Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
katikatharinenhof

Bewertungen

Insgesamt 998 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2023
Sternschnuppen
Hertz, Anne

Sternschnuppen


schlecht

Manhattan Love Story auf deutsch

Svenja hat gerade einen echten Lauf - der nächste Sprung auf der Karriereleiter bedeutet für sie die Leitung eines Nobelhotels in Hamburg. Der Umzug von München an die Waterkant ist nur halb so schlimm, denn Freund Carsten hat bereits seine Bewerbung bei einem renommierten Unternehmen in den Ring geworfen und damit steht dem gemeinsamen Lebensweg nichts entgegen. Der Job in Hamburg scheint zunächst auch ganz gut anzulaufen, bis Svenja merkt, dass ihre vermeintliche Blasenentzündung eine Zwillingsschwangerschaft ist. Sie möchte die freudige Nachricht ihrem Freund lieber persönlich überbringen und reist zu einem Überraschungsbesuch nach München. Und dort muss sie eine Entdeckung machen, die ihr den Boden unter den Füßen wegzieht....


Willkommen in der unrealistischen Welt von Svenja, denn hier wuppt die Hauptfigur Kinder, Karriere und Kindermädchen mit links, bekommt im Verlauf des Buches noch eine gute Fee zur Seite gestellt, die ihr einen Wunsch erfüllt und am Ende haben sich alle lieb. So viel zur Kurzzusammenfassung des Buches.

Die Autorin bedient sich jeglicher gängigen Klischees, die es im Bereich seichter Lektüre zu finden gibt und nimmt sich den Film "Manhattan Love Story" mit J Lo als Inspiration, um die Geschichte in leicht abgewandelter Form zu erzählen. Die Story ist von Anfang an seicht wie ein Kinderplanschbecken und viele Sätzen sind so abgedroschen, dass sie keine Katze mehr hinter dem Ofen hervorlocken.

Die Handlung versprüht einen Elan wie eine Baldrianperle und pilchert munter vor sich hin. Die Figuren sind alle nach Schema F gestrickt und daher sehr eindimensional. Ihre Dialoge und Emails sind recht einfach formuliert, sodass auch hier der Ausgang sehr berechenbar ist.

Es fehlt an allen Ecken und Enden Pfiff, Einfallsreichtum und Romantik und daher gibt es auch keine großartigen Überraschungen, die auf der nächsten Seite zu erwarten sind. Anne Hertz hat hier eine 1a Schmalznudel nach Großmutters Rezept gebacken, streut noch ein paar Pseudonamen von Prominenten ein, deren Ähnlichkeit zufällig und nicht gewollt ist (Til Schweikert, Frauke Ludwig, Katja Reumann und Karl Lagerheld) und setzt damit den Plattitüden noch die Krone auf.

Eine Frau zwischen Kindern, Karriere und männlichem Kindermädchen - klingt nach Erfolgsstory, verglüht aber leider wie eine Sternschnuppe am Nachthimmel. Insofern ist der Buchtitel in meinen Augen treffend gewählt.

Bewertung vom 24.07.2023
Vertrauensübung
Choi, Susan

Vertrauensübung


gut

Man mag es...oder eben nicht

Die CAPA ist der Traum all jener, denen die Bretter, die die Welt bedeuten, von Grund auf kennenlernen wollen. Wer in der Schauspielschule aufgenommen wird, der hat es geschafft. Sarah und David können ihren Traum leben, denn ab sofort öffnen sich tagtäglich für sie die Türen der CAPA. Mr. Kingsley heißt der Schlüssel, der gleichzeitig für Erfolg und Verderben steht und es gilt, seine Gunst zu gewinnen. Aber können die Schüler:innen diese Kampf um ein kleines Lob, ein winziges Erfolgserlebnis auch wirklich gewinnen ? Denn es gilt der Grundsatz, dass alle Mittel erlaubt sind, um das hochgesteckte Ziel zu erreichen...


