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Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1115 Bewertungen
Bewertung vom 10.07.2021
Wenn die Hoffnung erwacht
Beck, Lilli

Wenn die Hoffnung erwacht


sehr gut

Schokoladentage

… nennt Nora die Sonntage, die sie heimlich mit dem amerikanischen GI William Bowman verbringt. Auf dem Silvesterball 47 in der Villa der amerikanischen Besatzer hat er sich mit den Worten „Darf ich die schönste Frau im Raum zum Tanzen auffordern?“ (S. 17) in ihr Herz geschlichen. Sie ist so verliebt, dass sie ihre katholische Erziehung ignoriert und hofft, dass auch seine Liebesschwüre echt sind. Als sie schwanger wird, will er seine Versprechungen wahr machen „Jetzt heiraten wir natürlich in den Staaten, damit erhalten du und das Kind automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft.“ (S. 93), doch gleichzeitig wird er für wenige Wochen in die USA abkommandiert. Er verspricht, vor der Geburt des Kindes zurück zu sein – und lässt nie wieder von sich hören. Nora muss ihren Sohn unehelich zur Welt bringen, ein echter Skandal, der ihren Vater toben lässt. Er ist ein Mann alter Schule, behandelt Nora und ihre Mutter wie Dienstboten, sie müssen sich ihm in allem unterordnen. Bald präsentiert er eine Lösung auch für „Noras Problem“. Er will sie mit einem Geschäftspartner verheiraten und so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Nora flieht kopflos mit ihrem Sohn nach München, nicht wissend, dass die Stadt fast total zerstört und die Wohnsituation noch angespannter als in Regensburg ist. Auf der Straße begegnet sie einer völlig verwirrten Frau und begleitet sie nach Hause in eine herrschaftliche Villa …

Ich habe Nora von Beginn an gemocht, so eine starke und mutige Frau. Durch die Beziehung zu William erfährt sie, dass das Leben nicht so trist und vorbestimmt verlaufen muss, wie von ihren Eltern vorgelebt. Sie wird erwachsen, selbstbewusst und nimmt ihr Glück selbst in die Hand. In München trifft sie zwar eine Entscheidung, die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, gewinnt dadurch aber auch ungeplant eine Unabhängigkeit, die sie sonst nie erreicht hätte. Außerdem ändert sie damit das Leben der Familie der jungen Frau, die sie auf der Straße gefunden hat …

Lilli Beck schreibt sehr lebendig und schildert die damaligen Zustände sehr plastisch, die Nöte der Nachkriegszeit, die Hoffnungen und Träume der Menschen, die Schwarzmarktgeschäfte, Währungsumstellungen, politische Entwicklungen und den langsamen wirtschaftlichen Aufschwung, wobei ihr besonderes Augenmerk auf der Entwicklung einer Frauenzeitschrift liegt. Es ist immer wieder erschreckend zu lesen, wie wenig Rechte Frauen damals hatten. Gerade darum mochte ich auch die Nebenfigur Marlene so sehr – eine sehr schöne, aufregende und kluge Frau, über die ich nicht noch mehr verraten möchte.

Lilli Becks neuer Roman „Wenn die Hoffnung erwacht“ ist eine sehr emotionale und mitreißende Familiengeschichte, bei der ich von der ersten Seite an mitgefiebert habe, auch wenn mir ab einer bestimmten Stelle klar war, dass es nur eine Lösung für das ganze Kuddelmuddel geben kann.

Bewertung vom 07.07.2021
Die Architektin von New York / Bedeutende Frauen, die die Welt verändern Bd.3
Hucke, Petra

Die Architektin von New York / Bedeutende Frauen, die die Welt verändern Bd.3


sehr gut

Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau

1883 wird die Brooklyn Bridge nach 13 Jahren Bauzeit endlich eröffnet, doch ohne Emily, die Frau des Chefingenieurs Washington Augustus Roebling, wäre sie vielleicht nicht so schnell fertig geworden. Die Brücke war eines der ambitioniertesten Bauwerke ihrer Zeit, eine Kombination von Hänge- und Schrägseilbrücke, die nicht nur unter den einfachen Arbeitern, sondern auch auf höchster Ebene Opfer forderte. Eigentlich wollte Wash(ington)s Vater Johann die Brücke bauen, doch er starb schon früh nach einem Unfall auf der Baustelle. Sein Sohn Wash übernahm, baute selbst am ersten Fundament mit und erkrankte wie so viele an der Taucherkrankheit, die ihn jahrelang ans Bett fesselte. Emily spielte seine Botin bzw. Sekretärin, dabei war sie ihm längst ebenbürtig und eine vollwertige Vertretung – und die anderen Männer der Bridge Companie wussten das auch.

