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katikatharinenhof

Bewertungen

Insgesamt 998 Bewertungen
Bewertung vom 05.08.2023
Der Liebende
Ehrenhauser, Martin

Der Liebende


ausgezeichnet

Hab in meinem Herzen drinnen einen wundersamen Schmerz (R.Schock)

Monsieur Hansen hat in seinem Leben schon viele Romanzen gesehen, aber noch nie selbst eine wirklich erlebt. Als katholischer Priester hat er den weltlichen Dingen entsagt, ist aber trotzdem weltoffen geblieben. Als Madame Janssen seine neue Nachbarin wird, ändert sich das bisher so ruhige und doch eher zurückgezogene Leben des pensionierten Geistlichen. Denn Madame Janssen liebt und feiert das Leben und genau das scheint Monsieur Hansen gefehlt zu haben. Als sie schließlich das Unsagbare ausspricht und Monsieur Hansen um einen Gefallen bittet, drohen die Gefühle beide zu übermannen. Denn der Himmel hängt voller Geigen und öffnet gleichzeitig seine Pforten für den letzten Weg...

Martin Ehrenhauser hat mit "Der Liebende" ein sehr feinfühliges, tiefsinniges und zugleich sehr berührendes Buch geschrieben, das sich mit ganz vielen Tabuthemen befasst und trotzdem, oder gerade deswegen, den Weg in die Herzen der Leser:innen findet.

Liebe und Sex im Alter, Sinnhaftigkeit des Zölibats, Sterbehilfe und Liebe über den Tod hinaus prägen die Seiten, ohne reißerisch zu wirken oder als Schlagzeile gedacht zu sein. Vielmehr hat Ehrenhauser ein ganz feines Gespür für die leisen Töne, die viel mehr bewirken, als laute Worte es jemals könnten. Seine Hauptfiguren stehen am Scheideweg des Lebens - beide aus unterschiedlichen Beweggründen und es gelingt dem Schreibenden, ihre Gefühls- & Gedankenwelt zugänglich zu machen. Zweifel, Angst, Hoffnung und Hingabe werden zu emotionalen Begleitern während der gesamten Lektüre und tragen die Leser:innen mal auf einer hellen, mal auf einer grauen Schleierwolke durch den Roman.

Auch wenn der Ausgang der Handlung traurig und tragisch ist, weht ein Hauch von Romantik, Melancholie und gegenseitigem Respekt durch die Seiten und ich bewundere sowohl Monsieur Hansen als auch Madame Janssen für ihre mentale Stärke, ihre gegenseitige Achtung, das Begegnen auf Augenhöhe und ihre echten, ehrliche Gefühle. Je stärker die Schmerzen werden und Madame Janssen in der Bewältigung ihres Alltages beschneiden, desto stärker wird die Liebe von Monsieur Hansen zu dieser Frau, die ihn die Liebe gelehrt hat.

Des sanfte Hinübergleiten in seinen Armen ist eine Szene, die mir tief unter die Haut geht und ich muss einige Augenblicke innehalten, um weiterlesen zu können. Ein Buch, das trotz der vielen ersten Themen auch ganz viel Leichtigkeit und Poesie in sich trägt und uns allen zeigt, dass die Liebe alle Hürden und selbst den Tod überwinden kann.

Bewertung vom 05.08.2023
Bayerns schönste Gipfel
Bahnmüller, Wilfried und Lisa

Bayerns schönste Gipfel


ausgezeichnet

Ein Tag in den Bergen ist auch immer ein bisschen wie Herzhüpfen

Seit Jahren begleiten mich die Reise- & Wanderführer von Lisa und Wilfried Bahnmüller durch Bayern, denn dieses schöne Fleckchen Erde ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Mit dem neuen Wanderführer "Bayerns schönste Gipfel" setzt das Autoren-Duo dem Wanderglück nicht nur das Sahnehäubchen auf, sondern garniert es zusätzlich noch mit einer roten Kirsche.

Die Bayerischen Hausberge laden dazu ein, unvergesslich schöne Momente auf und mit ihnen zu erleben, die nicht nur verrückt nach Gipfelglück machen, sondern auch für jeden Konditionslevel etwas zu bieten haben.

