Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 467 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2019
Rollt bei mir! (eBook, ePUB)
Caglar, Tan

Rollt bei mir! (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Rollt bei mir
Zugegeben – ich kannte Tan Caglar nicht, bevor ich sein Buch gelesen habe. Gut – IHN kenne ich immer noch nicht, aber sein Buch. Und das hat mich völlig begeistert. Inhaltlich ist es eher berührend, ein junger Mensch versuchte so lange wie möglich hinauszuzögern, dass ihn seine Behinderung endgültig in den Rollstuhl zwingt. Als es dann soweit ist, verfällt er in Depressionen, sucht sich aber selbst Hilfe und mithilfe des Sports (Rollstuhlbasketball auf hohem sportlichen Niveau) findet er aus der Depression heraus und mit der Comedy eine neue Berufung und einen neuen Inhalt für sein Leben.
Und das mit großem Erfolg. Ich kenne sein Programm nicht, aber sein Buch ist zum Teil so lustig geschrieben, dass ich oft laut lachen musste. Da reiht sich ein Wortwitz, vom „Fußgänger“ auf den Rollstuhlfahrer umgemünzt, an den anderen. Und dann spielt er natürlich auch oft die „türkischstämmiger Rollstuhlfahrer-Karte“ aus.
Ich habe das Buch an einem Tag durchgelesen, hatte es im Wartezimmer beim Arzt dabei – und war zum ersten Mal im Leben nicht erfreut, aufgerufen zu werden. Und das will was heißen!
Ganz klare Leseempfehlung für Freunde der gepflegten Selbstironie, die die leisen psychologischen Zwischentöne hören.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.09.2019
Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen
McGurk, John

Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen


ausgezeichnet

Oberflächlich betrachtet ist das Buch von John McGurk ganz schnell zusammengefasst: die Lebensgeschichte von einem, der durch die Hölle ging, das Beste draus zu machen verstand, zu Gott fand und ein richtig guter Mensch wurde.
Wie gesagt: oberflächlich betrachtet. Aber natürlich steckt mehr dahinter.
John McGurk ist von Geburt Schotte, ein Glaswegian lad, also ein Sohn Glasgows. 1961, als er geboren wurde, war die Stadt völlig anders, als wir sie heute kennen. Sie war geprägt von Arbeitslosigkeit (die Schwerindustrie war auf dem absteigenden Ast), Armut und Kriminalität.
Er nimmt den Leser mit in die kleine Wohnung, in der acht Kinder sich drei Betten teilten, in die bedrückende Atmosphäre einer Familie, in der der Vater allzu oft betrunken ist und die überforderte Mutter regelmäßig schlägt. Man spürt hautnah die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die John erst durch die Nichtachtung seines Vaters, später durch die Gewalt im Kinderheim erlebt.
Aber man wächst mit John ein bisschen mit, fühlt den Ehrgeiz, dem allem zu entkommen. Als er drohte, einen ähnlichen Weg wie sein Vater zu gehen (auch er hatte Phasen hohen Alkoholkonsums, rauchte zu viel), wollte ich ihn schütteln und anschreien: „Mach das nicht! Mach es besser!“
Ja, ich muss sagen, das Buch hat mich gepackt und tief berührt. Nicht mal so sehr, weil John jetzt mit seiner Stiftung so viel Gutes für Kinder tut, er für seine Arbeit ausgezeichnet wurde oder weil er zum Glauben gefunden hat. Eher, weil es zeigt, dass sich Engagement und Ehrgeiz lohnen und dass es meistens etwas gibt, wofür es sich zu leben und zu kämpfen lohnt. Und weil er, wie ich, ein Langstreckenläufer ist. John wuchs mit dem Gefühl auf, er sei allen egal. Er durfte das Gegenteil erleben. Nicht mehr – und nicht weniger.
Sprachlich ist das Buch das Werk von einem „aus dem Volk“, nicht von einem Schriftsteller geschrieben, sondern von einem Menschen, der eine Geschichte zu erzählen hat. Keine Meisterleistung, aber gut und flüssig zu lesen. Ich habe es an einem Tag durchgelesen und musste manche Träne verdrücken. Für mich eine ganz klare Lese-Empfehlung und 5 Punkte. Faigh spòrs leis.