Petra Hucke erzählt in „Die Architektin von New York“ die Geschichte der Erbauung der Brooklyn Bridge und ihrer Erbauer.
Washs Vater stammte aus Deutschland und suchte in Amerika neue Herausforderungen, war ein echter Visionär. Er gründete eine deutsche Kolonie und war immer für andere da. Seine eigene Familie hingegen litt zeitlebens unter ihm. Emilys Familie lässt sich bis zu Wilhelm dem Eroberer zurückverfolgen und kam auf der Mayflower nach Amerika, hat als eine der 12 Familien den Mayflower-Vertrag unterzeichnet. Obwohl die beiden so verschiedene familiäre Hintergründe hatten, war es eine Liebesheirat und Washs Arbeit hat sie zumindest zu Beginn noch mehr zusammengeschweißt. Emilys Bruder, der ebenfalls Ingenieur war, hatte sie schon früh an diese Tätigkeit herangeführt und sie arbeitete gern – für eine Frau ihres Standes zu ihrer Zeit ein Unding, was ihr auch Verwandte und Freundinnen immer wieder vorwarfen. Aber sie hatte einen scharfen, logischen Verstand und großes technisches bzw. mathematisches Wissen und nutzte es gern. Emily konnte sehr gut rechnen, entdeckte Fehler oft noch vor Wash und steuerte eigene Ideen und Lösungsvorschläge bei. Doch sie muss auch immer wieder zurückstecken, wurde von den wenigsten Männern wirklich respektiert und angenommen. „… Sie wären ein erstklassiger Ingenieur. Wenn sie doch nur ein Mann wären …“ (S. 327)
Emily scheint eine kluge, zielstrebige, interessierte und moderne Frau gewesen zu sein, die sich weder durch fiese Spitzen anderer Frauen noch Stolpersteinen von Männern von ihrem Tun abbringen ließ. Sie ist in dem Bau der Brücke aufgegangen, hat sich selber verwirklichen können.

Der lockere und unterhaltsame Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin hat sehr gut recherchiert und vermittelt viel Wissen und Historie. Ich bin immer noch fasziniert, mit wie wenigen technischen Hilfsmitteln die Brücke gebaut wurde, wenn man von unserer heutigen Technologie ausgeht. Doch mit dem Fortschreiten der Handlung verliert sich die Geschichte etwas in technischen und historischen Details und Emily und Wash mussten dahinter zurückstecken, spielten zum Teil nur noch eine Nebenrolle. Alles drehte sich um die Schwierigkeiten und Probleme beim Bau. Ich hätte nicht über jeden Skandal oder Bestechung lesen müssen oder wer gerade gegen wen wie intrigiert, sondern lieber mehr über Wash und Emilys tägliches Leben nach seiner Erkrankung und ihr Umgang damit.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2021
Die Frauen
Wyld, Evie

Die Frauen


sehr gut

Im Schatten des Bass Rock

Bedrohlich und düster thront der Bass Rock im Meer über North Berwick vor Küste Schottlands und genau so scheint auch das Leben der Frauen im Ort.

„Ich bin hier, weil Du mich hergebracht hast, damit ich mich um deine Kinder kümmere, während du dich aufführst, als hättest du eigentlich gar keine Familie.“ (S. 215) Nach dem Krieg zieht Ruth Hamilton mit ihrem Mann Peter und den beiden Stiefsöhnen ans Meer. Die Jungs werden aufs Internat geschickt, damit man dort richtige Männer aus ihnen macht, und Peter fährt immer öfter nach London in seine Kanzlei. Ruth lebt allein in dem alten großen Haus, fühlt sich einsam und verlassen. Außerdem hat sie Angst vor dem Geist des kleinen Mädchens, der überall im Haus auftaucht. Doch ihre Mutter und auch ihr Mann machen ihr klar, dass sie froh und dankbar sein muss, als „alte Jungfer“ überhaupt noch einen Mann abbekommen zu haben. Man hat gewisse Erwartungen an sie. Sie soll still sein, duldsam, ja nicht aufmüpfig und ohne eine eigene Meinung, sich ein harmloses Hobby suchen und mit den anderen Frauen anfreunden, sich in die Gemeinschaft einfügen – so wie Peters erste Frau. Und schwanger sollte sie natürlich möglichst bald werden.

50 Jahre später soll sich Viv, eine Nachfahrin der Hamiltons, um den Verkauf des Hauses kümmern. Sie ist Single, depressiv und psychisch labil seit dem Tod ihres Vaters. Viv unterhält eine lose Beziehung zu einem Mann, den sie nicht mal mag – aber schließlich mag er ja sie und das ist schließlich die Hauptsache. Sie hat von klein auf gelernt zu machen, was Männer von ihr erwarten, ihnen zu geben, was ihnen ihrer Meinung nach „zusteht“, auch Sex, wenn sie es eigentlich nicht will – weil sie genauso erzogen wurde wie ihre Mutter und Großmütter und deren Wertvorstellungen und Ansichten übernommen hat ohne sie zu hinterfragen.

