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Island
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Nürnberg

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Insgesamt 541 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2021
Die Frauen von New York - Glanz der Freiheit / Töchter Amerikas Bd.1
Carey, Ella

Die Frauen von New York - Glanz der Freiheit / Töchter Amerikas Bd.1


ausgezeichnet

Der erste Band einer Romanreihe über "Die Frauen von New York" spielt während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt der Handlung steht die talentierte Jungköchin Lily Rose, die eigentlich aus wohlhabenderen Verhältnissen stammt, sodass ihre Mutter wenig begeistert davon ist, dass sie als Köchin arbeitet und nicht möglichst bald heiratet. Unterstützung erhält sie aber durch ihre Großmutter, die ihre Leidenschaft für's Kochen und gutes Essen teilt. Als immer mehr männliche Köche in den Krieg ziehen müssen, erhält Lily Rose sogar die Chance Küchenchefin zu werden, gleichzeitig ist es aber auch eine große Herausforderung, trotz der Rationierung Spitzenküche zu bieten und zudem vermisst sie ihren, im Krieg verschollenen, Kollegen Tom, mit dem sie kurz vor dessen Einberufung zusammengekommen ist.

Mir hat der Roman gut gefallen. Das Cover und der Titel erkennen, dass die Geschichte Anfang oder Mitte des vergangenen Jahrhunderts in New York spielt. Dass die Protagonistin eine Spitzenköchin ist und dies die Handlung prägt, wird aber leider nicht ersichtlich. Lily Rose ist mir auf jeden Fall sehr sympathisch, wie sie mit fairen Mitteln für ihren Traum kämpft, im Restaurant Karriere zu machen und sich privat nicht von ihrer Mutter bevormunden lässt. Man erfährt auch viel über die Hierarchien und Abläufe in einer Spitzenküche, wie sie heute oft wohl noch recht ähnlich sind. Außerdem ist es interessant, mehr darüber zu erfahren, wie aufgrund der Rationierungen improvisiert werden musste, um trotz allem Mangels Spitzenküche bieten zu können. Auch Tom und Lilys Chef wirken sympathisch, wie sie Lily akzeptieren und unterstützen, obwohl eine Frau in einer derartigen Position damals einfach noch nicht als normal angesehen wurde. Der Schreibstil der Autorin ist angenehm lesbar und so, dass man sich gut in Lily und die damalige Zeit hineinversetzen kann.

Bewertung vom 24.08.2021
Dicke Biber
Balàka, Bettina

Dicke Biber


sehr gut

Zunächst einmal möchte ich die Umschlaggestaltung des Buches lobend erwähnen. Es handelt sich um einen hochwertigen Hardcover-Einwand mit rauer Haptik, da klimaneutral und plastikfrei produziert. Die Farbgestaltung ist bunt und zum Thema passend und wirkt zugleich etwas retro. Auch im Buch selbst finden sich weitere Illustrationen, die die Geschichte unterstützen und auflockern, teilweise auch in bunt.

Pico, der eigentlich Amadeus heißt, und nach den Ferien in die vierte Klasse am Gymnasium, also wohl in die 8. Klasse nach deutscher Zählweise, kommt, muss mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester Urlaub in einer Hütte am Ufer eines Donauseitenarms nahe seiner Heimatstadt Wien machen. Diese Hütte hat ihnen eine alte Nachbarin vermacht. Viel lieber wäre er aber, wie sein Freund Batman, der ihm immer wieder Chatnachrichten aus Südfrankreich schreibt, irgendwo am Meer. Zum Glück lernt er bald die etwa gleichaltrige Enkelin ihrer Hüttennachbarn kennen, mit der er die Natur erkundet und schließlich einen erschossenen Biber findet.