Bewertung vom 14.09.2019
Warte, was der Morgen bringt
Bleeker, Emily

Warte, was der Morgen bringt


weniger gut

Eher „Warte, ob das Buch noch was Spannendes bringt“

„Warte, was der Morgen bringt“ von Emily Bleeker war für mich eine ziemlich enttäuschende Lektüre. Zuerst fand ich mich in die Geschichte sehr schwer hinein, weder die Handlung, noch die Charaktere konnten mich fesseln und gegen Ende fand ich alles einfach nur verwirrend, abstrus und viel zu lang.
Die postnatale Depression der Hauptfigur, dass sie ihr Kind nicht berühren kann und keine Nähe empfindet, kann ich nachvollziehen. Auch die Tatsache, dass sie sich auf Drängen ihrer Mutter in Therapie begibt. Und auch ihre Panik, als ihre Tochter dann plötzlich verschwunden ist, ist mehr als plausibel. Die Schritte, die sie dann aber in der Folge geht, kann ich nicht nachvollziehen, ab dem Moment versank für mich die ganze Geschichte in einem undurchschaubaren Sumpf aus Wiederholungen, abstrusen Handlungen und undurchsichtigen Charakteren.
Das führte allerdings dazu, dass ich sehr viel quergelesen habe – als ich dann beim (für mich sehr überraschenden) Schluss war, war ich aber geneigt, es nochmal von vorn zu lesen, denn wirklich verstehen kann man meiner Meinung nach das Buch erst, wenn man den Schluss kennt und die losen Enden vom Ende her zusammenfügen kann. Alles in allem für mich aber viel zu wenig Spannung (die Geschichte nimmt erst gegen Ende Fahrt auf), alles viel zu konstruiert und auch nicht wirklich glaubwürdig. Weil die Geschichte beim zweiten Lesen für mich dann durchschaubarer und logischer war, aber nicht übermäßig viel besser, vergebe ich 2 Sterne, sonst wäre es nur einer gewesen.

Bewertung vom 02.09.2019
NALA - Der magische Steinkreis
Proksch Bernabé, Gabriela;Proksch, Gerhard

NALA - Der magische Steinkreis


gut

Die 13jährige Nathalie, genannt Nala verbringt einen Teil ihrer Sommerferien auf einem Gestüt in Frankreich. Reiten, Französischunterricht und Gruppenerlebnis erwarten sie dort. Aber Nala ist eigentlich lieber für sich. Sie ist verträumt, ihre Welt besteht aus Fantasie und ihrem Zeichenblock. Und irgendwie hat sie „Opfer“ auf der Stirn stehen: im Schul-Alltag wird sie gemobbt und gehänselt und im Urlaub geht es genauso weiter. Jackie und Leo spielen ihr vom ersten Tag an Streiche und machen ihr das Leben schwer.
In Nala werden sich vermutlich viele Mädchen wiedererkennen (Zielgruppe für dieses Buch sind schätzungsweise Mädchen zwischen 8 und 13): sie ist etwas pummelig, mit ihrem Körper unzufrieden, schüchtern, still, verträumt und eine gute Schülerin. Aber zum Glück hat Nala ihre Fantasie. Die führt sie in den Wald zur großen Eiche, zum Steinkreis und zu der Schamanin Blaue Feder. Dort lernt sie als „Lehrling“ sehr viel über Pferde und den Umgang mit ihnen und im Endeffekt auch sehr viel über sich selbst. Sie lernt die Grundlagen des sogenannten „Horsemanship“ oder „Natural Horsemanship“ – dem partnerschaftlichen Umgang mit Pferden.
Und so entwickelt sich das Buch dann irgendwie zu einer Mischung aus „Die unendliche Geschichte“; „Armans Geheimnis“ und „Der Pferdeflüsterer“. Und ganz klar: das Buch ist weder sprachlich noch inhaltlich eine Meisterleistung. Satzzeichen sind falsch gesetzt oder fehlen, die Wortwahl ist teilweise etwas holprig und auch Logikfehler kommen einige vor. Das fand ich äußerst schade, aber sowohl sprachlich als auch konzeptionell fehlt dem Buch einfach der letzte Schliff. Irgendwie liest es sich wie ein Abenteueraufsatz einer Achtklässlerin.
Insgesamt ist das Buch für mich nichts Ganzes und nichts Halbes. Es ist kein wirklicher „coming of age“-Roman, kein psychologischer Ratgeber für pubertierende Teenager, kein Fantasy- und kein Pferdebuch. Von allem ein bisschen, aber von allem ein bisschen zu wenig. Selbst das magere Glossar am Schluss ist allerhöchstens ein Provisorium – für Reiter ist es uninteressant, weil es nichts Neues enthält und für denjenigen, der sich mit der Thematik überhaupt nicht auskennt, bringt es viel zu wenig Information.
Das Thema „Krafttiere“ fand ich sehr interessant, aber leider auch zu oberflächlich behandelt. Zwar erfährt man, wie Nala zu ihrem Krafttier kommt und welche Erfahrungen sie damit mach, aber wie man sein eigenes Krafttier finden kann, das einem als Freunde, Tröster und Unterstützer zur Seite steht, wird im Nachwort nur angerissen, aber nicht erklärt. Auch das psychologische Element, die enge Verbindung zwischen Mensch und Tier, die im Endeffekt dafür sorgt, dass auch der Mensch sich selbst besser versteht, mit sich, seiner Umwelt und seinem Umfeld besser klarkommt, ist meiner Meinung nach selbst für ein Jugendbuch zu oberflächlich behandelt. Die Ruhe und Sensibilität, die man entwickeln muss, um mit den Pferden beim Horsemanship auf Augenhöhe arbeiten zu können, lässt sich eher erahnen.
Leider hat die Autorin es nicht geschafft, aus der an sich ganz wundervollen Idee, ein Buch zu schaffen, das mich hätte in seinen Bann ziehen können. Die Kombination aus Pferden mit Problemen, Menschen in der Selbstfindungsphase, viel Fantasie, Hoffnungen, Träumen, Wünschen und den alten Riten der Schamanen hätte unglaublich viel Potenzial gehabt, das die Autorin leider nicht ausschöpfen konnte.
Für die gute Idee und die teilweise gelungene Umsetzung wohlwollende 3 Sterne.