Dieses Buch lässt mich sehr zwiegespalten zurück und ich haben mehrfach überlegt, es abzubrechen. Eins vorweg, die Sprache ist phantastisch. Evie Wyld schreibt sehr fesselnd und kann die düstere, traurige, trostlose und deprimierende Stimmung und die Ängste der Frauen die ganze Zeit über heraufbeschwören. Auch der mystische Aspekt fügt sich gut in die Handlung ein. Sie klagt die jahrhundertelange Ausnutzung und Abhängigkeit von Frauen und Kindern an.
Aber, jetzt kommt eine Triggerwarnung, es geht auch um (sexuelle) Gewalt gegen Frauen und Kinder die mir extrem nahe gegangen ist. Davor wäre ich gern gewarnt oder zumindest darauf vorbereitet worden. Nicht nur innerhalb der Haupthandlung, sondern auch in völlig losgelösten Kapiteln werden Mädchen und Frau misshandelt, missbraucht, vergewaltigt und / oder umgebracht. Mir ist klar, dass die Autorin damit verdeutlichen will, wie vielseitig die (sexuelle) Gewalt gegen Frauen und Kinder aussehen kann, aber für mich war das auch ohne diese Einschübe klar, weil sie das in der eigentlichen Handlung bereits deutlich genug geschildert hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.06.2021
Wildblütenzauber
Töpfer, Anne

Wildblütenzauber


ausgezeichnet

Wahlverwandtschaft

„Mir ist Abschied nehmen schon immer schwergefallen.“ (S. 289)
Als Sarahs Mutter Barbara mit 68 Jahren bei einem Unfall stirbt, zieht ihr das den Boden unter den Füßen weg, doch ihre beste Freundin Doreen gibt ihr Halt. „Für dich würde ich jederzeit alles stehen und liegen lassen und um die ganze Welt fliegen, wenn du mich brauchst. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, du bist meine Familie.“ (S. 27) Sie hilft ihr auch, in der Wohnung ihrer Mutter nach allen jetzt nötigen Unterlagen zu suchen. Dabei finden sie ein Testament, was Sarahs Leben auf den Kopf stellt …

Sarah und Doreen sind seit ihrer Kindheit befreundet und wie Schwestern aufgewachsen, da Doreens Eltern sich kaum um sie gekümmert haben. Auch für Doreen ist Barbaras Tod ein sehr großer Verlust. „Ihr beiden habt mein Leben verändert, ohne euch wäre ich heute nicht die Frau, die ich jetzt bin.“ (S. 64)
Zudem trauert Sarah nicht nur um ihre Mutter, sondern kann auch die Untreue ihres Exfreundes nicht vergessen, von dem sie sich vor kurzem getrennt hat. Dabei träumt sie schon so lange von einer eigenen Familie. Doch dann stürmt der Labrador-Welpe Daisy mit seinem Herrchen Florian und dessen Tochter Leonie in ihr Leben. „Es tut gut, dass das Leben trotz allem einfach weitergeht und es auch beim Trauern immer noch schöne Momente gibt.“ (S. 109) Erobert das zuckersüße Trio ihr Herz? Und was ist mit Doreens Nachbar Konstantin?

„Wildblütenzauber“ ist eine wunderbare Geschichte über Freundschaft und Familie, über Verlust und Trauer, die zu Herzen geht und gleichzeitig Hoffnung macht, dabei aber nie seicht oder schnulzig wird. Ich konnte mich in Sarahs und Doreens Trauer sehr gut einfühlen und habe sie um ihre enge Freundschaft und den Zusammenhalt beneidet. Auch die beiden Männer als potentielle neue Partner passen sehr gut zu ihnen und ich fand es extrem gelungen, wie die Autorin die Situation am Ende gelöst hat.
Umrahmt wird die Handlung von einem Familiengeheimnis, das mir zu Herzen gegangen ist und mich sprachlos zurückgelassen hat.
Die Boddenlandschaft passt sehr gut als Setting und macht Lust auf Urlaub im Hinterland der Ostsee. Zudem habe ich mich über das Wiederlesen mit einigen Protagonisten aus „Das Brombeerzimmer“ gefreut. Es ist eines der Bücher, das man nicht mehr aus der Hand legt, wenn man es einmal angefangen hat.

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.06.2021
Verreisen mit Urne
Schipper, Sandra

Verreisen mit Urne


ausgezeichnet

Murphys Gesetz

Louise ist Journalistin für ein drittklassiges Frauenmagazin, lebt in einer WG, deren andere Bewohner sie kaum kennt, hat zwei Katzen und einen Haufen Schulden, die ihr Ex in ihrem Namen gemacht hat. Außerdem versorgt sie ihren alten einsamen Nachbarn Archie Wyndham seit seinem Herzinfarkt täglich mit selbstgekochter Suppe, die er sich beharrlich weigert zu essen. Als Archie stirbt, erlebt Louise eine Überraschung – er hat ihr 200.000 £ hinterlassen. Allerdings ist mit dem Erbe eine „kleine“ Aufgabe verbunden. Sie muss Archies Asche zusammen mit dessen Sohn Rick auf Mallorca im Meer verstreuen, die Reiseroute inkl. Zwischenstopps und Verkehrsmittel sind bereits organisiert. Doch „Wenn Sie nicht am Mittwoch um 22 Uhr am Hafen in Barcelona auftauchen, gilt die Mission als gescheitert.“ (S. 31)

