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Wedma

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Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 22.03.2017
Lost in Fuseta / Leander Lost Bd.1
Ribeiro, Gil

Lost in Fuseta / Leander Lost Bd.1


sehr gut

Lost in Fuseta ist ein netter Regio-Krimi aus Südportugal mit einem hochaktuellen Thema, eher ruhiger Spannung und eigenartigem Ermittlerteam.
Klappentext spiegelt die Ausganssituation treffend wider. Ein Deutscher, Privatdetektiv, der an der Algarve bereits einige Jahre gelebt und gearbeitet hatte, wurde eines Tages tot aufgefunden. Die Polizei vor Ort startet die Ermittlungen. Der Kriminalkommissar Leander Lost, ein Austauschkollege aus Hamburg, kommt zunächst nicht so gut bei dem neuen Team an, erweist sich aber später als ein unverhoffter Zugewinn für Polícia Judiciária und seine neuen Kollegen. Keiner vermutet zunächst, dass die Privatisierung der Wasserversorgung und die Senkung der Wasserpreise eine direkte Verbindung mit dem Mord hat. Aber nach und nach wird klar, was die Privatisierung tatsächlich bedeutet und wie teuer sie für die Verbraucher zu stehen kommt.
Gleich zu Anfang beweist Lost eine scharfe Beobachtungsgabe und weiß sie auch in Szene zu setzen. Auch seine Kollegen wurden nach erstem Viertel zunehmend sympathischer, als es ihnen aufging, dass er ein Asperger ist. Bis dahin musste ich mich in Geduld üben. Aber dann gab es vieles, das mir gut gefiel.
Die Vergleiche der deutschen und portugiesischen Mentalität fand ich aufschlussreich und bereichernd. Auch bildhafte Darstellungen der lauwarmen Abende, des nachbarschaftlichen Zusammenseins voller menschlicher Wärme, des guten Essens und selbstgespielten Lieder auf der Gitarre weckten Fernweh und ließen ein wenig in dieser schönen Atmosphäre schwelgen. Eine zarte Liebesgeschichte, nett erzählt, gab es auch.
Dem Text sieht man die persönliche Reife des Autors an, die sich mal in humorig-ironischen Dialogen, mal in gelungener Situationskomik und in vielen anderen Schilderungen zeigte. Seine solide Kenntnis des Lebens an der Algarve rundete das Ganze ab.
Es gab aber auch Dinge, die mein Lesevergnügen gemindert haben. Manches in der Handlung und in der Stoffdarbietung war mit zu konstruiert. Glaubwürdigkeitsfragen tauchten an mehreren Stellen auf. Ein in einen längeren Dialog eingepferchter überdimensionierter Infodump, sowie die zu breit geratenen Weltuntergangaussichten, zum Schluss eine eher billig wirkende Stimmungsmache in der Aussage der ermittelnden Kommissarin, uvm. ließen mich öfter Pausen einlegen. Die Perspektiven wurden oft gewechselt, was mich jedes Mal aus dem Lesefluss beförderte. Die Aspergereigenschaften von Leander Lost kamen eher in Schüben und ließen mich an deren Stichhaltigkeit zweifeln. Eine sachlich falsche Aussage zum Gewinn, S. 337, hätte ich am liebsten dort nicht gesehen. Diese Darstellung ist zwar schön plakativ, ist aber inkorrekt, denn die Macher/Mutterkonzern haben weitere Betriebskosten, sie müssen ja das Unternehmen vor Ort aufrecht erhalten, uvm. Das kostet mehr als einen Cent pro Liter. Eine Sitzung der größeren Trageweite wie die Entscheidung über die endgültige Privatisierung der Wasserversorgung einer ganzen Region wird nicht auf den letzten Tag der Probezeit gelegt. In der Regel wird so etwas schon viel früher abgehalten und besiegelt. Die Schilderung, dass das Wasser weltweit verkauft und in USD, Yen, etc. abgerechnet wird, erscheint mir stark übertrieben. So viel Wasser hat der See gar nicht. Mir waren die Aussagen zum Schluss zu plakativ und wie für Dummies geschaffen. Zu viel Pathos auf Kosten der Glaubwürdigkeit und des guten Niveaus.
Es gibt aber andere, angenehmere Dinge: Paar weise Sprüche gibt es hier und dort gut platziert im Text, die das Ganze aufwerten. Die 16-jährige Tochter eines Opfers lockert die Geschichte deutlich auf. Die Familie der ermittelnden Kommissarin ist ein großer Gewinn für die Reihe. Die Überraschung zum Schluss war gelungen. Man hatte aber auch keine Anhaltspunkte bekommen, um den Täter selbst identifizieren zu können.
Fazit: En guter Auftakt der Reihe, trotz mancher Schwächen. Ich bin auf die nächste Folge mit Lost & Co. gespannt und vergebe 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde.

