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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2019
Sissis Kopf
Barta, Bernhard

Sissis Kopf


gut

So idyllisch es im Salzkammergut scheint, auch hier lauert das Verbrechen. Aus der Bad Ischler Kaiservilla ist ein Marmorkopf der Kaiserin Sisi entwendet worden. Ganz aufgelöst ist der Erzherzog, an dessen Kaisertreue die Jahrzehnte spurlos vorübergingen.
Chefinspektor Brandner und sein frisch beförderter Revierinspektor Birngruber sehen sich plötzlich in hektische Ermittlungen verwickelt, denn die Hauptverdächtige wird ermordet im Hotelzimmer aufgefunden.
Schon die Beschreibung und das Titelbild versprechen einen humorvollen Kriminalroman mit viel Regionalkolorit. Das Taschenbuch fällt auch durch die liebevollen Zeichnungen und die Übersichtskarten von Ischl und Gmunden auf.
Der Autor nimmt nicht nur die K & K Schwärmerei aufs Korn, auch sein Erzherzog und die anderen Adelsträger, die eisern in der Vergangenheit leben, werden passend portraitiert. Die beiden Revierpolizisten gehören zu den gemütlichen Vertretern ihres Berufs. Nichts geht über kulinarische Genüsse und ein Verschieben von Pausen und den dazugehörenden Mahlzeiten geht gar nicht. Andererseits ist man auch nicht über die Einmischung der übergeordneten Behörden aus Linz glücklich.
Die Handlung schreitet also gemächlich voran, über Spuren und Hinweise stolpert Birngruber meist nur zufällig, während Brandners Überlegungen auch nicht allzu viel Erkenntnis bringen. Viel Spannung sollte man also nicht voraussetzen, dafür aber eine witzige Atmosphäre mit einigen Dialekteinsprengseln, die im ausführlichen Glossar erklärt werden.
Mir driftete allerdings der Humor manchmal zu sehr in Klamauk ab und auch Ungenauigkeiten in der Kontinuität der Handlung und der Sprache sind mir beim Lesen aufgefallen.
Aber trotzdem überwiegt der positive Eindruck und der Salzkammergut Krimi ist die passende leichte Lektüre für Fans von amüsanten Regionalkrimis

Bewertung vom 26.07.2019
Die Gärten von Monte Spina
Scriverius, Henrike

Die Gärten von Monte Spina


weniger gut

Nach dem tödlichen Unfall ihres Mannes hat Toni jede Lebenslust verloren. Nur die Arbeit in ihren geliebten Gärten kann für kurze Zeit das Gefühl von Trauer und Schuld überdecken. Sie hat deshalb ihr Zuhause verlassen und arbeitet nun als Gärtnerin in den berühmten Gärten von Beaulieu House in England. Ihr Bereich ist der Schattengarten, dort fühlt sie sich inmitten von riesigen Hortensien geborgen.
Doch dann bietet sich ihr eine berufliche Chance, sie soll den verwilderten Garten von Monte Spina auf Lanzarote betreuen. Das Anwesen gehört dem geheimnisvollen Max Bror und so schön die Umgebung ist, so seltsam sind die Anforderungen. Bror scheint ein unwahrscheinlich reicher, aber fordernder Arbeitgeber zu sein. Kein Wunder, dass es ihre Vorgänger nie lange ausgehalten haben.
Was für ein seltsamer Roman! Wann immer die Autorin Gärten und Pflanzen und die Arbeit von Toni beschreibt, gelingen ihr wunderschöne Abschnitte. Sie kann dann mit Worten Bilder malen. Aber die Rahmenhandlung um Toni und den arroganten Max ist mir einfach zu holzschnittartig und zu vorhersehbar.
Die kleine Gärtnerin bringt den harten Geschäftsmann zum Umdenken und ohne an sich zu denken, zerfließt sie vor Menschenliebe. Ganz egal, welche Beleidigungen und Kränkungen ihr Bror an den Kopf wirft. Da wird angedeutet, dass Bror illegale Geschäfte macht und nicht ganz ungefährlich lebt, da wird seine traurige Kindheit thematisiert und natürlich muss sich Toni mit Haut und Haaren verlieben. Das Ende ist dann ebenfalls Dramatik pur und trotzdem darf es ein Happy End geben.
Ich finde das Buch nicht gelungen und das ist schade, denn dass die Autorin erzählen kann, beweisen die Gartenszenen. Aber das ganze Liebes- und Beziehungsgedöns sind gründlich missglückt. Übrigens auch die weiteren Figuren, die schnippische Sekretärin, die aufopferungsvolle Hausdame usw viel zu plakativ geraten.
Schade, der wunderschöne Schutzumschlag hat mehr versprochen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.07.2019
Die Tage mit Bumerang
Sahm, Nina