Die Aufgabe klingt machbar, wenn Rick nur nicht so ein überheblicher, reicher, verwöhnter und allein lebensunfähiger Idiot wäre – findet Louise. Allerdings ist seine Meinung von ihr auch nicht viel besser, wenigstens darin sind sie sich einig. „Sie sind nur meine Babysitterin, weil er mir nicht traut.“ (S. 38)
Und überhaupt, was hat sich Archie dabei überhaupt gedacht?! Ziemlich viel, stellen sie im Laufe der Reise fest. Archie schickt sie zu Stationen seines Lebens, Familienangehörigen und alten Freunden, die Rick entweder längst vergessen hat oder noch nicht kannte, sogar ein paar alte Geheimnisse werden gelüftet. Und mit der Zeit ändert sich ihr Bild über einander und Archie …

Ich bin ehrlich, aufgrund des (mir zu bunten) Covers hätte ich das Buch fast übersehen, aber der Titel hat mich dann doch so neugierig gemacht, dass ich mir den Klappentext angesehen habe – mein Interesse war geweckt. Und was soll ich sagen, meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. „Verreisen mit Urne“ ist frisch und spritzig geschrieben, die Dialoge sind einfach köstlich und auch die Abenteuer der beiden Streithähne haben mich sehr amüsiert. Denn natürlich regiert Murphys Gesetzt – was immer schiefgehen kann, geht schief. Dass Louise und Rick so verschieden sind, macht den besonderen Reiz des Pärchens aus, außerdem ergänzen sie ergänzen sich perfekt. Wenn Rick mal wieder nicht weiterweiß oder von einer Situation überfordert ist, kommt Louise‘ praktische Ader zum Tragen. Außerdem spricht sie mehrere Sprachen, was auf einer Reise quer durch Europa sehr praktisch ist. Mit hat auch gefallen, wie die Autorin Sandra Schipper die beiden Gegenspieler – Louise Chefin und Ricks Verlobte – in die Handlung einbringt, die wiederum jeweils ganz eigene Pläne verfolgen.

Wer ungewöhnliche Chick-Lit mag, die gern auch ernstere Themen behandeln und tiefer gehen darf, liegt bei diesem Buch garantiert richtig. Ich werde die Autorin auf jeden Fall im Auge behalten.

Bewertung vom 23.06.2021
Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18
Storks, Bettina

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18


ausgezeichnet

Wie hinter Glas

… fühlt sich Henriette Theodora Markovitch schon in ihrer Kindheit – gesehen und beobachtet, aber nicht wahrgenommen, mitten drin und doch von den anderen getrennt. Auch später, als sie längst die surrealistische Künstlerin Dora Maar und Picassos Muse und Geliebte ist, hat sie in großen Gruppen oft das Gefühl, von den anderen durch eine Glasscheibe getrennt zu sein.

Geboren in Paris und aufgewachsen in Buenos Aires als Tochter einer französischen Hutmacherin und eines kroatischen Architekten, kommt sie schon früh mit den verschiedensten Kulturen und Künstlern in Berührung. Mit 12 beginnt sie zu fotografieren, setzt später durch, dass sie Malerei und Fotografie studieren darf, obwohl ihr abfällig beschieden wurde: „Eine Frau mag die Muse eines Künstlers sein, aber sie kann ihm doch nicht den Pinsel aus der Hand nehmen.“ (S. 17)
Doch Dora ist eine Frau, die weiß was sie will und wie sie es bekommt. So ist es auch mit Picasso. Jahrelang bewundert sie ihn aus der Ferne, aber erst auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ist sie bereit, ihn kennenzulernen – mit einer ganz großen, nicht ungefährlichen Geste. Und es funktioniert, er verfällt ihr. Sie wird seine Muse und Partnerin, lebt ihren Traum an der Seite des berühmten Mannes. Er ermuntert sie, die Fotografie aufzugeben (dort hat sie den Olymp schon erreicht) und sich der Malerei zu widmen. Sie darf sein Schaffen protokollieren und für die Nachwelt festhalten, darf an seinem berühmtesten Werk „Guernica“ mitwirken, rettet seine Kunst über den zweiten Weltkrieg, spornt ihn immer wieder an, tröstet ihn oder hält ihm den Rücken frei. Sie ist „… Picassos Komplizin – im Dienst der Kunst.“ (S. 159). Einer kann nicht mehr ohne den anderen, sie haben anscheinend die perfekte Symbiose. Doch die Hochstimmung währt nicht lange. Er ist ein Narzisst, verheiratet und hat Affären, die sie langsam in den Wahnsinn treiben. Dora ist sehr temperamentvoll, feinfühlig und empfänglich für kleinste Schwingungen. Sie leidet unter seinem Verhalten, ist verletzt, kämpft, und bleibt doch, denn längst ist sie ihm und seinem Genie verfallen, verliert sich als Künstlerin, schafft gar nichts Eigenes mehr. „Ich habe längst alles getan, so viel, dass ich nackt vor dir stehe. Blind, mit ausgestochenen Augen, stumm, ohne Sprache für das, was mit mir geschieht.“ (S. 321) Bald führt sie mit ihm eine ähnlich ungesunde Beziehung wie ihre Eltern. Die Selbstaufgaben und Selbstverletzung, die man schon bei ihrem Kennenlernen feststellen konnte, zieht sich durch ihre ganze Beziehung. Erst am Ende findet sie den Mut, mit ihm abzurechnen, ihm einen Spiegel vorzuhalten. „Du erträgst keine anderen Künstler neben dir, Picasso, schon gar keine Frau!“ (S. 347)