Bewertung vom 21.03.2017
Maria Theresia
Stollberg-Rilinger, Barbara

Maria Theresia


ausgezeichnet

Die Biographie von Maria Theresia aus der Feder von Barbara Stollberg-Rillinger habe ich sehr gerne gelesen und empfehle sie auch gerne weiter. Der Inhalt hält, was der Klappentext verspricht, und liefert noch viel mehr, als man eigentlich erwartet. Es gibt spannende Einsichten, was damalige Zeit, diese Art zu regieren, unzählige Intrigen, nicht nur beim Wiener Hof, politisches Kalkül, uvm. anbelangt. Und natürlich erfährt man viel über Maria Theresia, ihre Familie, ihre Verbündete und Feinde.

Die Auswahl an Themen ist sehr gut getroffen, untereinander sind sie auch gut ausgewogen. Es gibt einige Kapitel, die sich schwerpunktmäßig mit der Innenpolitik, sowie mit Krieg und Frieden befassen. Aufschlussreiche Analysen der damaligen politischen Verhältnisse und daraus folgender Schritte in der Außenpolitik nehmen den Leser gefangen. Hier kommt der ewige Feind aus Preußen Friedrich II nicht zu kurz. Es gibt aber auch Kapitel, die M.T.s Verständnis von Körperlichkeit, Sexualität und ihre Geburten beschreiben. Alles in allem erlaubt diese Themenwahl dem Leser ein detailliertes, wesentliche Lebensbereiche umfassendes Bild von M.T., ihrer Familie und ihrer Zeit zu bekommen.

Diese Biographie liefert ein differenziertes Bild von M.T. Die Herrscherin wurde weder hochgejubelt, ihr Verhalten schöngeredet noch wurde eine andere Extreme bedient. Man erhält eine solide, mit Quellen belegte Schilderung Maria Theresias, sowie der damaligen Ereignisse, ihrer Haltung und ihrer Rolle im politischen und familiären Geschehen. Oft genug musste sie das eine gut und richtig finden und das Gegenteil davon tun, wie z.B. bei der Teilung Polens 1772. Auch dem problematischen Verhältnis zu ihrem Sohn Joseph, dem Co-Kaiser, ist ein extra Kapitel gewidmet (Kap. X). Die Probleme der beiden und wie sie auf die Politik abstrahlten, wurden dem Leser klar vor Augen geführt. Einzelne Unterkapitel im Kap. XIV schildern mit Kurzportraits andere Kinder. Es gibt spannende Analysen sowohl bei den Söhnen als auch bei den Töchtern, insb. die Vergleiche fand ich treffend und aufschlussreich.
Ein kurzer Epilog fasst das Wesentliche zusammen, nennt die Eckpunkte M.T.s Regierung und ihre Besonderheiten, weist auch auf die Veralterung der Maßstäbe und Machtwerkzeuge hin, deren sich M.T. bediente. Zum Schluss merkte auch M.T. selbst, dass sich die Welt stark verändert hatte und sie nicht Willens/Könnens war, sich ihr anzupassen.
Diese Bio ist gekonnt geschrieben und weist eine bemerkenswerte Kombination aus hohem Niveau und Zugänglichkeit auf. Sie las sich so gut, manchmal wie ein guter historischer Roman mit all den Adels- und Königsdynastien, ihren Verflechtungen und Intrigen, selbst innerhalb eigener Familie gab es genug davon, dass ich gleich in die Geschehnisse abtauchen konnte und keine einzige Seite darin vermissen wollte. Mit manchem Mythos wurde aufgeräumt, manches Unwahres, was im Umlauf ist, klargestellt. Mehrmals habe ich darüber die Zeit vergessen.
Es hat einfach Spaß gemacht, diese Bio zu lesen, nicht nur auf informativer Ebene. Es ist die Sicht der Dinge, diese Art über die Geschehnisse zu reden, sie zu bewerten und sie dem Leser zu präsentieren, die diese Bio u.a. so lesenswert machen. Solche hohe Qualität entsteht zweifelsohne als Resultat des enormen Wissens und der lang geübten Fertigkeit, auch komplexe Zusammenhänge klar und verständlich, in einer aussagestarken Sprache darzulegen.

Fazit: Eine sehr gute, solide Biographie von Maria Theresia zu ihrem 300sten. Toll geschrieben, unterhält sie und regt zum Nachdenken an, z.B. über die Rolle der Frau in der Politik und in der Familie, die Vereinbarkeit des Berufs und der Familie und noch viele andere Dinge, die auch heute sehr aktuell sind. Absolut lesenswert.
Das Buch ist sehr schön gestaltet: Fester Einband, Umschlagblatt, Lesebändchen, hochwertiges Papier. Perfekt als Geschenk.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.03.2017
Hopsgegangen / Niederrhein-Krimi Bd.2
Kohl, Erwin

Hopsgegangen / Niederrhein-Krimi Bd.2


weniger gut

„Hopsgegangen“ wurde als humorvoller Krimi voller Situationskomik angepriesen. Humorige Regio- Krimis lese ich sehr gerne und war auf eine entsprechende Lektüre gespannt. Leider, leider kam es anders. Das Buch entpuppte sich als starke Konkurrenz zu den gängigen Schlafmitteln: Ich konnte jedes Mal nach paar Seiten zuverlässig einschlafen. Phänomenal. Und somit wären wir beim Thema. Manipulationen im Pharmabereich ist nichts Neues. Dieses dankbare Feld wurde seit einigen Jahrzehnten von Thriller- und Krimiautoren oft und ausgiebig beackert. Auch in den TV- Berichten gaben es zu später Stunde hin und wieder haarsträubende Enthüllungsstories aus dieser Ecke. Aber gut, das Thema ist das Eine.