Die Tage mit Bumerang


sehr gut

Es gibt in Annus Leben ein Davor und ein Danach. Das Davor war eine etwas eigenbrötlerische Existenz als Übersetzerin. Sie lebt im allein im Elternhaus, seit Mutter und Vater viel zu früh starben. Das Dorf ist klein, eine überschaubare Welt, wo auch schon die Eltern die zugezogenen Außenseiter waren.


Das Danach wird durch einen tragischen Unfall markiert, denn Annu verursacht hat. Daran zerbricht sie fast. Sie wird vorverurteilt, im Dorf gemieden und auch Lars und Birte, ihre besten Freunde sprechen nicht mehr mit ihr. Sie kapselt sich ab, beginnt mit dem Spiegel und den alltäglichen Gegenständen zu reden. Doch dann steht eines Tages ein Schaf in ihrem verwilderten Garten. Es lässt sich nicht vertreiben, hat das Grundstück zur neuen Heimat auserkoren und Annu beginnt sich um ihren Bumerang zu kümmern.

Der nicht sehr umfangreiche Roman hat mir gut gefallen. Es ist eine leicht, aber nie seichte Geschichte. Dafür sorgen die sympathischen Einsprengsel mit Lars, der sich einen Kampf gegen Anglizismen auf die Fahne geschrieben hat und einige sehr witzige Wortschöpfungen parat hat. Oder auch Annus reicher Schatz an finnischen Sprichwörtern. Das ist eine sehr warmherzige, fast etwas märchenhaft-versponnene Geschichte. Sie hat mich gleich angesprochen und ein tiefe Empathie für Annu hervorgerufen. Annu hat durch ihren Vater finnische Wurzeln und vielleicht macht das auch den Hang zur Schwermütigkeit aus.

Wie sie in ihrem Kummer gefangen ist, war sehr mitfühlend und anrührend erzählt, dabei aber nie schwer oder zu melancholisch. Ganz im Gegenteil, gerade das zugelaufene Schaf Bumerang ist für heitere Szenen gut. Dazu entwickelt sich eine Beziehung zum Rettungssanitäter, der damals die Erstversorgung machte und immer wieder einmal nach Annu sieht. Instinktiv scheint er zu wissen, wann Zuspruch oder Ansporn nötig ist.

So wandelt sich das dunkle Danach allmählich in einen hellen Neuanfang.

Bewertung vom 22.07.2019
Die Kinder des Borgo Vecchio
Calaciura, Giosuè

Die Kinder des Borgo Vecchio


gut

Im Süden Italiens, in einem heruntergekommenen Stadtviertel, dem Borgo Vecchio wachsen die Kinder Mimmo, Cristofaro und Celeste auf. Es ist keine behütete Kindheit, ganz im Gegenteil, das Kindsein durften die Kinder nie erleben. Zu hart ist der Überlebenskampf, zu sehr haben sie die Bewohner mit ihrer Lage abgefunden. Mimmos Vater betrügt die Kunden seiner Metzgerei mit einer präparierten Waage, der Vater von Cristofaro prügelt seinem Sohn allabendlich die Seele aus dem Leib und Celeste, die Tochter der Ortsprostituierten verbringt die meiste Zeit des Tages auf dem Balkon, wohin sie ausgesperrt wird, wenn die Mutter ihre Freier bedient.


