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vielleser18
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Hessen
Über mich: 
Ich lese querbeet, am liebsten aus den Bereichen Historisch, Krimi/Thriller, Frauen und Fantasy

Bewertungen

Insgesamt 808 Bewertungen
Bewertung vom 10.05.2017
Die Zweige der Esche
Hunt, Laird

Die Zweige der Esche


sehr gut

Amerikanischer Bürgerkrieg. Viele ziehen in den Krieg, so auch die Nordstaatlerin Constanze. Weil sie stärker und treffsicherer ist als ihr Ehegatte, verkleidet sie sich als Mann und wird als Ash Thompson Soldat.
Die Geschichte "Die Zweige einer Esche" wird aus Sicht von Constanze Jahre später erzählt. Sie erinnert sich, berichtet wie alles anfing und was geschah. Dabei ist der Erzählstil fast sachlich und kühl - und ist gerade deswegen bewegend und geht unter die Haut. Sie berichtet von den Kämpfen und dem Sterben auf den Schlachtfeldern. Von Kameraden und Vorgesetzten. Von Verwundungen und ihrer Zeit im Irrenhaus.
Allerdings gibt es immer wieder auch weitere Rückblenden in ihre Jugendzeit, vor allem erinnert sich Constanze an ihre bereits verstorbene Mutter. Erst nach und nach wird auch dem Leser klar, warum Constanze zu so einer Kämpfernatur geworden ist.
Es ist einer harter Weg, den sie geht und sie wird nicht verschont von Leid und quälenden Gedanken und Erinnerungen. Dennoch ist sie eine Frau, die ihr Herz am rechten Fleck hat und eingreift und hilft, wo sie nur kann. In ihr steckt viel Widersprüchliches, aber dennoch schafft es der Autor sie glaubhaft und lebendig zu zeichnen.

Die Erzählweise ist ruhig, doch durch die immer wiederkehrenden Andeutungen auf Constanzes Vergangenheit, die sich erst nach und nach heraus kristallisiert, gibt es auch einen Spannungsbogen. In der Mitte des Romans flacht dieser etwas ab um umso stärker am Ende wieder zu fesseln. Vor allem aber sind es Emotionen, die das Buch beim Lesen auslöst - und gerade am Schluß, kann man den Roman nicht einfach aus der Hand legen, man sinnt noch eine Weile darüber nach.

Der Sprachstil ist der Protagonistin angepasst. Eine einfache, fast gefühlskalte Sprache, aber genau die drückt das Leben der Hauptperson aus. Man kann sich förmlich vorstellen, wie sie, die früher nur Arbeit auf dem Feld und im Hof kannte, in den Krieg zog und als Frau unerkannt unter Männern lebte und kämpfte. Im Klapptentext wird die New York Times zitiert, die den Roman "unterkühlt und gefühlvoll zugleich" bezeichnet. Und genau diesen Eindruck konnte ich auch gewinnen.

Immer wieder gab/gibt es Frauen, die als Männer getarnt in den Krieg zogen/ziehen. So auch im amerikanischen Bürgerkrieg. Der Autor hat die Figur glaubhaft dargestellt, auch ihre Widersprüchlichkeiten, die sanften Seiten gegenüber den kaltblütigen Kampfhandlungen, ihre Listigkeit gegenüber Hilfsbereitschaft.

Ein Roman, der sich fast liest wie ein Tatsachenbericht, bei dem man die Grenze zwischen Realität und Fantasie kaum sehen kann. Ein Buch, das mich gefesselt und gefangen genommen hat, manchmal mit Schrecken und Abscheu über die beschriebenen Handlungen, aber auch mit Mitleid und Sorge um die Protagonistin, die man je mehr man von und über sie liest, immer besser verstehen lernt.
Es ist eine Geschichte aus einer anderen Zeit, einem so gänzlich anderem Leben, doch der Autor schafft es, diese Zeit, dieses Leben ziemlich genau vor Augen zu haben.

Fazit:
Eine ganz andere, fesselnde, bedrückende, faszinierende und emotionale Leseerfahrung.

