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seschat
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Bewertungen

Insgesamt 897 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2019
Oliven zum Frühstück
Casell, Pia

Oliven zum Frühstück


ausgezeichnet

INHALT
Lisa Stadlers lang gehegter Traum wird endlich wahr. Für zwei Wochen darf die promovierte Archäologin in Roussolakos auf Kreta eine Ausgrabung leiten. Hier im verschlafenen Dorf nahe Palekastro soll sich eine minoische Palastanlage befinden. Doch sie hat nicht mit dem sturen, aber attraktiven Olivenbauern Charis gerechnet, der sein Land keineswegs für wissenschaftliche Zwecke hergeben will. Als dann auch noch der Sponsor aufgrund ausbleibender Funde kurzfristig abspringt, gerät Lisas Leben gehörig ins Wanken...

MEINUNG
Pia Casells Debütroman vermochte mich ab der ersten Seite zu begeistern. Das lag einerseits an der willensstarken Hauptprotagonistin und ihrer archäologischen Leidenschaft sowie andererseits am zauberhaften Handlungsort Kreta.

Mittdreißigerin Lisa Stadler ist eine starke, überkorrekte Person, die für ihr Fach, die klassische Archäologie, hundert Prozent brennt, aber privat kein Fettnäpfchen auslässt und noch dazu nur schwer abschalten kann. Mir war sie von Beginn an sympathisch, weil ich selbst studierte Archäologin bin, ihre Faszination für Kreta und Sprachen teile und dadurch sehr gut mit ihr mitfühlen kann. Charis ist der Gegenpol zu ihrer hektischen, wissbegierigen Natur. Der gut aussehende Olivenbauer liebt das Inselleben und möchte das alles so bleibt, wie es ist. D.h., er will unbedingt verhindern, dass die starrköpfige deutsche Archäologin in seinem Olivenhain gräbt und damit Medien und Touristen anlockt. Blöd nur, dass entgegen der täglichen Zwistigkeiten beide einander bewundern und es bald schon um mehr als den verborgenen minoischen Palast gehen wird. So viel sei verraten, allein schon ihre süffisanten Wortgefechte und Lisas ungewollte Showeinlagen sind einen Lektüre wert. Abgesehen von den beiden Streithähnen bildet Charis Familie mit Großmutter, Schwestern, Tanten usw. eine wirklich herzliche Gemeinschaft, wie man sie heute in Deutschland nur noch selten findet. Keiner missgönnt einen etwas, im Gegenteil man unterstützt einander, kocht gemeinsam und nimmt einfach Anteil am Leben des Anderen. Neben dieser Komponenten fürs Herz gibt es auch Einiges für den Verstand. Die Exkurse zur Geschichte Kretas sowie die archäologischen Schilderungen ergänzen den Roman auf wunderbar stimmige Weise. Wer einmal auf einer Grabung gewesen ist oder selbst Archäologie studiert hat, wird sich schnell wiederfinden. Auch die Schattenseiten des Business, wie Antikenhandel, Mobbing und Kampf um finanzielle Mittel, werden nicht verschwiegen. Darüber hinaus gibt es den Ort der Handlung wirklich, so dass der geneigte Leser diesen bei der nächsten Kretareise einmal besuchen kann.

Pia Casells locker-leichter Erzählstil traf vollkommen meinen Geschmack. Ihr Humor und ihre Begeisterung für Land und Leute sprachen aus jeder Zeile. Ich habe mich herrlich über Lisa amüsiert, aber gleichzeitig auch mit ihr mitgelitten, als sie auf einmal alles verloren zu haben schien. Zudem mochte ich es, wie spielerisch sie neugriechische Sätze und Wörter mit in den Text einfließen ließ.

FAZIT
Endlich mal wieder ein belletristischer Roman, der mich von Anfang bis Ende bestens unterhalten hat und nebenbei gehörig Fernweh entfachte.

Bewertung vom 01.05.2019
Die psychotische Gesellschaft
Schirach, Ariadne von

Die psychotische Gesellschaft


gut

Der Buchtitel hat mich neugierig auf das neueste Werk der Autorin gemacht. Zudem mochte ich Ariadne von Schirachs Buch "Ich und du und Müllers Kuh" sehr. Ihre gesellschaftskritischen Töne und intelligenten Studien sind einfach immer eine Lektüre wert.

