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SofieWalden

Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 20.06.2021
Nachttod / Hanna Duncker Bd.1
Mo, Johanna

Nachttod / Hanna Duncker Bd.1


sehr gut

Toller Beginn einer neuen Krimireihe, Nr. 1 in Schweden

Hanna Duncker, die Ermittlerin dieser neuen Krimireihe, kehrt in das Dorf ihrer Kindheit zurück und nicht nur ihr erster Fall vor Ort knüpft an ihre eigene Vita in der alten Heimat an, denn der erstochene junge Mann ist der Sohn ihrer ehemaligen Freundin. Noch um einiges schwerer wiegt das Verbrechen, das ihr eigener Vater vor vielen Jahren hier begangen hat. Er hat einen Menschen ermordert und saß dafür 16 Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung ist er dann gestorben, aber die Geschichte ist natürlich nicht vergessen und dass Hanna, jetzt ja selbst auf der Seite der Polizei, nun zusammen mit ihrem Kollegen Erik Lindgren, einem im Gegensatz zu ihrer eigenen Person, sehr offenen komunikativen Mann, sozusagen an den Ort des Verbrechens zurückkehrt, das reißt Wunden auf und macht das Ermitteln nicht gerade leichter. Aber letztendlich focussiert sich die Handlung der Geschichte doch, was vom Ansatz her so nicht unbedingt zu erwarten war, aber durchaus positiv zu bewerten ist, sehr auf den eigentlichen Mordfall selbst, den das neue recht gegensätzliche Ermittlerduo hier zu lösen hat.
Ein wirklich spannender Kriminalroman, der bis hin zur Auflösung sehr überzeugend rüber kommt und seine Meriten als Nr. 1 Erfolg in Schweden durchaus verdient. Und, so soll es ja auch sein, ich freue mich schon auf den nächsten Auftritt des neuen Ermittlerpaars. Da wird es sicherlich noch sehr interessante Einblicke ins Private geben. Einfach mal sehen, wo sie der gemeinsame Weg hinführt.

Bewertung vom 20.06.2021
Mohnblumentod / Charlie Lager Bd.3
Bengtsdotter, Lina

Mohnblumentod / Charlie Lager Bd.3


sehr gut

Das Dunkel dahinter, Schritt für Schritt kommt es ans Licht

Die schwedische Kommissarin Charlie Lager hat einen neuen Fall. Es ist der inzwischen dritte der Buchreihe, den sie mit den Lesern teilt. Ein Baby wird entführt: Es gibt aber keine Lösegeldfordreung. Was also steckt dahinter, was verbergen die Angehörigen des Babys, wo liegt das Motiv? Nur sehr langsam gräbt sich die Kommissarin durch eine Wand des Schweigens und wenn einmal eine Aussage erfolgt, stellt sich das meist als ein Intrigenspiel aus Lügen und Halbwahrheiten heraus. Dazu kommt, das Charlie auch private Verbindungen zu einem Geschehen hat, das sich letztendlich als dem Fall zugehörig herausstellt, auf sehr tragische Weise.
Dieser Thriller bietet absolut spannende Unterhaltung, wobei man sich darauf einstellen muss, das hier schon richtig schwere Kost serviert wird. Da tun sich wahre Abgründe auf, also nichts für zarte Gemüter. Dazu packend erzählt und geadelt mit dem richtigen Tatsch nordischen Flairs, eine vollkommen runde Sache!