Bewertung vom 08.05.2017
Im Aufstand
Meinert, Michael

Im Aufstand


ausgezeichnet

"Im Aufstand", der Titel verrät schon etwas um was es geht - und hat im Roman auch gleich doppelte Bedeutung.
Einmal betrifft es Franzi, Komtess von Wedell, die 19jährige begehrt gegen die strenge, christliche Erziehung ihres Vaters auf und gegen die Beschränkungen im Mädchenpensionat. Ihre Freundin Julie von Götzen ergeht es ähnlich, allerdings ist sie Waise, bei ihr es es neben dem Pensionat die eiskalte Großmutter, der sie schon immer entrinnen wollte.
So schmieden die beiden einen waghalsigen Plan, lassen sich vom Pensionat rauswerfen und machen sich auf nach Deutsch-Ostafrika. Sie wollen zu Julies Onkel Graf von Götzen, der in Daressalam Gouverneuer ist. Schon auf dem Hinweg gibt es so manches Schlamassel, in das sie hinein geraten und endlich angekommen geraten sie in den Maji-Maji-Aufstand.

Der vorliegende Band ist der vierte Teil der "Hochwald-Saga", doch er ist in sich abgeschlossen und kann - wie von mir - ohne Vorkenntnisse der ersten Bände gelesen werden.
Die Hochwald Saga erzählt die Geschichte einer schlesischen Familie über mehrere Generationen hinweg von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis ca. 1920. Teil V und VI sind noch nicht erschienen.

Dem Autor Michael Meinert ist es wichtig, dass nicht nur Spannung, sondern auch der christliche Glaube eine wichtige Rolle in seinen Romanen spielt. Dazu gehört auch, dass einige Glaubensthemen im Buch von den Protagonisten diskutiert werden und ein roter Faden sich durch das ganze Buch zieht, bei dem es um den Weg zum Glauben geht. Hier ist es im Generationenkonflikt die Tochter, die - im Gegensatz zu Vater, Großmutter und Bruder - Gott und den Glauben ablehnt. Und je mehr der Vater versucht sie mit Strenge zu überzeugen, desto stärker wird ihr Widerstand. Und je mehr Franzi vehement den Glauben dem Rücken kehrt, desto größer wird die Gefahr, in die sie sich begibt.

Das Buch konnte mich mit seiner Mixtur aus Spannungs- und Historienroman und christlicher Botschaft überzeugen. Den geschilderten Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika hat es wirklich gegeben und viele Begebenheiten, Persönlichkeiten etc. von damals tauchen im Roman auf. Auch die Kämpfe, die im Roman geschildert werden, haben statt gefunden.
Die Spannungskurve fängt schon nach ein paar Kapiteln an und steigert sich unaufhörlich. Gegen Ende gibt es einen packenden und mitreissenden Show-Down, bei dem alle Register der Erzählkunst gezogen werden.
Herausheben möchte dabei ich den füssigen Romanstil, der abwechslungsreich ist und mich mit den vielen interessanten und gut beschriebenen Dialogen sehr gut unterhalten hat.

Gelungen ist dem Autor vor allem die Entwicklung der Hauptpersonen realistisch darzustellen. Die rebellischen Mädchen Franzi und Julie, der belehrende Vater und auch Graf Moritz von Schenk, der in Franzi verliebt ist, sie alle gehen eine schweren Weg. Diesen Weg so darzustellen, dass er nicht übertrieben, nicht unglaubwürdig beim Leser ankommt, das ist eine Kunst, die dem Autor gelungen ist.

Die Geschichte wird auf über 634 Seiten erzählt, die sich schnell lesen lassen. Viele Details runden den Roman ab. So gibt es ein ausführliches Vorwort, welches einem schon Lust auf das Buch macht, viele Extras, wie eine Karte, eine Tabelle mit Mannschaftsrängen, eine Übersetzung der verwendeten Suahei-Worte und ein Nachwort, bei dem der Autor unter anderem auch die historischen Tatsachen erklärt und aufklärt, was dichterische Freiheit war.

Mir hat das Buch einige vergnügliche und spannende Lesestunden beschert und ich freue mich schon auf die Fortsetzung der Hochwald-Saga (und auf die ersten Bände).

Bewertung vom 01.05.2017
Was es ist
Willmann, Julia

Was es ist


ausgezeichnet

Viola ist über 30, alleinstehend, erfolgreich im Beruf und....ja, und anfangs wirkt sie farblos. Doch es gibt vieles, was man über sie schreiben kann.
Sie ist einsam, in ihrer steril wirkenden Wohnung, belastet mit ihren Erinnerungen an eine nicht so schöne Kind- und Jugendzeit. In der Wärme, Liebe und Geborgenheit fehlte. Trotz allelm gebunden an ihre Eltern, die inzwischen alt und von Krankheit getroffen sind. Und da ist auch noch eine alte Liebe, Yannik, für den sie es nicht gewagt hat mutig genug zu sein um über ihren Schatten zu springen.

