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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2007
Der General in seinem Labyrinth
García Márquez, Gabriel

Der General in seinem Labyrinth


gut

Die letzte Reise Simon Bolívars steht im Mittelpunkt von Marquez fiktionaler Biografie eines Generals der im Unabhängigkeitskrieg gegen die spanische Krone zu einer Legende Südamerikas wurde. Er hat seinen Rücktritt erklärt, reist schwerkrank den Magdalena-Strom hinab und beschwört seine Zeit in Erinnerungssequenzen herauf. Márquez entwirft jedoch nicht das glatt Bild eines südamerikanischen Helden, er zeigt ihn in all seiner Verstrickungen, seinen Beschwerlichkeiten und verloren gegangen Idealen. Der Autor entzieht sich dabei bewußt des Klischees und vermag es trotzdem nicht, die sonst kraftvolle Poesie seines erzählerischen Tons zu entfachen. Was womöglich daran liegt, daß er eine reale Person beschreibt, vielleicht auch daran, daß er an ihm die Verwerfungen eines politischen Willens beschreibt, die ihm in anderen seiner Romane bildhafter gelungen ist.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Die Erfinder des Todes
McDermid, Val

Die Erfinder des Todes


sehr gut

Krimi-Schriftsteller und -innen haben es gut: Sie sind imstande, den Haß auf ihre Kollegen literarisch zu verarbeiten. Nicht zum ersten Mal fasziniert eine Autorin der Gedanke, daß ein Mörder seine Opfer unter den eigenen Kollegen findet. Val McDermid gestaltet ihre Geschichte jedoch so fintenreich, daß der Spannungsbogen nie abbricht und findet in Fiona Cameron, einer Profilerin, die ausgerechnet einen der Autoren liebt, die auf einer Todesliste stehen, zwei Protagonisten, deren Überleben einem am Herzen liegt. Gute englische Crime-Story und wie bei McDermid sprachlich ausgefeilt.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Dillon
Moore, Brian

Dillon


sehr gut

Angesichts des Tauwetters in Nordirland gibt ein Roman wie Dillon Auskunft darüber, wie in sich verrannt die politischen Verhältnisse sich dort einmal darstellten, wie weit der Weg zu einer gemeinsamen Regierung war. Brian Moore erzählt jedoch auch davon, wie leicht einer ins Zentrum eines Anschlags geraten kann, obwohl er selbst unpolitisch ist. Egal wie unparteiisch einer sich auch in seiner Nische einrichtet, er bleibt Teil des großen Ganzen. Dillon wird mißbraucht, erpreßt und das Gefühl der Ohnmacht, das ihn dabei befällt, prägt auch die Zeit danach. Er ist nicht derselbe Mann, der er einmal zu sein glaubte. Seine Frau Moira hingen wächst über sich hinaus und führt ihm vor Augen, was er nicht vermag. Das tragische Ende ist unausweichlich. Irgendwann wird dieser Abschnitt nordirischer Geschichte in den Schulbüchern landen. Gut, daß es Autoren wie Brian Moore gab, die dem Wahnsinn ein Gesicht liehen.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 11.09.2007
Am Strand
McEwan, Ian

Am Strand


sehr gut

Mißverständnisse, darauf beruhen einige der besten Romane, kommt dann noch eine verklemmte Sexualität hinzu, die durch eigene Ängste ins Übermenschliche gesteigert wird, hat eine frisch gestiftete Ehe es schwer, aus den Startlöchern zu kommen. Wie fehlgeleitetes Geschlechtsleben Schicksale erzeugt, das Leben in Bahnen lenkt, die jemand sich zuvor anders ausgemalt hat, beschreibt Ian McEwan nicht erst in diesem Roman. Neben Zementgarten hat er vor allem in Abbitte erzählt, wie allein die fehlgeleitete Vorstellungskraft einen Menschen unschuldig in eine Tragödie hineinschlittern lassen kann. Was in Abbitte noch als großes Panorama erscheint, wird Am Strand zum kleine Kammerspiel, das zwischenzeitlich das Kennenlernen des Liebespaars und deren Familien kurz umreißt, aber sich weitgehend auf die Ereignisse, Hoffnungen wie Enttäuschungen der Hochzeitsnacht zwischen Edward und Florence konzentriert. Wer dabei von beiden die größere Schuld auf sich nimmt, ist nicht die entscheidende Frage, vielmehr schafft es McEwan durch seine meisterliche Führung und Sprache ein Pschogramm zweier Menschen zu beschreiben, die sich besser nie kennengelernt hätten, da sie eigentlich jemand an ihrer Seite benötigen, der ein ganzes Leben auf sie aufpaßt. So schnell platzt die Zukunft, und auf den letzten Seiten erzählt McEwan davon, wie selbst die Zukunft nach der Trennung eine Geschichte der verlorengegangen Träume ist. Kurz und schonunglos, faszinierend in der Hilflosigkeit.
Polar aus Aachen

