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anette1809 - katzemitbuch.de
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Bewertungen

Insgesamt 957 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2015
Archie Greene und die Bibliothek der Magie / Archie Greene Bd.1
Everest, D. D.

Archie Greene und die Bibliothek der Magie / Archie Greene Bd.1


ausgezeichnet

"Archie Greene" mutete bereits nach den ersten Kapiteln für mich wie eine Harry-Potter-Variante für jüngere Leser an, dies ist jedoch nicht negativ gemeint, vielmehr schafft D. D. Everest ähnlich wie Joanne K. Rowling eine magische Welt zu erschaffen, die für viele unentdeckt neben der alltäglichen, menschlichen Welt besteht und schöpft aus einem ebenso vielseitigen und fantasievollen Ideenvorrat wie seine berühmte Schriftstellerkollegin.

Archie Greene wächst alleine bei seiner Großmutter auf, da seine Eltern und seine Schwester bei einem Unfall ums Leben gekommen sind, als er noch ein Kleinkind war.
An seinem zwölften Geburtstag wird ihm ein mysteriöses Päckchen zugestellt, in dem sich ein geheimnisvolles, magisches Buch verbirgt. Nun kann seine Gran ein großes Geheimnis nicht länger vor ihm verbergen: Archie stammt aus einer magiebegabten Familie. Die Schwester seines verstorbenen Vaters und deren Familie leben in Oxford und gehen allesamt Aufgaben im Reich der Magie nach. Archies Weg führt nun eben dahin, da mit dem erhaltenen Buch die Aufgabe verknüpft ist, dieses in einer Buchhandlung in Oxford persönlich abzugeben. Es ist sozusagen die Eintrittskarte in die Welt der Magiebegabten und das Pfand, um eine Lehre als Finder, Binder oder Bewahrer von Zauberbüchern zu beginnen. Archies Berufung liegt in dem Binden von Büchern. Doch sehr bald eröffnet sich ihm eine weitere Begabung, die nur sehr selten unter Menschen auftritt, die den Zauberkünsten zugewandt sind.

"Du bist ein Buchflüsterer!", stieß Seidenpapier aus. "Einige Menschen haben die Fähigkeit, magische Bücher zu verstehen und sich mit ihnen zu unterhalten. Aber diese Gabe ist sehr selten. Seit langer, langer Zeit hat es keinen Buchflüsterer mehr gegeben! Und da du der Einzige bist, der uns hört, bist du der Einzige, der uns helfen kann!" (S.119)

Wer sich in der Welt Harry Potters heimisch gefühlt hat, wird sich auch bei Archie Greene gerne in den fantastischen Ideen des Autors verlieren. Sprechende Bücher, Figuren, die aus Büchern aufploppen, magische Tränke, verborgene Häuserfassaden... und dies alles in der historischen Kulisse Oxfords angesiedelt lassen bibliophile Herzen höher schlagen. Welcher Bücherliebhaber träumt nicht von riesigen Bibliotheken und Büchern mit besonderen Fähigkeiten? Zudem sind Archie und seine Begleiter Thistle und Bramble aufgeweckte und gewitzte Kinder, die man gerne auf ihren Abenteuern begleitet. Die Erwachsenen spielen in der Geschichte eher die zweite Geige, so dass man sich als Kind (oder Jugendlicher) besonders gut mit den Hauptcharakteren des fantastischen Abenteuers identifizieren kann.
Archies besondere Begabung als Buchflüsterer führt ihn in so manche gefährliche Lage, die er gemeinsam mit seinem Cousin und seiner Cousine bewältigen muss, um die magische Welt und deren Zauberbücher zu bewahren. Dabei gibt es für den Leser mindestens ebenso viele Geheimnisse zu entdecken, da D. D. Everest vor fantastischen Einfällen nur so sprüht.

"Archie Greene und die Bibliothek der Magie" ist ein Reihenauftakt. Wie viele Bände die Serie einmal umfassen soll, ist mir nicht bekannt, für den Folgeband steht im Original mit Juni 2016 jedoch ein Erscheinungstermin fest. Das Ende lässt lose Fäden offen, die Potential für weitere Geschichten bieten, ist im Haupthandlungsstrang aber soweit in sich abgeschlossen, dass man ohne große offene Fragen oder wegen eines Cliffhangers in der Luft hängen gelassen wird. Gerade für die anvisierte Altersgruppe ist das dramaturgisch ein sehr guter Kompromiss.

Neben dem Inhaltsverzeichnis bietet das Buch zu Beginn noch eine Art Glossar magischer Begrifflichkeiten, die an verschiedenen Stellen im Buch vorkommen, und so jederzeit an gesammelter Stelle nachgeschlagen werden können:
Die drei Arten der Magie
Die drei Buchkünste, die jeder Lehrling erlernt
Die Lehre von den fünf magischen Tabus

Bewertung vom 21.07.2015
Elke
Duda, Christian

Elke


ausgezeichnet

'Viel lässt sich nicht von Elke erzählen.' (S.7)

Mit diesem Satz beginnt das Buch, und wenn man es beendet hat, kann man dieser Aussage nur zustimmen. Man kann tatsächlich nicht viel von Elke erzählen, da man kaum etwas über Elke weiß. Aber warum heißt das Buch dann nach dieser Frau, die jeden Abend einen Kuchen für das Café in der Lubitsch gebacken hatte? Hatte... weil Elke nicht mehr lebt.
Elke war keine unscheinbare Frau, Elke war groß und fett. Aber Elke verstand es nicht aufzufallen und sie stellte sich nie in den Mittelpunkt. Sie war sich selbst nicht wichtig, aber ihre Mitmenschen waren ihr wichtig...