Auf diese Erzählung muss man sich einlassen. Muss auch die kleinen Hinweise in diesem knappen und doch eingängigen Stil bemerken.
Es wird nicht linear erzählt, Erinnerungseinschübe bringen erst nach und nach mehr ans Licht.
Meines Erachtens hat es die Autorin geschafft, mit ihrer ausdrucksstarken Erzählweise, die anfangs sehr kühl und vielleicht spröde klingt, sehr gefühlsstark die Kälte, die Einsamkeit, die anfängliche Leere der Protagonistin wiederzugeben.

Es ist eine Geschichte, die auch beim Leser Fantasie, Verstehen, Emphatie und vor allem Verständnis erfordert. Erst im Laufe der Geschichte merkt man, wie viel mehr in der Vergangenheit liegt, die die Zukunft behindert.
Die Protagonistin Viola muss sich erst von ihrer Vergangenheit lösen um nach vorne schauen zu können. Doch im Buch ist sie erst auf der Suche nach Antworten nachdem sie die Nachricht einer lebensbedrohliche Erkrankung ihrer Mutter erhält. Es beginnt das erste Aufbrechen alter Strukturen. Eine Verschiebung der Abhänigkeiten, die manche Antworten liefert oder andere Prozesse in Gang setzt.

Es ist die Frage nach dem "was war" und dem "was es ist". Dabei bewirkt der Titel des Buches schon ein Nachsinnen. Ist es eine Frage, eine Aussage, betrifft es die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft ? Ein Interpretationsspielraum für den Leser. Den es auch bei manchen anderen Szenen im Buch zu geben scheint, aber dennoch bin ich der Überzeugung, die kleinen Hinweise der Autorin lassen sich entdecken und auslegen.

Es ist keine heitere Geschichte, aber eine, die sicher nicht abwegig, sondern im Gegenteil, in unserer heutigen Gesellschaft viel öfters vorkommt als man meint.
Viola ist ein Spiegelbild manch einer einsamen Frau, mit einer nicht glücklichen Kindheit, die Bindungsängste hat, die sich in Erfolg flüchtet. Viola muss sich ihrer Vergangenheit stellen, ihren Eltern, ihren Beziehungen innerhalb dieser Familie und deren Auswirkungen auf ihre eigene Zukunft.
Nichts scheint einfach schwarz oder weiß, vieles, dass der Leser selbst bewerten muss. Manches wirkt nebulös, aber dass ist es gerade, was mir so gefallen hat. Man bekommt manches "vorgesetzt", manches muss man sich selbst erarbeiten, selbst bewerten.

Julia Willlmann hat mich mit diesem Buch gefesselt. Der ausdrucksstarke, niveauvolle Stil und die knappe und doch so aussgekräftige Erzählweise hat mich überzeugen können, hat mich berührt und mir Stoff zum Nachdenken beim Lesen gegeben. Mir gefällt es, wenn man beim Lesen auch selber Mit- und Weiterdenken muss, so wie hier !

Bewertung vom 25.04.2017
Time Travel Girl: 1989
Wittpennig, Susanne

Time Travel Girl: 1989


ausgezeichnet

1989, eine Kleinstadt in England. Da ihre Eltern schon früh verstorben sind, lebt die 16jährige Lisa bei ihrem älteren Bruder und dessen Freundin. In der Schule gilt sie als Außenseiterin, zu ihr halten nur ihre Freundin Britt und Zac, ein hochbegabter Mitschüler, der in die Fußstapfen seines berühmten Vaters treten will, einem Physik-Nobelpreisträger. Und da ist noch Momo, eigentlich Morgan. Momo war in Kindergarten und Grundschulzeiten ihr bester Freund. Doch ein Umzug und das erwachsen werden hat ihre Freundschaft beendet. Doch Lisa vermisst ihren Freund aus Kindertagen immer noch, obwohl sie ihn täglich in der Schule sieht. Doch dort verhält er sich unnahbar, wortkarg und ihr gegenüber kühl.
Zac bastelt an einer Zeitreisemaschine und er scheint erfolgreich dabei zu sein. Als er seine Erfindung an Lisa ausprobiert, setzt er eine Kette von Ereignissen in Gang, die die Zukunft aller Beteiligten gehörig durcheinander wirbelt....