Bewertung vom 20.06.2021
Das Land der Anderen
Slimani, Leïla

Das Land der Anderen


sehr gut

Der Kampf, dazuzugehören, seinen Platz zu finden in einem zerrissenen Land

Die französisch-marokkanische Schriftstellerin Leila Slimani, Preisträgerin des Prix Goncourt, erzählt hier eine Geschichte. Es ist ein Roman, aber er basiert auf dem Leben ihrer Großmutter.
Die Elsässerin Mathilde, eine stattliche große junge Frau,lernt am Ende des zweiten Weltkriegs den in Diensten der französischen Armee stehenden Offizier Amine Belhaj kennen, als dessen Regiment in ihr Dorf einmarschiert, als gefeierter Befreier. Der Marokkaner und die vor Lebenslust und Energie strotzende Mathilde heiraten und sie begleitet ihren Mann nach Marokka, wo er auf dem von seinem Vater geerbten Stück Land weit außerhalb der nächsten Stadt ein blühendes Anwesen erschaffen will. Als sie dort ankommen, ist dies für Mathilde erst einmal ein Schock. Außer einer armseligen Hütte gibt es nichts, aber sie kremmelt die Arme hoch und versucht, ihrem Mann und ihrer Erstgeborenen Aicha ein Zuause zu schaffen. Ihr Mann ist von Sonnenaufgang bis zum späten Abend für sein Gut unterwegs, er plant, stellt Leute ein und arbeitet ohne Unterlass, um die Äcker zu bestellen. Von der in der in einiger Entfernung lebenden Familie ihres Mannes wird Mathilde freundlich aufgenommen, aber die unterschiedlichen Kulturen, ihre Herkunft als Französin - Frankreich agiert immer noch als Kolonialmacht in diesem Land – es ist nicht einfach, das Leben in Marokko, in dieser zerrissenen, nach Freiheit und Autarkie strebenden Gesellschaft. Die Außergewöhnlichkeit ihrer Beziehung als arabisch-französiches Paar macht es ihr schwer, dazuzugehören, wozu auch immer. Ihr Mann fühlt sich trotz der erduldeter Demütungen den Franzosen verbunden, ist gleichzeitig aber tief in seiner eigenen familiären und kulturellen Heimat verwurzelt. Sie dagegen wird akzeptiert, gehört teilweise sogar ein wenig 'dazu', aber zuhause fühlt sie sich hier nicht. Sie kämpft sich durch die Jahre, bekommt einen Sohn, sucht ihren Weg, was möglich ist, in diesem Aufeinandertreffen und Miteinander zwischen ihnen beiden, Anime und Mathilde, als Mann und Frau. Sie denkt, vielleicht hat sie ja ihren Platz gefunden, aber von außen wird es schwerer. Die Marokkaner, vor allem die jungen, wollen die Freiheit für ihr Land und Frankreich bewegt sich nur langsam. Viele Franzosen leben hier. Sie haben hart gearbeitet, sich ihre Ländereien aufgebaut. Marokko ist auch ihr Zuhause geworden und ihren Besitz wollen sie auf keinen Fall aufgeben.
Dieser Roman, er zeigt das Leben auf, in einem zerrissenen Land, das eine Zukunft sucht, seine Zukunft. Und geradezu symbolisch, mitten in diesem 'Glutofen' des Aufeinanderprallens von Kulturen, von Interessen, der Forderung nach Selbstbestimmtheit und Freiheit, lebt Mathilde, mutig und stark und gewillt, Kompromisse zu schließen und Einvernehmen zu erzielen, aber der Vulkan brodelt und steht kurz vor der Explosion.
Ein starkes Buch, ein Stück Geschichte, ein Leben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.06.2021
Die große Familie
Kouchner, Camille