Die Geschichte hat mir grundsätzlich sehr gut gefallen, sie thematisiert verschiedene Dinge, unter anderem, dass auch Urlaub nahe der Heimat spannender sein kann, als erwartet, aber auch, dass gute Schulnoten nicht alles sind und jeder andere Interessen und Begabungen hat, auch Familie und ein bisschen erstes Verliebtsein spielen eine Rolle. Man erfährt Dinge über die heimische Natur am Flussufer und zudem schreibt die Autorin teilweise auch mit einem subtilen Humor. Da sie Österreicherin ist, kommen aber teilweise auch Begriffe (z. B. Ribisel) vor, die in Deutschland wenig bis gar nicht gebräuchlich sind, hier wäre es für junge Leser sicher hilfreich, wenn diese irgendwo erklärt würden. Außerdem finde ich den Untertitel "Ein Naturschutz-Krimi" etwas ungünstig gewählt, da der eigentliche "Kriminalfall" sich eher am Ende abspielt und sich nur über einen Bruchteil der Seiten erstreckt. "Abenteuerliche Ferien" oder ähnliches fände ich passender.

Bewertung vom 13.08.2021
Der Mauersegler
Schreiber, Jasmin

Der Mauersegler


ausgezeichnet

Der Arzt Prometheus, sein erster Vorname ist eigentlich Marvin, ist seit seiner Kindheit mit Jakob befreundet. Dieser ist glücklich verheiratet, hat einen kleinen Jungen und seine Frau ist zum zweiten Mal schwanger, als bei ihm Blasenkrebs mit Metastasen diagnostiziert wird. Da Prometheus gerade eine medizinische Studie zur Immuntherapie als Alternative zur Chemotherapie bei Blasenkrebs leitet, bedrängen ihn Jakob und dessen Familie, ihn mit in diese Studie aufzunehmen und Prometheus gibt, trotz Skrupeln wegen der großen Verantwortung für das Leben seines besten Freundes, nach. Doch die Therapie schlägt nicht wie gewünscht an und Jakob stirbt, was nun vielleicht Prometheus Schuld ist. Er flüchtet vor seiner und Jakobs Familie und der Polizei ohne konkretes Ziel ans Meer nach Dänemark, wo ein älteres lesbisches Paar ihn in einer Notsituation aufsammelt und erst einmal bei sich aufnimmt.

Der neue Roman von Jasmin Schreiber ist definitiv keine leichte Kost. Er verdeutlicht auf brutalste Art und Weise, wie der Krebs Menschen, die mitten im Leben stehen, trifft und dass die Wahl der richtigen Therapie oft wie Russisch Roulette ist, auch wenn alle nur das Beste wollen. Jasmin Schreiber gelingt es mit ihrer sprachgewaltigen Ausdrucksweise wieder, die richtigen Metaphern (auch der namensgebende Mauersegler spielt dabei eine Rolle) und Vergleiche zu finden, um zumindest ansatzweise zu verdeutlichen, wie Prometheus sich fühlt, wie er mit sich und seiner Schuld hadert. Auf verschiedenen Zeitebenen werden im Wechsel die "Krankengeschichte" bis zu Jakobs Tod, Prometheus Flucht und schöne Erinnerungen an früher, die verdeutlichen, wie groß die Freundschaft der beiden war, erzählt. Es ist auf jeden Fall ein wichtiges und lesenswertes Buch, das bleibenden Eindruck hinterlässt.

Bewertung vom 12.08.2021
Dich hab ich nicht kommen sehen
Resinek, Nina

Dich hab ich nicht kommen sehen


sehr gut

Die Juristin Mari Thaler tritt nach einer Fehlgeburt einen neuen Job in Berlin an und braucht deshalb schnell eine neue Wohnung. Schon die Besichtigung gestaltet sich recht unkonventionell und so ist dann auch ihre etwa gleichaltrige Vermieterin samt Bruder, Freund und kleinem Sohn. Aber alle nehmen sie sehr herzlich auf und behandeln sie eher als Freundin als als Mieterin und sorgen sich auch um Mari, die nach den harten Zeiten ziemlich dünn geworden ist. Besonders Alexandras Bruder Leo lässt nicht locker und scheint Mari sehr zu mögen (und sie ihn auch), macht im entscheidenden Moment aber dann meist einen Rückzieher.