Auf das Wie kommt es in humorigen Krimis sehr stark an und hier konnte mich leider rein gar nichts überzeugen. Das erzählerische Können ist eher auf dem Möchte-gerne-Niveau. Das Ganze erinnerte mich an Malen nach Zahlen, wobei der Versuch, vom Masterplan abzuweichen, um mehr Komplexität zu gewinnen in einer Kaskade aus Unglaubwürdigkeiten und Absurditäten mündete. Der Plot wirke auf mich insg. zu konstruiert, zu „gemacht“ und herzlich wenig authentisch.
Die Figuren blieben leider eindimensional und schemenhaft. Mit dem „Helden“ der Geschichte, dem Privatdetektiv Lukas Born konnte ich nichts anfangen. Für die Heldenrolle taugt er nicht. Er ist nicht nur ein Pechvogel, sondern dümmlich noch dazu. Er braucht seinen Freund Uwe, der ihm erstmal erklären muss, was Sache war, und welche Rolle ihm, Born, in den Machenschaften der Pharma-Haie zugeteilt wurde. Glaubwürdigkeitsfragen, die in regelmäßigen Abständen auftauchten, sowohl bei den Figuren und erst recht bei der Handlung, sowie die peinlichen Flüchtigkeitsfehler, zahlreiche Klischees, der proletenhafte Sprech des Erzählers, etc. ließen mich das Buch oft genug aus der Hand legen. So etwas wie gelungene Situationskomik oder humorvolle Momente, bei denen man auflacht oder zumindest dauerhaft schmunzelt, ließen sich leider nicht entdecken. So etwas wie das Baden des Helden in den Kamellenexkrementen und derartige Dinge riefen bei mir bloß Kopfschütteln hervor.

Fazit: Mir war bei dieser Lukas Born Geschichte die Lust an humorigen Krimis „hopsgegangen“. Viel gewollt und wenig gekonnt. Mehr als zwei Sterne sind meiner Meinung nach nicht drin.

Bewertung vom 12.03.2017
Das Europa der Könige
Horowski, Leonhard

Das Europa der Könige


ausgezeichnet

Von dem Werk von Leonhard Horowski „Das Europa der Könige“ habe ich einen sehr guten Eindruck gewonnen. Ich habe es gerne gelesen und empfehle es auch gerne weiter.
Sehr schön, dass Horowski gleich zu Anfang seine Gedanken über das Wie der Geschichtsschreibung mit seinen Lesern teilt, S. 51-53. Er spricht unter anderem „das Problem der Idee von relevanter und irrelevanter Geschichte“ an und erklärt anschaulich, warum es problematisch ist, die Geschichte unter diesem Blickwinkel zu betrachten. Vor diesem Hintergrund wird es klar, warum er „Das Europa der Könige“ in einer Art von Essaysammlung dem Leser präsentiert. Abgesehen davon, dass diese Erzählform eine eher ungewöhnliche Herangehensweise an die Schilderung der vergangenen Ereignisse darstellt, vermittelt sie mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit und Dichte die Inhalte, für die man sonst etliche Bänder hätte durcharbeiten müssen.
Man bekommt detaillierte Einblicke in nahezu alle Bereiche des damaligen Lebens der (Hoch-) Adeligen in Europa, mit etlichen Beispielen untermalt. Liebe, Erotik, die allseits bekannten Liebschaften parallel zur Ehe insb. bei den Königen und ihren Mätressen, der Ehebruch und seine Folgen für Niederadeligen, Ehe/Familienleben insg., Kinderkriegen, etc. kommen in mehreren Kapiteln in unterschiedlichen Kontexten zur Sprache, denn bei den hohen Herrschaften geht es gleich um ein beachtliches Vermögen, Machtanspruch, etc. Der Autor weist auch auf den Wandel hin, der sich im Laufe der Zeit vollzog, z.B. was die Ehe oder Stellenwert von Sex angeht.
Auch zum Thema Krieg und Frieden gibt es hunderte von Seiten voller spannender Ausführungen, denn schon allein Frankreich hat etliche Kriege vom Zaun gebrochen, weil sich Ludwig XIV als Herrscher des Kontinents anschickte. Weiter im Osten gibt es ein nicht zu enden wollender Krieg zwischen Russland und dem osmanischen Reich. Ab 1711 wird auch aktiv nach Russland geheiratet. Der Autor liefert auch eine recht plausible Erklärung, warum und was sich die europäischen Herrscher davon erhofft haben.
Man kann mit den Ausführungen einverstanden sein, was bei den Darstellungen geschichtlicher Ereignisse keine Seltenheit ist, oder auch nicht ganz, aber es ist eine spannende Sicht der Dinge, die es zweifelsohne wert ist, sie kennenzulernen. Eine Bereicherung des bereits vorhandenen Wissens ist es allemal.
Horowski beweist sich auch als ein vorzüglicher Unterhalter: Sein Narrative, oft leicht ironisch, der sich wie ein gutes Gespräch unter Freunden liest, bereichert er mit anderen Erzählformen, die das Ganze gut auflockern: Mal gibt es nachgeahmte Dialoge der adeligen Kontrahenten, mal gibt es Szenen, die auch recht bekannte Figuren, wie Ludwig XIV, von einer sehr ungewöhnlichen und sehr persönlichen Seite zeigen, mal spricht der Autor den Leser direkt an und leitet ihn zum nächsten Thema. Das Lesen erfordert gewisse Konzentration, denn oft springt die Erzählung rein assoziativ zum anderen Thema oder anderem Adeligen und seiner Vorgeschichte/seiner Dynastie und den dort herrschenden Verhältnissen rüber, oder zur anderen Zeit, denn der Autor stellt auch gerne Vergleiche auch mit der heutigen Politik an. Aber einmal reingekommen, kann man nicht so leicht aufhören.
Das im Titel Versprochene bekommt man auf jeden Fall geliefert: Die einleuchtende Beschreibung des Werte- und politischen Systems, der Beweggründe, der verzwickten familiären Verbindungen und die daraus folgenden Handlungsmotive der Adeligen zunächst am Beispiel des Lebens am Hof des Ludwig XIV und später einigen anderen.