Bettina Storks erzählt in „Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe“ von Doras Werdegang und ihrer leidenschaftlichen, hingebungsvollen und selbstzerstörerischen Beziehung zu Picasso. Es ist ihr gelungen, die ganze Bandbreite dieser Verbindung, alle Hochs und Tiefs sehr fesselnd zu schildern. Dabei bezieht sie auch die Kunstszene der damaligen Zeit mit ein und die Orte, an denen sie gelebt und gearbeitet haben. Durch ihren wunderbar bildlichen und mitreißenden Schreibstil hat man das Gefühl, immer dabei zu sein, mitten unter ihnen.
Dora war eine sehr interessante und faszinierende Persönlichkeit. Ich habe mich gern mit ihr auseinandergesetzt, auch wenn ich ihre Beweggründe nicht immer nachvollziehen konnte. Ich habe mit ihr gelitten und hätte ihr mehr als einmal gern gesagt, dass sie diesen Mann endlich loslassen und sich wieder auf sich und ihre Kunst, auf ihr Können konzentrieren soll, sich von ihm und seinen Zwängen freimachen. Eine wirklich dramatische Geschichte.

Bewertung vom 20.06.2021
Die Damen vom Pariser Platz
Weng, Joan

Die Damen vom Pariser Platz


ausgezeichnet

Jede Frau hat ein kleines (Schönheits-)Geheimnis

Wenn man als junge Frau in den 1920ern aus der Provinz nach Berlin kam, träumte man normalerweise von einer Karriere beim Film oder wenigstens Varieté, zur Not würde es auch ein gutsituierter Ehemann tun. Doch Gretchen war schon immer anders, unscheinbar, mit Interesse für Latein und das Altertum. Sie hatte vom Geschichtsstudium geträumt, stattdessen ist sie Tippfräulein geworden.
Jetzt hat ihre Freundin Henni sie mit einer Stelle bei Helen Broos nach Berlin gelockt, die DEN Schönheitssalon am Pariser Platz betreibt. Doch Gretchen soll nicht für die „Eiskönigin“, sondern deren Freundin Isis arbeiten, eine geheimnisumwitterte Sängerin mit einer vernarbten Gesichtshälfte. „Wenn Sie Mumm haben und einen feuchten Furz auf die Meinung der guten Gesellschaft geben, dann kommen sie morgen, Schlag elf ins Kempinski und bringen Sie ihre Schreibmaschine mit.“ (S. 24) Jeder ihrer neuen Freunde warnt sie vor Isis – zu viele Legenden ranken sich um sie und ihre Verletzung. Sie sei eine Mörderin und Hexe. Aber Gretchen ist von ihr fasziniert. Während sie sich kaum was traut, hat Isis trotz der Narben ein sehr großes Selbstbewusstsein und die Chuzpe, andere Leute auf ihren Platz zu verweisen.
Weniger begeistert ist Gretchen von ihrer Freundin Henni. Die hat sich sehr verändert, ist mit dem (Bar-)Pianisten Fred verlobt und gibt sich genauso mondän wie die anderen (Neu-)Berlinerinnen. Doch Fred hat etwas an sich, dass auch Gretchens Knie weich werden lässt …

Joan Weng schafft es mit wenigen, gezielten Worten, das Berlin der 20er Jahre wieder lebendig werden zu lassen. Sie beschreibt Örtlichkeiten und Personen sehr pointiert und es macht unheimlichen Spaß, in diesen Kosmos einzutauchen.