Susan Choi holt die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts auf den Stundenplan und wer wie ich, in dieser Zeit Teenie gewesen ist, kennt die Serie "Fame". Meine Vorstellung vom Buch ist eben jene gewesen, dass sich Teile dieser Serie der Autorin als Grundgerüst dienen, um die Handlung in Gang zu bringen. In gewisser Weise stimmt es auch, aber das, was ich hier lese, ist manchmal mehr als verstörend.

Teenies, die die Taktik des gezielt eingesetzten Sex beherrschen, um Erfolg zu haben ? Manipulation durch vorgespielte Gefühle, Machtmissbrauch und falsche Freundschaften ? Klingt alles nach #Metoo und dadurch bekommt das Buch einen sehr bitteren Beigeschmack. Geht es wirklich nur noch darum, Menschen gefügig zu machen ? Ist die Welt des Theaters/Schauspiels darauf ausgerichtet, mit Macht und Manipulation gesteckte Ziele zu erreichen ?

Mit der ersten Einschätzung der Figur des Mr Kingsley habe ich mich auch sehr vertan, denn dieser Mensch ist ein manipulativer Feldherr, der das Schachspiel der psychologischen Kriegsführung beherrscht wie kein Zweiter. Er weiß um seine Fähigkeiten, kann diese auch gewinnbringend einsetzen und es gelingt ihm dadurch, die Jugendlichen nach seinen Vorstellungen zu formen. Mitunter habe ich das Gefühl, dass er sie als seine Marionetten betrachtet....

Es ist so schwer, dieses Buch richtig einzuschätzen und das Gelesene zu beurteilen, denn es besteht eigentlich aus drei Teilen, die mich mal mehr, mal weniger verwirrt haben. Ich habe das Buch immer wieder zur Seite gelegt, neu angefangen zu lesen und gehofft, einen Zugang zum Inhalt zu finden. Es ist der Autorin aber nicht gelungen, mich für die Thematik zu begeistern, sondern ich gehe immer wieder ein Stückchen mehr auf Abstand, weil ich eben nicht genau weiß, wie ich alles einzuordnen habe.

Es finden sich einige gute Ansätze im Buch, aber vieles ist kryptisch und die Figuren wirken fremdbestimmt. Es wird Leser:innen geben, die den vollen Durchblick bei diesem Buch haben und es mögen, aber bei mir reicht es nur für neutrale 3 Sternchen.

Bewertung vom 23.07.2023
Erlebnis Pilatus Experience
Wilhelm, Reto;Krebs, Peter

Erlebnis Pilatus Experience


ausgezeichnet

Hoch drob'n auf dem Berg

Der Pilatus wartet mit unzähligen Sagen, Mythen und Abenteuern auf seine Besucher:innen und bietet schon gleich mit der Pilatusbahn ein echtes Superlativ an Bergerlebnis. "Die steilste Zahnradbahn der Welt" ist Faszination, Wunderwerk der Technik und Ingenieurskunst und klettert durch das Felsmassiv, um mit grandiosen Eindrücken und Aussichten zu verwöhnen.

Das vorliegende Buch - nicht unähnlich einem Coffe-Table-Book- entführt in Wort und Bild an und auf den Berg und ermöglicht eine Augenreise der ganz besonderen Art. Schon beim Betreten der Bahn oder der Kabinen des Dragon Ride ist Herzklopfen pur angesagt, denn die Rundumsicht gräbt sich mit eindrucksvollem Bergpanorama direkt einen Platz im Herzen.

"Erlebnis Pilatus" erzählt in begeisternden Worten von der Idee bis zur Ausführung der Zahnradbahn, begleitet von nostalgischen Aufnahmen, die eine Zeitreise ermöglichen. Historische Werbeplakate, Originalzeichnungen und Schwarz-Weiß-Fotografien machen die Erfolgsgeschichte der Pilatusbahn lebendig und lassen die Lesenden den Zeitgeist des ausgehenden 19. Jahrhunderts spüren. Der Brückenschlag in das 21. Jahrhundert gelingt wie von Zauberhand und ermöglicht hautnah mitzuerleben, wie der Wandel der Zeit auch das Gesicht und die Technik der Pilatusbahn verändert hat.