Das vorliegende Buch ist so konzipiert, dass nicht nur die begeisternden Worte der beiden Bahnmüllers ansteckend wirken, sondern die Streckenbeschreibungen sind so detailliert erläutert, dass es ein Leichtes ist, diese ohne zu Verlaufen nachzugehen. Die Informationen sind nicht nur im Infokasten ersichtlich, sondern auch in Detailkarten und GPS-Tracks zum Downloaden zusammengefasst und machen eine Planung unglaublich einfach. Es gibt leichte Rundtouren, Wadenzwickerwanderungen und auch für geübte Bergfexe mit Erfahrung und Trittsicherheit findet sich die ein oder andere Wanderung, die begleitet werden vom Duft der Almkräuter auf den saftig grünen Wiesen und dem Klingen der Kuhglocken, das schon irgendwie etwas Meditatives an sich hat.

Bekannte Wanderwege, aber auch noch unbekanntes Terrain wird hier beschritten und biete neben eindrucksvollen Panoramen wirklich tolle Bergerlebnisse, die im absoluten Gipfelglück enden. Rote Wangen und Appetit auf Hüttenschmankerl inklusive. Romantisch wird es am Wallbergkirchlein, ein bisschen goldene Olympialuft kann am Eckbauer geschnuppert werden und der Weg auf den Kofel wird von Feen, Engeln und anderen himmlischen Wesen in der Feengrotte begleitet.

Jetzt heißt es nur noch Rucksack packen, Proviant nicht vergessen und rein in die Wanderschuhe, damit "Bayerns schönste Gipfel" den Wandernden demnächst zu Füßen liegen.

Bewertung vom 04.08.2023
Nordseesturmtage
May, Cassie

Nordseesturmtage


gut

Leo macht das schon...

Leonie hat das Studium fast beendet und es fehlt nur noch das Praktikum, um gemeinsam mit ihrem Vater kleine Fellnasen, Samtpfoten und vielen andere Tiere zu verarzten. Der Weg zurück an die Nordsee fährt sich fast von alleine, bis Leonies Auto den Geist aufgibt. Hilfe naht in Gestalt von Nils, der als Mechaniker genau weiß, wo er mit den Reparaturen - nicht nur am Auto - beginnen muss. Aus dem anfänglichen Blickkontakt wird mehr, denn Nils gesteht Leonie, dass er schon länger etwas für sie empfindet. Und auch Leonie ist nicht abgeneigt. Zwischen Dünengras und Nordseewellen wartet aber die ein oder andere Überraschung auf die beiden, die nicht nur romantischer Art ist...


"Nordseesturmtage" ist ein Buch, das mich mit dem Cover regelrecht zum Lesen verführt hat. Ein bisschen Dünenromantik schadet nicht und ist gerade jetzt bei den doch eher verregneten Sommertagen genau das Richtige, um die grauen Wolken am Himmel leicht rosa zu färben. Leonie ist so eine Art "Hans Dampf in allen Gassen", denn egal was gerade ansteht - Leonie kann alles, macht alles, hat für alles eine Lösung....und wenn nicht, fragt sie ihren Daddy. Das lässt sie in meinen Augen leicht überheblich und auch ein Stück weit unglaubwürdig wirken, denn so eine Überfliegerin mit gerade einmal 25 Lebensjahren habe ich bisher noch nicht kennengelernt.

Ein bisschen erinnert die Handlung an die früheren Tierarztserien im TV "Ein Heim für Tiere" und "Tierärztin Dr Mertens" und es finden sich viele Tiere in der Handlung ein, die Leonies Weg kreuzen. Auch das ein oder andere menschliche "Schaf" ist darunter und gerade die reichlich versnobte Alina tut alles dafür, fleißig Punkte auf der Antipathie-Skala zu sammeln.

Die Dialoge wirken alle ein bisschen hölzern und sehr konstruiert, bieten nicht unbedingt ausgefeilte sprachliche Tiefe und die Probleme, mit denen sich Leonie herumschlägt, lösen sich fast immer mit einem Fingerschnippen in Luft auf. Mag sein, dass ich mit meiner doppelten Anzahl an Lenzen nicht unbednigt die Zielgruppe bin, auf die das Buch abzielt, aber normalerweise lese ich einen schönen Liebesroman mal ganz gerne zur Abwechslung. Hier finde ich allerdings recht plumpe Romantik, die mit Pseudoerotik auf den letzten paar Metern noch ein wenig die Stimmung ankurbeln soll. Auch ein bisschen Spannung findet sich im raschelnden Dünengras, aber das ist so wenig, dass der Spannungsbogen noch nicht einmal ansatzweise gespannt wird. Naja, nicht unbedingt mein Ding, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und das ist gut so.