Gretchen mochte ich sofort. Sie ist gebildet, gewitzt und hilfsbereit, aber Blaustrümpfe und Landeier sind leider nicht gefragt. Wird sie in Berlin endlich den Mut finden, sich ihren Traum vom Studium zu erfüllen?
Mit Henni bin ich nicht warm geworden. Die interessiert sich nur für sich selbst und den schönen Schein, behandelt Gretchen respektlos und abwertend. Sie und der Lebemann Fred haben den Kopf voller Träume und die Bodenhaftung längst verloren. Wobei sich Fred wenigstens noch für die Arbeitsbedingungen von Künstlern, gegen soziale Ungerechtigkeit und künstlerische Ausbeutung einsetzt. Leider verliert er dadurch immer wieder seine Engagements. Aber was ist schon Geld …
Ein Highlight ist Gretchens Vermieterin Frieda mit ihrer Berliner Schnauze und ihrem realistischen Lebensentwurf – lieber ewige Geliebte, als Hausarbeit, Kinder und einen knausrigen Mann!
Gretchens Pendant der Journalist Erik. Ein Mann, dessen Qualitäten man erst auf den zweiten oder dritten Blick entdeckt. Wagt er irgendwann, aus dem Schatten seines Chefs und für seine eigene Meinung einzutreten?
Die geheimnisvollste Person ist natürlich Isis. Sie hat sich selber zur Kunstfigur erhoben und bleibt damit immer im Gespräch. Jeder hat eine Meinung über sie und scheint ihr Geheimnis zu kennen. Aber was davon stimmt wirklich?
Und dann ist da noch der Kritiker Plompke, der Isis regelrecht belagert. Welche Rolle spielt er in dem ganzen Konstrukt?

Das Buch hat mich begeistert, das Tempo, die breit aufgestellte Thematik. Neben dem Schönheitssalon ziehen sich auch das Berliner Nachtleben und die Kunstszene als rote Fäden durch die Handlung. Fans von Joan Weng werden die Anspielungen auf ihre Krimi-Reihe um den Schauspieler Carl von Bäumer und die Protagonisten aus ihrem Buch „Die Frauen vom Savignyplatz“ wiedererkennen.
Ich habe mich köstlich amüsiert, stellenweise war es spannender als mancher Krimi.

Bewertung vom 18.06.2021
Mord in Parma / Italien-Krimi Bd.1
Scarpa, Dani

Mord in Parma / Italien-Krimi Bd.1


sehr gut

Der deutsch-italienische Monk ermittelt

Paolo ist eigentlich informeller Mitarbeiter für Fallanalyse und Tathergangs-rekonstruktion bei der Münchner Polizei. Doch als ein echter Corregio auftaucht, der als NS-Raub- bzw. Beutekunst gelistet ist, wird Paolo von seiner Vorgesetzten Julia beauftragt, das Gemälde nach Parma zu begleiten. Schließlich war er als Kind dort oft im Urlaub und spricht etwas Italienisch. Die Aktion soll nur 2 Tage dauern, aber dann verschiebt sich die Rückfahrt und Umberto Tantaro, der Kurator der Nationalgalerie von Parma, ruft Paolo ängstlich an. Er soll sofort zu ihm kommen. Paolo beeilt sich wirklich, doch er findet Tantaro nur noch tot vor. Für den zuständigen italienischen Commissario Aldo Borghesi sieht es nach Selbstmord aus, er lehnt weitere Ermittlungen ab. Aber Paolo hat berechtigte Zweifel und stellt eigene Nachforschungen an.

„Mord in Parma“ von Dani Scarpa ist der Auftakt einer neuen Krimireihe mit einem etwas anderen Ermittler. Paolo ist kein einfacher Mensch, sondern erinnert von seiner eckigen Art her und seiner Macke des Händedesinfizierens an den Fernseh-Privatdetektiv Monk. Er hat ein episodisches Gedächtnis und kann nichts vergessen – das ist bei der Polizei zwar super, im Privatleben aber eher hinderlich. „Manchmal war es ein Fluch, sich an alles erinnern zu können. An jeden Menschen, an jedes Ereignis. Und leider auch an jede Dummheit.“ (S. 30) Zudem ist er mit seiner Chefin Julia seit langem auch privat verbandelt und sein von ihr bisher unbeantworteter Heiratsantrag steht zwischen ihnen.
Außerdem hat ihm sein Bruder Felix ein Hotel in Cervia nahe Parma vererbt, um dessen Verkauf Paolo sich endlich kümmern muss. „Er wollte diesem Erinnerungspfad nicht folgen. Die Frage, wohin er führen mochte, berührte ihn unangenehm, und wenn er ehrlich war, fürchtete er sich sogar davor.“ (S. 67)
Zum Hotel gehört Felix‘ Geschäftspartnerin, die Köchin Lucia Camaro. Da sie ziemlich gut Deutsch spricht, schlägt Paolo ihr einen Deal vor: Wenn sie bei seinen Erkundigungen für ihn übersetzt, verkauft er ihr das Hotel. Lucia traut ihm zu Beginn zwar nicht, aber bald weiß sie, ihn zu nehmen: „Für einen tedesco sind Sie lustig, wissen Sie das?“ (S. 85) Auch die Ermittlungen machen ihr eine Menge Spaß. Wo er mit seiner deutschen Gründlichkeit und dem Glauben an die Bürokratie scheitert, kommt sie mit einem Flirt und „Dolce Vita“ weiter. Und ganz langsam wird auch Paolo lockerer „… seit er in Italien war, hatte er so viele Dinge getan, die er zuvor nie für möglich gehalten hätte …“ (S. 185)