Es sind wunderbar gestaltete Buchseiten, die Informatives und Wissenswertes kurzweilig und interessant vermitteln, aber auch zum Genießen, Träumen und Seele baumeln lassen einladen. Eine mehr als gelungene Mischung aus Begeisterung, Bergromantik, Abenteuerlust und Pioniergeist - sehr lesenswert !

Bewertung vom 21.07.2023
Als Großmutter im Regen tanzte
Teige, Trude

Als Großmutter im Regen tanzte


ausgezeichnet

Und wenn sie tanzt ist sie wer anders, lässt alles los, nur für das Gefühl (Max Giesinger)

as Haus ihrer Großmutter bedeutet für Juni Geborgenheit und diese braucht sie gerade mehr denn je. Ihr gewalttätiger Ehemann ist eindeutig einen Schritt zu weit gegangen und Juni will endlich die Reißleine ziehen. Beim Sichten von Unterlagen entdeckt Juni ein Foto, auf dem ihre Großmutter gemeinsam mit einem deutschen Soldaten abgebildet ist. Doch wer ist dieser Mann ? Und in welcher Beziehung hat ihre Großmutter zu ihm gestanden ? Es scheint, als würde sie keine Antworten auf ihre Fragen erhalten, denn sowohl ihre Großmutter als auch ihre Mutter sind verstorben und es sieht so als, als würden die Geheimnisse im Verborgenen bleiben. Aber Juni gibt nicht auf und stellt Nachforschungen an, die alles bisher Gewesene in einem vollkommen neuen Licht erscheinen lassen....


Es gibt Bücher über die dunkelsten Zeit unserer Geschichte, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen und dann gibt es "Als Großmutter im Regen tanzte", das mit einem sehr feinsinnigen Schreibstil und dem Gespür für Zwischentöne von ersten Augenblick an die Leser;innen an die Seiten fesselt. Als Generationenroman erzählt, gelingt es Trude Teige, dunkle Geheimnisse aus dem Nebel des Verdrängens hervorzuholen und mit jedem Kapitel mehr Klarheit zu verschaffen.

Juni steht am Wendepunkt ihres Lebens und versucht Entscheidungen zu treffen, die Weg weisend sind. Ihre eigene Unsicherheit lässt sie mehr als einmal wanken, die Suche nach ihrer Identität und den familiären Wurzeln verleiht ihre aber eine unglaubliche mentale Stärke, die sie wachsen lässt.

Teige lässt die furchtbare Fratze des Zweiten Weltkrieges aus ihren Seiten blicken und führt ihre Leser;inne zurück in die Zeit, als Hass, Hetze und Antisemitismus die Atmosphäre vergiftet haben. Es sind schreckliche Bilder, die vor dem inneren Augen mehr als lebendig werden und das Martyrium von tausenden Frauen unmittelbar nach Kriegsende schonungslos aufzeigen. Auch wenn Tilda das Schlimmste widerfährt, kann sie sich dennoch aufraffen und sucht einen Weg zurück nach Norwegen, um dort die Narben auf ihrer geschundenen Seele heilen zu lassen.

Es sind die vielen ungesagten Worte, die zwischen Tilda und ihrer Tochter Lilla stehen und die eine halbwegs vernünftige Mutter-Tochter-Beziehung unmöglich machen. Gerade weil sich ein Ereignis wiederholt, müsste gerade Tilda mehr Verständnis für ihre Tochter aufbringen. Es ist die Generation unserer Großmütter, die viel Leid und Elend gesehen und ertragen, diese aber mit keinem Wort erwähnt haben. Das Schweigen ist ohrenbetäubend, zerbricht jeden Versuch der Annäherung quasi schon, bevor der erste Schritt getan ist und doch scheint eine emotionale Verbindung zu entstehen, die alles Gewesene verdrängen, aber nicht vergessen lässt.

Teige erschafft drei widersprüchliche, aber trotzdem starke Frauenfiguren, die ihren Lebensweg meistern und die Steine, die sich darauf befinden, zwar nicht immer wegräumen, aber dennoch gut aufzuschichten wissen. Es ist ein Buch gegen das Vergessen, da die Generation der Zeitzeug:innen bald nicht mehr vorhanden sein wird, um Fragen zu beantworten. Es ist ein Roman, der zeigt, das Schweigen nie der richtige Weg in der Beziehung zwischen Menschen ist.