Bewertung vom 13.08.2019
Und das Glück der kleinen Dinge / Frau Honig Bd.2
Bohlmann, Sabine

Und das Glück der kleinen Dinge / Frau Honig Bd.2


ausgezeichnet

Frau Honig und das Glück der kleinen Dinge – nicht bahnbrechend neu, aber unfassbar liebevoll erzählt und einfach nur schön.

Frau Honig ist ein Kindermädchen, das ohne Bezahlung bei Familien arbeitet, die sie dringend brauchen. So weit, so altbekannt. Denn natürlich gab es schon Mary Poppins und die zauberhafte Nanny McPhee. Und natürlich hat sich die Autorin Sabine Bohlmann vermutlich an den bekannten Figuren orientiert. Und dennoch hat sie es geschafft, eine ganz wunderbare Geschichte über ein unkonventionelles Kindermädchen in einer nicht ganz alltäglichen Familie zu schreiben.
Klischeehaft? Sicher. Die Familie ist kinderreich, daher in der Nachbarschaft unbeliebt, die Kinder kommen zu kurz und sind sich in der schwierigen 6. Schwangerschaft der Mutter weitgehend selbst überlassen. Und natürlich liegt die Hauptlast vor Eintreffen von Frau Honig auf den Schultern der ältesten Tochter, die mit ihren 15 Jahren die Familie am Laufen hält, da der Vater als Bäcker nachts arbeitet und tagsüber viel schläft.
Unrealistisch? Vermutlich. Aber dennoch schafft es die Autorin, dem Leser unterschwellig viele Dinge an die Hand zu geben. Wieso neue Geräte kaufen, wenn man die alten einfach reparieren kann oder sie möglicherweise nur geputzt werden müssen, um wieder zu funktionieren? Wieso kaufen, was man auch selbst bauen kann? Wieso neue Klamotten kaufen, wenn man aus den alten noch was Tolles zaubern kann? Wieso nicht upcyclen und recyclen? Damit trifft sie den Trend der Zeit!
Und dass sie den Kindern außerdem noch viele Dinge beibringt, die man im Leben wirklich brauchen kann (ja, auch Mathe kann Spaß machen!) – das Wissen kann auch dem Leser nicht schaden. Und natürlich endet auch in diesem Buch alles gut. Ein bisschen heile Welt schadet in der heutigen Zeit nicht.
Für mich eine unbedingte Leseempfehlung mit glatten 5 Punkten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.08.2019
Das verschollene Erbe der Wertheims
Guilliard, Carlos