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Die fünfte Frau / Kurt Wallander Bd.7
Mankell, Henning

Die fünfte Frau / Kurt Wallander Bd.7


sehr gut

Einen Kriminalroman zu schreiben, bei dem der Täter oder in diesem Fall die Mörderin frühzeitig bekannt ist, ist nicht leicht. Allzu schnell verläuft die Spannung ins Leere. Mankell versteht sich darauf, uns in die persönliche Verstrickung einer Tat einzuführen, und bezieht seine Spannung aus der Ermittlungsarbeit, aus dem langsamen Fortschreiten von Erkenntnissen. Gewalt gegen Frauen umzukehren, indem eine Frau Gewalt gegen Männer ausübt, die Frauen Gewalt antun, ist ein in sich geschlossener Kreis, dem Mankell ein klares Motiv gegenüberstellt. Warum funktionieren Mankells Romane, wenn man von der deutschen Sehnsucht nach dem angeblich reinen Leben in Skandinavien mal absieht? Sie sind typisch Deutsch. Nicht weil es in Schonen soviel regnet. Auch würden sich in einem deutschen Kommissariat Vorgesetzter und Untergebener nicht duzen, aber den ihnen eigenen Pessimismus, gegen den man sich Tag für Tag stemmen muß, um das Recht herzustellen, die Gewalt zu unterbinden, einen Täter hinter Gitter zu bringen, teilen Mankell und andere nordische Krimiautoren. Wallander verbindet das Thema Selbstjustiz auf der persönlichen wie auf der gesellschaftlichen Ebene, wenn er die Bürgerwehr aufmarschieren läßt. Dieselben Leute, die eine Mörderin aufhängen würden, weil sie das Recht in die eigenen Hände nimmt und Mitbürger abschlachtet, sehen in der Zusammenrottung bürgerlichen Rechtsempfinden einen durchaus sinnvollen Ansatz, sich zu schützen. Beim Lesen weiß man nicht, was einen mehr abstößt, die kalt durchgeführte bestialische Gewalt oder die Selbstherrlichkeit, die nur einen Schritt davon entfernt ist, daß bei ihr alle Sicherungen durchbrennen. Mankell schafft es uns dies spüren zu lassen und vertraut dabei seiner bewährten Konstruktion.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Verlorene
McCarthy, Cormac

Verlorene


ausgezeichnet

Wenn man einen so großartigen Roman gelesen hat, hat man ein wenig Angst um den Autor, ob er in den Romanen, die er noch schreiben wird, dieselbe Intensität der Handlung, dasselbe sprachliche Feuerwerk und die abgrundtiefe Analyse einer Gesellschaft noch einmal schafft. McCarthy hat diese Höhe in weiteren Romanen unter Beweis gestellt und stets wendet er sich dem Rand zu, vor dem viele die Augen verschließen und so tun als gebe es ihn nicht. Das Leben in einem Slum der fünfziger Jahre auf einem Hausboot gleicht einem täglichen Kampf ums Überleben. Cornelius Suttree ist durchs Netz der sozialen Absicherung gefallen, obwohl er Sohn einer reichen Familie war. Er hadert mit seinem Schicksal, daß ausgerechnet ihn und nicht den Bruder bei der Geburt überleben ließ. So was kommt nicht nur einem schlechten Start gleich, es läßt es auch nicht zu, sich damit abzufinden. Das Leben muß ihm alles bieten und läßt es nur zu, daß er säuft, herumhurt, Schläge austeilt und einsteckt, mit dem Gesetz in Konflikt kommt, ohne zu wissen, was er eigentlich vom Leben erwartet. Doch Suttree ist nicht allein. McCarthy schafft eine Reihe beeindruckender Geschlagener, Verlorener, die allesamt einen Grund besitzen, am Leben zu verzweifeln. Es ist ein Leben mittem im Sterben, das man phasenweise nur mit Humor erträgt. Sich jeden Tag fühlen lassen, daß man noch lebt, ist der einzige Grund, morgens aufzustehen. Es geht weiter. Tag für Tag. Ein grandioser Roman.
Polar aus Aachen

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Liebe Mutter, es geht mir gut . . .
Millar, Margaret

Liebe Mutter, es geht mir gut . . .