Mir gefiel der erste Teil der Geschichte mit den etwas skurrilen, aber total liebenswerten Protagonist:innen am Schauplatz Berlin, der auch immer wieder erkennbar war, sehr gut. In Mari konnte ich mich gut hineinversetzen, wie sie die Fehlgeburt verkraften muss und zugleich auch in ihrem Beruf nicht wirklich glücklich ist. Zugleich ist sie aber auch sehr kreativ und denkt sich liebenswerte Phantasietiere für Toby aus, den sie für den Sohn ihrer Vermieterin hält. Man muss sie einfach mögen, genau wie die anderen Hauptpersonen. Ich finde es auch schön, dass es sich hier um keine allzu kitschige Liebesgeschichte handelt, sondern andere Dinge wichtiger sind und auch eine gute Dosis Tiefgang vorhanden ist. Es ist auch schön mitzuerleben, welchen Wandel Mari im Laufe der Handlung durchmacht und privat und beruflich mehr Selbstbewusstsein entwickelt. Gegen Ende wurde mir aber alles etwas zu wirr und unrealistisch mit zusätzlich dazu konstruierten Problemen und ich fand es auch eher unnötig, dass das Essverhalten von Mari so sehr thematisiert wurde.

Bewertung vom 12.08.2021
Heimatsterben
Höflich, Sarah

Heimatsterben


ausgezeichnet

"Heimatsterben" spielt in naher Zukunft, im Jahr 2023. Hanna Ahrens, Ende 30, lebt in New York und arbeitet dort als Journalistin, als sie erfährt, dass ihre Oma Tilde in Deutschland im Sterben liegt. Sie verspricht Tilde, besonders auf ihre Schwester Trixie aufzupassen. Deren Mann Felix Graf von Altdorff ist Kanzlerkandidat einer nationalistischen Partei, deren Mitbegründer er war. Dafür hatte er quasi auch den "Segen" von Tilde, bei der seine Frau Trixie und Hanna aufwuchsen. Obwohl Hanna sich immer sehr gut mit ihrer Oma verstand, hatte diese in vielen Bereichen nämlich ebenfalls sehr konservative Ansichten, geprägt durch ihre Kriegs- und Fluchterfahrung. Überraschend bittet Felix die eigentlich liberal und pro-europäisch eingestellte Hanna dann auch noch, ihn bei seiner politischen Arbeit zu unterstützen. So ist Hanna hin- und hergerissen zwischen ihren eigenen Werten und dem Versprechen am Sterbebett ihrer Großmutter.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Obwohl die Geschichte fiktiv ist und die Handlung ins Jahr 2023 verlegt wurde, weist sie dennoch erschreckend viele Bezüge zur aktuellen politischen Situation auf und vieles erscheint nicht komplett unrealistisch. In Hanna als Protagonistin mit ihrer Zerissenheit zwischen ihrer Familie und ihren eigenen Idealen kann ich mich sehr gut hineinversetzen und auch die weiteren Charaktere wurden überzeugend ausgestaltet und in manch einer Person erkennt man Züge von Menschen aus dem eigenen persönlichen Umfeld oder der Politik wieder. Der Roman macht auf eine erschreckende Weise deutlich, wie schnell der Wahlerfolg einer nationalistischen Partei, die sich nach außen hin den Anschein gibt, demokratisch zu sein und deren Führungsriege vielleicht nicht einmal komplett unsympathisch ist, dazu führen kann, dass Grundrechte nicht mehr gelten. Der Titel des Roman ist sehr passend gewählt und auch der Sinn der Covergestaltung erschließt sich im Rahmen der Lektüre. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar und fesselnd.