Das Buch ist schnell gelesen und tatsächlich genauso schnell wieder vergessen. Die tollen Landschaftsbeschreibungen und das maritime Feeling zaubern ein bisschen Strandkorbstimmung, aber mehr wird daraus leider nicht. 2,5 Sternchen - schade

Bewertung vom 03.08.2023
Glück ist da, wo man es hinträgt
Günak, Kristina

Glück ist da, wo man es hinträgt


sehr gut

Manchmal muss man das Chaos nur ein bisschen schütteln und es wird ein Wunder daraus

Der nächtliche Anruf von Simon bringt Katharinas Leben so richtig aus dem Gleichgewicht. Ihr Zwillingsbruder ist von der Leiter gestürzt, hat so einige Blessuren davon getragen und ausgerechnet jetzt stehen in seiner Event-Agentur wichtige Feiern vor der Tür, die über das Schicksal seiner Firma entscheiden. Für Katharina steht ausser Frage, dass sie sofort alles stehen und liegen lässt , um ihrem Bruder zur Hilfe zu eilen. Doch der Weg zu Simon ist auch ein Weg zurück in die eigene Vergangenheit, denn Katharinas Zuhause ist eine Burg, deren Mauern so manche schlechte Erinnerung und Demütigung festhalten. Kann Katharina das Alte abstreifen, damit etwas Neues beginnen kann ?


Kristina Günak hat mit "Glück ist da, wo man es hinträgt" einen kunterbunten Blumenstrauß an großen Gefühlen, ganz viel Liebe und vielen wichtigen Botschaften gebunden, der mit liebevollen Charakteren, ordentlich Glitzer und jeder Menge Herzchen bestückt ist. Es gelingt ihr, ein sehr sympathisches Plädoyer für mehr Toleranz, Vielfalt und Diversität zu halten und die Botschaft zu vermitteln, dass jeder Mensch ein Geschenk und mit all seinen Ecken und Kanten, Macken und Makeln liebenswert ist. Es ist nicht wichtig, wie du aussiehst, wie du gehst, dich kleidest oder wen du liebst - sei einfach nur du, denn genauso bist du richtig und wichtig für uns alle!

Katharina muss erst lernen, wieder sie selbst zu sein, denn sie hat mit der ungeplanten Schwangerschaft als Teenie sich selbst aufgegeben, da sie nicht der "Norm" entsprochen hat. Und genau diesen Lernprozess dürfen die Leser:innen mitverfolgen und sehen, wie Katharina die einzelnen Stufen nimmt: Zulassen - Weglassen-Loslassen.

Auch wenn hier und da mich ein paar Kleinigkeiten stören (es scheint momentan Usus zu sein, dass in Romanen immer wieder Markenartikel als Schleichwerbung genannt werden), gelingt es Günak, mich mit ihrer duftig zarten Wolke aus Tüll und Glitzer einzuhüllen und ein Teil der doch sehr bunten Truppe auf der Burg werden zu lassen. Zwischen flotten Dialogen, amüsantem geschwisterlichen Kräftemessen und einem Hund namens Hund entwickeln sich die Episoden, die einen Touch von diversen Hochzeitssendungen bekannter Privatsender tragen.

Die Entwicklung der Figuren ist glaubwürdig, wenn auch manchmal etwas vorhersehbar, aber trotzdem weiß Günak mit ihrem Buch sehr gut zu unterhalten und setzt ein Statement für die Liebe mit all ihren Facetten.

Bewertung vom 31.07.2023
Wenn wir von Nähe reden
Bennings, Jana

Wenn wir von Nähe reden


gut

Trift nicht immer den richtigen Ton

Iris wuppt den Alltag als alleinerziehende Mutter einer Teenietochter fast im Handumdrehen. Sie hat auch allen Grund, stolz auf sie zu sein, denn Livia trainiert für ihren großen Traum: Olympia. Aber zwischen Mutter und Tochter knirscht es richtig heftig, denn irgendwie haben die beiden den Draht zueinander verloren. Ein Fahrradunfall stellt die Weichen neu und bringt Mutter und Tochter zum Nachdenken....