Eines Morgens läuft sie mit durch ein Kuchenblech versperrter Sicht direkt in den fünfjährigen Kasimir hinein, der allein auf dem Weg in den Kindergarten ist, da sein alleinerziehender Vater bereits auf dem Weg zur Arbeit ist. Aus dieser spontanen Begegnung entwickelt sich eine Freundschaft, die sich nach und nach auf die ganze Straße auswirkt. Der muffige Cafébesitzer Uwe und Kasimirs unsicherer Vater öffnen sich genau wie weitere sperrige Charaktere nach und nach gegenüber der unschuldigen und offenen Freundschaft, die sich zwischen den beiden ungleichen Menschen Elke und Kasimir entwickelt. Dies ist auf Elkes zurücknehmende Art zurückzuführen, aber auch vor allen Dingen auf Kasimirs unschuldige Offenheit, wie sie Kindern eigen ist.

Wenn man aufmerksam liest, dann erkennt man, wie viel Elke für ihre Mitmenschen und ihr Viertel tut, aber sie macht dies immer auf eine bescheidene und zurückhaltende Art und Weise, nicht mit großem Tamtam. Vielleicht ist das das Geheimnis dafür, dass es Menschen wie Kasimirs Vater ermöglicht großzügige Hilfe von ihr anzunehmen, die daraus besteht Zeit zu schenken; die den Cafébesitzer Uwe bewegt vom Knauser zum Wohltäter zu werden. Weil sie spüren, das kleine Gesten, die von Herzen kommen anderen Menschen unheimlich viel bedeuten und helfen können und das Glück auf einen selbst zurückfällt. All dies schafft Elke. Sie ist wie ihr Kuchen, der eine ganz besondere Wirkung zeigt: es ist keine spektakuläre Torte, sondern ein einfacher Zupfkuchen, der die Leute zusammen und ins Gespräch bringt. Genauso schafft Elke nichts Unmögliches, sondern mit einem offenen Ohr, Zuwendung und Zeit für andere gelingt es ihr Menschen zusammenzubringen und Freundschaften entstehen zu lassen.
So schön die Aussage und der immer fester werdende Zusammenhalt der Bewohner der Lubitschstraße ist, so traurig ist das Buch gegen Ende, wenn Elke sich so sehr in den Hintergrund stellt, das sie darüber ihre Gesundheit sträflich vernachlässigt. Sie hat es aber mit ihrer Art geschafft den Bewohnern der Lubitsch ein großartiges Vermächtnis zu hinterlassen, so dass der Leser am Ende das Wohnviertel und seine Menschen mit einem warmen und wohligem Gefühl verlassen kann.

'Dem Hort schenkte sie Bücher aus ihrer großen Sammlung, darunter waren wertvolle Ausgaben, zum Teil sogar Raritäten, alte und seltene Bücher. Sie wollte diese Bücher in Kinderhänden wissen, obwohl sie natürlich wusste, dass der Sammlerwert Kinder überhauupt nicht interessiert und sie mit der Zeit zerstört würden. Aber das war ihr egal.
Sie meinte nur: "Bis es soweitist, werden sie vielleicht noch ein paarmal gelesen."
Das beschreibt Elke ganz gut.' (S.156)

Julia Friese untermalt Christian Dudas Geschichte über eine wunderbare Nachbarschaftsgemeinschaft mit Schwarz-weiß Illustrationen, die Szenen aus der Handlung aufgreifen. Das Ende des Buches hält als besonderes Schmankerl das Rezept von Elkes Russischem Zupfkuchen bereit, dessen letzter Zubereitungsschritt daraus besteht, dass man das Kuchenblech auf die Straße trägt...

Bewertung vom 22.06.2015
Sternschnuppenstunden
McIntyre, Rachel

Sternschnuppenstunden


ausgezeichnet

In "Sternschnuppenstunden" vertraut sich die fünfzehnjährige Lara über den Zeitraum eines halben Jahres ihrem Tagebuch an. Ihre Tagebucheinträge beginnen am ersten Januar:
Durch die Insolvenz der Firma ihres Vaters, hat ihre Familie ihr ganzes Vermögen verloren, selbst das Haus konnten sie nicht halten, so dass sie nun in einer Wohnung mit unausstehlicher Nachbarschaft wohnen. Ihre Mutter hat eine Putzstelle bei einer von Laras vermögenden Mitschülerinnen - gefundenes Fressen für die oberflächliche und fiese Molly. Sie mobbt Lara mit deren familiären Situation und erpresst sie zudem, dass ihre Mutter die notwendige Anstellung verlieren würde, wenn Lara zu irgendjemanden ein Wort über die Schikanen verliert, die bald nicht mehr nur in psychischer, sondern auch körperlicher Form stattfinden.
Niemanden wagt sich Lara anzuvertrauen, bis in ihrer Schule der Aushilfslehrer Ben Jagger den Englischunterricht übernimmt, der nicht nur wahnsinnig gut aussehend und nett ist, sondern auch ein Gespür für Laras missliche Lage zu haben scheint.
Da ihre Mutter bis zum Umfallen arbeitet, ihr Bruder noch viel zu klein ist, ihr Vater seinen Kummer in Alkohol ertränkt und ihre Cousine und beste Freundin Emma nicht mehr in der gleichen Stadt wohnt, wird Mr. Jagger bald zu Laras wichtigster Bezugsperson.
Dabei bleibt es jedoch nicht bei einer normalen Lehrer-Schüler-Beziehung, denn Lara verliebt sich in ihren sympathischen und fürsorglichen Lehrer und auch Mr. Jagger scheint mehr für sie zu empfinden als das berufliche Verhältnis zwischen den beiden vor Gesetz erlaubt.
Dank Ben wird der Teufelskreis aus psychischem und körperlichem Mobbing für Lara zwar erträglicher, denn die Zeit mit ihrem geliebten Lehrer ist für sie wie Sternschnuppenstunden, jedoch sehen sich die beiden bald einem anderen, gesellschaftlichen Problem gegenüberstehen.
Kann Lara das Schuljahr durchstehen, bis Ben Jagger seine Aushilfsstelle an ihrer Schule aufgibt?