Bewertung vom 10.08.2021
Ein Koffer voller Schönheit / Frauen, die die Welt schöner machen Bd.1
Engel, Kristina

Ein Koffer voller Schönheit / Frauen, die die Welt schöner machen Bd.1


sehr gut

Anne Jensen hat den Zweiten Weltkrieg überstanden, ihr Mann Benno ist zumindest körperlich unversehrt aus dem Krieg zurückgekommen und relativ kurz nach Kriegsende bekamen sie Zwillinge, Benno ernährt die kleine Familie in Lüneburg als Tischler, wie auch schon sein Vater und sein Großvater. Ein alter Freund bringt ihn dann aber dazu, mit ihm zusammen ein Möbelhaus zu eröffnen, wodurch er nicht nur weniger Zeit für seine Familie hat, sondern seiner Frau auch immer fremder wird. Da die Zwillinge auch langsam selbstständiger werden, sehnt sie sich Ende der 50er Jahre nach einer neuen Aufgabe und Bestätigung und ihre Schwiegermutter bringt sie schließlich auf die Idee, die erste deutsche Avon-Beraterin zu werden und Kosmetik an die Frauen zu bringen, die nicht von den Möglichkeiten einer Großstadt umgeben sind. Dieser Einstieg ins Berufsleben gestaltet sich Ende der 50er Jahre, als Frauen noch die Zustimmung ihres Ehemannes brauchten, um arbeiten zu dürfen, und eine "emanzipierte Frau" viel Tratsch und Klatsch ausgesetzt war, nicht ganz einfach.

Ich fand die Geschichte sehr interessant, da ich gerne Romane lese, die in der jüngeren deutschen Vergangenheit spielen. Allerdings hat die Kurzbeschreibung etwas andere Erwartungen an die Handlung bei mir geweckt. Ich dachte, die Tätigkeit der Avon-Beraterin, deren Verkaufsstrategie und die Tücken und Vorzüge dieses Systems würden mehr Platz einnehmen. Meiner Meinung nach ist die Thematik aber eher die Frauenrolle der späten 50er Jahre, verbunden mit Beziehungskonflikten und psychischen Spätfolgen des Krieges und Annes neue Tätigkeit spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ich persönlich fand es interessant, das alles aus der Perspektive Annes, die mir sehr sympathisch ist, mitzuerleben, hatte aber eigentlich etwas andere Erwartungen an die Handlung. Mehr Leichtigkeit, Schminktipps und Partystimmung in den Wirtschaftswunderjahren. Nichtsdestotrotz habe ich das Buch mit Interesse und sehr zügig gelesen. Die Autorin schreibt sehr anschaulich und gut nachvollziehbar. Durch Perspektivwechsel konnte man sich sowohl in Anne als auch in ihren Ehemann Benno gut hineinversetzen.

Bewertung vom 09.08.2021
Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4
Winkelmann, Andreas

Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4


sehr gut

In Hamburg wird die junge Anwältin Eva beim abendlichen Joggen brutal ermordet, ihre Partnerin, die Ärztin Laura Windmüller, erhält während deren Todeskampf eine Nachricht, dass ihrer Freundin die Zeit davon läuft. Der Täter filmt zudem alles für die Polizei und stoppt die Zeit bis zum Eintritt des Todes. Im Laufe der nächsten Tage und Wochen kommt es zudem zu weiteren Morden an Läuferinnen, die anscheinend einzige Gemeinsamkeiten ist, dass diese ihre Laufstrecken tracken und in Foren öffentlich teilen. Hauptkommissar Jens Kerner und seine Kollegin Rebecca Oswald versuchen, unterstützt durch einen IT-Forensiker, dem Täter auf die Spur zu kommen und weitere Morde zu verhindern.