Susanna Wittpennig, Jahrgang 1972, hat das Buch als Jugendbuch konzipiert, dennoch ist es auch für ältere Leser (wie mich) fesselnd geschrieben. Ein Hauch von "Zurück in die Zukunft" umweht uns hier, dennoch ist es eine ganz eigenene, ganz andere Geschichte.
Eine, die mich zurück versetzt in das Ende der 1980er Jahre, mit ihren Frisuren, der Musik, mit dem Alltag ohne Handy und PC, mit der Mode von damals und und und.... Erinnerungen ohne Ende !

Diese Vergangenheit trifft auf unsere Gegenwart und auch wenn nur 30 Jahre dazwischen liegen, scheinen es doch Welten zu sein und das wird gerade hier beim Lesen mehr als deutlich.
Die Protagonisten sind gut ausgefeilt dargestellt, mit ihren Ansichten, ihren Taten, ihren Aktionen. Es gibt die "Guten" und auch ein paar "Böse", die es spannend machen. Es gibt Entwicklungen, Geheimnisse und vor allem immer wieder neue Wendungen und auch Erkenntnisse. Das Buch, obwohl es über 500 Seiten hat, lies sich so ruckzuck durchlesen. Ein großen Anteil daran hatte auch der lebendige Schreibstil, die guten Dialoge und das Gefühl, dass hier einfach alles gut zusammen passt. Der zweite Teil wird im Herbst 2017 erscheinen und ich fiebere schon jetzt auf die Fortsetzung hin.

Wer Zeitreise-Romane liebt wie ich, dem empfehle ich dieses Buch.
Abwechslungsreich, spannend und mit einem Hauch von Liebe und ganz viel Abenteuerlust versehen.

Bewertung vom 22.04.2017
Geständnisse
Minato, Kanae

Geständnisse


ausgezeichnet

Die 4jährige Tochter der Lehrerin Yuko Moriguchi ertrinkt im Schwimmbecken der Schule. Warum ? Wie ist das passiert ? Wie kam die Kleine in den abgesperrten Bereich ? Schnell wird auch dem Leser klar, anscheinend steckt da mehr dahinter, viel mehr.

"Geständnisse" wird aus Sicht von mehreren involvierten Personen erzählt. Anfang hat mich der Stil, in dem die Lehrerin und Mutter mit ihrer Klasse spricht etwas irritiert, da es ein seitenlanger Monolog ist, der mir fast zu emotionslos, zu gefühllos erschien. Doch dieser Monolog ist nur der Anfang von der erschütternden Geschichte. Moriguchis Rede vor der Klasse, ist, wenn auch die Form, der Stil hier ungewöhnlich ist, trotz allem aufwühlend. Zudem wird der Leser schon von Beginn an gewzungen über Schuld, Sühne, Rache, Liebe und viele andere Empfindungen nachzudenken.

Im Buch kommen mehrere zu Wort, Mitschüler, Schuldige, Angehörige. Immer wieder wird die selbe kurze Zeitschiene von drei Monaten aufgerollt. Aber wer denkt, dies wäre langweilig dargestellt, der irrt. Denn je mehr Facetten die Ereignisse bekommen, desto klarer kristalliert sich nach und nach die ganze Wahrheit heraus. Und gibt es nur eine Wahrheit ? Die Autorin hat mich immer wieder überrascht, immer wieder stellen sich neue Sichten, neue Empfindungen, neue Wahrheiten heraus. Die Wendungen sind für den Leser nicht vorhersehbar, überraschen und sind sehr dramatisch. Minato spielt mit den Gefühlen der Leser, auch meine Haltung zu manch einem Protagonisten musste das ein oder andere Mal revidiert werden.
Das Buch liest sich wie eine Achterbahn der Gefühle.

Erschreckend, verstörend, tiefgründig und eine ganz und gar nicht leichte Kost bietet uns die japanische Autorin Minato.
Mich hat einerseits die wechselnden Perspektiven gefesselt, anderseit die verschiedenen Motivationen. Aber auch der von der Autorin gekonnte verwebte Wechsel der Erzählenden, meines Erachtens ist ihr hier eine groß angelegte schriftstellerische Kompostion gelungen.