"Sternschnuppenstunden" behandelt das Thema Mobbing, insbesondere auf Grund gesellschaftlicher Unterschiede. Lara war niemals ein wirkliches It-Girl, hatte jedoch zumindest ein paar gute Freunde bevor sie durch den beruflichen Ruin ihres Vaters in der sozialen Unterschicht gelandet ist.
Die finanzielle Misere bestimmt ihr ganzes Leben. Nicht nur das extrem fiese Mobbing in der Schule, auch das Familienleben, welches immer mehr in die Brüche geht, auf Grund Überbelastung und Alkoholismus, führt sie an den Rande eines Selbstmordversuchs. Als Leser kann man stellenweise gar nicht glauben, zu welchen Aktionen ihre Mitschüler fähig sind, und es stimmt abgrundtief traurig zu sehen, dass Lara neben ihrem Tagebuch niemanden hat, dem sie sich anvertrauen kann.
Das Buch hat einen sehr einnehmenden und dringlichen Schreibstil, da man auf Grund der Tagebucheinträge direkt an Laras Gefühlschaos teilnimmt. Zudem sind die täglichen Einträge oft recht knapp und stellenweise umgangssprachlich gehalten, so dass die Seiten nur so an einem vorbeifliegen. Da sich Laras Situation bezüglich des Mobbings und ihrer Verbundenheit zu Ben Jagger immer mehr zuspitzt, baut sich darüber hinaus eine kaum erträgliche Spannung auf, dass man das Buch irgendwann nur noch schwer aus der Hand legen kann.
Gegen Ende war mir Laras Verhalten schon fast zu obsessiv und die Geschichte hätte meinetwegen einige Kapitel eher enden können. Ich hätte mir lieber mehr eigene Gedanken zu Laras und Bens Zukunft gemacht, statt ein Ende präsentiert zu bekommen, aber diese Kritik ist nicht so groß im Vergleich zu der ansonsten überragenden Mobbinggeschichte, dass sie meine Gesamtwertung herabstufen würde.

Der Autorin ist eine wichtige Story über Mobbing, Selbstwertgefühl, familiäre und soziale Beziehungen gelungen, die in meinen Augen unbedingt von vielen Jugendlichen gelesen werden sollte.

Bewertung vom 22.06.2015
Die wahre Geschichte von Regen und Sturm
Martin, Ann M.

Die wahre Geschichte von Regen und Sturm


ausgezeichnet

Ruth (ruht) ist ein fast (fasst) 12jähriges Mädchen mit hochfunktionalem Autismus. Sie (sieh) wächst bei ihrem alleinerziehenden Vater auf, da die Mutter die Familie verlassen hat, als sie (sieh) gerade (gerade im Sinne von erst, nicht im Sinne von nicht schief) mal zwei Jahre alt war (wahr).
Ruth mag:
1. Wörter
2. Regeln
3. Zahlen
Wegen Ruths Vorlieben mutet der Beginn meiner Rezension auch etwas eigenartig an, da Ruth ihre Geschichte selbst erzählt, und so während der kompletten Handlung Homophone und Homonyme in Klammern aufgeführt werden. Ruth sammelt diese Wortpaare auf einer handgeschriebenen Liste, wenn jemand Regeln nicht einhält, ist ihr fast zum Heulen und zur Beruhigung schreit sie dann meistens Primzahlen laut heraus. Kein Wunder also, dass die Kinder in ihrer Klasse sie seltsam finden und kaum einer es schafft eine Bindung zu ihr aufzubauen. Selbst zu ihrem Vater hat sie keinen Draht. Dieser war gerade mal 21 Jahre alt als Ruth geboren wurde, und ist mit ihrer Erziehung eindeutig überfordert. Wenn er nicht arbeiten ist, geht er meistens ins "Irische Glück" zum Trinken, Hauptsache, er kann Ruth und den täglichen Sorgen aus dem Weg gehen. Er hat Probleme den Tatsachen ins Auge zu sehen und möchte eigentlich nur, dass Ruth sich integriert und ihr merkwürdiges Verhalten sein lässt, damit er sich nicht noch mehr mit ihren Problemen auseinander setzen muss.
Zum Glück hat Ruth neben ihrem Vater noch ihren Onkel Weldon und ihren Hund Regen, den ihr Vater im Regen gefunden hat. Mit Weldon kann sie über alles reden und Regen verhilft ihr sogar Kontakt zu ihren Klassenkameraden zu schließen. Doch als ein Hurrikan die kleine Stadt heimsucht, in der Ruth zuhause ist, lässt ihr Vater Regen ohne Halsband heraus und diese geht im Unwetter verloren. Was soll Ruth nun bloß ohne Regen machen? Zum Glück hilft Onkel Weldon ihr auf der Suche nach Regen und Ruth beweist in dieser tragischen Situation, welch ein großartiges und intelligentes Mädchen tatsächlich in ihr steckt.