Das hat die Kinder zusammengeschweißt und ihr Held heißt Totò, ein Straßenräuber, der den Gesetzeshütern immer ein Schnippchen schlägt. Sie wollen werden wie er: unabhängig, stark und frei.
Der Roman hat mir einiges abverlangt. Die wort- und bildgewaltige Sprache ist faszinierend, die fast beiläufige Schilderung von Gewalt, Gefühllosigkeit und Brutalität gegen Menschen und Tiere verstörend. Immer wieder mischen sich Realität und Phantastik, so bleibt die Zeit der Handlung im Dunkeln, manches mutet sehr gegenwärtig an, anderes verweist in eine archaische Welt. Nicht nur die Kinder, auch Celestes Mutter und Totò suchen eine Erlösung, ein anderes freies Leben und doch liegt das Scheitern schon in den Anfängen.


Alle Bewohner des Borgo haben sich mit den Zuständen arrangiert, so lebt der Bodensatz der Gesellschaft seit Jahrhunderten und so wird es bleiben. Wenn Cristofaro allabendlich unter den Schlägen seines Vaters schreit, drehen die Nachbarn das Radio lauter und seufzen ergeben. Wenn Celeste in Hitze oder Regen auf dem Balkon ausharrt, wundern sie Leute nur, dass sie unverdrossen in ihrem Schulbuch liest. Aber hat nicht zu viel Bildung und Wissen schon immer ins Verderben geführt?


Einen großen Raum nehmen Symbolik und religiöse Metaphern ein, die mir einerseits zu viel waren und anderseits nicht immer ganz verständlich. Aber was bleibt, ist ein Buch, das berührt und verstört und mich durch die Sprache gefesselt und gleichzeitig durch manche Schilderung auch abgestoßen hat.

Bewertung vom 18.07.2019
Sterbenstörtchen
Ferchländer, Beate

Sterbenstörtchen


sehr gut

Hanna Stadler führt das Hotel und Gasthaus ihrer Familie, ihr Mann Willi ein Schürzenjäger vor dem Herrn und die Mutter ist pflegedürftig und anstrengend. Diskretion ist Willis Sache nicht und so weiß jeder im Dorf und bald jeder Gast, wer seine neueste Gespielin ist. Hanna erträgt das alles ohne zu murren und in Resignation. Dann ruft die hochbetagte Mutter ihre drei Töchter ans Krankenbett um ihnen das Testament zu erläutern: Erben wird nur die, die zum Todeszeitpunkt nicht mehr verheiratet ist. Denn alle gewählten Ehemänner sind Taugenichtse. Paulas Gatte ist gewalttätig und schlägt seine Frau, Gerdas Mann ist nie seinem Hippiedasein entwachsen und lässt seine Frau für den Lebensunterhalt aufkommen und über für Willi spricht auch nicht viel. Wie sie es anstellen, ist der Mutter egal und es gibt immer Mittel und Wege, die auch kurzfristig Erfolg bringen.
Schon wenige Tage später ist Alex tot. Paulas Ehemann ist in seiner Waldhütte verbrannt, ob ein Unglück oder nicht, ermittelt die Polizei. Jetzt sind die beiden Schwestern in Zugzwang.

Sterbenstörtchen ist einerseits ein rabenschwarzer Krimi, aber auch ein Familiendrama. Das Verhältnis von Mutter und Töchtern und von Schwestern ist ja oft nicht ganz einfach. Vieles wird über Jahre totgeschwiegen und trotzdem gären die unausgesprochenen Vorwürfe. Als die Ereignisse sich überschlagen, kommen langgehütete Lügen, Vertuschungen und Geheimnisse ans Licht. Das Leben von Mutter und ihrer drei Töchter wird gehörig durchgerüttelt.

Der Krimi punktet mit bösem Humor und treffsicherer Personenbeschreibung. Dass dabei die Ehemänner nicht gut wegkommen, ist klar. Beate Ferchländer hat sie ganz unterschiedlich charakterisiert, man spürt das Vergnügen, dass sie bei der Ausgestaltung wohl hatte. Natürlich wirken die Frauen sympathischer, obwohl ich auch sie nicht ganz von der Verantwortung für ihre Lage nicht freisprechen kann. Aber das macht auch die Faszination aus. Auch eine gute Portion Schadenfreude macht dem Leser Laune, mir ging es jedenfalls so, ganz instinktiv hatte ich ein „Geschieht dir ganz recht“ im Kopf.
Immer wenn ich beim Lesen dachte, jetzt ist alles klar, überraschte mich dann wieder eine gelungene Wendung im Plot, so blieb Spannung und Lesevergnügen bis zur letzten Seite hoch.