Fazit: Ein tolles, informatives, absolut lesenswertes Werk. Ein Muss für alle Geschichteliebhaber. Als Geschenk zum Geburtstag oder zu einem anderen Anlass sehr gut geeignet. Fünf wohl verdiente Sterne.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.03.2017
Ikigai
Miralles, Francesc;García (Kirai), Héctor

Ikigai


sehr gut

Ich habe einen positiven Eindruck vom Ikigai-Buch gewonnen. Insb. für Einsteiger scheint es mir gut geeignet: eine leicht verständliche Lektüre, die sich wunderbar lesen lässt. Auch als Geschenk kann ich mir dieses Buch prima vorstellen.
Es sind ca. 210 Seiten in 9 Kapitel von 12 bis 35 Seiten unterteilt, plus 9 Seiten für Vorwort und Epilog.
Im Kap.1 wird die Philosophie des Ikigai vorgestellt und „die fünf Blauen Zonen“ beschrieben: Dort, wo die meisten langlebigsten Menschen leben. Auch die Prinzipien des langen Lebens, die diese Menschen den Wissenschaftlern zufolge teilen, sind aufgeführt.
Im Kap. 2 geht es um Anti-Aging-Gesetze oder „Alltagsfaktoren, die einen langen, angenehmen Weg begünstigen.“ Stress und seine Rolle werden hier unter die Lupe genommen. Zu jedem vorher aufgeführten Punkt gibt es Rat, wie man im Alltag paar Dinge anders macht, um z.B. dem zu vielen Sitzen entgegenzuwirken oder besser schlafen zu können.
Im Kap. 3 werden einige Supercentinarians beschrieben, sowie ihre Ratschläge. „Kunst, gleich welcher Art, ist ein Ikigai und kann als Glücksquelle und Lebensziel fungieren.“ S. 64.
Im Kap. 4 wird von der Wichtigkeit der Lebenssinesfindung gesprochen. Dabei ist von Psychoanalyse und Logotherapie die Rede. 10 Unterschiede zw. den beiden werden in einer Tabelle gegenübergestellt, um klarzumachen, dass/wie man Ikigai mithilfe von Logotherapie finden kann. Einige sehr gut beschriebene Beispiele aus dem Leben runden die Ausführungen ab. Weiter wird Morita-Therapie besprochen, deren Grundregeln auch zum langen, guten Leben beitragen können. Vietnamesischer Mönch Thich Nhat Hanh wird hier zitiert: „Hallo, Einsamkeit, wie geht es dir heute? Komm, setz dich zu mir, ich werde mich um dich kümmern.“ S. 86.
Im Kap. 5 „Bei jeder Tätigkeit im Flow sein“ wird von der Macht des Flow geredet, die 7 Voraussetzungen dafür aufgelistet und die Techniken, um Flow zu erreichen. Beispiele aus dem Leben, z.B. Flow bei japanischen Handwerkern, Künstlern untermalen die Ausführungen.
Kap. 6 beschreibt den Besuch der Autoren in Ogimi, „Dorf der Hundertjährigen“. Das Leben in der Gemeinschaft wird dem Leser bildhaft vor Augen geführt. Man wohnt einer Geburtstagsfeier bei, bei der eine Frau 99, die andere 94 und ein Mann 89 ihr Fest mit 17 weiteren Gemeindemitgliedern feiern. Es gibt auch Interviews mit Hundertjährigen, die ihre Weisheiten und ihre Meinung zum langen, glücklichen Leben teilen.
Kap. 7 beschäftigt sich kurz mit richtigem Essen und Trinken.
Kap. 8 beschreibt „Fernöstliche Bewegungsübungen zur Förderung von Gesundheit und Langlebigkeit“. Radio Tasio Übungen mit Zeichnungen sind als erstes aufgeführt, dann kommt Yoga und ihre Stile kurz erläutert, Anleitung zum Sonnengruß in 12 Schritten mit den Zeichnungen. Weiter gibt es Tai-Chi, ihre Stile, Grundprinzipien kurz. „Wolken nachahmen“ in 12 Schritten und Zeichnungen, anschließend fünf Elemente Qigong, auch mit Abbildungen, und Shiatsu ganz kurz.
Kap. 9 spricht von Resilienz und ihrer Rolle. Wabi-Sabi-Konzept, Antifragilität und die 3 Schritte, um sie zu erreichen, einige Beispiele und Ratschläge inkl., runden die Ausführungen ab.
Epilog listet 10 Ikigai-Regeln auf und schließt das Buch ab.
Zugegeben, nicht sehr viel Neues, wenn man sich bereits mit diesem Thema befasst hat, aber einiges doch neu und recht interessant. Nett, all dies in einer anderen Zusammensetzung, mit Beispielen aus den Blauen Zonen, überwiegend aber aus Japan locker leicht vor Augen geführt zu bekommen.
Die Quellen der Konzepte sind zwar im Text aufgeführt worden, aber ich hätte gerne mehr Quellenangaben und weiterführende Literatur gehabt. Auch mehr zu den Methoden des Ikigai-Findens wäre sehr schön gewesen und hätte das Buch doch sehr bereichert.
Fazit: Alles in allem ist es ein nettes, schön gemachtes, leicht zu lesendes Buch, das Potential hat, dem Leser zu helfen, das eigene Leben auf ein langes, zufriedenes Leben auszurichten.
Ich vergebe 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde.