Da Ruth ihre Geschichte selbst erzählt, kann man sich sehr gut in ihr Gefühlsleben und ihren Verstand hinein versetzen, dennoch schafft es die Autorin trotz der Ich-Perspektive auch die weiteren Haupt- und Nebencharaktere einfühlsam und echt zu schildern, so dass man sich auch in deren Situation und den täglichen Umgang, den sie mit Ruth haben, hineinversetzen kann.
Obwohl die Autorin (bzw. in der deutschen Version die Übersetzerin) konsequent die Aufführung von Homophonen und Homonymen durchziehen, unterbricht dieses Stilmittel nicht den Lesefluss. Viel mehr habe ich mich auf dieses Spiel eingelassen und mich häufig gefragt, ob mir alle Homophone beim Schreiben eingefallen wären. An dieser Stelle muss ich auch die Übersetzungsarbeit von Gabriele Haefs loben, denn wie bereits am Originaltitel "Rain reign" zu sehen ist, sind es im englischen wie im deutschen natürlich ganz andere Wörter, die Homophone oder Homonyme bilden.
Ich habe die Geschichte ab der ersten Seite sehr gerne gelesen, ab dem Verschwinden von Regen während des Hurrikans konnte ich die Geschichte dann gar nicht mehr aus der Hand legen: zu gespannt war ich, ob Ruth Regen wiederfinden kann, ich habe regelrecht mit ihr gelitten nach dem Verschwinden des Hundes. Doch nicht nur die Sache mit Regen führt im weiteren Lauf der Geschichte noch zu der einen oder anderen Überraschung, die Autorin wirft am Ende des Buches einige Tatsachen über den Haufen, die sich als blanker Trug und Schein entpuppen.

"Die wahre Geschichte von Regen und Sturm" ist eine ungewöhnliche Geschichte: sowohl vom Erzählstil als auch von ihrer tragenden Hauptfigur. Es ist eine berührende Geschichte über Familie und Freundschaften und über die außergewöhnliche Stärke eines kleinen Mädchens, dass es in seinem Leben nie einfach hatte und in einer Krisensituation weit über sich und seine Möglichkeiten hinauswächst.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.06.2015
#Skandal
Ockler, Sarah

#Skandal


sehr gut

Nachdem in den vergangenen beiden Jahren Sarah Ocklers Bücher "Verlieb dich nie in einen Herzensbrecher" und "Der Geschmack des Sommers" Lesehighlights von mir waren, musste ich völlig unabhängig vom Thema auch zu ihrem neusten Werk greifen.

In #Skandal steht das Thema Cypermobbing im Vordergrund. Nachdem ihre beste Freundin Ellie mit einer Grippe ans Bett gefesselt ist, erklärt sich Lucy widerstrebend dazu bereitmit deren Freund Cole zum Abschlussball zu gehen. Weder Ellie noch Cole wissen, dass Cole schon seit Jahren Lucys geheimer Schwarm ist. Obwohl Lucy den ganzen Abend mit Ellie in Cyperkontakt steht und sie ihre beste Freundin keinesfalls hintergehen möchte, passiert es: Lucy und Cole küssen sich! Bevor Lucy diesen Vorfall am nächsten Tag Elie gestehen kann, tauchen auf ihrer Facebook-Chronik entlarvente Fotos auf. Doch nicht nur zu diesem Vorfall, auch ihre Mitschüler finden bloßstellende Fotos auf ihrer Seite. Lucy wird zur Zielscheibe eines Shitstorms, wie soll sie auch erklären, dass sie die brisanten Fotos nicht gepostet hat, wenn sie selbst nicht weiß, wer hinter der fiesen Intrige stecken könnte?

Cypermobbing ist in unserer Zeit ein wichtiges Thema. Sarah Ockler arbeitet dieses sehr anschaulich durch SMS und Facebooknachrichten in ihren neuen Roman ein. Dabei spielt neben der Haupthandlung den Anstifter zu dem fiesen Cypermobbing ausfindig zu machen, auch Lucys Familienleben eine Rolle, da bereits seit einer ganzen Weile unausgesprochene Widrigkeiten zwischen ihrer durch eine Seifenoper berühmt gewordene Schwester und ihr stehen, sowie der aufkeimenden Liebesgeschichte zwischen Cole und ihr und den Problemen, die sie nach dem Abend des Abschlussballs mit ihrer vormals besten Freundin Ellie hat.
Insgesamt eine runde Geschichte zu einem brandaktuellem Thema, die lange ihre Geheimnisse verwahrt. So klärt sich wirklich erst am Ende auf, wer den Shitstorm gegen Lucy zu verantworten hat, welches Ereignis zu dem Zerwürfnis zwischen den Schwestern geführt hat und wie es zwischen den Freunden weitergeht. Zudem hat das Buch am Ende noch eine sehr schöne Botschaft an den Leser, dass wahre Freundschaften manchmal an ganz anderen Stellen zu finden sind, als man mit ihnen rechnen würde.
Leider ist die Geschichte stellenweise zäh, da Sarah Ockler die Geheimnisse zwar bis zum Schluss bewahrt, so dass der Spannungsbogen über die ganze Handlung anhält, aber oftmals tritt die Geschichte somit auf einer Stelle und man hat das Gefühl, das nichts vorangeht.
Mein Hauptkritikpunkt liegt jedoch im direkten Vergleich zu Sarah Ocklers beiden anderen Büchern, die ich bereits gelesen habe: in diesen hat sie Charaktere mit einer unglaublichen Tiefe erschaffen, so dass man schnell von den Geschichten aufgesogen wurde und eine starke Bindung zu den Figuren aufbauen konnte. Bei "#Skandal" blieben mir fast alle Akteure zu flach und oberflächlich, dass kann die Autorin besser!