Die große Familie


sehr gut

Der lange Weg zur Offenbarung und so viel Leid

Camille Kouchner, die Autorin dieses Buches, erzählt hier ihre Geschichte, die Geschichte, die so eng verbunden ist mit dem, was einst ihrem Zwillingsbruder geschehen ist, so viele, viele Male. Sie erzählt von dem, was sie ihre Schuld nennt, denn ihr Bruder, dem sie schon immer so unendlich verbunden war, hat ihr davon erzählt, von dem Missbrauch, dem Inzest, durch ihren gemeinsamen Stiefvater, dem Mann, der ihnen eine wunderbare freie Kindheit geschenkt hat und sie eigentlich mit so viel Liebe und Respekt begleitet hat, um sich in ihren eigenen Persönlichkeiten ohne Regeln und Grenzen zu entfalten.
Camille wächst in einem intelektuellen, sehr politischen Elternhaus auf, in dem das Recht auf personliche Freiheit über alles gestellt wird. Ihre Mutter ist eine hochangesehene Juraprofessorin, ihr Vater als Arzt Mitbegründer von 'Ärzte ohne Grenzen' und später dann auch Minister, ihr Stiefvater ebenfalls Juraprofessor und vernetzt bis in höchste politische Kreise. Und das Umfeld dieser petite famille sieht genauso aus. Hochrangige Persönlichkeiten in der Verwandschaft und eine große 'grande famille', die sich regelrecht um diesen kleinen Kreis scharrt, fasziniert und selbst hochgradig elitär, im Denken und im Handeln auch. Jeden Sommer traf man sich in einem großen Anwesen auf dem Land und ließ es sich gutgehen. Es würde diskutiert, gegessen, getanzt und experimentiert, wenn man dies so nenen kann. Und das übergeordnete Dach dieser Blase, das Recht auf die absolute Freiheit des eigenen Seins und hier vor Ort auch des Handelns, in Bereichen wie den sexuellen Geflogenheiten, das wurde ebenfalls weitlich zelebriert, unter den Erwachsenen. Und dann war da diese Grenzüberschreitung des Dirigenten dieses Orchesters und alle schauten weg. Vielleicht haben sie es damals auch wirklich nicht gewusst, aber selbst im nachhinein, nach so vielen Jahren, nach so viel ertragenem Leid und dem Schweigen, das letztendlich mitverantwortlich für die Zerstörung ihrer Famille, Camilles Familie war, standen und stehen sie zu ihm, die Vasallen des Stiefvaters.
Das Buch, diese Geschichte, sie ist wahr. Sie trifft einen tief und egal, wie lange man die Buchdeckel schon geschlossen hat, diese Tragödie, etwas davon bleibt in einem zurück.
In Frankreich hat dieses Buch zu viel Aufsehen, heftigen Diskussionen und tatsächlich auch zu neuen Gesetzesvorlagen geführt. Und auch über die Landesgrenzen hinaus wirkt es nach. Das lindert nicht den Schmerz, aber, gerichtet an Camille und ihren Bruder; es hilft.

Bewertung vom 05.06.2021
Liebe auch an Regentagen
Carr, Robyn

Liebe auch an Regentagen


gut

Ein Neuanfang mit Begleitung und daraus wird ja vielleicht mehr

Dies ist ein Roman, der von der Liebe erzählt, der Liebe von Lauren und Beau. Beide haben gerade eine Trennung hinter sich gebracht, so halbwegs zumindest, denn Laurens Mann, Arzt und gewohnt, dass alles nach seinen Vorgaben abläuft, kann sich einfach nicht damit abfinden, dass es seine Frau nach über 20 Jahren Ehe tatsächlich gewagt hat, sich von ihm zu trennen. Und er will sie auf jeden Fall wieder zurück, weniger aus Liebe, sondern eher aus der Haltung heraus, das er hier das Sagen hat. Und auch Beaus aus seiner Ehe mitbekommenes Seelenpaket, von Beruf ist er ist Landsschaftsarchitekt, wiegt schwer. Langsam und vorsichtig nähern sich die beiden an, fassen Vertrauen und öffnen ihre Herzen. Und gerade Beau wird für Lauren zum großen Unterstützer auf dem holprigen Weg hin zu einem wirklichen Neuanfang.
Das Buch ist sehr angenehm zu lesen und gerade die bereits etwas lebenserfahrernen Protagonisten, die diesem Liebesroman das passende Maß an Tiefe und Realität liefern, machen diese Geschichte zu einem sehr schönen Leseerlebnis. Und trotz aller vielleicht manchmal etwas zu hochgepuschter Dramatik bleibt das Buch recht leichter unterhaltsamer Lesestoff, der einfach gut tut. Sicherlich hätte man tiefer graben können und die Hintergründe thematisch intensiver aufarbeiten, aber das erwarte ich hier gar nicht und eigentlich bietet dieser Roman inkl. seines einladenden Covers genau das, was ich mir gewünscht habe, eben 'Liebe auch an Regentagen'.

Bewertung vom 05.06.2021
Eine Freundin für Mia - Leserabe ab Vorschule - Erstlesebuch für Kinder ab 5 Jahren
Fischer-Hunold, Alexandra