Jana Bennings erzählt in einer sehr flotten und mitunter sehr gefühlsbetonten Schreibweise von den Alltagssorgen, die Alleinerziehende sicherlich alle gut kennen. Der Spagat zwischen Job und Familie gelingt mehr schlecht als recht und die Beziehung zwischen Kind und Elternteil ist manchmal zum Zerreißen gespannt. Eine Entfremdung scheint vorprogrammiert und es fällt meist beiden Parteien schwer, aufeinander zuzugehen.

Iris ist in meinen Augen noch nicht ganz bei sich angekommen, wirkt rastlos und gehetzt und vergisst bei aller Hektik nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Tochter. Livia läuft im wahrsten Sinne des Wortes einfach so nebenher mit und dadurch wird der Riss, der die beiden entzweit, größer und größer.

Livia versucht mit ihrem verbissen Training und den daraus resultierenden Erfolgen das zu kompensieren, was ihr Zuhause verwehrt bleibt: Anerkennung und das Gefühl, etwas geleistet zu haben und gesehen zu werden.

Der Roman hat gute Ansätze, die aber durch die immer wiederkehrende Schleichwerbung von Markenartikeln (Auto, Notizbuch, Kleinanzeigen-Portal, Tapete, Supermarkt, Handwerker-Portal etc pp) gestört werden. Bei der Häufigkeit, wie Bennings Produkte benennt entsteht das Gefühl, dass diese Firmen das Buch gesponsert haben könnten oder eine wie auch immer geartete Kooperation vorliegt.

Auch missfällt mit, dass Iris als erwachsene Frau sehr diskriminierend ist - ihre Gedankengänge bzgl. Sebastian und und seiner sichtbaren körperlichen Einschränkung sind diffamierend und abwertend zugleich. In meinen Augen rückt das Iris in ein schlechtes Licht und ich muss ehrlich gestehen, dass ich hier negativ überrascht bin, solche Schmähworte in einem Buch zu finden.

Die Handlung ist in weiten Teilen sehr einfach gestrickt, sodass der Ausgang schon deutlich erkennbar ist. Die Entwicklung von Iris und Livia ist absehbar, auch die vermeintlich überraschende Wendung in der Geschichte zeichnet sich recht früh sehr deutlich ab. Ein netter Roman, der gut gedacht ist, aber in der Ausführung noch deutlich Luft nach oben hat. 2,5 Sternchen

Bewertung vom 30.07.2023
Diesseits vom Jenseits
Kasperski, Gabriela

Diesseits vom Jenseits


ausgezeichnet

Vielschichtige Charaktere, die erst nach und nach zeigen, was in ihnen steckt

Paul Blom hat es sich in seinem Leben als Anwalt bequem gemacht. Die genauen Vorgaben der Gesetze und die immer wiederkehrende Routine geben ihm Halt, um den schlimmsten Verlust zu ertragen, der einem Menschen widerfahren kann. Ein Anruf seines Freundes Iain wirft den Alltagstrott komplett aus den Fugen, denn dieser erteilt Paul den Auftrag, Goldbarren zu suchen. Eine Erbschaftsangelegenheit, die es in sich hat und Paul aus seiner Komfortzone herauslockt. Paul reist nach Zürich, wird dort "Opfer" eines Missverständnisses und prompt zum Praktikanten der Friedhofsgärtnerei degradiert. Doch zwischen den ruhigen Grabsteinen brodelt es, denn es gibt noch andere, die das Gold suchen....


Mit "Diesseits vom Jenseits" beschreitet Gabriela Kasperski neue Wege und öffnet die Türen des Zürcher Friedhofs Enzenbühl für ihre Leser:innen. Zwischen schlichten Grabkreuzen und imposanten Gedenkstätten gelingt es ihr, ihre Geschichte in leisen Worten zu erzählen, die ganz viel Platz für kraftvolle Zwischentöne bietet. Es sind die ungesagten Worte, die die Verstorbenen vielleicht nach an ihre Liebsten hätten richten wollen, Liebe bis über den Tod hinaus, sowie Geheimnisse und Erinnerungen - mal schöne, mal traurige - die sich den Weg aus den Seiten bahnen.

