bei Sinhas Eltern und war seine Freundin. Außerdem hat Sinha maßgeblich zur letzten Verhaftung von Meyer beigetragen. Diese Verbindungen scheinen gegen den Polizeikollegen mit indischen Wurzeln sprechen.


Keine leichte Situation für Jacobsen und als sich seine Kollegin Melanie Brendel vehement von der Unschuld Sindras überzeugt zeigt, kommt auch noch uneingestandene Eifersucht ins Spiel.


Die beiden Autorinnen Simone Dorra und Ingrid Zellner haben in diesem Krimi ihre jeweiligen Kommissare in einem gemeinsamen Fall ins Rennen geschickt. Eine interessante Kombination, die aus den zwischenmenschlichen Konflikten viel Potential zieht.


Für mich war sehr unterhaltsam zwei so unterschiedliche Charaktere aufeinander treffen zu lassen. Neben der Polizeiarbeit ergibt sich aus den Reibereien viel Spannung. Vor allem, weil sich Sindra trotz Suspendierung nicht an privaten Ermittlungen hindern lässt. Immer wieder kommt er Jacobsen in die Quere. Ist das wirklich immer nur Zufall oder ist Sindra viel tiefer involviert, als es Melanie Brendel wahr haben möchte?


Die Handlung ist wendungsreich und die Spannung bleibt durchgehend hoch. Die Kombination aus den verschiedenen Charakteren bringt viel Farbe in die Geschichte. Das Buch der beiden Autorinnen wirkt wie aus einem Guss und hat mich sehr gut unterhalten. Kleine Exkurse in die indische Küche und eine wunderbar geerdete Nebenfigur, Surendra Sinhas Mutter, runden den Kriminalroman ab.


Gleich zu Beginn bei der Auffindung der Leiche und der schnellen Ermittlung des Täters schien es mir eine Unlogik zu geben. Wieso sollte ein vorbestrafter Gewalttäter, der nie vorher Spuren an seinen Opfern zurückließ, auf einmal so unvorsichtig sein und seine DNA am Tatort verteilen?


Das gemeinsame Projekt der beiden Autorinnen fand ich gelungen und ich könnte mir wirklich gut eine weitere Zusammenarbeit von Jacobsen und Sinha vorstellen, denn beide verbindet im Grunde mehr, als sie trennt.

Bewertung vom 16.08.2019
Der letzte Streich / Franziska Hausmann Bd.5
Gerwens, Katharina

Der letzte Streich / Franziska Hausmann Bd.5


gut

Kommissarin Franziska hätte die Urlaubswoche mit ihrer Freundin lieber an der Ostsee verbracht. Aber Marie ist noch nicht wieder völlig genesen und mag nicht so weit reisen, lieber in der Nähe des Heimatortes und der vertrauten Ärzte bleiben. So wird es also Niederbayern. Der erste Ausflug führt nach Ortenburg, dort lockt ein Mittelaltermarkt. Aber das wird kein Vergnügen, ein als Narr verkleideter Mann torkelt in ihre Arme und stirbt blutüberströmt. Ein alter Dolch steckt in seiner Brust. Franziska kann ihren Beruf nicht verleugnen, auch wenn sie in Urlaub ist, zudem scheint die örtliche Dienststelle total überfordert, der Chef in Urlaub und der Stellvertreter macht nichts ohne sich bei seinem Vater rückzuversichern. Der ist nämlich der pensionierte Vorgänger des Dienststellenleiters.

Der Tote nahm an einem Seminar zur Stressbewältigung für Manager teil. Aber so jäh sollte die Entschleunigung nicht erfolgen. Auch bleibt es nicht bei einer Leiche und bei den Seminarteilnehmern geht die Angst um.

Alle ermitteln so gemütlich vor sich hin, als Running Gag erscheint immer der gleiche, angetrunkene Notarzt, der ohne Rücksicht auf Spuren die Leichen dreht und wendet. Die Befragungen erfolgen eher nach dem Zufallsprinzip. Aber trotzdem verbreitet der Schreibstil von Katharina Gerwens gute Laune. Mit ihren Protagonisten Franziska und Marie gibt es dazu noch zwei ausgesprochene Sympathieträgerinnen. Wohldosiert ist auch der Witz bei diesem Buch, der eindeutig zum Genre der Humorkrimis zu zählen ist.

Allerdings hat mich das Ende, das schon sehr früh angedeutet wird, enttäuscht. Ein etwas seltsamer Krimi. Ich habe schon viel von der Autorin gelesen, schade, dass mich das neue Buch nicht restlos begeistern konnte.

Bewertung vom 14.08.2019
Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1
Lodge, Gytha

Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1


ausgezeichnet

Eine eingeschworene, ein wenig elitäre Gruppe von Jugendlichen zeltet in einem Waldstück. Es soll ein Wochenende mit Alkohol, ein wenig Dope und viel Spaß werden. Aurora, die jüngere Schwester von Topaz, darf dabei sein, ist allerdings schon allein durch ihr Alter von 14 Jahren ein wenig im Abseits.

Am nächsten Morgen ist Aurora verschwunden, die breit angelegte Suche der Polizei bleibt ergebnislos. DCI Jonah Sheen war als ganz junger Polizist an der Suche beteiligt. Nun, dreißig Jahre später werden die Überreste einer Toten gefunden, Sheen weiß sofort, dass kann nur Aurora sein.

Über all die Jahre haben die sechs Freunde Kontakt gehalten, der Fund erschüttert sie schwer. Denn schon bald scheint klar, Aurora wurde getötet und es kann eigentlich nur jemand aus der Clique gewesen sein.

Das Krimidebüt von Gytha Lodge greift zum Stilmittel zweier Handlungsstränge, den Ermittlungen in der Gegenwart und den unmittelbaren Geschehnissen von damals. Allmählich wird der Leser immer vertrauter mit dem verhängnisvollen Zeltabenteuer und immer augenscheinlicher wird es auch, dass keiner der Jugendlichen damals ganz ehrlich war. Jeder verbirgt ein Geheimnis. Für Sheen wird die Ermittlung ebenfalls zu einer – nicht immer guten – Konfrontation mit der Vergangenheit.

Das Buch ist ein Kriminalroman ganz nach meinem Geschmack. Die Handlung ist komplex, genau wie die Figuren der sechs Freunde. Ihre spätere Entwicklung schien sich schon in der Jugendzeit anzudeuten und ihre Charaktere sind vielschichtig angelegt. Mit jeder weiteren Rückblende steigert sich die Spannung und machte für mich auch die Faszination aus. Bald kommen die ersten Risse in der Fassade von Wohlanständigkeit und Freundschaft zum Vorschein. Misstrauen untereinander macht sich breit. Um keinen Preis soll das Geheimnis von damals gelüftet werden. Das ist sehr subtil und fesselnd erzählt. Die Ermittlungen und Verhöre laden zum Miträtseln ein und ich hatte eigentlich bei jeder Figur das Gefühl, sie könnte schuldig sein. Ganz nah kam mir die Person der jungen Aurora, das ungelenke, schüchterne Mädchen beginnt grade aus ihrem Kokon zu schlüpfen und zu einer Schönheit zu werden. Für Topaz, die immer im Mittelpunkt von Bewunderung und Begehren steht, eine ungeliebte Konkurrenz.

Dieser Krimi braucht keine blutigen Morde um Spannung zu erzeugen, die mich keine Seite mehr losgelassen hat. Die Autorin muss ich mir merken, denn sie hat genau meinen Nerv getroffen.