Das verschollene Erbe der Wertheims


sehr gut

Ich gebe zu, ich hatte anfangs sehr große Probleme, mich in „Das Verschollene Erbe der Wertheims“ von Carlos Guilliard einzufinden. Es waren für mich einfach viel zu viele Personen und da ich das EBook gelesen habe, war es auch nicht einfach, ständig zum Stammbaum am Anfang zu blättern. Aber nach und nach habe ich die Personen „kennen gelernt“ und konnte Dank der liebevoll-genauen Beschreibungen Namen und Eigenheiten einander zuordnen.
Wertheim – das verbinden viele mit einer Stadt in Baden-Württemberg, dem Outlet-Dorf Wertheim Village, aber tatsächlich ist der Name Wertheim in Deutschland auch untrennbar mit der Geschichte der Nähmaschine ebenso eng verbunden wie die Namen Singer und Pfaff.
Beginnend mit Joseph Wertheim, dem Begründer der Familiendynastie, beginnt auch das Buch. Er wanderte als 20-Jähriger in die USA aus, lernte sein Handwerk bei Isaak Merritt Singer in dessen Nähmaschinenfirma. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland einige Jahre später, heiratet Joseph seine Jugendliebe, gründet mit ihr eine Familie und eine eigene Nähmaschinenfabrik. Über die Jahre erobern Wertheim-Nähmaschinen unter anderem Australien und Spanien.
Die Kinder, Kindeskinder, aber auch die Nichten und Neffen von Joseph Wertheim finden ihren Platz in dem Buch, ebenso, wie sie alle zum Erfolg der Familiendynastie beitragen. Und natürlich kann eine Familiengeschichte nicht ohne Bezug zur Weltgeschichte erzählt werden. Die Wertheims waren protestantisch getaufte Juden, was ihnen in der Zeit nach 1933 zum Verhängnis wurde, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien und selbst in Melbourne grassierte der Judenhass. Dazu wird die Familie mehrfach von Krankheiten und Unglücken gebeutelt.
Und so sind heute nicht mehr viele direkte Nachkommen übrig und das Buch entstand auf Initiative eines unehelichen Nachkommen mithilfe einer Ghostwriterin, damit nicht alles aus dem Erbe der Wertheims verschollen bleibt, so wie ein Großteil des Vermögens es wohl bis heute ist.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.08.2019
Vaticanum / Tomás Noronha Bd.3
Dos Santos, José R.

Vaticanum / Tomás Noronha Bd.3


ausgezeichnet

Anfangs tat ich mich mit „Vaticanum“ von J. R. Dos Santos zugegebenermaßen sehr schwer. Es waren für mich einfach viel zu viele italienische Namen. Gut 200 Seiten plätscherte daher für mich die Geschichte so vor sich hin. Ein bisschen Archäologie (die Suche nach dem Grab von Petrus), ein bisschen Mystik (die Prophezeihung des Malachias) und ein bisschen mögliche Korruption in den Mauern des Vatikan, die die französische Wirtschaftsprüferin Catherine Rauch aufdecken soll. Aber dann nahm die Geschichte mit der Entführung des Papstes durch eine islamistische Gruppierung so richtig Fahrt auf, denn in der Welt bricht die Hölle los.
Denn schlagartig findet der Archäologe Tomás Noronha sich samt dem Leser in einer Geschichte voller Verschwörungen, Verstrickungen, Korruption und Gewalt wieder. Die Entführer drohen, den Papst um Mitternacht zu köpfen und plötzlich konnte ich das Buch, dessen 101 zum Teil sehr kurze Kapitel stets mit einem Cliffhanger endeten, nicht mehr aus der Hand legen. Und die Prophezeiung des Malachias sagt vorher, Franziskus werde der letzte Papst sein. Und hinter alldem kann nur ein Verräter in den eigenen Reihen stecken. Aber ist es einer der ermittelnden Polizisten, vielleicht sogar der mir äußerst unsympathische Kommissar Trodela, der ständig mit Schimpfwörtern um sich schmeißt und flucht? Oder einer der Bischöfe? Oder ist es gar die Wirtschaftsprüferin Catherine, die im Auftrag des Papstes die Verstrickung der Vatikanbank mit der Mafia, Veruntreuung von Spendengeldern und Geldwäsche untersucht?
Natürlich erinnert der Roman ein bisschen an Dan Browns Iluminati. Und wie Dan Brown ergeht sich auch Dos Santos in sehr detaillierten Beschreibungen und zum Teil langatmigen Ausführungen. Aber ganz abgesehen davon hat er einen in der zweiten Hälfte sehr fesselnden, spannenden, aber auch verstörend aktuellen und durchaus realistischen Thriller geschaffen. Man weiß nicht genau, ist es ein Sachbuch, das mit einem Hauch Fiktion zum Thriller wird oder ein Thriller angereichert mit einer großen Portion sauber recherchierter Tatsachen. Denn tatsächlich ist die sogenannte Vatikanbank in Skandale verstrickt, es fallen auch bekannte Namen wie „Black Rock“ und Berlusconi - die Daten, auf die Dos Santos sich bezieht, sind absolut korrekt. Ebenso existieren alle erwähnten Orte sowohl in geographischem, als auch in historischem Kontext.
Sprachlich ist das Buch leicht zu lesen, auch wenn die vielen italienischen Schimpfwörter und Flüche nicht ganz meinen Geschmack trafen. Der Autor (und der Übersetzer) versteht sein Handwerk, er kann mit Worten umgehen und auch die Recherche liegt ihm. Kein Wunder, er ist ausgebildeter Journalist.
Klare Lese-Empfehlung mit 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 12.08.2019
Der Fall Marietta King 1 - Die vergessenen Akten / Ein MORDs-Team Bd.1-3
Suchanek, Andreas;Böhm, Nicole;Bareiss, Ute