In "Die psychotische Gesellschaft" dreht sich alles um unsere moderne Gesellschaft, die es verlernt zu haben scheint, auf sich selbst und die Umwelt zu hören. Mehr noch man funktioniert im Räderwerk des Kapitalismus einfach mit, verkauft sich durch Bilder auf Instagram meistbietend oder flüchtet ins Spirituelle, um sich nur nicht mit der Wirklichkeit auseinandersetzen zu müssen. Es ist einfach nur bedenklich, wenn keiner mehr an die Grundwerte des menschlichen Miteinanders und die Zukunft denkt. Getreu dem Motto: Erst komme ich und dann lange nichts. "Hyperrealität" und die "Ökonomisierung aller Lebensbereiche" entfremden den Menschen immer mehr von sich selbst. Ariadne von Schirach wagt mit ihrem Buch die Rolle rückwarts und plädiert für mehr Empathie, Umweltbewusstsein und Liebe.

Wenngleich ich Schirachs Thema hochinteressant fand, so hat mich doch ihre kleinteilige sowie faktenreiche Erzählweise mehr als einmal herausgefordert. Philosophische Denkmodelle von Platon bis Nietzsche wurden en passant mit eingeflochten, welche vom Leser stets die volle Aufmerksamkeit verlangten. Die eingeschobenen Fallbeispiele stellten hingegen wohltuende Inseln dar, die allzu theoretische Erklärungen wunderbar greifbar werden ließen. Die angeführten Erkenntnisse und Ideen waren durchweg spannend, wurden aber leider mit zu viel „Wissenswertem“ überfrachtet. Deshalb musste ich zum Nachdenken oder Innenhalten das Buch oftmals beiseitelegen. Zur schnellen, gar flüssigen Lektüre eignet sich das vorliegende Buch also nicht.

FAZIT
Ein interessantes Sachbuch für Akademiker und Philosophen, aber weniger für jedermann.

Bewertung vom 28.04.2019
Sommertage auf Capri (eBook, ePUB)
Gregorio, Roberta

Sommertage auf Capri (eBook, ePUB)


sehr gut

INHALT
Mittzwanzigerin Velia hat das ständige Pendeln zwischen ihrer Heimat Neapel und München satt. Ihr deutscher Langzeitfreund Niklas führt einen Hof und macht keine Anstalten etwas an ihrer Fernbeziehung ändern zu wollen. Da kommt Velia die Bitte von Tante Franca, für einen Sommer in einer Schusterei auf Capri auszuhelfen, gerade recht. Hier kann sie in Ruhe über ihre Lebenspläne nachdenken.

MEINUNG
Roberta Gregorios beschauliche Liebesgeschichte kommt leichtfüßig und sehr romantisch daher. Obschon die Story vorhersehbar ist, wird sie doch sehr stimmungsvoll, ruhig und emotional erzählt. Noch dazu spielt die Geschichte auf der malerischen Mittelmeerinsel Capri im Golf von Neapel (s. Cover). Also beste Voraussetzungen fürs Dolcefarniente und Amore, möchte man meinen. Und so kommt es auch. Hauptprotagonistin Velia lässt sich von der Insel und dem einfühlsamen Schuster Ennio verzaubern. Bootstouren, gutes Essen und echtes Handwerk prägen ihren Alltag. Ein Hauch von Dramatik wird einzig durch die Beziehungskrise mit Niklas geschaffen. Velia steht auf einmal zwischen zwei Männern und Leben und muss sich entscheiden. Aber nicht nur in Velias Leben, sondern auch in dem der sympathischen Nebencharaktere kündigen sich Veränderungen an. Besonders das Zusammengehörigkeitsgefühl auf Capri und natürlich das Flair haben mich beeindrucken können. Nur der allzu schnell herbeigeführte Schluss wollte nicht so ganz zur Handlung passen.

FAZIT
Die perfekte Urlaubslektüre für Frauen. Tipp: Einfach aufschlagen und wegträumen.