Ein wirklich gelungener Regionalkrimi aus Österreich, mit Charme und perfekt getimter Situationskomik.

Bewertung vom 16.07.2019
Die Kuh kennt keinen Feiertag / Milka Mayr und Kommissar Eichert Bd.1
Gunthers, Bernd

Die Kuh kennt keinen Feiertag / Milka Mayr und Kommissar Eichert Bd.1


ausgezeichnet

Die Kuh kennt keinen Feiertag und im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass es für Milka keinen Feiertag gibt. Auch wenn an ihrem Geburtstag nur das morgendliche Melken an ihr hängenbleibt und die anderen Pflichten quasi als Geschenk von den Familienmitgliedern übernommen werden.


Eine besondere Überraschung hat sich wohl ihr langjähriger Nachbar Max ausgedacht, er will sie mit einem Ultraleichtflieger besuchen, aber kurz vor dem Ziel stürzt er ab und überlebt das Unglück nicht.
Unglück – das mag Milka gar nicht glauben und mit der ihr eigenen Beharrlichkeit macht sie sich auf Spurensuche. Nicht unbedingt zur Freude ihres Freundes Paul, der der ermittelnde Beamte im Kommissariat ist und anfangs eher zur Unfalltheorie neigt. Milka bohrt tiefer und plötzlich mehren sich die Spuren und Hinweise, dass dieser Absturz gezielt herbeigeführt wurde. Eine der Spuren führt in die Kunstszene, Max hatte in diesem Sektor gearbeitet und Gutachten erstellt. Auch wenn sie sich den Zorn von Paul Eichert zuzieht, den ihre Einmischung zunehmend nervt, lässt Milka nicht locker.


Das Hohenloher Land muss eine Gegend mit viel krimineller Energie sein, die sich glücklicherweise immer in Buchform niederschlägt. Bernd Gunthers ist nun der dritte Autor aus diesem Landstrich, dessen Krimi ich gelesen habe. Das Buch war eine Überraschung für mich. Ich mochte den Plot, der wirklich sehr fein und verzwickt ausgedacht ist und mich lange im Dunkeln ließ. Aber vor allem mochte ich Milka, nicht zart schmelzend wie der Name suggeriert, sondern klug, zupackend und energiegeladen. Sie geht mit Verve und Logik ihren Spuren nach.


Aber auch die Nebenfiguren habe ich gemocht, allen voran Professor Ebert, den ich mir auch in weiteren Büchern wünschen würde.
Die Landschaft ist ebenfalls trefflich in Szene gesetzt. Aber was mir besonders gut gefiel, war der feine Wortwitz. Immer wieder musste ich über einzelne Beschreibungen schmunzeln, z.B. ein Smartphone das mit seinem Logo Bezug auf die Streuobstwiesen nimmt. Auf diese Idee muss man erst mal kommen. Ich mag auch Dialekte sehr gern und hier haben mir die Einsprengsel ebenfalls gut gefallen. Nur manchmal, und das ist Jammern auf hohem Niveau, spürt man in einzelnen Wendungen, dass der Autor bisher nur mit Sachbüchern in Erscheinung getreten ist.


Wenn ein Buch in dieser Gegend spielt, darf auch das Kulinarische nicht zu kurz kommen. Schließlich hat auch Schwäbisch-Hällische Landschwein einen überragenden Ruf und beschriebenen Leckereien runden das Buch ab.


Milka hat das Zeug zu einer guten Ermittlerin und zusammen mit ihrem KHK Paul ergibt das ein gutes Gespann und freue mich, dass bereits ein zweites Manuskript in Pipeline ist.

Bewertung vom 15.07.2019
Die geheime Mission des Kardinals
Schami, Rafik

Die geheime Mission des Kardinals


ausgezeichnet

Syrien 2010/2011 – noch herrscht ein brüchiger Frieden im Land, obwohl man spürt, dass es an vielen Ecken schon gärt. Die italienische Botschaft erhält eine sonderbare Lieferung: ein Fass mit Olivenöl, darin eingelegt die Leiche des Kardinals Cornaro. Kommissar Barudi, der kurz vor seiner langersehnten Pensionierung steht, wird mit dem Fall konfrontiert. Er weiß, dass er nur verlieren kann. Politische Verwicklungen sind vorprogrammiert und Recht und Gesetz sind in Syrien schon lange in der Hand des Geheimdienstes und seiner Günstlinge.