Leider folgt auf den ersten Mord bald ein zweiter und Paolo gerät unter Verdacht. Julia, die das aus Deutschland mit ungutem Gefühl verfolgt und versucht, ihm bei den länderübergreifenden Untersuchungen Rückendeckung zu geben, ist sauer. Sie wollte ihn doch nur mal aus seiner Komfortzone holen! „Kann man dich nicht einmal für ein paar Tage nach Italien schicken, ohne das sich gleich Katastrophen ereignen?“ (S. 276)

Mein Fazit: Mord in Parma ist spannend und unterhaltsam. Ich mag die ungewöhnlichen Ermittler und auch ihr Privatleben passt schlüssig in die Handlung. Und natürlich gibt es ganz viel Dolce Vita inkl. eines sehr leckeren Rezeptes am Buchende – selbstverständlich mit Parma-Schinken ;-).

Bewertung vom 14.06.2021
Mord zwischen den Zeilen
Hallett, Janice

Mord zwischen den Zeilen


gut

Der Blutegel

Ausgehend vom Titel und der Überschrift des Klappentextes hatte ich (relativ zeitnah) einen Mord erwartet. Doch alles beginnt damit, dass das Ehepaar Sam(antha) und Kel aus Afrika, wo sie als Pflegekräfte für „Ärzte ohne Grenzen“ gearbeitet haben, in die englische Kleinstadt Lockwood zieht. Isabel, Sams neue Kollegin, freundet sich sofort mit ihr an und führt sie in die Laien-Theatergruppe „The Fairway Players ein“. Diese wird von dem respektablen Ehepaar Martin und Helen Hayward geleitet. Kurz darauf erkrankt die zweijährige Enkelin der Haywards einem schweren und seltenen Hirntumor. Nach Aussage der Ärztin kann ihr nur ein neues, noch nicht zugelassenes Medikament aus den USA helfen, das 250.000 £ kostet. Sie starten einen Spendenaufruf mit einer Crowdfunding-Website und nehmen wirklich eine Menge Geld ein. Aber Sam, die Neue, hat schnell das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt. Die Ärztin ist ihr suspekt, von dem Medikament hat noch keiner der ihr bekannten Ärzte gehört und irgendwie wird immer mehr Geld gebraucht. Auch Isabel wird ihr immer unangenehmer, klammert, drängt sich zwischen Sam und deren Freunde und in ihre Ehe – sie ist wie ein Blutegel, der ihr alle Zeit und Energie aussaugt, aber natürlich meint sie es nur gut. Doch ein Mord passiert nicht.

Auch die Erzählweise der Geschichte war anders als erwartet. Sie wird die ersten 380 Seiten nur über die E-Mails und SMS erzählt, die zwischen den Mitgliedern der Theatergruppe und anderen Beteiligten im Rahmen der Spendensammlung hin und her gehen. Dabei erfährt man oft nur eine Seite der Konversation, weil u.a. die Antworten von Sam und ihrem Mann Kel komplett fehlen. Erst dann geschieht der Mord und auf den folgenden 140 Seiten werten zwei Rechtsanwaltsgehilfin (wieder per SMS und Mails) die vorliegenden Daten aus und versuchen herauszufinden, was es mit der Spendensammlung auf sich hat, wie es zu dem Mord kommen konnte und wer ein Motiv hat. Dabei spielen sie verschiedene Varianten durch. Das war für mich nicht leicht zu lesen und zum Teil verwirrend, weil zu viele Personen vorkommen, von denen man oft nicht weiß, wer sie eigentlich sind und wie sie untereinander in Beziehung stehen.

Sehr spannend fand ich die „Freundschaft“ zwischen Sam und Isabel, die so harmlos beginnt und bei der man bald das Gefühl hat, dass sie nur in Isabels Fantasie besteht. Sie versucht sogar, Sam durch Erpressung und ein schlechtes Gewissen an sich zu binden.

Auch Sams Misstrauen bezüglich der Spendensammlung habe ich geteilt. Der Aufruf verselbständigt sich und scheint allen über den Kopf zu wachsen. Schnell wird ein Komitee gegründete, das die mehr oder weniger sinnvollen Aktionen und das eingenommene Geld verwalten soll, aber niemand hat wirklich einen Überblick. Das Highlight ist eine Gala mit Prominenten Schirmherren, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gewonnen werde. Das alles entwickelt eine Dynamik, der sich die Beteiligten nur schwer wieder entziehen können. Man macht im Eifer des Gefechts natürlich auch Fehler und tätigt Fehlinvestitionen, fällt auf Betrüger rein.