Der Thriller widmet sich auf jedem Fall einem wichtigen Thema und macht dem Leser bewusst, dass man nicht jeden seiner Schritte öffentlich im Internet teilen sollte. Die Spannung, wer der Täter ist, bleibt auf jeden Fall bis quasi zum Schluss erhalten, wobei mir manche Zusammenhänge dann doch etwas zu konstruiert waren. Da hätte ich lieber auf die eine oder andere Nebenperson und ihre Geschichte verzichtet. Die Morde sind brutal, weil sie doch realitätsnah sind, werden aber gerade noch so beschrieben, dass es mir nicht zu extrem war beim abendlichen Lesen. Die beiden Ermittler:innen Jens Kerner und Rebecca Oswald sind mir sympathisch und ich finde es gut, dass auch ihr Privatleben eine gewisse Rolle spielt, was sie nahbarer macht. Der Erzählstil mit verschiedenen Perspektiven förderte auf jeden Fall die Spannung, war aber dennoch gut verständlich und nicht verwirrend.

Bewertung vom 09.08.2021
Wir für uns
Kunrath, Barbara

Wir für uns


ausgezeichnet

Die 41-jährige Sozialpädagogin Josie ist ungeplant von Bengt schwanger, einem verheiraten Zahnarzt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat, der aber keine weiteren Kinder mehr möchte. Josie selbst ist sich unsicher, ob sie das Baby auch gegen den Willen Bengts bekommen möchte. Durch einen Zufall lernt sie Kathi kennen, die mit 70 ihren Mann Werner beerdigen musste und sich nun ziemlich einsam fühlt. Ihr Sohn Max ist aus dem Haus und es sind wohl keine Enkelkinder mehr zu erwarten. Den Dorfladen, der einmal ihr Lebensinhalt war, hat sie vor zwölf Jahren auf Werners Wunsch hin auf gegeben. Die beiden Frauen stellen fest, dass sie einen Draht zueinander haben und so ergeben sich neue Perspektiven. Dazu tragen auch Melanie und ihre Tochter Nela, die mit Trisomie 21 geboren wurde und der verwitwete Familienvater und Biobauer Tom bei. Außerdem beginnen beide Frauen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen, um mit dieser abschließen zu können.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, besonders in Josie kann ich mich sehr gut hineinversetzen, aber auch Kathi kann ich gut verstehen. Mir gefällt es, wie auf den ersten Blick recht verschiedene Menschen einander finden und sich gegenseitig gut tun und sich so etwas zutrauen, was sie ohne einander vielleicht nicht gewagt hätten. Der Roman weist auch eine ordentliche Portion Tiefgang auf, es ist kein seichter Liebesroman, auch wenn das Thema Liebe natürlich auch eine Rolle spielt. Ich finde es auch gut, wie das Thema Trisomie 21 und die Möglichkeit, vorab mit einem Bluttest die Gewissheit über einen Gendefekt zu bekommen, angesprochen werden, ohne dies moralisch zu bewerten. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar, sodass ich das Buch quasi in einem Rutsch durchgelesen habe.

Bewertung vom 03.08.2021
Letzte Ehre
Ani, Friedrich

Letzte Ehre


ausgezeichnet

"Letzte Ehre", der neueste Roman des renommierten und vielfach ausgezeichneten Schriftstellers Friedrich Ani ist keine leichte Kost, da sich verschiedene Fälle von schwerer Misshandlung wie ein roter Faden durch die Handlung ziehen.

Zunächst ermittelt Oberkommissarin Fariza Nasri, eine Münchenerin Ende 50 mit syrischem Vater, im Fall einer verschwundenen Schülerin. Im Rahmen der Ermittlungen stößt sie auf einen lange zurückliegenden Fall von Kindesmissbrauch und dann wird auch noch ihre beste Freundin schwer misshandelt in ihrer Wohnung aufgefunden.