Barudi lässt sich allerdings nicht schrecken. Schon bald entdeckt er besondere Zeichen am Leichnam des Kirchenmannes: Goldmünzen unter den geschlossenen Augen und den Kardinalsring am falschen Finge. Bald steht im der italienische Beamte Mancini zur Seite – der Fall hat schließlich eine internationale Bedeutung.

Rafik Schami hat in diesem wunderschönen Roman den Hintergrund einer Kriminalhandlung gewählt um ein farbiges und realistisches Bild von Damaskus kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs zu zeichnen. Kenntnisreich, wie ich finde und sehr persönlich. Das Alltagsleben in Damaskus ist farbig und exotisch und doch spürt man, dass überall die Staatsmacht und die Geheimdienste lauern. Trotzdem pulsiert die Stadt, man trifft sich in Kaffeehäusern und kleinen Lokalen, der Duft von Kaffee und Kardamom und Gewürzen wird lebendig.

Wie immer spürt man den geborenen Erzähler Schami, er schweift ab, fügt kleine Episoden und Exkursionen zu allen möglichen Themen zu und doch haben all diese Abschweifungen eine Bedeutung für die Geschichte. Wir erfahren viel über Barudis Ehe, sein Leben, die Hoffnungen und Enttäuschungen die es ihm gebracht hat. Daraus resultiert eine Altersweisheit und Gelassenheit die sämtliche Widrigkeiten im korrupten Polizeiapparat an ihm abprallen lassen. Ich habe den Mann sofort ins Herz geschlossen.

Der Roman bietet Schami die Möglichkeit viel über die verschiedenen Religionen Syriens in die Handlung einfließen zu lassen. Das fand ich sehr interessant und füllte auch einige meiner Wissenslücken.
Dazu kommt Schamis Sprache, die mich immer wieder aufs Neue bezaubert, ich habe mich einfach von der Geschichte einfangen lassen und die Zeit über der Lektüre vergessen. Ich meine fast, jeder neue Roman von ihm übertrifft seine vorherigen Bücher.

Bewertung vom 10.07.2019
Rendezvous mit Lou
Brouillard, Fabienne

Rendezvous mit Lou


sehr gut

Das Cover beschwört sofort in einer hübschen Zeichnung Pariser Flair. Die junge Dame auf dem Titelbild, die kokett zur Sonnenbrille greift, erinnert mich dagegen an die berühmte Szene mit Audrey Hepburn. Und genau diese Figur hatte ich bei der Beschreibung der Protagonistin Lou Derisbourg von Anfang an vor Augen.

Olivier, ihr Liebhaber ist zwar verheiratet, aber das ist nur noch eine Formsache, einen Verlobungsring mit Diamant hat er ihr schon überreicht. Nur noch 2-3 Wochen, dann sieht die Welt für Lou paradiesisch aus. Sie wird ihr Journalistikstudium beendet haben und mit Olivier ihr Liebesglück. Aber dann bekommt Olivier einen bedeutenden Preis verliehen, kündigt dem Publikum in seiner Dankesrede den langersehnten Nachwuchs mit der geliebten Gattin an und Lous Welt bricht in tausend Splitter. Weil sie temperamentvoll wie Vulkan ist, produziert ihr Zusammentreffen mit dem Ehepaar einige skandalöse Schlagzeilen und will sie nicht vor der Prüfung von der Journalistenschule fliegen, muss sie sich beweisen. Ihre Dozentin gibt ihr eine Chance:ein Interview mit dem geheimnisumwitterten Unternehmer Frédéric d’Arambault muss es sein, nicht einfach, denn der Mann verabscheut die Öffentlichkeit und die Presse.

Zwischen Lou und Frédéric fliegen die Fetzen, aber jeder Leser weiß schnell, dass die gezeigte Abneigung eigentlich etwas ganz anderes ist. Die Zähmung der Widerspenstigen ist seit Shakespeare ein amüsantes Thema im Liebesdrama und es gibt unzählige Variationen. Die Autorin jedenfalls hat offensichtlich sehr viel Spaß an ihrem Stoff gehabt und das spürt man in jeder Zeile. Voller Esprit und Witz entwickelt sich die Geschichte, die einige Anleihen an den Film „Pretty Woman“ macht, aber so charmant, dass ich es eher als Hommage sehe.