Die Autorin erschafft mit Paul Blom einen ganz starken Charakter, der auf den ersten Blick sehr zurückhaltend und introvertiert ist, aber je mehr der Roman fortschreitet, desto mehr gibt diese Figur von sich preis. Eine vernarbte Seele, die schwer am Verlust zu tragen hat, hemmt Paul und bietet ihm doch de Möglichkeit, sich in die Menschen auf dem Friedhof einzufühlen.

Ruby Kosa ist das krasse Gegenteil - extrovertiert, auffällig und um keine Ausrede verlegen, versucht sie gegen die offensichtliche Geldknappheit anzukämpfen und ihr Leben zu meistern. Sie bugsiert sich dabei auch gerne mal in die ein oder andere brenzlige Situation. Ruby ist aber eine Meisterin im Erzeugen von mystischen Stimmungen - ihr Livestream vom verborgenen Friedhof in London ist Gänsehaut pur und ich hätte ihr noch stundenlang zuhören können.

Die Suche nach dem Gold ist eher in der Sparte Cosy-Crime anzusiedeln, trotzdem ist eine gewissen Spannung vorhanden. Es muss nicht immer literweise Blut fließen und Gewalt zwischen den Seiten vorherrschen, sondern die Spannung besteht darin, die Entwicklung der Figuren miterleben zu können und das schrittweise Öffnen ihrer Gefühls- & Gedankenwelt. Kasperski ist darin unglaublich gut, denn sie kann nicht nur atmosphärisch erzählen, sondern sie entführt an Orte, die mit mit fernen Erinnerungen verbunden sind, die sich wie der Weinstock auf dem Grab von Margerita verwurzeln. Auch zeigt sie, dass ihre Protas Macken und Makel haben, eben nicht glatt geschliffen, sondern eben herrlich unperfekt sind und genau deshalb finden sie einen Platz in den Herzen der Leser:innen.

Die Autorin verwebt Zwischenmenschliches mit Fiktion, streut einen Hauch Grusel und Mystik mit ein und lässt auch die Sonne immer wieder scheinen, damit es keine düstere oder traurige Grundstimmung gibt. Der Schauplatz Friedhof ist perfekt gewählt, um Geschichten zum Leben zu erwecken, die lange im Verborgenen geschlummert haben. Ich freue mich auf eine Fortsetzung dieser Reihe :)

Bewertung vom 29.07.2023
Zwischen Verlust und Liebe / Geteiltes Land Bd.2
Eden, Farina

Zwischen Verlust und Liebe / Geteiltes Land Bd.2


ausgezeichnet

Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen (Talmud)

Das Leben für Sonja hat sich in der DDR grundlegend geändert, denn nach der geleisteten Haft und der Ausreise ihrer Schwester steht sie mehr denn je im Fokus der Stasi. Statt Abitur und Studium wartet eine Schneiderlehre auf sie. Doch Sonja lässt sich so schnell nicht kleinkriegen und ihr Drang nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben ist ungebrochen. Sie ahnt zunächst nicht, dass ausgerechnet ihre Tante für ihre Überwachung abgestellt wird. Als Sonja ans Messer geliefert wird, scheint ihr Traum vom Westen ausgeträumt...


Mit dem zweiten Teil legt Farina Eden noch einmal die Messlatte höher und zeigt, wie nah Freud und Leid tatsächlich beieinander liegen. Die Stasi verbreitet Furcht und Schrecken und weicht keinen Deut von ihrem eingeschlagenen Weg ab. Auch wenn Elise zunächst noch Feuer und Flamme für ihr Studium und die Ideale der Stasi brennt, erkennt sie schon bald, dass irgendetwas an der Denkweise nicht stimmen kann. die Zwickmühle, in der sie sich befindet, wird von Eden sehr glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt. Elise hat die konfligierenden Glaubenssätze dermaßen in ihren eigenen Alltag integriert, sodass diese in Verbindung mit den operativ tätigen Stasi-Mitarbeitenden ihr Leben beherrschen.