Mein Fazit: Ungewöhnliche Erzählweise und verwirrend viele Personen - für mich ist das Buch kein Krimi im eigentlichen Sinn, eher eine Charakterstudie, die sich auch mit Gruppendynamik befasst.

Bewertung vom 09.06.2021
Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1
Anour, René

Wiener Blut / Die Totenärztin Bd.1


ausgezeichnet

Die glücklichen Toten

„Fanny liebte ihre Arbeit, aber das Geräusch, wenn die Schere knackende Knorpel durchtrennte, verursachte selbst ihr bisweilen ein flaues Gefühl im Magen.“ (S. 9)
Wien 1908: Fanny hat Gerichtsmedizin studiert muss aber dankbar sein, dass sie als Frau wenigstens als Prosekturgehilfin arbeiten darf. Ihr Arbeitsbereich ist dabei klar festgelegt „Wegräumen, putzen, Berichte ausfüllen! … Unter keinen Umständen pfuschen Sie den Ärzten sonst wie ins Handwerk …“ (S. 15). Täglich muss sie gegen die Vorurteile ihres Vorgesetzten und der Kollegen kämpfen – die wortwörtlich über Leichen gehen für ihren Erfolg.
Als ein ermordeter Obdachloser eingeliefert und nur oberflächlich untersucht wird, fallen ihr einige Ungereimtheiten auf, u.a. sieht er merkwürdig glücklich aus, doch niemand interessiert sich dafür. Fanny obduziert ihn heimlich und ihr erster Eindruck war richtig! Der Unbekannte trägt teure Kleidung und ist viel zu gut genährt. Sie entdeckt auch, womit er wirklich ermordet wurde und findet in seinen Sachen eine geheimnisvolle Einladung für den übernächsten Tag. Als sie ihrer besten Freundin Tilde davon erzählt, will diese sie sofort begleiten und endlich mal ein Abenteuer erleben! Doch bei dem Treffen mit dem rätselhaften Fremden gerät Fanny in Lebensgefahr und rutscht eine atemlose Jagd nach „dem Stern“. Weitere glückliche Mordopfer tauchen auf und auch diese obduziert Fanny unerlaubt …

„Wiener Blut“ ist der erste Band eines Zweiteilers doch ich hoffe, dass eine Reihe daraus wird. René Anour schreibt extrem spannend, bildlich (man kann sich nicht nur bei den Obduktionsszenen oder in den Wiener Katakomben wunderbar gruseln), unterhaltsam und amüsant mit vielen unerwarteten Wendungen, die den Puls des Lesers in die Höhe treiben. Er tischt leckere österreichische Spezialitäten auf und kleidet seine Protagonistinnen in die Kleider von Gustav Klimts Geliebter Emilie Flöge – das macht die Handlung so richtig schön rund.

Fanny ist klug, gebildet, neugierig, mutig und lässt sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen. „Hinter dem Vorhang der normalen Welt ist etwas Seltsames im Gange, etwas Großes, von dem wir bisher nur einen kleinen Zipfel zu Gesicht bekommen haben. Ich muss es ans Licht holen und verhindern, dass noch mehr Leute sterben.“ (S. 118) Ich konnte nachfühlen, dass sie Probleme hat, sich ihren Vorgesetzten unterzuordnen und ihr Wissen für sich zu behalten. Außerdem muss sie sich öfter gegen eine leicht übergriffige Tante zur Wehr setzen, die sich ungefragt in ihr Leben einmischt und sie in einige ungünstige Situationen bringt.
Fannys Freundin Tilde erscheint am Anfang sehr flatterhaft, leichtlebig und verwöhnt, dabei ist sie das gar nicht. Sie ist schlau, gewitzt und weiß sich zu helfen. Andere fassen durch ihre offene Art schnell Vertrauen zu ihr und unterschätzen sie leicht – was sie gerne ausnutzt und Fanny damit mehr als einmal in einer brenzligen Situation rettet.
Ich mochte auch die Frau des Institutsleiters sehr, die Fanny fördert und unterstützt, ihr eine gute Ratgeberin und Freundin wird – wenn auch aus einem anderen Grund, als man glaubt.
Und mein heimlicher Star ist Maître François. Aber wenn ihr mehr über ihn wissen wollt, müsst ihr das Buch selber lesen ;-).

Obwohl „Die Totenärztin“ von Beginn an sehr spannend und dramatisch ist, schafft René Anour es, dies im Laufe der Handlung immer weiter zu steigern. Fanny weiß bald nicht mehr, wem sie noch trauen kann und lässt sich von Tilde und dem geheimnisvollen Fremden zu immer verrückteren Aktionen hinreißen. Und immer, wenn ich dachte, jetzt wird alles gut, ging wieder was schief. Das war ganz schön nervenaufreibend für Fanny und für mich und ich hatte den wirklichen Täter leider überhaupt nicht im Verdacht.

Das Ende ist übrigens filmreif und ein ganz fieser Cliffhanger. Ich bin schon sehr gespannt, wie es im nächsten Band weitergeht.