Die Geschichte lässt einem beim Lesen nicht kalt. Sie hat mich herausgefordert, sie hat mich nachdenken lassen über Gut und Böse, über Schuld und Sühne, über Dinge, die beeinflussbar sind oder nicht. Über Erziehung, Moral und Strafen. Ein Buch, dass wahrlich unter die Haut geht.

Das Buch erschien in Japan schon im Jahre 2008 und wurde bereits erfolgreich verfilmt.
Die deutsche Ausgabe erschien nun 2017 im Bertelsmann Verlag und ich empfehle jedem, vor dem Film erst einmal das Buch zu lesen, denn ich glaube, diese subtile Geschichte ist beim Lesen viel intensiver als beim Zuschauen zu vermitteln.

Fazit:
Bitter, tiefgründig, ausgefeilt, harte Kost - ein Roman, der mit einer groß angelegten schriftstellerischen Komposition beeindruckt und einen nicht kalt lässt.

Bewertung vom 19.04.2017
Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1
Lunde, Maja

Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1


ausgezeichnet

Drei Zeitebenen, drei Geschichten - doch die Bienen verbindet sie, aber nicht nur sie.

Abwechselnd erzählt uns die Autorin von William (1852, Großbritannien), einem Forscher, der nach seiner Heirat viele Kinder bekommen hat, die es zu ernähren gilt. Seine Forschungsarbeit leidet darunter und er verfällt in eine tiefe Depression.
George lebt 2007 als Imker in den USA. Er betreibt den seit Generationen betriebenen eigenen Hof und hadert damit, dass sein Sohn Tom nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten will.
Tao lebt im Jahre 2098 in China. Die Bienen sind auf dieser Welt ausgestorben, die Blüten der Bäume müssen durch viele Arbeiter per Hand bestäubt werden. Eine anstrengende Arbeit. Kinder müssen schon früh mitarbeiten. Tao will das bei ihrem 3jährigen Sohn verhindern und versucht mit aller Macht ihm Wissen zu vermitteln, damit er ein besseres Leben führen kann.

In allen drei Geschichten geht es um Bienen. Doch in verschiedenen Stadien. Bei William tauchen sie erst später auf, bei George erfahren wir eindrucksvoll von der Arbeit mit den Bienen und viel über sie. In Taos Welt sind sie verschwunden und die Menschheit kämpft um ihr eigenes Überleben.
Es geht aber in allen Geschichten auch um Eltern-Kind-Beziehungen.
Alle drei Fäden hat die Autorin anfangs lose miteinander verwoben, erst nach und nach stellen sich die Zusammenhänge heraus.

Mich hat dieses Buch gefesselt. Die drei so verschiedenenen Hauptprotagonisten haben alle ihren Kampf mit dem Leben auszufechten. Die Autorin Lunde hat es geschafft, dass ich mir alle drei sehr gut vorstellen konnte und auch ihre Probleme, ihre Eigenarten, ihre jeweilige Welt. Denn wir sprechen hier von drei verschiedenen Jahrhunderten. Immer wieder wird die eine Geschichte unterbrochen um die andere weiter zu erzählen, dadurch kommt Dynamik und Spannung auf. Auch wenn es kein "Action-Roman" ist, findet doch Entwicklung statt. Es geht jedem der Protagonisten um die Zukunft, vor allem um die Zukunft der eigenen Kinder. Was will man weitergeben ? Es geht um Hoffnungen, Wünsche, die eigenen Vorstellungen, die meist nicht die selben sind wie bei den Kindern. Konflikte sind daher vorprogrammiert.

Es geht aber vor allem auch um die Bienen, die in jeder der Geschichten eine ganz besondere Rolle spielen. Wir als Leser erfahren so mehr von den Anfängen der Imkerei, der Arbeit, die damit verbunden ist, aber auch um die Wichtigkeit der Bienen und was für Auswirkungen ihr Verschwinden haben wird. Was heute schon beginnt kann für unsere Zukunft bedeutungsvoll und verheerend sein. Daher ist dies auch ein Roman, der nachdenklich stimmt und dem man Beachtung wünscht.

Fazit:
Die Autorin hat es verstanden mich zu fesseln und zu beeindrucken und auch mich immer wieder mal zu überraschen bei den Wendungen, die sie mit eingebaut hat.
Eine Geschichte, die nachdenklich macht was unsere Zukunft betrifft und erwartet.