So reicht es trotz sehr gut in Szene gesetztem aktuellen und wichtigen Thema Cypermobbing nicht zur besten Wertung, da die Geschichte wie schnell dahin getippte SMS oder Facebooknachrichten bei mir leider keinen langandauernden Eindruck hinterlassen wird. Zudem die Verbindung zwischen Cole und Lucy zumindest gegen Ende für meinen Geschmack weiter vertieft werden hätte können, nachdem Lucy sooo viele Jahre heimlich in Cole verliebt war.

Bewertung vom 20.06.2015
Lilien und Luftschlösser / Verliebt in Serie Bd.2
Kaiblinger, Sonja

Lilien und Luftschlösser / Verliebt in Serie Bd.2


sehr gut

Wer zu "Lilien und Luftschlösser" greifen will, sollte im Vorfeld auf jeden Fall den Vorgängerband "Rosen und Seifenblasen" gelesen haben, denn wie es sich für eine echte Seifenoper gehört, schließt die zweite Folge nahtlos an den Cliffhanger der ersten Folge an.
Im ersten Band erklärte die Autorin vor Beginn der Geschichte die Bedeutung des Begriffs Seifenoper, hier geht sie auf die Bedeutung des Begriffs Cliffhanger ein. Auch die Covergestaltung greift die Idee des ersten Bandes auf: wiederum findet sich auf dem Schutzumschlag ein Sammelsurium an Gegenständen, die entweder England oder die USA charakterisieren, statt zartem Rosa ist die Hintergrundfarbe nun in einem hellen Fliederton gehalten.
Um die Erinnerung an den Beginn der Seifenoper aufzufrischen, wo Abby urplötzlich in die Serie "Ashworth Park" versetzt wird, die täglich am frühen Abend auf Channel Island TV ausgestrahlt wird, gibt die Autorin einen kurzen Rückblick auf die vergangenen Geschehnisse, bevor die Handlung der zweiten Folge beginnt:

Nach dem üblichen Kribbeln und Auflösen, das Abby jedesmal befällt, wenn eine Folge von "Ashworth Park" mit einem Cliffhanger endet, findet sie sich in der New Yorker Wohnung ihrer Familie wieder, allerdings ist eine Sache ganz anders gelaufen wie sonst: statt alleine in der Realität zu landen, ist Jasper aus "Ashworth Park" bei ihr. Nach einigen gemeinsamen Abenteuern in Abbys Stadt landen die beiden zu Beginn der nächsten Folge wieder in Ashworth Park, doch kann Abby Jasper dauerhaft vorgaukeln, dass New York nur ein sehr realistischer Traum war? Mit der Zeit findet Abby durch eine zufällige Begegnung heraus, dass sie nicht die einzige ist, die der "Serienfluch" gepackt hat. Tatsächlich gibt es neben ihr einen weiteren Seriendarsteller, der zwischen den Welten wechseln muss, nun hat sie immerhin einen Verbündeten, mit dem sie Pläne schmieden kann, wie sie die Serie gemeinsam zu einem Happy End bringen können, um den Fluch aufzuheben. Doch diverse Intrigen und familiäre Geheimnisse, die nach Jahren der Verborgenheit ans Tageslicht kommen, lassen die Wahrscheinlichkeit eines Happy Ends unmöglicher erscheinen als je zuvor...

Als ich "Lilien und Luftschlösser" anfing zu lesen gefiel mir die Idee sehr gut, dass nun einer der Seifenoperdarsteller gemeinsam mit Abby in der realen Welt landete, trotzdem dachte ich nicht, dass Sonja Kaiblinger mich mit noch weiteren spektakulären Ideen würde begeistern können, da die Figuren an sich ihrer Entwicklung in der ersten Folge treu geblieben sind. Zum Glück habe ich mich jedoch getäuscht und das Buch nimmt rasant an Fahrt auf, als Abby die Entdeckung macht, dass nicht nur sie den Fluch der Serie auf sich geladen hat.
Im Vergleich zum ersten Band gewinnen die Darsteller aus "Ashworth Park" mehr an Tiefe, nur die Spannungskurve hätte für meinen Geschmack etwas früher an Fahrt aufnehmen können.

Freunde von Seifenopern und verrückt-schrulligen Darstellern mit überzogenen Charaktereigenschaften, sollten auf jeden Fall zu der gedruckten Version ihrer täglichen Dosis Fernsehserien greifen, ich bin mir sicher, dass gerade diese Zielgruppe großen Spaß an der Idee von "Verliebt in Serie" haben wird.
Auch wenn ich wie bei "Rosen und Seifenblasen" leichte Kritikpunkte habe, so bleibt einem wie nach Teil 1 schon wieder nichts anderes übrig, als auch zum hoffentlich bald erscheinenden dritten Teil zu greifen, denn par excellenge lässt Sonja Kaiblinger den Leser bei "Lilien und Luftschlösser" mit den lezten Zeilen "an der Klippe hängen". Wir lesen uns also wieder auf Channel Island TV!