Und doch sind da immer wieder Hoffnungsfunken, kleine Lichtpunkte und ganz viel Liebe, die trotz aller bedrückenden Szenen dem Roman eine gewisse Emotionalität und Tiefe verleihen. Sehr lesenswert !

Bewertung vom 20.07.2023
Saubere Zeiten
Wunn, Andreas

Saubere Zeiten


ausgezeichnet

Ein rechtes Wort zur rechten Zeit bricht manches große Herzeleid (Unbekannt)

In den letzten Jahren hat Jakob Auber den Kontakt zu seinem Vater mehr als schleifen lassen, denn ihre Verbindung war nicht gerade herzlich, sondern eher zweckmäßig. Als Jakob die Nachricht erhält, dass sein Vater im Krankenhaus ist, lässt er aber alles stehen und liegen, reist an die Mosel und sieht sich plötzlich seiner eigenen Kindheit gegenüber gestellt. Neben Erinnerungen kommen ganz viele Gefühle hoch, als Jakob das Vermächtnis seines Vaters in Augenschein nimmt, welches dieser extra für ihn auf Tonband aufgenommen hat. Es ist der Versuch einer Erklärung, warum alles so ist, wie es ist und die Geschichte vom Aufstieg und Fall einer Unternehmerfamilie...


"Saubere Zeiten" ist ein sehr intensives Leseerlebnis, das sich nicht nur mit der Vergangenheitsbewältigung und der Identitätssuche befasst, sondern es zeigt uns auch all zu deutlich, wie wenig wir Kinder eigentlich von unseren Eltern wissen. Es sind viele unausgesprochene Fragen, Worte und unklare Angelegenheiten, die nach dem Ableben eines Elternteils zurückbleiben und uns innehalten lassen.

Andreas Wunn verwebt einen Teil seines eigenen familiären Hintergrundes mit fiktiven Begebenheiten zu einer neuen Realität, bei der die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion komplett verschwimmen. Der Blick durchs Schlüsselloch in die florierende Drogerie Stein lässt die 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts aufleben. Der braune Sumpf verbreitet ungehindert seine hirnverbrannten Ideologien und enteignet Stein, damit fortan Auber die Drogerie führen kann. Dieser Vorfall ist der Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, die bis in die Zeit des Wirtschaftswunders und das Hier und Jetzt reicht und ihre Blüten treibt. Auch das Augenverschließen vor den Kriegsereignissen ("Wir haben davon nichts gewusst") spricht Wunn an und zeigt, wie einfach es gewesen ist, den eigenen Erfolg auf dem Unglück eines anderen aufzubauen.

Der Wechseln zwischen Gegenwart und Erinnerungen geschieht fließend, sodass die Leser;innen immer direkt vor Ort und auf dem aktuellsten Stand sind, einen Hauch von Melancholie verspüren und trotzdem mit dem Verlauf der Zeitgeschichte hadern. Es ist eine Gefühlsachterbahn, die der Autor seine Leser:innen durchlaufen lässt und die in einfühlsamen Worten faszinierende Fakten freilegt.

Die Gespenster der Vergangenheit schleichen aus den Seiten und lassen die saubere weiße Weste der Familie Auber nach und nach ergrauen. Nicht, um sie zu Tätern werden zu lassen und das erfolgreiche Image zu beschmutzen, sondern um die vielen Handlungsstränge und Ereignisse miteinander zu verweben, um daraus ein ganz besonderes Familienkonstrukt entstehen zu lassen, das von Liebe, Verlust, Leid, Hoffnungen und großen Träumen erzählt.

Das Buch besitzt eine unglaublich Tiefe, zeigt, wie fragil eine ohnehin belastete Vater-Sohn-Beziehung sein kann und belegt, dass miteinander reden der Schlüssel ist, der nicht nur Türen, sondern auch Herzen öffnet.