Eine Freundin für Mia - Leserabe ab Vorschule - Erstlesebuch für Kinder ab 5 Jahren


sehr gut

Ein Leserabe mehr, das darf ruhig sein

Der 'Leserabe', die bekannte Lesestufenreihe, bisher mit jeweils mehreren Buchgeschichten angeboten für Kinder der 1. und 2. Klasse, hat Zuwachs bekommen. Jetzt dürfen sich auch Kinder, die zur Vor-Lesestufe gehören, an diesen gelungenen Büchern erfreuen.
Mia geht bald in eine neue Schule und sie stellt sich vor, dass sie dort bestimmt eine Freundin findet, die aussieht wie eine Prinzessin und gerne Einhörner mag. Als sie dann die Klasse betritt, fallen ihr sofort die drei blonden schön angezogenen Mädchen auf, die genauso aussehen, wie Mia sich ihre Freundin vorgestellt hat. Leider stellt sich dann aber heraus, das alle drei Mia garnicht mögen und auch ziemlich blöd und eingebildet sind. Und so macht sich Mia nach ihrem ersten Tag allein auf den Weg nach Hause, als ein Mädchen mit einer Zahnlücke und sehr jungenhaften Klamotten sie anspricht und sie fragt, ob sie den anscheinend teilweise gemeinsamen Schulweg zusammen gehen sollen. Mia ist davon nicht begeistert, denn wie 'die Prinzessin', die sie sich vorstellt, sieht ihre Schulkameradin nicht aus und so weist sie sie ab. Aber dann kommt sehr schnell alles anders und Mia braucht dringend Hilfe. Und wer da wohl so richtig nett und total in Ordnung ist und auch garnicht nachtragend. Ratet mal!
Also man sieht, eine richtig schöne Geschichte zum Vorlesen und ganz wichtig, das, was den kleinen 'Mitlesern' da visuell geboten wird, ist absolut gelungen und eine gute Vorübung für den nächsten Schritt, Bildschriftzuordnung auf genau dem richtigen Niveau. Und als kleine Beigabe, ein bisschen Rätselspaß ist auch noch mit dabei.
Wieder ein echter 'Leserabe' eben!

Bewertung vom 24.05.2021
Der Himmel ist hier weiter als anderswo
Pauling, Valerie

Der Himmel ist hier weiter als anderswo


sehr gut

Wenn das Alte Land zum Zuhause wird

Das Alte Land, südlich der Elbe vor den Toren Hamburgs gelegen, eine herrliche Naturlandschaft, vom Obstanbau geprägt, hier gibt es eine Menge historischer Gebäude, die, ihrer alten Funktion als Gasthäuser enthoben, auf neue Besitzer warten. Und eines dieser Backsteingebäude, mit einem großen Obstgarten und der Elbe hinter dem Haus, gehörte jetzt Felicitas und ihren vier Kindern, Rasmus, Ricke, Martha und Golo, der älteste 16, der jüngste Golo erst fünf. Vor zwei Jahren ist Jan, Fees Mann an einem Herzinfarkt gestorben und die von diesem Ereignis immer noch traumatisierte Geigerin - während Jan starb, spielte sie gerade das beste Solo ihres Lebens – konnte ihre Stelle als zweite Stimme im dortigen Orchester nicht mehr ausfüllen. Sie konnte ihr geliebtes Instrument einfach nicht mehr spielen. Und jetzt, nachdem man ihr ihre Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt hat und die Musikschule, in der sie inzwischen unterrichtete, sie ebenfalls nicht mehr wollte, brauchte sie einen Neuanfang und als erstes ein neues Zuhause. Und so kauft Fee das alte Gebäude, das Geld der Lebensversicherung ihres Mannes reicht gerade dafür und zieht um, aus Hannover in die Elbmarsch, in ein hoffentlich besseres neues Leben. Und es klappt am Anfang ganz gut. Die Kinder werden, alle sehr eigene kleine Persönlichkeiten, schnell heimisch, der alte Hausbesitzer ist glücklich über das wiedereinkehrende Leben in 'seinem Gasthof' und bei der ersten Reparatur ist dessen Neffe eine große Hilfe. Die neue Idee, Geld zu verdienen, kommt erst einmal richtig gut an und so geht es voran. Und die Zeit heilt auch ein paar von Fees eigenen tiefen Wunden. Aber das Haus ist nun mal alt und nicht alle Menschen sind ihnen freundlich gesinnt. Wie wird es wohl weiter gehen.
Eine schöne Geschichte, die lebt von dieser kleinen Großfamilie, von Fee, die kämpft und einfach nicht aufgeben will, von Zufällen, die zu Gutem und manchmal auch Schlechtem führen, einer Handvoll Menschen, die wirklich zu Freunden werden und natürlich dem herrlichen Flair des 'Alten Lands', das man, wenn man diesen Roman gelesen hat, unbedingt einmal besuchen will.
Es ist eine wirkliche Freude, von dieser Geschichte mitgenommen zu werden. Hier fühlt man sich einfach wohl.