Bewertung vom 22.04.2019
Horizont und Hängematte
Mahrenholtz, Katharina;Parisi, Dawn

Horizont und Hängematte


ausgezeichnet

Fremd- bzw. Lehnwörter bereichern die deutsche Sprache, machen gar ein Fünftel des Wortschatzes aus. Nichtsdestotrotz gelangen Muttersprachler wie Deutschlerner all zu häufig ins Grübeln, wenn es um die Bedeutung und die sprachgeschichtliche Herleitung/Herkunft der sog. eingewanderten Wörter geht. Katharina Mahrenholtz' neuestes Buch macht Schluss mit der ewigen Raterei bzw. Sprachlosigkeit. Auf 160 Buchseiten beschäftigt sie sich kurzweilig mit 100 eingewanderten Wörtern. Spannend und mit viel Humor stößt sie dabei auf allerlei interessante Wortgeschichten, die zeigen, dass die deutsche Sprache alles andere als staubtrocken ist. Sprachpuristen können sich freuen, aber auch die interessierte Leserschaft wird auf einige überraschende (Wort-)Entdeckungen stoßen. Die kleine "Sprachreise" entführt den Leser in die weite Welt. Aus Frankreich, Samoa, Griechenland, Indien usw. kommen die beschriebenen Wortbeispiele. Dieser etymologische Aspekt hat mir neben der humorigen Buchgestaltung am meisten gefallen. Ob Adieu, Mantra, Ananas oder Pseudonym, nach der Lektüre wird man auf jeden Fall mehr über die Wörter wissen als zuvor. Dementsprechend ist "Horizont und Hängematte - Verliebt in 100 eingewanderte Wörter" der würdige Nachfolger des im Vorjahr erschienenen Buchs "Luftikus und Tausendsassa - Verliebt in 100 vergessene Wörter" aus Mahrenholtz' und Parisis Feder.

FAZIT
Lesenswertes Sachbuch, das mit pointiert-leichter Erzählweise und stimmig-witziger Illustration aufwartet. Spannendes Sprachwissen für jedermann

Bewertung vom 21.04.2019
Roger Federer
Stauffer, René

Roger Federer


ausgezeichnet

Der Schweizer Roger Federer (*1981) dominiert die internationale Tennisszene wie kein Zweiter. Der 20-fache Grand-Slam-Sieger ist mit seinen 37 Jahren eine Ausnahmeerscheinung im sog. Weißen Sport. Seine elegante wie trickreiche Spielweise in Kombination mit seinem ehrlichen und bescheidenen Auftreten machen ihn einzigartig und zur perfekten Werbeikone.

Der Sportredakteur und Federer-Kenner der ersten Stunde René Stauffer hat über den Ausnahmeathleten nun eine Biografie geschrieben, die Fans und Laien gleichermaßen zu begeistern weiß. Hat man erst einmal die ersten 80 Seiten überstanden, in denen Federers erstaunliches Comeback von 2017 behandelt wird und die sich im Ganzen etwas zäh lesen, wird man mit einer umfangreichen Einschätzung über den Sportler und Menschen Roger Federer belohnt. Er wächst in einem tennisaffinen Umfeld auf, das früh sein Talent entdeckt und fördert. Zuerst spielte er noch Fußball und Tennis parallel, entschied sich aber im Laufe der Zeit für Tennis und besuchte fortan das nationale Leistungszentrum von Swiss Tennis. Hier bekommt er das nötige Rüstzeug für seine spätere Erfolgskarriere. Anfangs hatte er noch nicht seine Emotionen im Griff und verlor einige Partien gegen ältere, erfahrenere Spieler. Doch dies sollte sich mit den richtigen Trainern und den ersten entscheidenden Siegen schnell ändern. Sein Ehrgeiz und seine ungezügelte Leidenschaft für den Weißen Sport trieben ihn zu Höchstleistungen, auch im ungeliebten Training, an. Seine Rekorde und Auszeichnungen bis zum heutigen Tage können sich sehen lassen und sind einfach exzeptionell.