Die Einblicke in Sonjas Leben sind sehr aufwühlend und die Autorin schenkt den Leser:innen die Möglichkeit, sich mit dieser Figur emotional zu verbinden, um eine Symbiose mit ihr einzugehen und das Gelesene sehr intensiv zu erleben. Angst und Schrecken, Hoffnung und Verliebtheit, Zuversicht und Ausweglosigkeit - Eden beherrscht die Klaviatur der Gefühlsachterbahn wie keine Zweite und schickt ihre Leser:innen durch emotionale Hochs und Tiefs, die mal für erleichtertes Aufatmen oder angespanntes Luft anhalten verantwortlich sind.

Es sind unglaublich plastisch Bilder, die sich im Kopfkino abspielen und immer wieder vor Augen führen, dass die Machtspiele der Stasi keine Erfindungen einer Autorin sind, sondern leider grausame Wahrheit. Menschen werden zu Werkzeugen eines Machtapparates, der nur eines im Sinn hat: das totalitäre Herrschaftssystem der DDR zu unterstützen und Menschen zu brechen, die auch nur ansatzweise Kritik am System geübt haben - sei es in Gedanken, Worten oder Taten.

Sonjas Geschichte ist mitreißend und fesselnd erzählt, zeigt in schockierenden Bildern die grausame Wirklichkeit und lässt die Leser.innen manchmal selbst an der Glaubwürdigkeit mancher Figuren zweifeln. Ist es wirklich so, wie es auf den ersten Blick aussieht ? Oder doch ganz anders ? Hinter jedem freundlichen Wort könnte eine böse Absicht stecken...die Saat des Misstrauens fällt auch beim Lesen auf fruchtbaren Boden.

Mehr als einmal fließen Tränen - aus Wut und Enttäuschung, vor Schreck und Angst, vor Freude und Erleichterung. Ein emotional sehr aufwühlender zweiter Teil, der nicht nur die Weiterentwicklung der einzelnen Charaktere sehr deutlich zum Vorschein bringt, sondern auch das intensive Auseinandersetzen mit dem Gelesenen notwendig macht.

Bewertung vom 28.07.2023
Das Moorkind (eBook, ePUB)
Lundt, Alma

Das Moorkind (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nervenzerrer

Martha ist Kinderärztin mit Leib und Seele, das Wohl der Kinder liegt ihr am Herzen. Um so härter trifft sie die Tatsache, dass ausgerechnet während ihres Nachtdienstes in der Klinik ein kleines Mädchen verstorben ist. Aber noch schlimmer als das ist, dass ihr offenbar niemand glaubt und es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass die Patientin jemals in der Klinik behandelt worden ist. Es folgt für Martha eine lange stationäre Therapie, in der ihre paranoiden Wahnvorstellungen behandelt werden. Doch nach der Entlassung geschehen wieder befremdliche Dinge: Martha sieht am Straßenrand einen Jungen, dessen Leben am seidenen Faden hängt. Sie packt ihn kurzerhand in ihr Auto und will mit ihm zur nächsten Klinik fahren. Doch auch dieser Junge ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Martha versteht die Welt nicht mehr, denn niemand glaubt ihr, dass es die Kinder wirklich gibt....


Eigentlich habe ich gestern nur mal kurz in das Buch reinlesen wollen und dann habe ich die ganze Nacht durchgelesen, denn dieses Buch macht süchtig, ist ein echter Nervenzerrer und Pageturner. Alma Lundt erschafft schon auf den ersten Seiten eine unglaublich dichte Atmosphäre, die von Zweifeln, unterschiedlichen Realitätswahrnehmungen und unterschwelligen Bedrohungen immer wieder befeuert wird und für ein beklemmendes Gefühl beim Lesen verantwortlich ist. Der Kopf der Leser:innen wird zum Kinosaal, denn hier spielen sich die Bilder äusserst lebendig vor dem inneren Auge ab und es gelingt der Autorin den Blick der Lesenden an den Seiten festzuschweißen.

Mit Martha ist Lundt eine herausragende Figur gelungen, die das Wechselspiel aus Wahrheit und Trugbildern perfekt transportieren kann. Ihre Selbstzweifel, ob tatsächlich sich alles so zugetragen hat und ihr enormer Wille, alles lückenlos aufzuklären und zu beweisen, dass sie sich das Ganze nicht eingebildet hat, wirken wie ein Aufputschmittel beim Lesen und ziehen die Leser:innen immer tiefer in den Strudel aus Paranoia, Intrigen, Lügen und Realitätsverlust hinein.