Der Fall Marietta King 1 - Die vergessenen Akten / Ein MORDs-Team Bd.1-3


weniger gut

Ein MORDS-Team – Eher eine mords Enttäuschung
Das Buch „Ein MORDS-Team: Die vergessenen Akten – Der Fall Marietta King“ umfasst die ersten drei Teile einer Serie. Ich war mit den ersten drei Teilen vollauf bedient und verspürte danach keinerlei Lust, weiter zu lesen.
Vielleicht bin ich aus den Drei ???, TKKG, Fünf Freunde und so weiter rausgewachsen – auf jeden Fall konnte ich mit der Geschichte nicht viel anfangen. Wobei ich sagen muss, dass die Idee an sich sehr gut war und die Geschichte viel Potential gehabt hätte. Ein Mordfall von vor 40 Jahren, die Kinder der damaligen Beteiligten, undurchsichtige Gestalten, wohin man blickt und alles und jeder hängt irgendwie zusammen.
Aber an sich ist die Geschichte sehr konstruiert und weit hergeholt. Und dazu auch noch sprachlich zum Teil nicht mal Oberstufen-Niveau. Gewollt cool, bemüht hip und gezwungen amerikanisiert, dazu auch noch schlecht recherchiert. Das fängt beim „Table of Contents“ an, was statt eines schlichten „Inhaltsverzeichnis“ den Anfang überschreibt. Dann folgen holprige Formulierungen wie „Sportplatz mit seiner blutroten Gummibesohlung“ (ich vermute, es handelt sich um eine Tartanbahn, denn seit wann ist ein Sportplatz besohlt?); der „Anwalt der Staatsanwaltschaft“ ist entweder der Vertreter der Staatsanwaltschaft oder schlicht der Staatsanwalt; die Bezeichnung „alte Nikon-Scherbe“ für ein altes Objektiv kannte ich vorher nicht, da habe ich was dazu gelernt. Aber dass ein Objektiv mit 4.0 bei 200mm Festbrennweite ganz sicher nicht lichtstark und gut ist, weiß ich. Da sind nämlich selbst meine „alten Scherben“ besser. Eine weitere sprachliche Fehlleistung ist der „Ringelpilz mit Anfassen“, was eigentlich ja „Ringelpiez mit Anfassen“ heißen muss. Ringelpilz, oder Tinea corporis ist hingegen eine ansteckende Hautkrankheit.
Insgesamt ist das Buch also zwar teilweise sehr spannend, flott zu lesen, an anderen Stellen aber ein kompletter Reinfall. Es liest sich phasenweise wie ein Projekt einer „Kreatives Schreiben“- AG in der 8. Klasse mit mangelhafter Auto-Korrektur. Und/oder schlechtem Lektorat. Schade. 1,5 Sterne für die vorhandene Spannung, aufgerundet auf 2.