Der (Kriminal-)roman punktet auf jeden Fall durch große Authentizität, auch wenn diese teilweise schwer zu ertragen ist. Friedrich Ani ist es sehr überzeugend gelungen, die Beteiligten "echt" wirken zu lassen, so wie er sie sprechen und auftreten lässt. Alle, auch die Kommissarin sind spezielle Charaktere, geprägt durch ihre Vorgeschichte. Was die Details der Verbrechen an den Missbrauchsopfern angeht, schafft Friedrich Ani es, genau so viel preiszugeben, dass man als Leser betroffen oder teilweise auch erschüttert ist, ohne aber zu detailliert auf die Misshandlungen einzugehen. Sprachlich ist der Roman sehr ausgefeilt, mit vielen sprachlichen Bildern, die unter anderem die Gefühle der Beteiligten etwas besser nachvollziehbar machen. Die Spannung steht dabei weniger im Mittelpunkt als das Aufzeigen der Abgründe und das schonungslose Offenbaren der Folgen für ein ganzes menschliches Leben. Nur das Ende des Romans hätte es für meinen Geschmack so nicht gebraucht.

Bewertung vom 03.08.2021
Die Heimkehr der Störche / Die Gutsherrin-Saga Bd.2
Graw, Theresia

Die Heimkehr der Störche / Die Gutsherrin-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Bei "Die Heimkehr der Störche" handelt es sich um den zweiten Teil von Theresia Graws Gutsherrin-Saga. Während der erste Teil weitgehend in den Wirren des Zweiten Weltkrieges in Ostpreußen und während der Flucht vor den Russen spielte, sind Dora und ihre Familie mittlerweile seit mehreren Jahren auf einem Hof in der Lüneburger Heide untergekommen, wo sie hart mit anpacken müssen.

Dora fühlt sich dort sehr unwohl, ihre Familie wird von den Dorfbewohnern als Flüchtlinge beschimpft und ausgegrenzt und sie vermisst auch ihre große Liebe den Fotografen Curt, den sie 1944 zuletzt gesehen hat. Als sie 1952 endlich ein Lebenszeichen von ihm in Form einer Meldebescheinigung, dass er kurz nach dem Krieg im Ostteil von Berlin lebte, erhält und zudem einen Studienplatz für Tiermedizin in Ost-Berlin angeboten bekommt, überlegt sie nicht lange und zieht mit Curts Tochter Clara, die sie quasi adoptiert hat, dort hin. Dadurch, dass sie eigentlich von einem ostpreußischen Gutshof stammt, begegnet man ihr in der sozialistischen DDR mit einer gewissen Portion Skepsis und auch Dora kann nicht ganz vergessen, welche Erfahrungen sie mit den Russen gemacht hat. Manchmal gelingt es ihr dann auch nicht, ihre Meinung zu verbergen. Außerdem scheint Curt in der DDR im Gefängnis zu sitzen, ohne dass es ihr möglich ist, Kontakt zu ihm aufzunehmen.

Ich habe bereits den ersten Teil gelesen und mich sehr über das "Wiedersehen" mit Dora und ihrer Familie gefreut. Zu Beginn musste ich erst einmal wieder in die Handlungen hineinkommen, aber das gelang mir recht schnell. Grundsätzlich würde ich auf jeden Fall empfehlen, auch den ersten Teil zu lesen, um mit der Vorgeschichte vertraut zu sein. Die Protagonist:in Dora ist mir auf jeden Fall sehr ans Herz gewachsen, wie sie für ihre berufliche Zukunft und ihre Liebe kämpft. Ich fand es auch spannend, in diesem Band aus Doras Perspektive die entbehrungs- und ereignisreichen Nachkriegsjahre und die Gründungsjahre der DDR mit allen Problemen und Ungerechtigkeiten, aber auch mit gewissen Vorzügen, wie dem gleichberechtigtem Zugang zu einem Studium für Frauen, miterleben zu können. Der Schreibstil ist sehr angenehm lesbar und die Handlung hat mich gefesselt, sodass ich das Buch kaum aus der Hand legen wollte.