Die Szenen im Krankenzimmer der psychatrischen Klinik gehen an die Substanz, denn die freiheitsentziehenden Maßnahmen verfehlen selbst beim Lesen ihre Wirkung nicht, wecken ein klaustrophobisches und zugleich Empfindung gedämpftes Gefühl. Die Handlung ist erstklassig inszeniert, lebt vom perfekten Timing und den raffinierten Ideen, die die Schreibende hier sehr gut platziert. Es entsteht ein gefährlicher Strudel, dem weder die Leser:innen noch Martha entfliehen können.

Der Puls rast und die Herzfrequenz ist dauerhaft hoch, denn hier geht es um schwelende Konflikte und Machtspiele, die in unterschiedlichen Kombinationen und Auswirkungen auftreten. Das zermürbende Spiel mit der Ungewissheit frisst sich wie Säure durch die Seiten und lässt nicht nur Martha, sondern auch die Leser;innen immer wieder zweifeln und die Frage stellen, welche Figuren im Buch noch vertrauenswürdig sind

Fazit nach einer schlaflosen Nacht: Hier ist jeder Buchstabe Spannung pur und es lohnt sich zu Gunsten des Buches auf den Schlaf zu verzichten!

Bewertung vom 26.07.2023
Das Glück in den Wäldern / Sehnsuchtswald-Reihe Bd.2
Koelle, Patricia

Das Glück in den Wäldern / Sehnsuchtswald-Reihe Bd.2


ausgezeichnet

Wer den Weg zur Natur findet, findet auch den Weg zu sich selbst (Klaus Enden)

Der Frühling ist für Franzi die schönste Zeit des Jahres - alle Zeichen stehen auf Neuanfang, alles grünt und blüht und auch neue Ideen für ihr Café schwirren in ihrem Kopf herum. Das Frühjahr wird umso schöner als Franzi merkt, dass sie schwanger ist. Doch in die Vorfreude schleicht sich auch ein bisschen Wehmut, denn Franzi würde so gerne ihrem Baby den Baumgeist, den sie einst von ihrem Vater geschenkt bekommen hat, über das Bettchen hängen. Ob ihre Schwester Luna die Sachen ihres Vaters noch aufbehwart hat ? Soll Franzi nach der jahrelangen Funkstille den ersten Schritt auf Luna zugehen und alte Wunden schließen ?


Patricia Koelle entführt die Leser:innen wieder mit ihrem seelenvollen Schreibstil auf den Darß und lässt sie gemeinsam mit den beiden Schwestern bis zum Horizont ins Blaue schauen, den Wellen folgen und den Geschmack von Salz auf den Lippen spüren. "Das Glück in den Wäldern" setzt nahtlos an das erste Buch an und es ist, als habe es die Lesepause nicht gegeben, denn sofort steigen die knorrigen Windflüchter und die majestätischen Bäume des Gespensterwaldes aus den Seiten und werden von den mystisch klingenden Tönen der Windharfe begleitet.

Luna und Franzi könnten unterschiedlicher nicht sein und doch spüren sie nach all den Jahren das schwesterliche Band, das sie verbindet. Währende Luna erzählt, warum sie sich lieber zurückzieht und die Stille genießt, lernt Franzi endlich, ihre große Schwester zu verstehen und ihre Beweggründe sind für sie nachvollziehbar.
Das Eintauchen die die familiäre Vergangenheit reißt auf der einen Seite alte Wunden wieder auf, gibt den Schwestern aber gleichzeitig die Möglichkeit, in langen Gesprächen diese Wunden heilen zu lassen, um gemeinsam nach vorne zu schauen.

Koelle verbindet ihre fast schon märchenhafte Erzählung mit ganz vielen aktuellen Themen, macht auf den Stress der Bäume durch die Unachtsamkeit der Tourist:innen und die Auswirkungen des Klimawandels aufmerksam, hebt aber nicht drohend oder mahnend den Zeigefinger, sondern lässt ihre Botschaften sanft mit in die Handlung einfließen.