Bewertung vom 06.03.2017
Wenn ich jetzt nicht gehe
Dueñas, María

Wenn ich jetzt nicht gehe


gut

„Wenn ich jetzt nicht gehe“ ist ein guter Frauenroman, bei dem insb. die überlebensgroßen Figuren und die authentische Geschichte vorteilhaft ins Gewicht fallen.
Der deutsche Titel erscheint mir glücklicher gewählt als der Originaltitel „La Templanza“ (Die Mäßigung). Das Coverbild ist ein wahrer Hingucker und passt wunderbar zum Inhalt.
Der Einstieg fiel mir aber nicht leicht. Die Bilder der Armut und Elend im mexikanischen Hinterland des 19 Jh. konnten mich kaum packen. Da wurde zwar auf Mitleid plädiert, aber so recht überzeugen konnte mich das alles nicht. Solche Stellen gab es auch im weiteren Verlauf des Romans, wie z.B. die Schilderung des Billardspiels: klobig, gewollt, sprachlich eher holprig. Das Plappern des allwissenden Erzählers, der mal aus Mauros mal aus der Perspektive seines Gegners etliche Erklärungen losließ, half auch kaum weiter. Einzig die gut eingebauten überraschenden Wendungen retteten oft das Ganze und ließen weiterlesen. Nach etwa 80 Seiten kam die Geschichte in Bewegung. Mauro, der mit Silberminen als junger Mann reich geworden war und nun Jahre später sein Hab und Gut wieder verkaufen und seine schwangere Tochter bei ihrer neuen Familie zurücklassen musste, erreichte Havanna in der Hoffnung, zu Geld zu kommen, um sein Kredit wieder zurückzahlen zu können. Obwohl er gleich zwei Optionen angeboten bekam, nahmen seine Abenteuer eine ganz andere Wendung. Weitere Reise führte ihn nach Jerez, Andalusien, wo er ein Weingut und das dazugehörige Anwesen verkaufen wollte. Er plante bloß Geld zu machen und wieder zu seinem alten Leben zurückzukehren. Sein Schicksal wollte es aber anders.
Die Verwicklungen in Jerez, angereichert mit Familiengeschichte des alten Winzerclans, fand ich authentisch. Mir war aber die Handlung etwas zu konstruiert, eindimensional, manches unglaubwürdig. Man ist immer in einem Handlungsstrang beim Mauro, der versucht, in der Fremde Probleme zu bewältigen und im Leben wieder Fuss zu fassen. Im Großen und Ganzen war der Ausgang der Story doch recht voraussehbar.
Die Geschichte las sich sonst ganz gut, wären da nicht diese viele unnötige Erklärungen und behauptete Emotionen. Es war leider oft so, dass kaum ein Dialog/ eine Szene angefangen hatte, schon sprang die allwissende Erzählerin um die Ecke und fing an eifrig zu erklären, je nach Situation in abwechselnden Perspektiven, wer, was dabei gedacht/ früher angestellt hatte und warum und wie jetzt das alles aufzunehmen wäre. Die Fähigkeit der Leserschaft selbständig zu denken war hier wohl nicht vorausgesetzt, weshalb eine Flut von Fertigbrei die Geschichte zukleiserte, das Vorankommen erschwerte und mir den Spaß am Lesen nahm. Diese Erklärungswut setzte sich leider bis zum Ende durch, was mich etliche Male das Buch beiseitelegen ließ.
Die Figuren, insb. Soledad, standen mir lebendig vor Augen und erzählten ihre Geschichten und zum Schluss auch ihre Geheimnisse. Eine Figur ist abgebrühter als die andere. Was Gut von Böse unterscheidet ist der Grund und die Absicht. Eine Frauenfigur kam mir jedoch schlicht überzeichnet vor, die Beschreibungen ihres Verhaltens mal unbeholfen, mal gekünstelt. Aber insg. war auch sie es wert, sie und ihre Beweggründe kennenzulernen.
Viele Themen wie Familienzusammenhalt, Liebe, Freundschaft sind ein fester Bestandteil des Romans, auch Umgang mit Demenz, mit Leibeigenen, Sklavenhandel sind prima hineingewoben worden.
Die Liebesgeschichte zwischen Mauro, einem sympathischen Kerl mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, der zwei erwachsene Kinder hat, und Soledad, der letzten Frau aus dem alten Winzerclan, die was vom Geschäft versteht und schwer um die Reste ihres Vermögens kämpft, ist doch recht gut geworden. Viele Verwicklungen: die Beiden mussten vieles meistern und etliches bewältigen.
Fazit: Wer Familiengeschichten mit ihren alten Geheimnissen liebt, wird hier fündig. Ich habe auf etwas mehr Kunstfertigkeit gehofft.