Doch Federer ist anders als seine Vorbilder nie abgehoben. Seine Familie und seine Freunde erden ihn. Er braucht den "Tenniszirkus" nicht, um glücklich zu sein. Gerade seine Bodenständigkeit, seine Freundlichkeit und seine Lockerheit machen ihn so sympathisch. Federer ist der nette, offene Typ von nebenan, der sich für seine Mitmenschen interessiert und seinen Erfolg als Geschenk sieht. Interviews mit ihm sind keine Qual, sondern stets launige Wortgefechte. Denn er spricht drei Sprachen fließend und hat Witz. Daneben engagiert er sich mit viel Herz für wohltätige Zwecke und hat selbst eine Stiftung zur Bildungsförderung gegründet. Kurzum, Federer brilliert nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben. Er ist in dieser Hinsicht der kompakteste Tennisspieler aller Zeiten und ein Beispiel für seine jungen Nachfolger.

Stauffers Buch wagt einen Rundumblick und gibt dabei allerlei Wissenswertes über den "Überflieger" preis. Mir haben besonders die Beschreibungen zu seinem Charakter imponiert. Einerseits ist er der strenge Perfektionist und andererseits der beliebte Sonnyboy. Sein Ehrgeiz als auch seine weltoffene Art nötigen Respekt ab. Und wer kann schon von sich behaupten, mit 37 noch zur Weltspitze des Tennis' zu gehören. Stauffer hat ihn mehrmals interviewt sowie die internationale Presse nach spannenden Geschichten durchsucht. Vor allem Fans und Tennisnerds werden begeistert sein, weil gängige Begrifflichkeiten aufgeführt werden und andere aktuelle Top-Tennisspieler (Rafael Nadal, Novak Djokovic...) zu Wort kommen. Doch auch Laien werden leicht verständlich vom Autor an diese faszinierende Sportart und die momentane Lichtgestalt Federer herangeführt.

FAZIT
Eine Biografie, die vollumfänglich über Roger Federer informiert und ganz nebenbei das Interesse am "Weißen Sport" weckt. Immer wieder schön, wenn ein Fan und Weggefährte aus erster Hand zu berichten weiß.

Bewertung vom 15.04.2019
So überzeugt man mit Rhetorik
Heinrichs, Jay

So überzeugt man mit Rhetorik


ausgezeichnet

Jay Heinrichs arbeitete 26 Jahre als Journalist und Verleger, als er sich eines Tages ganz und gar seinem Lieblingsthema, der Rhetorik, zuwandte. Mit der Zeit hat er sich zu einem Experten für Redekunst und deren Nutzen im Alltag entwickelt, so dass er heutzutage u. a. auch NASA-Mitarbeiter berät.

Im vorliegenden Buch versucht er den interessierten Leser für seine Paradedisziplin zu begeistern. Denn Rhetorik könne Türen beim Gegenüber öffnen, die vormals verschlossen gewesen seien. Ausgehend von der Theorie antiker Rhetoriker, wie z. B. Aristoteles und Cicero, schildert der Autor in einfachen, meist auf seine eigene Familie bezogenen Beispielen, wie man mithilfe von geschickter Redekunst andere überzeugen, gar für die eigenen Zwecke manipulieren kann.

Ich fand Heinrichs Ausführungen durchweg sehr aufschlussreich, muss aber dennoch zugeben, dass sie für den Laien anfangs nicht immer leicht zu verstehen waren. Wer eine humanistische wie philosophische Vorbildung genossen hat, wird hingegen keine Probleme haben.

FAZIT
Ein interessanter Rhetorikleitfaden, der bei aufmerksamer Lektüre viel bewirken kann. Am besten einmal selbst ausprobieren.