Bewertung vom 19.07.2023
Brandmal / Saana Havas Bd.1
Backman, Elina

Brandmal / Saana Havas Bd.1


weniger gut

Viele Seiten, wenig Thrill

So sieht also das Ende eines Jobs aus - unspektakulär, nichtssagend und selbst die Pflanzen Zuhause auf der Fensterbank lassen den Köpfe hängen. Saana packt ihre Koffer, flüchtet regelrecht zu ihrer Tante aufs Land und versucht dort erste Schritte im neuen Leben. Sie stößt dabei auf einen ungeklärten Todesfall. Ihre Neugier ist geweckt und so stellt Saana Nachforschungen an, die weit zurück in die Vergangenheit reichen. Es scheint, als habe sie schlafende Hunde geweckt, denn plötzlich taucht ein eine männliche Leiche auf, die mit einer Dornenkrone regelrecht gebrandmarkt wurde....


Ich muss zugeben, dass mich der Klappentext angefixt hat und ich kann einfach nicht anders, als dieses Buch zu lesen. Es klingt alles sehr mystisch, aufregend und geheimnisvoll und mit dem Zusatz Thriller versehen werden hier her große Erwartungen geweckt. Lese ich die ersten Kapitel noch mit Elan und Eifer, bremst mich das Buch aber immer mehr aus, weil ich alles zu gewollt, zu dick aufgetragen und manchmal vollkommen unstrukturiert finde.

Es tauchen Figuren auf, die für den Fortgang der Handlung keinerlei Bewandnis haben, verschwinden dann ebenso sang- und klanglos wieder von der Bildfläche und ich frage mich, warum sie überhaupt einen Auftritt erhalten haben, wenn sie eigentlich keine nennenswerte Rolle spielen. Auch finde ich die auffällig oft erwähnten Produktplatzierungen eher störend als hilfreich und überlege, ob hier eine Finanzierung des Buches durch Werbemittel erfolgt ist, da ich mir ansonsten die Schleichwerbung nicht erklären kann.

Eine Lovestory im Thriller - oder auf neudeutsch Romantic-Thrill - hätte ich nicht unbedingt gebraucht, da sie dem ohnehin schon fehlenden Nervenkitzel noch den Rest an Spannung raubt und das ganze nich seichter werden lässt. Es wirkt so, als habe sich die Autorin nicht entscheiden können, welches Genre sie nun bevorzugt behandeln möchte und geht daher diesen Mittelweg. Das Buch hat knapp 600 Seiten, die mal mehr, mal weniger abwechslungsreich gestaltet sind. Mir fehlen einfach zündende Ideen, ein spannendes Spiel mit den Ungewissheiten und das Gefühl einer unterschwelligen Bedrohung, die sich zwischen den Seiten breit macht.

Ich habe manche Seiten einfach quer gelesen, weil der gesamte Verlauf der Handlung kein Nagelbeißer, sondern eher eintönig und langatmig gewesen ist. Schade um die verschenkte Lesezeit.

Bewertung vom 18.07.2023
Eisjagd
Winter, Madita

Eisjagd


ausgezeichnet

Tödliches Schachspiel im Eis

Es soll der sportliche Höhepunkt des Jahres werden, denn das Langlaufrennen lockt nicht nur Sportler:innen, sondern auch viele Zuschauende in die winterliche Kälte. Der Favorit scheint auch dieses Mal seiner Rolle gerecht zu werden, aber er bricht plötzlich tot zusammen. Zunächst sieht alles nach einem tragischen Unglücksfall aus, aber die Ermittelnden stoßen schon bald auf Ungereimtheiten. Es beginnt ein tödliches Schachspiel im Eis, bei dem der Täter sogar bereit ist, mehr als einen "Bauern" zu opfern....


Wow, wow, wow, was für ein rasanter und packender Krimi. Madita Winter kombiniert die bizarre Schönheit aus Eis und Schnee mit schwarzen Seelen, blutroten Einsprengseln und vielen frischen Ideen, die ihren Krimi zu einem echten Pageturner werden lassen. Schon gleich zu Beginn fesselt der atmosphärisch dichte Schreibstil die Leser:innen an die Seiten und versetzt sie in eine atemlose Spannung, die ihre eiskalten Klauen nach ihnen ausstreckt und sie bis zum letzten Buchstaben nicht mehr los lässt.