Bewertung vom 18.05.2021
Viktor
Fanto, Judith

Viktor


ausgezeichnet

Eine jüdische Familiengeschichte, zutiefst berührend und unendlich präsent im hier und jetzt

Dies ist die Geschichte der jüdischen Familie Rosenbaum, die auf den wahren Begebenheiten der Familie der Autorin selbst beruht. Sie erzählt von der Studentin Geertje, die sich, belastet durch das dezente Stillschweigen in ihrer eigenen jüdischen Familie, nun selbst aufmacht, um mehr zu erfahren, über das, was einst wirklich wahr. Und sie nimmt uns mit auf diese Reise, die nicht nur sie selbst zu einem anderen Menschen macht, die zu Distanz und Abgrenzung führt, aber auch zu Hochachtung, tiefem Verstehen und letztendlich zu der Akzeptanz ihrer eigenen tiefen Einbindung in eben diese Gemeinschaft.
Beginnen tut alles im Jahre 1914, als der kleine Viktor, schon als Kind tatkräftig, pragmatisch und herzensgut, einem anderen halb verhungerten jüdischen Jungen zur Hilfe kommt und seine Familie dazu bringt, diesen Bubi ohne viel Worte in die wohlhabende österreichische Familie Rosenbaum aufzunehmen. Und fortan gehört er dann einfach dazu. In den folgenden Jahren wird Viktor zu einer Art schwarzem Schaf der Familie. Das erwartete, in der Gesellschaft hoch anzusehende Handeln bleibt beruflich und privat eher außen vor, er betätigt sich mehr kreativ in allen möglichen Unternehmungen und auch beim weiblichen Geschlecht ist er recht vielfältig unterwegs. Sein Vater, ein angesehener Anwalt, lässt kein gutes Haar an ihm, was Viktor schon sehr zu schaffen macht, denn, das wird sich noch zeigen, er ist ein guter Mensch und in späterer Zeit der Retter nicht nur in der Not, sondern von Leben und dazu gehört auch das seines Vaters selbst.
Und so erleben wir, sehr real, die Geschichte dieser Familie mit, die Zeit des Anschlusses Österreichs an das deutsche Reich und die unglaublichen Dinge, die dann mit der jüdischen Bevölkerung geschahen.
Der stetige Wechsel der Zeiten zwischen dem Damals und dem Agieren der inzwischen Jura studierenden Geertje im heute führt dabei zu einer immer intensiveren Anbindung der Generationen. Und der Großvater von Geertje in der Zeit der 1990er Jahre ist der Bruder von eben diesem Viktor, dem letztendlich auch dieses Buch gewidmet ist, 'zum verehrenden Gedenken'. Und am Ende, wahrlich am Ende, da erfährt man dann doch noch etwas Trost, bei all der Fassungslosigkeit über das Geschehene und trotz der Machtlosigkeit, dem einfach nur zusehen zu können, denn da wendet sich Viktors Vater an seinen Sohn und sagt ihm, dass er ein guter Sohn und er stolz auf ihn ist. Und genau das war es doch, was Viktor so gerne wollte, seinen Vater stolz auf ihn machen.
Ein ehrendes Denkmal für einen aufrichtigen Menschen, der da war zur richtigen Zeit, wann immer man ihn brauchte, eingebettet in die Geschichte. Und dies ist auch unsere Geschichte und sie wird, unvergessen, es immer bleiben.