Natürlich war von der ersten Zeile an klar, dass es ein Happy End geben muss, Paris ist ja nicht nur im Film die Stadt der Liebe. Den Weg dorthin hat Fabienne Brouillard mit leichter Hand gewiesen. Der Roman ist duftig und leicht und ein reines Lesevergnügen und genau das, was ich mir unter einer spritzigen Liebeskomödie vorstelle.

Bewertung vom 09.07.2019
Jenseits von schwarz
Flebbe, Lucie

Jenseits von schwarz


ausgezeichnet

„Jenseits von Schwarz“ ist der zweite Band der geplanten Trilogie um die junge, alleinerziehende Kommissarin Edith ,Eddie‘ Beelitz. Sie lebt in Bochum in einer Sozialsiedlung und was an Komfort fehlt, macht die herzliche Nachbarschaft wieder wett. Nachbarin Mütze ist jederzeit bereit als Kindermädchen für die kleine Lotti einzuspringen und im Gegenzug hilft Eddie bei Formularen fürs Amt.

Schon einmal ist sie mit dem ehemaligen Boxer Zombie Rheinhardt in Konflikt geraten und ausgerechnet er stellt sich als Vater der kleinen Jo heraus, die Lottis beste Freundin geworden ist. Zombie, der seinen Spitznamen seinen Tätowierungen und seinen Aggressionen zu verdanken hat, arbeitet als Wachmann in einer Suchtklinik und wird eines Abends überfallen und niedergeschlagen, den Angriff meldet er der Polizei. Beim nächsten nächtlichen Rundgang wird er wieder von zwei bewaffneten Männern angegriffen, er wehrt sich und tötet sie in Notwehr, so seine Aussage bei der Polizei.
Eddie glaubt seiner Version und lässt ihn anfangs bei sich untertauchen, später schleicht sich Zombie unter falschen Namen als Patient in die Suchtklinik und unterstützt ihre Spurensuche. Derweil scheinen sich in ihrem Privatleben die Ereignisse zu überschlagen.

Der ganze Krimi ist auf die außergewöhnliche Hauptfigur Eddie zugeschnitten. Außergewöhnlich – weil sie mit einer für sie völlig neuen Situation zurechtkommen muss und auch weil sie eigentlich überhaupt nicht gerne Polizistin ist. Aber sie nimmt jede Situation an und versucht das Beste daraus zu machen. Sie ist selbstbewusst und trotzdem manchmal unsicher, sie verbeißt sich in ihren Fall, auch wenn ihr Vorgesetzter die Sache längst zu den Akten legen möchte und sie lässt keine Vorurteile gelten. Das betrifft ganz besonders Zombie, dessen andere, weitaus sanftere Seite sie auch kennengelernt hat.

Abwechselnd lässt Lucie Flebbe beide Figuren in der Ich-Form zu Wort kommen und so lernt man das Innenleben der Protagonisten sehr gut kennen. Das Zwischenmenschliche ihrer Figuren macht einen wichtigen Teil des Krimis aus und trägt den ganzen Plot. Es ist nicht nur ein Kriminalfall der sich sehr vielschichtig entwickelt, sondern auch eine Beziehungsgeschichte, die sehr ausgefallen ist und lebendig ist. Die Autorin hat mit Zombie Rheinhardt einen interessanten und widersprüchlichen Charakter geschaffen und obwohl sie ihn mit vielen abschreckenden Details ausgestattet hat, kann der Leser gar nicht anders, als Sympathie zu entwickeln.
Außerordentlich gut gelungen fand ich die Beschreibung der Klinik und der Patienten, Alkohol- und Spielsucht werden dort behandelt und hier merkt man ganz deutlich, dass die Autorin da viel Recherche einfließen ließ.

Auch wenn der eigentliche Kriminalfall manchmal zur Nebensache wird, ist das Buch spannend und authentisch und ich bin jetzt schon sehr auf die abschließende Folge gespannt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.