Reihen-Info:
Verliebt in Serie Folge 1: Rosen und Seifenblasen
Verliebt in Serie Folge 2: Lilien und Luftschlösser
Verliebt in Serie Folge 3: noch ohne Erscheinungstermin

Bewertung vom 25.05.2015
Happy Smekday oder der Tag, an dem ich die Welt retten musste
Rex, Adam

Happy Smekday oder der Tag, an dem ich die Welt retten musste


ausgezeichnet

Im Gegensatz zur Verfilmung "Home - ein smektakulärer Trip", die mir ausgesprochen gut gefallen hat, ist die Buchvorlage ungleich facettenreicher, noch tiefgehender und spricht in meinen Augen auf Grund des Sprachwitzes und durchaus ein älteres Publikum an. (Wer das Buch bereits gelesen hat und die Verfilmung noch vor sich hat, dem möchte ich mit auf den Weg geben, dass die außerirdischen Gegenspieler der Boovs - die Gorgs - im Film zum Teil ganz anders dargestellt werden. Die Auflösung des Konflikts zwischen den beiden verfeindeten Völkern hat mir im Film tatsächlich noch besser gefallen als im Buch, auch wenn im Film dafür viele Handlungsstränge fehlen und die Geschichte dort insgesamt kindgerechter erzählt wird.)

Hauptfigur in "Happy Smekday" ist die elfjährige Tip Tucci, die im Rahmen eines Schulwettbewerbs einen Aufsatz über die außerirdische Invasions der Boovs auf der Erde schreibt.
Die komplette Bevölkerung der USA soll nach Florida umgesiedelt werden. Auf der Suche nach ihrer Mutter bricht Tip gemeinsam mit ihrer Katze Sau im Auto auf den Weg dorthin. Unterwegs hat sie eine Autopanne und trifft in einem Gemischtwarenladen auf den Boov J-Lo. Die beiden schließen sich zu einer Zweckgemeinschaft zusammen, nachdem J.Lo Tips Auto repariert hat. Unterwegs treffen die beiden auf andere Menschen, die sich bislang gegen eine Umsiedlung nach Florida zur Wehr gesetzt haben, auf weitere Boovs und Gorgs und vor allem Sau spielt noch eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Invasion. Nicht nur die Boovs wollen die Erde für sich beanspruchen, auch die Gorgs sind hinter dem neuen Lebensraum her und im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, das J.Lo nicht ganz unschuldig daran ist, dass die Gorgs den Weg auf die Erde gefunden haben. Während der gemeinsamen Zeit mit J.Lo wird Tip schnell klar, dass die Boovs verglichen mit den Gorgs das kleinere Übel sind und sie schließt sie sich mit ihm zusammen, um die Gorgs zu bekämpfen. Unterstützung erhalten sie dabei unter anderem von einem alten Indianer, der sich jahrelang um das ausgestellte UFO in Rosswell gekümmert hat.

"Happy Smekday" von Adam Rex entpuppt sich schon ab der ersten Seite als ein raffiniert und abwechslungsreich erzählter Roadtrip. Nicht nur die Erzählweise als Schulaufsatz ist etwas ganz besonderes, auch das Zusammenspiel zwischen Text, "Fotos" und Comicstrips ist außergewöhnlich in der Aufmachung und sehr unterhaltsam.
Anspielungen auf die Werbemaschinerie und die heile Disney-Welt durch seinen erfundenen Freizeitpark "Königreich der Glücksmäuse" und den Handlungsstrang in Rosswell, wo 1947 angeblich ein unbekanntes Flugobjekt abgestürzt ist, machen Adam Rex' Roman auch für ein erwachsenes Lesepublikum interessant. Das anvisierte Lesealter ab etwa 11 Jahren vermag möglicherweise in diesen Episoden den tieferen Sinn und diverse Anspielungen nicht erkennen, wird dafür aber auf anderen Ebenen unterhalten. Für mich ist Adam Rex eine Geschichte gelungen, die auf Grund ihrer Facettierungen, der unterschiedlichen Prota- und Antagonisten und der Erzähltiefe wirklich eine Leserschaft über Generationen erreichen kann.
Auch wenn mich die Auflösung des Konfliktes zwischen Boovs und Gorgs in der filmischen Adaption stärker von der enthaltenen Botschaft begeistert hat, ist das Ende im Buch dafür um einiges lustiger und skurriler gestaltet. Man sollte beides unabhängig voneinander sehen, zudem der Film schon von jüngeren Kindern zu verstehen ist, dass Buch meiner Meinung nach in seiner Komplexität aber wirklich erst für das empfohlene Lesealter funktioniert.

"Happy Smekday" ist ein verrücktes Roadmovie voller ungewöhnlicher Begegnungen und Freundschaften, welches in erstes Linie mit seiner Geschichte und der herausragenden Umsetzung zu punkten weiß, aber auch durch die tiefgehenden Botschaften über das Zusammenleben verschiedener Kulturen, die es zwischen den Zeilen vermittelt.