Dabei gelingt es der Autorin, vielschichtige Charaktere in ihrer winterlichen Welt zu platzieren, die von charmant bis Fiesling reichen und somit die Klaviatur von Sympathie und Antipathie in Vollendung beherrschen. Die Stille und das unschuldige Weiß der Winterlandschaft trügen und unter der Schneedecke brodelt es gewaltig, denn das Opfer hatte längst nicht die weiße Weste an, wie er immer glauben machen wollte.

Die Jagd nach dem Täter überführt so manche Maskerade und auch hier gilt, je strahlender die Oberfläche, desto schwärzer der Abgrund. Was scheinbar wie zufällig geschieht, ist in Wahrheit ein perfider Plan, der - ähnlich einem Schachspiel - viel Kombinationsgabe, Geschick und unterschiedliche kluge Varianten in der Ausführung benötigt, um das tödliche Spiel zu beenden.

Überraschende Wendungen wechseln sich mit ruhigen Parts zum Durchatmen ab, bevor der Nervenkitzel wieder dermaßen anzieht, dass die wilde Hatz durch die Winterlandschaft den Leser;innen den Atem raubt. Ein kleines Geheimnis wird zum Schluss gelüftet und sorgt für einen runden und sehr stimmigen Abschluss.

Das Buch schreit geradezu nach einer Verfilmung und bekommt von mir 5 Sternchen

Bewertung vom 17.07.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


sehr gut

Hör auf für Menschen zu ertrinken, die nicht für dich übers Wasser gehen würden

So chaotisch der Zustand, der sich Familie nennt, für Tilda auch ist, so viel Halt gibt ihr die klare Struktur, in der sie ihre Tage einteilt. Auf ihre Mutter ist kein Verlass, denn diese ist dem Alkohol verfallen und lebt in ihrer eigenen, von der Sucht diktierten Welt. An Tilda bleibt alles hängen, sodass sie sich neben ihrem Studium und dem Minijob an der Supermarktkasse auch noch dem Schwimmtraining und ihrer kleine Schwester widmet. Der Gleichklang gerät ausser Takt, als ihr eine Promotionsstelle in Berlin angeboten wird und Tilda steht vor der Frage: Gehen oder bleiben ?


"22 Bahnen" ist kein Roman, der sich mal eben locker flockig von der Hand liest, sondern der viel Zeit braucht, um zu wirken, damit auch alle Botschaften - auch die zwischen den Zeilen - bei den Leser;innen ankommen. Denn es ist keine einfache Handlung, die Caroline Wahl hier zu Papier bringt. Drogen, Alkohol, fehlende Väter, emotionale Kälte, körperliche Misshandlung und der Versuch von Tilda, sich mit dem regelmäßigen Ziehen der Bahnen im Schwimmbad regelrecht freizuschwimmen, sind Themen, die eine sehr gedrückte Grundstimmung verbreiten und große Hürden darstellen.

Während dem Lesen entsteht nämlich ganz oft das Gefühl, auf Grund des Schwimmbeckens zu sinken und sich von der tiefen Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit nicht mehr losketten zu können. Trotzdem gelingt es Wahl immer wieder, dass Tilda auftaucht, regelrecht nach Luft zum Atmen japst, um für ihre kleine Schwester Ida als Mutterersatz zu fungieren.

Um ihre eigenen seelischen Narben kann oder will sich sich nicht wirklich kümmern, dafür sucht sie Halt im Logischen, den sie in der Mathematik findet. Das notwendige Verschließen ihrer offenen Wunden hat sie nicht gelernt, dafür schottet sie sich einfach viel zu sehr ab und versucht immer wieder neue Möglichkeiten zu finden, um ihrer Schwester die Kindheit so schön wie möglich zu gestalten.