Überhaupt geht es um ein achtsames und fürsorgliches Miteinander, gegenseitiges Verstehen und dem Erkennen und Benennen von eigenen Bedürfnissen, um nicht nur das Lebensglück zu finden, sondern auch das Glück,, das tief in uns wohnt. Die Autorin hat ein Händchen für ganz besondere Schwingungen, die den Wind in den Bäumen alte Lieder singen lassen, denen die Lesenden gerne zuhören. Zwischen Meereslauschen, Windspielen, Baumgeistern und innerer Heilung gelingt das Wechselspiel zwischen Wald und Meer mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit, denn Koelle fängt die Gedanken und Gefühle ihrer Figuren wie durch die Kristalle eines Sonnenfängers ein, lässt sie mal mehr, mal weniger in der Sonne glitzern und zeigt, dass der Wald gerade in einer Umbruchphase körperlich und seelisch gut tut.

"Das Glück in den Wäldern" begeistert mit leisen Tönen und starken Botschaften, eindrucksvoller Handlung und wundervollem Setting. Wieder sehr lesenswert !

Bewertung vom 25.07.2023
Sie haben Ihr Gebiss auf der Hüpfburg verloren / Haus Sonnenuntergang Bd.1
Bullatschek, Sybille

Sie haben Ihr Gebiss auf der Hüpfburg verloren / Haus Sonnenuntergang Bd.1


sehr gut

Man muss nicht verrückt sein, um hier zu arbeiten. Aber es hilft :-)



Mit dem neuen Chef soll alles anders werden und so sieht sich Pflegerin Sybille plötzlich nicht nur mit den normalen Alltagsaufgaben im Pflegebereich konfrontiert, sonder auch mit englischen Berufsbezeichnungen, Duftwolken und dem ambitionierten Bestreben ihres Vorgesetzten, den Titel "Pflegeheim des Jahres" einzuheimsen. Doch erstens kommt alles anders und zweitens eine Hüpfburg....


Sybille Bullatschek hat wirklich das Zeug zur Comedienne, denn ihr Buch liest sich locker flockig von der Hand, ist an vielen Stellen brüllend komisch und garantiert Lachmuskelkater am nächsten Tag. Sie weist mit einer großen Portion Humor auf das ernste Thema Pflegenotstand hin und schildert den normalen Wahnsinn im Pflegeheim mit frechen Pointen, scharfzüngigen Verbalduellen und wohl dosierter Hinterlistigkeit.

Ihre Figuren sind überspitzt dargestellt, nehmen sich nicht ganz so ernst und daher sind sie prädestiniert dafür, von einem Fettnäpfchen ins andere zu treten. Der eintönige graue Heimalltag wird plötzlich kunterbunt, auch wenn die Hintergedanken des Heimleiters nicht unbedingt gut zu nennen sind. Manipulation und Profitgier stehen bei ihm an vorderster Stelle und er verlangt von seinen Mitarbeitenden, seine Entscheidungen mitzutragen, komme was wolle.

Da aber mit Humor alles besser geht, streut die Autorin hier eine Extraportion in ihre Schilderungen ein, um den hektischen und stressigen Alltag auf einer Pflegestation leichter meistern zu können. Vom Speed-Dating bis Bordellbesuch ist im Haus Sonnenuntergang so ziemliche alles möglich :) Es sind die kleinen liebevollen Details, die aus einem anonymen Heim ein Zuhause machen - die Pfelgebedürftigen werden Senior und Senioras genannt, die Zimmer tragen die Namen von Städten wie Paris, New York oder Prag und die Pflegenden haben das Herz auf dem rechten Fleck. Auch wenn der ein oder andere Ausreißer dabei ist, wird auf den Stationen Nordcorega und Südcorega gut für die Bewohner:innen gesorgt (ich habe nur noch darauf gewartet, dass eine Corega-Staffel ein Wettrennen mit den Rollatoren veranstaltet :) )

Ein bisschen Dialekt, ein bisschen Chaos, das ab und an zu dick aufgetragen wirkt und der ein oder andere Seitenhieb runden das Ganze ab und lassen den Pflegenotstand in unseren Heimen zu einem kurzweiligen Lesespaß werden Vielleicht hilft dieses Buch ja dabei, genau dort anzusetzen und die Pflegenden zu unterstützen und ihnen nicht nur Applaus für ihre Tätigkeit zu spenden, sondern auch den ein oder anderen Hunderter im Geldbeutel am Monatsende.

Humorvoll inszeniert und trotzdem mit ernsten Zwischentönen versehen, kann dieses Buch überzeugen.