Bewertung vom 25.05.2015
Leonardo & Salaï
Lacombe, Benjamin;Echegoyen, Paul

Leonardo & Salaï


ausgezeichnet

"Leonardo und Salai" ist ein Werk bei dem Benjamin Lacombe mit Paul Echegoyen zusammengearbeitet hat.
Um die Zusammenarbeit besser verstehen und die Bilder in all ihren Facetten kompetent und gänzlich aufnehmen zu können, sollte man in dem Buch nicht mit dem Lesen der Graphic Novel beginnen, sondern mit dem angehängten Werkstattbericht, wo beide Künstler zu der außergewöhnlichen Zusammenarbeit zu Wort kommen und zudem einige Skizzen in ihrer Entstehungphase gezeigt werden.

Das Buch selbst erzählt in einem ersten Band von zweien, von Leonardo da Vincis Schaffen, von seinem Treffen und seiner Liebschaft mit Salai und spricht viele Themen an, mit denen sich Künstler nicht nur im 15. Jahrhundert herumzuschlagen oder gar zu verstecken hatten, sondern die auch heute noch brandaktuell sind: Ausgrenzung und Verstecken wegen homosexueller Neigungen und der Schwierigkeit mit Kunst Geld zu verdienen, um damit gut Leben, und nicht nur einen Teil seiner Gläubiger bezahlen zu können. Zudem lernt man Leonardo hier nicht erst als alten Mann kennen, sondern als einen Erfinder, Maler und Bildhauer in der Blüte seiner Jahre.

Die Bilder wirken homogen und authentisch, als entstammten sie tatsächlich der entnommenen Zeit. Warum dies so ist, erklärt sich im Werkstattgespräch mit den Illustratoren.

Es ist ein ganz anderes Werk von Lacombe, als diejenigen, die ich bisher kennengelernt habe. Ich bin aber nicht minder begeistert davon, vielmehr zeigt er hier wieder völlig neue Facetten von sich, beispielsweise durch den Wechsel von kleinformatigen, sepiafarbigen Illustrationen in der erzählenden Novel, die dann ganz plötzlich wieder von einer doppelseitigen, mehrfarbigen Illustration überflügelt werden. Trotz dieser Mittel wirkt Lacombes Arbeit mit Echegoyen wie ein homogenes Ganzes, bei dem viel zu schnell das Ende naht und man ehrlich gesagt nicht gewillt ist, lange auf die Fortsetzung zu warten. Ich für meinen Teil bin nun viel zu neugierig, wie sich das Auftauchen Francesco Melzis auf die zuweilen sehr komplizierte Beziehung zwischen Leonardo und Salai auswirken wird...

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2015
Jonas, der mechanische Hai
Santini, Bertrand

Jonas, der mechanische Hai


ausgezeichnet

Nach der sehr skurrilen Märcheninterpretation von der Schönen und dem Biest dieses Autors, dem "Yark", musste ich unbedingt auch "Jonas, der mechanische Hai" lesen.
Auch in diesem Buch interpretiert Bertrand Santini einen Klassiker neu. Da diese Interpretation allerdings relativ überraschend und erst gegen Ende des Buches deutlich zur Sprache kommt, werde ich diesen Klassiker in meiner Rezension nicht namentlich erwähnen.

'Glaubt man den Statistiken, setzt ein Mensch, wenn er in haiverseuchten Gewässern schwimmt, sein Leben weniger aufs Spiel, als wenn er seinem Nächsten die Hand gibt.' (S.54)

Jonas war in seinen besten Zeiten der Star mehrerer Blogbuster-Horrofilme. Nun verdient er sein Gnadenbrot in einem Freizeitpark in Hollywood neben Krokzilla, einem japanischen Filmsaurier und diversen Zombies und Vampiren.
Auch wenn die Figuren mechanischer Natur sind, so erwachen sie dennoch nachts zum Leben, wenn das menschliche Personal des Freizeitparks schon lange Feierabend gemacht hat.
Nach einem verpatzten Auftritt im Park, als Jonas' Mechanik im entscheidenden Moment versagt, will die Parkleitung ihn verschrotten. Damit das nicht passiert versucht sein Freund und Kollege Krokzilla ihn zum richtigen Ozean zu bringen. Ein Abenteuer, von dem Jonas schon immer geträumt hat, auch wenn ihm der Abschied von seinen Freunden schwerfällt.

Wie "Der Yark" ist auch "Jonas, der mechanische Hai" im Genre erzählendes Kinderbuch angesiedelt, dennoch ist die Geschichte auch gerade für erwachsene Leser geeignet auf Grund der Symbolik und den diversen Zitaten auf alte Filme und literarische Klassiker.

Die Illustrationen von Paul Mager zeigen ein breites Spektrum von melancholisch über putzig und gruselig. Obwohl Betrand Santini häufig eine reduzierte Sprache benutzt, beinhaltet seine Geschichte genau wie Magers Illustrationen eine tiefschürfende und märchenhafte Handlung. Die beiden ergänzen sich großartig, Text und Bilder gehen eine Symbiose ein und verstärken ihre Wirkung wechselseitig.

Jonas - der vermeintlich Böse in dieser Geschichte - bleibt immer ehrlich und handelt nie gegen seine Natur. Der Mensch erweist sich letzten Endes als der wahre Schrecken und Jonas wird belohnt, nicht nur mit einem echten Freund, der seine Gefährten aus Monsterland mehr als würdig ersetzt, auch wenn diese trotz Mechanik immer lebendig und echt beim Leser ankommen.