Je mehr die Geschichte fortschreitet, desto mehr Hintergründe werden offen gelegt und es gelingt nach und nach, Tilda besser zu verstehen, ihre Entscheidungen nachvollziehen zu können und ihr dabei zuzusehen, wie sie sich dem Abenteuer Leben wieder öffnet. Der Zusammenhalt zwischen den beiden Schwestern geht mit sehr nah und manchmal blutet mit das Herz wenn ich lese, wie sehr sich die kleine Ida in ihre eigene Welt flüchtet. Auch wenn Tilda ihr nicht immer unbedingt zutraut, dass sie ihren Weg geht, ist Ida mental stärker, als sie denkt. Und das beweist das kleine Mädchen mit einer unglaublichen Leichtigkeit, von der wir uns vielleicht eine Scheibe Mut abschneiden können.

Ein Buch über den Mut, schmerzhafte Dinge zu verarbeiten, loszulassen und sich von Altlasten freizuschwimmen

Bewertung vom 16.07.2023
Tangosommer
Baier, Hiltrud

Tangosommer


sehr gut

Tanze mit mir in den Morgen, tanze mit mir in das Glück (Gerhard Wendland)

Tanze mit mir in den Morgen
Tanze mit mir in das Glück
In deinen Armen zu träumen
Ist so schön bei verliebter Musik

Jedes Jahr im Sommer ist es Zeit für ein neues Kleid und Riitta ist voller Vorfreude auf das Tangofestival, bedeutet es doch, dass sie Phil wiedersieht und in seinen Armen zu den Klängen des Tangos über die Tanzfläche schweben kann. Aber Riitta hat eine dunkle Vorahnung, die sie ausbremst. Ihr Unterbewusstein hält sie davon ab, den schönen Stoff zu einem wundervollen Kleid zusammenzunähen.. Riiitta packt kurzerhand ihre Tasche und reist nach Deutschland. Eine Reise, die sie so eigentlich nie wieder unternehmen wollte, denn die Erinnerungen sind zu schmerzhaft. Sie ahnt nicht, dass Phil bereits mit seiner Tochter und Enkelin auf dem Weg nach Finnland ist, um beiden nicht nur die Schönheit dieses Landes zu zeigen. Ob Phil und Riitta dieses Jahr gemeinsam in das Glück tanzen ?


Bisher habe ich noch keinen Roman aus der Feder von Hiltrud Baier gelesen und mich neugierig auf "Tangosommer" gestürzt. Schon nach wenigen Seiten habe ich mich in einer gefühlvollen und sehr melancholischen Geschichte wiedergefunden, die alle Merkmale eines Tangos in sich vereint. Baier schafft es nämlich, die Eigenschaften dieses ausdrucksstarken Tanzes ihren Charakteren auf den Leib zu schneidern und die Hingabe zum jeweils Anderen die Leser:innen spüren zu lassen.

Die Autorin erzählt von einer großen unerfüllten Liebe, von alten Wunden, die nie ganz verheilt sind und von Erinnerungen, die immer wieder durch die Hoffnung auf ein bisschen Glück am Leben gehalten werden. Riitta scheint das ganz Jahr über in einem Schneckenhaus zu leben und blüht nur in dieser einen Woche so richtig auf, in der sie gemeinsam mit Phil das Glück genießen kann.

Auch wenn Phil in Deutschland eine Familie gegründet hat, kommt er doch von Riitta nicht los. Sein Herz schlägt sogar ausser Takt, weil er die Vergangenheit nicht los lassen kann. Seine Gefühle für Riitta hat er über all die Jahre nicht unterdrücken können.

Auch Johanna lernt mit der Reise nach Finnland sich selbst kenne und mit dem Gang in die Sauna fällt der Ballast von ihr ab. Sie ist endlich bei sich selbst angekommen und lauf ihre innere Stimme zu hören, darauf zu achten und mit unvorhergesehen Ereignissen umzugehen.