Bewertung vom 16.04.2017
Die Zeit der Ruhelosen
Tuil, Karine

Die Zeit der Ruhelosen


ausgezeichnet

Im Roman von Karine Tuil stehen vier Menschen im Vordergrund. Romain Roller, Soldat der französischen Armee und traumatisierter Afghanistan-Heimkehrer. Francoise Vely, reicher Unternehmer, mit einem außergewöhnlichen Kunstinteresse und jüdischen Wurzeln,und seine zweite Frau Marion. Die Beziehung der beiden fing durch den Selbstmord von Francoise erster Frau kurz vor der Heirat an zu bröckeln.
Der Vierte, der hier im Blickpunkt steht, ist der farbige Mitarbeiter im Elysee-Palast, Osman Diboula. Aufgewachsen im sozialen Brennpunkt, im Banlieue, den Vororten Paris, hat Osman als Streetworker, Vermittler und Schlichter auf sich aufmerksam gemacht und danach eine steile Karriere im politischen Geschäft begonnen.

Anfangs erzählt die Autorin abwechselnd in öfters kurzen Abschnitten von den vier Hauptprotagonisten, die sich anfangs weder kennen noch sonstige Berührungspunkte haben. Doch sie haben eines gemein: richtig glücklich und zufrieden mit sich und seinem Leben ist keiner.
Es geht um die Suche nach Macht, weil manche der Protagonisten das Gefühl haben, nur dann glücklich/anerkannt/zufrieden zu sein. Es geht um die eigenen Wurzeln (bei Osman Diboula, aber auch bei Francoise Vely), die man abschütteln möchte, weil man dazu gehören möchte, nicht anders sein will.
Es geht auch um das eigene Gewissen. Um das Abschütteln der Vergangenheit, nur mit dem Blick nach vorne zu leben. Ist das möglich ?
Es geht um Beziehungen, Liebe und Ehen. Ehen, die aufgrund der Verschiedenheit der Ehepartner oder auch durch die Selbstsucht der Protagonisten zum Scheitern verurteilt sind.
Es geht aber auch um die sozialen Netzwerke, Meinungsmache, Medien. Und um ihre Macht, die das Leben eines Einzelnen nicht nur verändern können.
Und es ist eine Suche nach einem glücklichen Leben, das eigentlich jeder der Protagonisten sich wünscht.
Als Leser verfolgt man gespannt ihre Anstrengungen, ihre Fehltritte, ihre Entscheidungen. Manchmal kann man als Leser Symphatiepunkte verteilen um diese im nächsten Augenblick wieder zu streichen. Es gibt bei den Protagonisten keine eindeutigen Helden oder Antihelden - irgendwie steckt in jedem beides.

Anfangs sind es vier Erzählstränge, die aber nach und nach sich immer mehr verwickeln, nach und nach berühren sich die Leben der vier Protagonisten, am Ende kennen sich alle Protagonisten und sind in unterschiedlichen Konstellationen auch voneinander abhängig.
Am Ende muss man tief durchatmen und das Ganze Geschehen, die ganze Geschichte erst einmal sacken lassen.


Der Schreibstil ist sehr flüssig, wenn man sich mit den Protagonisten vertraut gemacht hat, ist man gespannt auf den Fortgang. Auch wenn alles aus der Erzählwarte eher kühl, diagnostisch, seziert erzählt wird, verfolgt man als Leser gespannt das Auf und Ab der Protagonisten mit. Irgendwie herrscht in ihrem Leben auch nie Ruhe, es ist immer Entwicklung, immer Bewegung - egal in welche Richtung - vorhanden. "Die Zeit der Ruhelosen" - ein Roman aus unserer heutigen Zeit, den ich empfehle kann.

Bewertung vom 16.04.2017
Das Licht und die Geräusche
Schomburg, Jan

Das Licht und die Geräusche


sehr gut

Man sollte sich bei diesem Buch nicht vom Klappentext oder von dem Kurzzitat auf der Rückseite beeinflussen lassen, denn leider wird das Buch dadurch nicht treffend beschrieben.

Es ist eine Geschichte aus Sicht der 18jährigen (?) Johanna, die mit Boris aus ihrer Klasse befreundet ist. Allerdings sind sie kein Paar, obwohl Johanna mehr für ihn empfindet. Boris hat aus seiner Zeit, in der er mit seinen Eltern in Portugal gelebt hat, dort eine Freundin: Ana-Clara.
Es geht im Roman um Johanna. Und um Boris. Am Rande auch um Ana-Clara. Es geht um Liebe und Freundschaft, um Zugehörigkeit und den richtigen Blick im und auf das Leben. Es geht ums Beobachten, ums Einmischen. Es geht um eine gewisse Zeit im Leben, ums Erwachsenwerden.