Bewertung vom 03.03.2017
Die verschleierte Gefahr
Ramadani, Zana

Die verschleierte Gefahr


ausgezeichnet

Der Klappentext spiegelt den Inhalt des Buches sehr treffend wider. Zana Ramadani wurde in Skopje geboren. 1991 kam sie als Siebenjährige mit ihren Eltern nach Deutschland. Seit 2009 ist sie deutsche Staatsbürgerin und Mitglied der CDU. „Wenn ich heute von Heimat spreche, meine ich Deutschland. Dieses Land, das so anders war und ist als jenes, das wir damals verlassen hatten. Doch seit einigen Jahren holt mich diese verbohrte Beschränktheit, die ich dort erlebt hatte, wieder ein, mitten in Deutschland.“ S. 28. „Es müsste offen und ohne Tabus darüber gesprochen werden, weshalb der Islamismus sich in unseren westlichen, europäischen Staaten breitmachen konnte.“ S. 22. „Den Mittelalter-Islam oder den politischen Islam als kulturelle Eigenart zu verharmlosen ist falsch verstandene Toleranz oder Traumtänzer-Nostalgie. Wenn wir es nicht wagen, dem politischen Islam und der zunehmenden Radikalisierung entschlossen entgegenzutreten, weil wie Angst vor dem Vorwurf der Intoleranz oder des Rassismus haben, dann ist das Feigheit… Von dem französischen Schriftsteller und Philosophen Albert Camus ist der Satz überliefert: ‚Wer die Dinge beim falschen Namen nennt, trägt zum Unglück der Welt bei.‘ Ich will dazu nicht beitragen.“ S. 23.
Und ganz im Sinne von diesen Zeilen liefert Zana Ramadani ihre Sicht der Dinge, etliche Fälle aus dem Leben, ihre Erfahrungen, was die gelebten Werte in muslimischen Familien angeht, und findet sehr klare Worte, um dies zu schildern. Es sind erschütternde Zustände, die die Leser kaum unberührt lassen können.
Die Autorin liefert zunächst die Bestandaufnahme der heutigen Situation, was Verbreitung des Islams in Deutschland angeht: „In einer Studie stimmte fast die Hälfte von 1200 Zuwanderern aus der Türkei und ihre Nachkommen der Aussage zu, ‚die Befolgung der Gebote meiner Religion ist wichtiger als die Gesetze des Staates, in dem ich lebe.‘ Ein Drittel wünscht sich die Gesellschaftsordnung aus Mohammeds Zeiten zurück. 13 Prozent haben ein verfestigtes fundamentalistisches Weltbild.“ Sehr erfreulich, dass an allen Stellen, an denen ich mir Quellenangaben gewünscht habe, waren sie auch da.
Man sieht, dass das Thema der Autorin sehr nahegeht. Der Ton wird zunehmend aufgebrachter, insb. wenn es um die Situationen geht, die mit den Werten des heutigen Lebens im Westen kaum zu vereinbaren sind, z.B. wenn es um die Rolle der Frauen und deren körperliche Züchtigung geht. Wenn man über die geschilderten Zustände in den Familien liest, trifft man Gewalt, wohin das Auge reicht: Vom Mann zur Frau, von Frau zu ihren Töchtern. Die Söhne haben ihre Sonderstellung. Es ist auch plausibel erklärt, warum. Auch zur Verhüllung der Frauen gibt es eine kurze Bestandaufnahme und klare Worte, s. S. 75.
Es gibt insg. 8 Kapitel auf 236 Seiten reinen Textes verteilt. Sehr gut, aussagestarke Sprache, liest sich wunderbar. Der Stoff hat es aber in sich. Zu allen anfangs aufgeführten Punkten ist einzigartiger Inhalt geliefert, kurz und prägnant dargelegt. Im Kap. 5 „Eine gewalttätige Religion“ und Kap. 6, darin „Imame und Verbände fördern Radikalisierung“ geht es hpts. um Männer. In Kap. 7 „Willkommenskultur ja – aber mit Verstand.“ und Kap. 8 „Aus Fehlern lernen“ geht es um die Rolle der deutschen Politik und wie man die Lage bessern könnte. Zum Schluss gibt es „Meine Vision. Ein Neustart kann gelingen“. Dort schildert die Autorin ihre Ansätze zur Lösung des Problems.
Fazit: Das Buch sollte jede(r) gelesen haben, dem das Leben nach den westlichen Werten lieb und teuer ist. Es schockiert und rüttelt auf, ein lautstarker Appell an die Gesellschafft, aufzuwachen und gegen die Entwicklungen, die gegen die Werte der Freiheit gehen, effektiv gegenzusteuern. Man liest bei Zana Ramadani Dinge, die man in Leitmedien kaum finden wird.
Danke an die Autorin für dieses offene und mutige Buch. Danke auch an Europa Verlag. Solche Bücher braucht unsere Gesellschaft.
Von mir gibt es wohl verdiente fünf Sterne und klare eine Leseempfehlung!