Das Buch ist für ein reichhaltig illustriertes Buch recht kleinformatig ausgeführt, von Papierqualität und Anzahl, Ausführung und Druck der Illustrationen jedoch sehr hochwertig ausgestattet.
Wer schön gestaltete Bücher oder Neuinterpretationen von Klassikern liebt, sollte die bislang erschienenen Geschichten von Bertrand Santini auf jeden Fall näher in Augenschein nehmen.

Bewertung vom 17.05.2015
Der Tag, an dem mein Meerschweinchen Kriminaloberkommissar wurde / Kriminaloberkommissar Kasimir Bd.1
Endres, Brigitte

Der Tag, an dem mein Meerschweinchen Kriminaloberkommissar wurde / Kriminaloberkommissar Kasimir Bd.1


ausgezeichnet

Valentines Eltern sind Bestatter, sie haben also im wahrsten Sinne des Wortes "Leichen im Keller". Eines Tages kommt als Kunde der an seinem Herzleiden dahingeschiedene Kriminaloberkommissar Kasimir in das Haus ihrer Eltern. Vor diesem Tag hat Valentine nie an Seelenwanderung geglaubt, doch als der Geist des Kriminaloberkommissars in ihr Meerschweinchen Bully fährt, das just in der Zeit an einem Stromschlag stirbt als der Oberkommissar für seine Beerdigung vorbereitet wird, sieht sich Valentine nicht nur eines Besseren in dieser Hinsicht belehrt, sondern wird kurzerhand zur Kriminalassistentin berufen und steckt inmitten einer Mordermittlung. Denn der Oberkommissar aka Bully aka Herr Kasimir ist der festen Überzeugung Opfer eines Mordanschlags geworden zu sein...

Brigitte Endres habe ich in der Vergangenheit hauptsächlich durch Bilderbücher und Bücher für Erstleser kennengelernt. "Der Tag, an dem mein Meerschweinchen zum Kriminaloberkommissar wurde" ist das zweite Buch der Autorin, welches ich las, das für ein etwas älteres Lesepublikum konzipiert wurde und es hat mich restlos begeistert! Das skurrile Setting, sowie die sehr gut ausgearbeiteten und ebenfalls häufig schräg ausgelegten Figuren haben mich dermaßen in den Lesebann gezogen, dass ich das Buch innerhalb kürzester Zeit verschlungen hatte:
Für gewiefte Krimileser mag die Entwicklung der Geschichte keine Überraschung sein. Aber für Kinder, Jugendliche und erwachsene Gelegenheitskrimileser legt die Autorin wenig vorhersehbaren, verschachtelte und sehr gut konstruierte Spuren aus, bei denen es Spaß macht, ihnen bis hin zur Auflösung des Falles zu folgen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es einige erwachsene Leser von humorvollen Krimireihen gibt, die an diesem Kinderkrimi nicht weniger Vergnügen haben als ihre jüngeren Pendants. Krimilesern mit lesebegeisterten Nachwuchs lege ich in jedem Fall ans Herz Valentines Geschichte gemeinsam lesend zu entdecken.

Doch die verrückten Ideen und die spannende Kriminalhandlung sind noch lange nicht alle Facetten dieses Kinderromans, mit denen mich die Autorin gefangen genommen und überzeugt hat.
Besonders gut hat mir die Aussage gefallen, dass man auch als Außenseiter gute Freunde finden und die Fassade eines Menschen einen völlig Eindruck von der Person vermitteln kann, die sich hinter der Hülle versteckt - es trägt eben nicht jeder Mensch sein Herz nach außen.

Ganz vorne dabei bei den eckigen, kantigen und verschrobenen Figuren dieser Geschichte ist der Oberkriminalkommissar: mittleren Alters und Muttersöhnchen bis zum Verscheiden der geliebten Mama. Doch auch für diese Figur werden beim Leser schnell Sympathien geweckt, da sie durch ihren Bodyswitch in den Körper eines Meerschweinchens nun völlig auf die Pflege und Fürsorge eines anderen Menschen - in diesem Fall Valentine - angewiesen ist. Brigitte Endres schafft es hierbei abwechselnd Mitleid und ein herzhaftes Lachen hervorzurufen. Keiner von uns mag sich wohl die Situation vorstellen, dass man in eine Ecke eines Käfigs zum Geschäft verrichten gehen muss und anschließend darauf angewiesen ist, dass einem jemand hinterher den Dreck wegräumt. In Momenten, in denen der nikotinsüchtige Herr Kasimir Valentine dazu drängt ihm eine Zigarette anzustecken und er geflasht vom Nikotin umkippt, muss man jedoch herzhaft Schmunzeln.

Das Buch beinhaltet so viele schöne und hintergründige Aussagen, und macht trotzdem vor allen Dingen Spaß. Es hat einfach alles, was ich Buch haben muss, damit es einem noch lange in Erinnerung bleibt. Spaß und Tiefgründigkeit müssen sich in (Kinder-)Büchern nicht gegenseitig ausschließen!
Zum Glück schreibt Brigitte Endres bereits an einem zweiten Band. Die Geschichte funktioniert zwar problemlos als Stand-Alone, aber nachdem man die Charaktere einfach ins Herz schließen muss, gibt es keine schönere Nachricht für den Leser, als ein Versprechen für ein Wiederlesen mit Valentine und ihren (tierischen) Freunden.