Bewertung vom 24.07.2019
Ein irischer Todesfall / Elli O´Shea ermittelt Bd.1
O'Connell, Pia

Ein irischer Todesfall / Elli O´Shea ermittelt Bd.1


weniger gut

„Ein irischer Todesfall“ – rein vom Titel her könnte man einen Krimi erwarten oder einen Irland-Roman. In beiden Fällen wäre man vermutlich aber enttäuscht. Das Buch ist nicht spannend, nicht romantisch und nicht lustig. Es beschreibt die erste Zeit der dreiköpfigen Auswandererfamilie O’Shea nach Irland, im Rückblick, denn das Buch spielt 1994. Kaum auf der grünen Insel angekommen, stirbt Seáns Onkel, später wird gegen seine beiden Söhne wegen des Mordes an ihm ermittelt. Das ist das Haupt-Thema des Buchs, unterfüttert mit den ersten Eindrücken und Erlebnissen der Hauptfigur Elli, geborene Feuchtwanger.
Diese hat sich offensichtlich nicht sehr über ihre neue Heimat informiert und auch mit der Sprache, vor allem dem örtlichen Dialekt, hat sie Probleme, obwohl es sich um die Heimat ihres Mannes Seán handelt. So ist sie überrascht, dass das Haus, das ihr Mann angemietet hat, nur über Gas aus der Gasflasche verfügt und dass das Warmwasser über einen Boiler aufgeheizt wird. Und dann, ein Ärgernis für sie, das sich durch das komplette Buch zieht: in Irland trinkt man Instant-Kaffee mit (oh mein Gott!) Vollmilch statt Kaffeesahne. Oder man trinkt halt Tee.
Ich weiß nicht, inwieweit sich die Auswandererfahrungen mit denen der Autorin decken, aber für meinen Geschmack muss sie dem Leser viel zu deutlich zeigen, wie tief sie inzwischen in der Irischen Sprache und Kultur verwurzelt ist. Sie serviert dem Leser praktisch ständig englische Begriffe, ganze Sätze bleiben unübersetzt und sie setzt für meinen Geschmack auch viel zu viel Wissen voraus. Okay, ich spreche Englisch auf Muttersprachler-Niveau, ich bin nicht der durchschnittliche Leser. Und selbst ich fand es zum Teil störend, denn wenn ich einen englischen Roman lesen möchte, lese ich einen in der Originalfassung.
Co. ist die Abkürzung für County (die irischen Grafschaften), die Männer tragen „jerseys“ statt eines Oberteils (für das es im Deutschen nicht wirklich einen Namen gibt, da es weder Hemd, noch T-Shirt, noch Polohemd ist, sondern eine Mischung aus allem), Ellis Klamotten sind „casual“. Sie weiß, dass „schlackernde Oberarmlappen“ im Englischen „bingo wings“ heißen, der deutsche Begriff „Winkeärmchen“ ist ihr offensichtlich nicht geläufig. Da geht es zum „house hunting“ statt auf Haus- oder Wohnungssuche und es gibt einen Toten bei einem „hit and run accident“ statt bei einem Unfall mit Fahrerflucht. Dazwischen dann bayerische Ausdrücke, die vermutlich auch nicht jedem geläufig sind. So „benzt“ der kleine Patrick, muss „bisi“ (statt vielleicht noch verständlicher „pieseln“ oder „pipi“) und hat eine „Zwistel“ (landläufig auch als Zwille oder Steinschleuder bekannt) und ihr Mann hat einen „Fetzenrausch im Gesicht“.
Dazu Fehler: Rechtschreibfehler, Sinnfehler und mal fehlt ein Verb. Außerdem ist „clotted cream“ keine Sahne im herkömmlichen Sinne.
Auch die Personen konnten mich nicht begeistern. Außer der Hauptfigur Elli und dem Sohn Patrick sind alle eher oberflächlich beschrieben. Patrick scheint ein pflegeleichtes Kind zu sein, das mit Lego und seinem Müllauto-Buch zufrieden ist. Elli macht dagegen einen eher unzufriedenen, ziemlich gehässigen und arroganten Eindruck. Sie hält ein bisschen zu viel von sich selbst, vor allem, da sie wohl im ganzen Ort die beste Figur hat. Alle anderen werden in „dicklich“, „fettleibig“ oder „Arsch wie ein Brauereipferd“ eingeteilt. Auf der anderen Seite ist sie beleidigt, als der Metzger sich hinter ihrem Rücken über sie lustig macht, da sie die örtlichen Gepflogenheiten nicht kennt.
Bei mir sprang auf jeden Fall der Funke zu keinem Zeitpunkt über, mir fehlt für einen Krimi die Spannung, für einen Auswanderer-Roman der Lokalkolorit und die charmanten irischen Eigenheiten. Auf Elli wirkt alles heruntergekommen, altmodisch und provinziell, sie kann es kaum erwarten, in ein eigenes Haus zu ziehen, das kein grün gefliestes, „psychedelisch getuntes Bad“ hat und mancher Leser wird wohl froh sein, wenn der Mord nach 231 Seiten aufgeklärt ist.