Im Verlauf der Handlung öffnen sich die Figuren immer mehr, geben einen Einblick in ihre Gefühls- & Gedankenwelt frei, der sehr intim ist und sie verletzlich und zugleich nahbar macht. Es gelingt Baier, die unterschiedlichen Verhaltensweisen so darzustellen, dass die Leser;innen gewisse Entscheidungen nachvollziehen und verstehen können. Manches muss man nicht gut heißen, aber für die jeweils betroffene Person ist eben jener Schritt genau richtig gewesen. Letztendlich wächst zusammen, was zusammen gehört und die Schreibende lässt aus den einzelnen Lebensgeschichten einen bunten Quilt entstehen, der farbenfroh und zugleich voller unterschiedlicher (Lebens-)Verläufe ist.

Der finnische Tango kommt mir eindeutig zu kurz und ich hätte gerne mehr darüber gelesen. Ansonsten eine wirklich stimmige Geschichte, der ich sehe gerne 4 Sternchen gebe.

Bewertung vom 15.07.2023
Die Patienten / Löwenstein & Berger Bd.1
Stoltz, Nikolas

Die Patienten / Löwenstein & Berger Bd.1


schlecht

Von allem zu viel und doch viel zu wenig Logik und Thrill

Es ist ein Bild des Grauens, was sich mitten in der Silberbachkolonie bietet - ein grausamer Mord erschüttert nicht nur die Bewohner:innen der Klinik für psychisch Erkrankte. Es ist eine von ihnen, die sich nicht aus den Fängen des Täters befreien konnte. Das ruft Polizeipsychologin Caro Löwenstein auf den Plan, denn sie soll, dank ihrer Ausbildung, das Vertrauen der Patient:innen gewinnen und so Licht ins Dunkel bringen. Aber der Wald am Silberbach ist alles andere als idyllisch und je mehr Einblicke Caro in den Alltag auf dem Klinikgelände erhält, desto düsterer werden die Geheimnisse....

Mit dem ersten Kapitel hat mich Nikolas Stoltz an und für sich schon fest an die Seiten gekettet und die unterschwellige Bedrohung, das abgrundtief Böse hält Einzug. Ein wenig erinnert die beschriebene Situation an das Buch "Schmerzwinter", denn dort werden die Opfer auf gleiche Weise "zur Schau" gestellt.

Aber schon nach wenigen Seiten kehrt sich das Bild komplett und der anfängliche Nervenkitzel weicht absolutem Unverständnis. Wie kann ein Vorgesetzter wirklich das Leben seiner Angestellten aufs Spiel setzen, in dem er sie schutzlos und völlig auf sich allein gestellt in dieser Kolonie ermitteln lässt ? Zudem ist Caros Handeln mitunter sehr suspekt und nicht nachvollziehbar, was vollkommen gegen ihre Ausbildung als Psychologin spricht.

Das ist aber längst noch nicht alles, denn der Autor scheut sich nicht, absurd aufgeblähte Gewaltszenarien auf seine Leser.innen loszulassen. Es fließt literweise Blut, Folter und Misshandlungen seelischer und körperlicher Art, sowie durch die Bank weg unsympathische Charaktere belagern die Handlung, die dadurch nicht besser wird, sondern sich ins Gegenteil kehrt. Dem Puzzle der Abneigung und Langeweile wird mit jeder Seite noch ein Stück hinzugefügt, sodass die Logik vollkommen auf Eis liegt (Caro stößt einen entsetzten Schrei aus, obwohl sie geknebelt ist) und von Spannung nichts zu spüren ist.

Normalerweise finde ich viele Handlungsstränge in einem Buch interessant, denn sie halten die Spannung hoch und die Neugier auf den Fortgang der Handlung wird befeuert. Hier ist aber von allem zu viel ( Sugardaddy, BDSM und sonstige Gewaltfantasien, Ritualmorde etc. pp) vorhanden und es wirkt so, als habe der Schreibende alle seine Einfälle, die er auf einem Konzeptpapier aufgeschrieben hat, unbedingt in diesem Buch unterbringen müssen. Weniger ist manchmal mehr...eine Straffung an Themen hätte dem Buch mehr als gut getan, dafür hätte es ruhig etwas mehr an Logik und Thrill sein dürfen.

Auf die Fortführung dieser Reihe werde ich verzichten.