8 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.02.2017
Das kleine Buch von der Seele
Haug, Achim

Das kleine Buch von der Seele


ausgezeichnet

„ Das kleine Buch von der Seele“ ist ein sehr gut geschriebenes Werk, leicht verständlich, prima für alle, die sich für das Thema interessieren und sich ein adäquates Grundwissen aneignen wollen.

Man hat den Eindruck, man unterhält sich mit einem älteren Freund, der sein profundes Wissen und seine langjährige Erfahrung auf dem Gebiet mit dem Leser teilt. Man erfährt viele nützliche Dinge, z.B. Was ist eine psychische Erkrankung? Wie werden diese heute behandelt? Wie schaut eine psychotherapeutische Behandlung aus? Er erklärt auch, was ein Psychotherapeut können sollte. Der Autor sagt ferner, was Menschen in einer psychiatrischen Klinik erwartet. Er beschreibt auch, welcher Art Präparate gibt es und wie eine Behandlung mit Medikamenten ausschaut. Beim Lesen bekommt man ein klares, adäquates Bild. Hier erzählt ein Profi und räumt viele Vorurteile und Mythen beiseite, z.B. „Einmal Psychiatrie- immer Psychiatrie?“ S. 90 ff. oder ob Psychopharmaka gesundheitsschädlich sind, usw.

Sehr gut hat mir auch gefallen, dass der Autor anfangs über die Definitionen nachgedacht und die oft vorkommenden psychischen Erkrankungen nach einem anerkannten Manual (ICD 10) beschrieben hat. So wissen die Leser nach der Lektüre, wie man eine bipolare Störung erkennt und diese z.B. von Schizophrenie unterscheidet. Auch von Demenz und Depression ist hier die Rede, alles ganz easy, wunderbar verständlich besprochen. Es ist die Art von Einfachheit, die durch sehr viel Arbeit und viel Wissen entsteht.

Besonders gut hat mir gefallen, dass man zum Schluss erklärt bekommt: Wie die Psychopharmaka wirken, was man bei der Wahl der Medikamente berücksichtigen soll, um das Richtige zu finden. Der Autor sagt auch ganz klar, dass es hier um Versuch und Irrtum geht, solange man nicht das Optimale hat und erklärt auch, warum es so ist. Zum Punkt, wie lange man Medikamente nehmen soll, erklärte Achim Haug einige wichtige Dinge und beantwortete die oft gestellte Frage, ob man derselbe sein wird wie vorher.

Die Buchgestaltung passt wunderbar zum Inhalt. Es ist ein hellblauer, fester Umschlag, schön gebunden. Eine Freude, das Buch in die Hände zu nehmen. Es ist auch prima zum Mitnehmen: recht leicht und handlich. Die Kapitel sind nicht so lang, sodass man das Buch auch wunderbar auf dem Weg zur Arbeit im öffentlichen Verkehr, im Zug, usw. lesen kann. Von dieser Seiltänzerin, die man auf dem Umschlag sieht, kommt der Autor zum Schluss zu sprechen, um das Fazit von dem Gesagten zu ziehen.

Fazit: Ein sehr gutes Buch voller nützlicher Informationen, die einem eine adäquate Vorstellung von der Psyche und ihren grundlegenden Erkrankungen ermöglichen, samt den Tipps, wie man optimalerweise damit umgeht.
Das Buch habe ich sehr gerne gelesen, daher vergebe ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung insb. für diejenigen, die in der nächsten Umgebung oder in der Familie Menschen mit psychischen Problemen haben. Für Einsteiger ist es schlicht ein Muss. Natürlich wird man in dem einen oder andern Gebiet zur weiterführenden Literatur greifen, aber diese gute Grundlage, sie darf einfach nicht fehlen.