Johanna ist die Erzählerin. Sie springt mit ihren Berichten, ihren Erzählungen zwischen Gegenwart und Erinnerungen aus der Vergangenheit hin und her. Es gibt aber einen roten Faden, der sich durchs Buch zieht und das sind die Erlebnisse mit Boris.
Man muss sich anfangs einlassen auf diese Erzählweise, die sprunghaften, manchmal kurzen Einschübe benötigen Konzentration beim Leser. Aber dadurch lernt man Johanna "kennen", kann sie einschätzen, ihren Gedanken folgen. Kühl, pointiert, auf den Punkt gebracht, berichtet sie. Manchmal nebensächliches, oft allerdings sehr gut beobachtet, wird alles interessant erzählt.

Als Leser muss man bereit sein, sich mit der Jugendlichkeit und den daraus resultierenden Ereignissen der Protagonisten einzulassen. Soweit ich das als - nicht mehr jugendlicher Leser - einschätzen kann, hat der Autor Jan Schomburg es geschafft, diese Jugendlichen sehr authentisch darzustellen. Für mich ein gelungener coming-of-age-Roman.

Die Geschichte ist eigenwillig, anders als erwartet, es gibt überraschende Wendungen und irgendwie läuft am Ende aber auch alles zusammen, anfangs hätte ich das nicht gedacht. Es passt, auch wenn am Ende nicht alles geklärt, nicht alles zu Ende gesponnen wurde. Es lässt Raum zum Nachdenken, das gefällt mir aber auch.

Sprachlich gelungen, es ist für mich ein Roman mit Niveau, anspruchsvoll, authentisch und eigenwillig erzählt.

Punktabzug nur für die eher verwirrende Buchbeschreibung im Klappentext/Rückseite.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2017
Bürgerlich, christlich, sucht ...
Kelle, Klaus

Bürgerlich, christlich, sucht ...


ausgezeichnet

Klaus Kelle, Jahrgang 1959, Journalist, Kolumnist hat in seinem Buch "Bürgerlich, christlich, sucht..."
die Probleme in Deutschland angemakert, die
ihn, die viele, stören, die sich aber immer weniger offen anzusprechen trauen.


Worum geht es ? Um die Sicherheit, die Familie, das Wir-Gefühl, um Politik, um den Rechtsstaat, um Flüchtlingspolitik, um die Kirchen, um Gender, um die Medienlandschaft.
Er erzählt von seinen Erlebnissen, seinen Erfahrungen und drückt mit seinen Ausführungen den "Finger" in die Wunde. Was läuft hier alles schief ? Warum ? Warum traut sich keiner mehr offen zu reden, zu groß ist die Angst in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden. Dabei kritisiert Kelle hier Politiker aller Couleur. Er regt an selber nachzudenken, Meinung zu äußern. Er will keine Meinung machen, sondern er zeigt seine Meinung und möchte, dass die Mehrheit sich mehr engagiert, Meinungen gebildet und auch geäußert werden. Nicht alles was "von oben" angeordnet oder beschlossen wurde, hingenommen wird.
Dabei legt Kelle keinen Wert auf "Mainstream", sondern auf Ehrlichkeit und Direktheit und vor allem auf Sinnhaftigkeit statt Lobbyisten. Werte statt kurzsichtige Popularität. Kelle bekennt sich zu seinen bürgerlichen, christlichen Werten und fordert sie auch ein.

In seinem Buch spricht Kelle aus und von eigenen Erfahrungen, berichtet von seinem Werdegang, seinen Anfängen. Von seinen Eltern, seinem journalistischen Werdegang, seinem Glauben, seinen Erlebnissen. Berichtet, was in unserer heutigen Gesellschaft und vor allem in der Politik, insbesondere der Regierung, falsch läuft.
In 12 Kapiteln ist das Buch unterteilt und es ist zwar ein Sachbuch, aber eines, dass sich durch seine direkte Art, seinen abwechsungsreichen Stil, der geprägt ist von Offenheit und vielen exemplarischen Beispielen, zügig lesen lässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.