sehr gut

Gerade dann, wenn man glaubt, man wisse jetzt genau, was es sich mit dieser Geschichte auf sich hat, dreht die Autorin uns eine Nase und wendet das Blatt. Margaret Millar zeichnet Psychogramme, von denen eines erlogen ist. Sie zieht einen Kreis von Verdächtigungen und Drohungen um die Hauptperson und heftet ihr soviel Hilflosigkeit an, daß sich jemand sich berufen fühlt, helfend einzuspringen. Margret Millar erzählt in einem süffisanten Ton vom Haß einer Frau zu einer anderen, von der Überschreitung jeglicher Ressentiments, von verletzten Gefühlen und Verbitterung, so daß man sich am Ende sagt: Ja, so kann es einem gehen, wenn man es zu weit mit sich kommen läßt, wenn man nicht mehr gegen sich selbst ankommt, wenn man manisch an einem Objekt festhält, das für all das verantwortlich ist, was man selbst nicht in den Griff bekommt. Eine Art Kammerspiel, bei dem die Millar, ihre Figuren auftreten läßt, um den Suspense anzutreiben. Bloß nicht verpassen!
Polar aus Aachen

Bewertung vom 11.09.2007
Der Menschen Hörigkeit
Maugham, William Somerset

Der Menschen Hörigkeit


ausgezeichnet

Fast erscheint es einem so, als plagiiere Somerset Maugham Dickens. Ein Junge mit Klumpfuß geboren, mit einem Sprachfehler versehen, verliert er seine Eltern und müßte eigentlich im Sozialkitsch vieler Romane des 19. Jahrhunderts enden. Doch verarbeitet der Autor in diesem Roman autobiographische Züge. Er schreibt so eine Art Entwicklungsroman, der sich zwar entlang des bewährten Leidenswegs samt puritanischen Onkels, Internats und manisch unterwürfiger Liebe schlängelt, den Philip Carey auf dem Weg der Selbstfindung beschreitet. Daß Somerset Maugham ähnlich wie Dickens spannend zu erzählen weiß, seine Sprache bildreich beschreibt, die Figuren feine Psychogramme voller Widersprüche sind, bewahrt ihn vor billiger Schwarz-Weiß-Malerei. Der Menschen Hörigkeit gehört zu den großen Roman der modernen Literatur, die einen Leser nicht nur in ein fremdes Leben entführt, vielmehr die übersteigerten Ansprüche ans eigene Leben bloßstellt, die Carey von sich fordert, sie als das offenbart, was sind: Eine Flucht vor der Vergangenheit. Ein Vergessen wollen. In welchen Armen, in welcher Idylle auch immer.
Polar aus Aachen

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Der Eissturm
Moody, Rick

Der Eissturm


sehr gut

Fast erscheint es so, als könnte John Updike sich dieser Tristesse des amerikanischen Mittelstands angenommen haben. Sexuelle Paarspiele mit einer Schüssel voller Wohnschlüssel, die man in der Hoffnung zieht, die richtige Frau, den Mann der Träume mit nach Hause nehmen zu dürfen, Heranwachsende, die sich in der Flucht vor ihren Eltern begegnen und alles spielt sich vor dem Hintergrund gefestigter, wirtschaftlicher Verhältnisse ab. Versager, Verlierer im Erfolg, Träumer am Rand und eigentlich bergen sie alle dieselbe Sehnsucht in sich: Noch ist das Leben nicht zu Ende. Was Updike spielerisch darbietet, den Biß in der Verharmlosung offenbart, erweckt bei Moody sogleich ein Frieren, sei die Ansprache auch noch so herzlich, verständnisvoll. Nicht nur draußen tobt der Sturm und wird im Verlauf der Nacht jemand den Tod bringen. Nachbarn unter sich, das ist immer gefährlich. Sie reden über einen, sie verfolgen einen mit Neid und schenken einem ihr Lächeln. Der schale Beigeschmack, wenn sie in den Spiegel schauen, sich inmitten der Leben all der anderen sehen, erscheint nur oberflächlich als Posse, tief innen drinnen tobt die Tragödie, die Bestie. Moody beschreibt die Verhältnisse wie sie sind: alkoholtrunken, triebgesteuert, diskussionsschwanger verfolgt vom Gefühl ewiger Jugend.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Die Glut
Márai, Sándor

Die Glut


ausgezeichnet

Geheimnisse, die über Jahrzehnte in sich getragen werden, mögen einen, der nicht eingeweiht ist, um den Verstand bringen. Er erhofft sich womöglich die Erlösung, wenn sie endlich gelüftet werden. Manch einer wünscht sich danach, er hätte nie gefragt. In Sandor Marais Roman Die Glut spielt die Liebe zu Krisztina die Rolle, die sowohl Henrik als auch Konrad zum Spielball ihrerselbst machen. Hitzig inszeniert Marais eine einzige Nacht, eine Aussprache, die Niederlage. Das Ganze eingewebt in den Zerfall des k.u.k.-Reiches. Ein schmales Buch, das genußvoll in Lebenslügen schwelgt.
Polar aus Aachen

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.