Bewertung vom 22.02.2017
Maria Theresia und Marie Antoinette

Maria Theresia und Marie Antoinette


ausgezeichnet

Für diesen Briefwechsel zwischen Maria Theresia(1717-1780), der österreichischen Kaiserin, und ihrer Tochter Marie Antoinette(1755-1793), Königin von Frankreich, konnte ich mich restlos begeistern und kann ihn sehr gerne weiterempfehlen. Das Buch las sich wie ein spannender Gesellschaftsroman mit historischem Hintergrund, in dem zwei prominente Frauen die Hauptrollen spielen. Bloß alles war echt: Die Figuren haben wirklich gelebt, die Ereignisse waren tatsächlich geschehen, und der Gedankenaustausch war ihren Federn entsprungen. Der Briefwechsel fängt im April 1770 an, als Marie Antoinette (M.A.) nach Frankreich geht und endet 1780 mit dem Tod von Maria Theresia (M.T.).

Eine Reihe von Aspekten des damaligen Lebens an den kaiserlichen Höfen kommt aus dem Briefwechsel zum Vorschein. Es fängt mit Benehmlehre für die Tochter an, denn M.A. war nicht mal volle fünfzehn, als sie mit dem franz. Dauphin vermählt wurde. M.T. musste sie mittels Briefe und Anweisungen durch ihre Vertraute erziehen. Kein leichtes Unterfangen, denn viele Werte, die M.T. ihr zu vermitteln versuchte, wie Güte des Herzens, Liebenswürdigkeit, Loyalität, etc., hier ist übrigens auch interessant, welche Charakterzüge für eine zukünftige Kaiserin als unabdingbar angesehen wurden, konnte man einem jungen Wildfang, wie M.A. es gewesen war, wohl kaum per Fernsteuerung anerziehen. Aber M.T. hatte ihre Handlanger vor Ort, die sie rechtzeitig informierten und für die Durchführung der Anordnungen sorgten, und konnte auch sehr klare Worte finden, wenn etwas ihre nicht passte.
Es war auch spannend zu sehen, wie sich M. A. im Laufe der Jahre veränderte: vom verschüchterten Mädchen, plötzlich der Heimat und allen Dingen geraubt, die ihr lieb und vertraut waren, zu einer jungen Königin. Auch ihre Schrift wurde anders: man hat einige Kopien ihrer Briefe im Buch. Erst war oft die Rede von Spielen und Bällen, Ausritten und Jagden, Fasching wurde jedes Jahr erwähnt. Später hatte die junge franz. Königin, sie wurde mit 19 gekrönt, ihr Mann war 20, andere Prioritäten. Das Kinderkriegen, zu einer politischen Angelegenheit erklärt, bekam einen sehr hohen Stellenwert. M. T. drängte auf einen männlichen Nachfolger, denn ein Dauphin würde die Macht festigen, für den Fortbestand der Dynastie sorgen und die Erwartungen diverser Interessengruppen wie das franz. Volk, der Hofstaat, die königliche Familie, etc. erfüllen. Auch M. A. sah es nicht anders. Bemerkenswert war die Schilderung der Geburt ihres ersten Kindes. Fast der ganze Hofstaat war dabei anwesend.
Noch später dominierten das politische Geschehen und die in Europa damals grassierende Krankheiten die Themen in den Briefen der Mutter und Tochter. Auch das Verhältnis der M.A. zu ihrem Gemahl war oft thematisiert, denn der Dauphin musste her.
An mehreren Stellen bezeichnete sich M. T. als Deutsche und ihr Volk die Deutschen, S. 42.53.

Der Stil/Ausdruck ist für heutige Verhältnisse etwas blumig, aber nach einer kurzen Eingewöhnung ging es gut. Die Briefe wurden ins Deutsche übersetzt, Originale sind auf Französisch. Der Inhalt verleitete stets zum Mitdenken und warf oft Fragen auf: Waren all diese Liebesbekundungen der Mutter nur Worthülsen und es ging ihr primär um die Politik und ihren Einfluss? Wollte sie auf diese Weise das Geschehen mitgestalten und manipulierte bloß ihre Tochter? Denn sie sah die Kinder eher als Mittel zum Zweck des Machterhalts, das hat sie oft genug geschrieben, vom schlichten Mutterglück war kaum die Rede.
Ich habe extra langsam gelesen: Zu schön war der Gedanke, abends zu den beiden zurückkehren zu können. So etwas eigenartig Echtes bekommt man selten in die Hände.

Fazit: Ein tolles Buch, das den heutigen Lesern die damalige Zeit und ihre Besonderheiten in vielerlei Hinsicht näherbringt. Auch die Art der Beziehung zwischen Mutter und Tochter ist sehr spannend. Ich habe den Briefwechsel sehr gerne gelesen und kann es wärmstens weiterempfehlen.