Bewertung vom 06.05.2021
Der Junge, der das Universum verschlang
Dalton, Trent

Der Junge, der das Universum verschlang


ausgezeichnet

Ein Debütroman, der ein absolutes Leseerlebnis ist

Der Australier Trent Dalton, mit Auszeichnungen überhäuft, u.a. auch viermal als Journalist des Jahres geehrt, legt hier sein Debüt als Romanschriftsteller vor. Und, um es gleich vorweg zu nehmen, er kann auch Romane schreiben, so gut, dass diese Geschichte in meinem Leseuniversum auf jeden Fall in die Abteilung 'Buch des Jahres gehört.
Dies ist ein biographisch geprägter Roman und er erzählt die Geschichte der Brüder Eli und August Bell, ihr Heranwachsen in einem Sozialbau-Vorort von Brisbane, mit ihrer Mum, die sie beide vergöttern und einem Stiefvater Lyle, den gerade Eli über alles liebt. Es sind bescheidene Verhältnisse, in denen sie leben, aber sie sind von Zuneigung und Liebe bestimmt. Und da ist Slim, der Houdini der Ausbrecher von Boggo Road, der als Babysitter für die beiden Jungs fungiert, ein weiser, außergewönlicher Mann und Elis bester Freund. Er ist immer für die beiden da, auch als die Dinge sich plötzlich ändern, als das Gute, das Lyle für das Fortkommen seiner Familie tut, in Gewalt, dem Verlust von Elis Zeigefinger, dem Verschwinden seines Dads und einer Gefängnisstrafe für seine Mutter endet. Aber das Leben geht weiter und die zwei Brüder landen bei ihrem richtigen Vater, einem Mann, traumatisiert von dem Tag, als er mit eben diesen, seinen beiden Söhnen, in den Mondsee fuhr und damit die Geschichte seiner echten und einzigen Familie zu Ende war.
Dieser Roman ist alles, hart, packend, voller sozialer und menschlicher Abgründe, von erstaunlich wenig Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, ein wenig Hass und jeder Menge krimineller Elemente, von denen die meisten, würde man danach fragen, ganz viel Gutes in sich tragen. Und zwischen all dem, in diesem Leid, da ist das Gefühl der Liebe, so echt und ehrlich, dass es einen zutiefst berührt. Und von ganz oben (vielleicht ja vom Himmel) schaut der einzige und echte, Arthur Ernest 'Slim' Halliday, der Houdini der Ausbrecher, auf seine Jungs herunter und ruft ihnen zu 'Schnappt euch die Zeit, bevor sie euch schnappt', und Eli, vergiss es nicht!
Einfach ein unbeschreiblich bombastisch gutes Buch, das immer ein kleines Plätzchen in meinem Leserherzen haben wird und in meinem 'für immer Lieblingsbücherregal' natürlich sowieso.

Bewertung vom 02.05.2021
Die Rebellion der Alfonsina Strada
Baldelli, Simona

Die Rebellion der Alfonsina Strada


sehr gut

Eine starke Frau bereitet den Weg, nicht nur auf dem Rad

Alfonsina Strada, ein Name, den man eigentlich kennen sollte und dank dieses Romans tut man dies jetzt auch. Sie war die erste und einzige Frau, die je beim großen Giro d'Italia mitgefahren ist und das 1924, als der Platz der Frau in der Gesellschaft doch noch vorwiegend 'daheim am Herd' zu finden war. Diese Geschichte erzählt ihr Leben, auf und neben ihrem geliebten Rennrad, beschreibt dieses Gefühl von Freiheit und Selbstverwirklichung, wenn der Wind ihr durch die Haare weht und sie durch die Landschaft rauscht, diesen unbedingten Willen, genau dies zu tun und das auch eben ganz offiziell in Rennen gegen Männer. 36 teils hochrangige Rennen ist sie gefahren, eben gegen Männer und sie hat dabei nicht wenige hinter sich gelassen, wenn sie über die Ziellinie geschossen kam. Dieser Teil ist Fakt und natürlich überall nachzulesen. Aber die Person dahinter, ihr gerade in den Anfangsjahren hartes Leben, ihre notwendigerweise mit einer sehr kämpferischen Haltung versehene Persönlichkeit, die Menschen, die an sie geglaubt und sie unterstützt haben und später auch die Achtung und Wertschätzung ihrer Leistung und ihrer selbst durch die männliche Journaille und die Bevölkerung am Straßenrand, das wird hier wunderbar rübergebracht in diesem Buch. Natürlich ist das meiste durchaus als fiktiv anzusehen, aber es passt einfach. Denn genauso hätte es sein können und ist es sicherlich auch in vielem gewesen. Und am Ende freut man sich, dass man Alfonsina so nahe hat kommen dürfen. Sie war ihrer Zeit weit voraus und ich danke ihr, denn ich bin mir sicher, ein ganz kleines Stückchen hat auch sie mitgeholfen, uns weiterzubringen, hin zu einer Gesellschaft, wo Gleichberechtigung eigentlich kein Thema mehr zu sein braucht, irgendwann.