Bewertung vom 13.04.2019
Wenn du das hier liest
Adkins, Mary

Wenn du das hier liest


gut

Klappentext, Buchtitel und Leseprobe haben mich zu dieser Lektüre verführt. Mich hat vor allem der moderne Schreibstil, der ausschließlich auf E-Mails, Blogeinträgen sowie Handynachrichten basiert, im Vorfeld begeistert. Endlich eine Autorin, die die Zeichen der Zeit, d.h. die Lesegewohnheiten der jugendlichen Leserschaft, erkannt hat. Doch trotz der interessanten Aufbereitung des Textes vermochte mich der Plot nicht, wie erhofft, zu berühren. Einzig Iris‘ Blogeinträge wühlten mich ab und an mit ihrem lebenskritischen Grundton auf. Jades und Smiths Nachrichten ähnelten hingegen viel zu häufig eindimensionalen Therapiesitzungen. Selbstmitleid, Enttäuschungen und falsche Entscheidungen wohin man schaute. Erst gegen Ende keimte Hoffnung auf, weil beide durch Iris auf wundersame, aber keinesfalls romantische Weise zueinanderfinden. Kurzum, ein typischer, zu Herzen gehender Liebesroman ist dieses Buch nicht, dafür fehlte es einfach an positiven Emotionen. Zu viel Grau in Grau trübte die Story. Und man fragt sich: Müssen wir denn erst Menschen verlieren, um den wirklichen Wert des eigenen Lebens und dessen unzählige Chancen zu erkennen? Darüber hinaus empfand ich die Nebencharaktere, Smiths Praktikant Carl sowie die Kunden der PR-Firma, in Hinblick auf die Handlung eher als störend denn als bereichernd.

FAZIT
Von Mary Adkins Erstling hatte ich mir vor der Lektüre eindeutig mehr versprochen. Die Umsetzung war durchaus innovativ, aber der Inhalt leider nur durchschnittlich.

Bewertung vom 12.04.2019
Jubilate!
Alba, Johanna;Chorin, Jan

Jubilate!


ausgezeichnet

INHALT
Papst Petrus II. steckt mitten in den Vorbereitungen zu seinen Sommerferien in Castel Gandolfo, als er überraschend eine Einladung zum 85. Geburtstag seines Freundes, Kardinal Federico Santini, erhält. Doch was keiner weiß, der Jubilar ist schwer erkrankt und möchte bei dieser Feier sein Erbe regeln. Ausgerechnet Giulia Santini, die adlige Pressesprecherin des Papstes und Nichte Federicos, soll das gesamte Familienvermögen erben. Dafür muss die unabhängige und hochgebildete Mittdreißigerin innerhalb von einer Woche heiraten – wahrlich ein Ding der Unmöglichkeit. Noch dazu scheinen nicht alle Familienmitglieder Federicos Entscheidung zu goutieren, denn bald darauf kommt es zu einem Giftanschlag auf Giulia…

MEINUNG
Der 5. Kriminalroman rund um den umtriebigen Papst Petrus II. bot beste Unterhaltung. Mit viel Witz und äußerst charmant entführt das Autorenpaar den Leser ins zauberhafte Latium. Hier wird nicht nur landschaftlich und kulturell, sondern auch kulinarisch eine Menge geboten. Für letzteres zeichnet sich vornehmlich die Hauptfigur Papst Petrus II. verantwortlich, der seine Freunde eine Woche fürstlich bekocht. Seine Gerichte zeugen von großer Leidenschaft für die italienische Küche und machen sofort Appetit. Da hätte der Leser gern ab und an einen Teller abbekommen. Papst Petrus II. ist also alles andere als ein strenger asketischer Kleriker, sondern eher ein lebensbejahender sympathischer Geistlicher mit einer Schwäche für Calcio, Pasta und Vino. Doch nicht nur seine Kochkünste, sondern auch sein kriminalistischer Spürsinn ist unübertroffen.

Der Plot ist ungemein facettenreich gestaltet. Dafür sorgen einerseits die ständigen Wechsel innerhalb der Erzählperspektive und andererseits die vollmundigen Italienbeschreibungen. Giulias Familie, vor allem ihre ehemalige Clique, hält allerhand spannende wie klischeehafte Charaktere, vom nichtsnutzigen Beau bis zur aufopfernden Hausfrau und Mutter, bereit. Von den älteren Herrschaften ist es besonders die schrullige wie abenteuerlustige Tante Eugenia, die sich auf Anhieb in mein Leserherz geschlichen hat. Auch die Haushälterin des Papstes – Immaculata – war wie immer grandios in ihrer sittenstrengen Rolle. Die Spannung stieg kapitelweise an und erreichte am Schluss ihren Höhepunkt. Hier entlud sich das Verschwörungs- bzw. Verdächtigungsgeflecht wahrlich in einem großen Knall. Dieser Showdown wurde ausnahmslos meisterhaft inszeniert und zu einem befriedigenden Abschluss für alle beteiligten Charaktere geführt. Auf einmal fügten sich alle Erzählstränge zueinander. Die Krimihandlung verlief zwar unblutig, aber durchaus spannend, was typisch für Cosy-Crime-Unterhaltung ist. Mein persönliches Highlight war aber die ungewöhnliche Lovestory zwischen der klugen wie schönen päpstlichen Pressesprecherin Giulia und dem ruhigen päpstlichen Sekretär und Mönch Francesco.

Sprachlich konnte mich der Roman ebenfalls begeistern. Sehr lebendig, flüssig und mit einer gehörigen Prise Humor erzählen die Autoren ihre skurrile Alltagsgeschichte. Erst die vorgetäuschte Heirat und dann noch die lieben Verwandten, die unter ihren aufgesetzten Masken Überraschendes verbergen. Ist schon erstaunlich, wie detailreich sich in jede Figur hineingedacht bzw. –gefühlt wird. Auch die Exkurse in die kaiserzeitliche Geschichte trafen genau meinen Geschmack und mein archäologisches Interesse.

FAZIT
Insgesamt ein rundum gelungener Krimi, der mit Herz, Verstand und vor allem durch Esprit zu überzeugen weiß und sich damit bestens als Reise- oder Entspannungslektüre eignet. Hoffentlich wird es auch einen 6. Fall für Papst Petrus geben.

Bewertung vom 07.04.2019
Angst essen Freiheit auf
Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine

Angst essen Freiheit auf


ausgezeichnet

70 Jahre nach der Veröffentlichung des Grundgesetzes regt die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit ihrem Buch zum Nachdenken über die sog. Grundrechte an. Das Erstarken rechtspopulistischer Parteien, politische Krisen sowie die zunehmende Macht von Social Media & Co schwächen unsere Demokratie bzw. den Glauben an diese Regierungsform und ihre Vertreter. Denn aktuell wendet sich ein Großteil der Gesellschaft zunehmend von der Politik ab, hat Angst bzw. weiß die Grundrechte nicht mehr wertzuschätzen (s. Buchtitel). Resignation und Verzweiflung brechen sich Bahn. Hier möchte die Autorin gegensteuern, indem sie in ihrer Darstellung explizit aufzeigt, welche Rechte momentan bedroht sind und was man als einzelner Bürger dagegen tun kann. Dabei beschäftigt sie sich nicht mit jeden der insgesamt 19 Grundrechte, was auch den Rahmen des Buchs sprengen würde, sondern konzentriert sich auf den Schutz der Menschenwürde, der Privatssphäre, der Persönlichkeitsrechte, der Meinungs- und Pressefreiheit, der Religionsfreiheit und auf das Asylgrundrecht. Diese brisanten Themen diskutiert Leutheusser-Schnarrenberger stets schnörkellos direkt und juristisch objektiv, wobei sie natürlich eigene Klagen bzw. Eingaben nicht vernachlässigt. Den Schwerpunkt Datenverarbeitung und -missbrauch fand ich sehr interessant, weil gezeigt wird, wie gläsern und manipulierbar wir alle durch Smartphone, Online-Plattformen usw. geworden sind. Einerseits erleichtert die Digitalisierung unser Leben immens, macht es andererseits aber auch öffentlicher und ausrechenbarer. Ob wir jemals die Selbstbestimmung über unsere Daten zurückgewinnen werden, ist mehr als fraglich. Datenschutzverordnungen kommen zu spät und die Interessen der Geheimdienste und Internetriesen sind einfach zu groß. Immer mehr wird sichtbar, das die KI uns und nicht wir sie beherrschen. Auch das Grundrecht auf Asyl ist ein seit 2015 heiß diskutiertes "Freiheitsrecht", das die Nation und darüber hinaus die EU spaltet. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist in Zeiten von Fake News und anonymisierten Posts ebenso in Gefahr. Unser Ziel muss es sein und da gebe ich der Autorin vollkommen Recht, die persönlichen Freiheiten, die durch die Grundrechte gesetzlich festgehalten wurden, zu schützen und einzufordern und nicht aus Sicherheitsbestreben blindlings aufzugeben.

FAZIT
207 Buchseiten pro Grundgesetz in Zeiten politischen Verdrusses und Hasses. Holen wir uns unsere Freiheit zurück!