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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3573 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2022
George Grosz in Berlin
Rewald, Sabine

George Grosz in Berlin


ausgezeichnet

George Grosz (1893-1959) war einer der wichtigsten Künstler der Moderne. Vor allem in den 1920er Jahren wurde er für seine Karikaturen und Zeichnungen des Lebens in Berlin bekannt und prägte damit das Bild der deutschen Gesellschaft in der Zwischenkriegszeit. Mit den Mitteln der Groteske und einem „messerharten Zeichenstil“ sezierte er die Wirklichkeit seiner Zeit. Seine Bilder waren Straßenszenen. Innenansichten von Bars und Restaurants, von Kriegsinvaliden oder Prostituierten; sie klagten aber auch Kriegsgewinnler und korrupte Politiker an. Ungeschönt zeigte Grosz das Elend und die Schattenseiten seiner Zeit und legte menschliche Abgründe dar.

Die Ausstellung „Glitzer und Gift der der Zwanzigerjahre, George Grosz in Berlin“ in der Staatsgalerie Stuttgart (18.11.2022 bis 26.2.2023) will den Künstler wieder ins Licht der Aufmerksamkeit rücken. Die Ausstellung, die eigentlich für das Metropolitan Museum of Art in New York geplant war, präsentiert rund 100 Werke, wobei der Schwerpunkt auf Arbeiten liegt, die Grosz zwischen 1917 und 1933 vorwiegend in Berlin geschaffen hat. Viele der Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphiken stammen aus namen-haften öffentlichen und privaten Sammlungen in Europa und Amerika. Die Präsentation wird darüber hinaus um zahlreiche Arbeiten aus dem eigenen Bestand der Staatsgalerie erweitert.

Im Hirmer Verlag ist unter dem Titel „Das unerbittliche Auge“ der umfangreiche und reich illustrierte Katalog erschienen. Sabine Rewald, die die Ausstellung konzipierte, beleuchtet in ihrem Essay die Schaffensperiode von Grosz während des Ersten Weltkriegs und in den 1920er Jahren bis zu seiner Übersiedlung in die USA. Ergänzt wird der Essayteil durch einen Text „Eine wollüstige Wut“ des anglo-niederländischen Schriftstellers Ian Buruma, der sich ebenfalls Grosz‘ künstlerischer Laufbahn widmet. Der Katalogteil präsentiert dann einen Großteil der Ausstellungsstücke, eingeteilt in verschiedene Themen mit einer kompakten Einführung - darunter auch Familiäres und für Freunde. Da der Katalog schon Monate vor Ausstellungseröffnung vorliegt, hat man also genügend Zeit, sich bereits im Vorfeld mit Werk und Schaffen von George Grosz auseinanderzusetzen.

Bewertung vom 04.09.2022
Madame Bovary
Flaubert, Gustave

Madame Bovary


ausgezeichnet

Flauberts Hauptwerk Madame Bovary (1857) gehört heute zur Weltliteratur. Erzählt wird die Geschichte der Ehebrecherin Emma Bovary. Die junge und schwärmerische Tochter eines reichen Bauern besucht ein katholisches Internat für ‚höhere Töchter‘. In jungen Jahren heiratet sie den verwitweten und biederen Landarzt Charles Bovary; doch bald empfindet sie die Ehe und das Landleben bedrückend und lähmend. Um ihre Mädchenträume dennoch zu verwirklichen, hintergeht die gelangweilte Arztgattin ihren zusehends verhassten Mann und stürzt sich in amouröse Abenteuer. Nach einer romantischen Tändelei mit dem jungen Jurastudent Léon Dupuis hat sie eine Affäre mit einem Gutsbesitzer aus der Nachbarschaft, der sich aber wieder rücksichtslos von ihr trennt. Emma ist verzweifelt und verfällt in Depressionen.

Während einer Theateraufführung in Rouen begegnet sie wieder Léon und sie treffen sich nun regelmäßig in einem Hotelzimmer. Doch Emma gerät in einen geradezu zwanghaften Kaufrausch und nimmt deshalb viele Kredite für Möbel und Kleidung auf. Die Kosten kann sie bald nicht mehr bestreiten. Immer tiefer rutscht sie in die Schuldenfalle. Und als sie sich nicht mehr zu helfen weiß, bringt sie sich um.

Die vorliegende Hörspielversion des Klassikers ist eine Produktion des Hessischen Rund-funks aus dem Jahre 2005 – Laufzeit ca. 4 Std., Bearbeitung (Valerie Stiegele) und Regie (Christiane Ohaus). Die Rolle der Emma Bovary hat die österreichische Schauspielerin Chris Pichler übernommen. Andere Sprecher sind Bernhard Schütz, Dietmar Mues, Samuel Weiss, Thomas Sarbacher und Friedhelm Ptok (Erzähler). Im 16seitigen Booklet findet man Informationen zu Flaubert, seinem Werk und zu der Hörspielproduktion.

Bewertung vom 23.08.2022
Sturmhöhe
Brontë, Emily

Sturmhöhe


ausgezeichnet

Der Roman „Sturmhöhe“ ist ein düster-romantisches Werk um Liebe und Rache und zugleich eine der schönsten und abgründigsten Liebesgeschichten. Dargestellt an der tragischen Geschichte zwischen Catherine, der Tochter des Landbesitzers Earnshaw, und dem verwahrlosten Heathcliff, der als Findelkind auf dem Gutshof aufwächst. Obwohl beide eine innere Zuneigung verbindet, weist Catherine seine Liebe zurück – zu ungebildet und zu ungehobelt erscheint ihr der unberechenbare Ziehbruder. Als Heathcliff erfährt, dass seine vergötterte Catherine den Sohn des benachbarten Gutsbesitzers Linton heiraten will, verlässt er gekränkt und geradezu wütend den Hof. Nach Jahren kehrt Heathcliff als reicher Mann zurück. Er sinnt auf Rache, will die beiden Landgüter in seinen Besitz bringen und die Familien bis ins zweite Glied ruinieren.

Nach einem skrupellosen Rachefeldzug voller Hass und Zerstörungswut und dem frühen Tod Catherines wird Heathcliff in seinem Träumen von ihrem Geist heimgesucht. Erst nach seinem eigenen Tod unter mysteriösen Umständen findet Heathcliff schließlich seinen Frieden mit seiner Geliebten. Die Dorfbewohner jedenfalls wollen ihre Geister gemeinsam im Moor gesehen haben.

Emily Brontë bediente sich in dem Psychodrama einer unkonventionellen Erzähltechnik, denn die erschütternde Geschichte wird aus der Perspektive zweier außenstehender Ich-Erzähler berichtet, von dem Pächter Mr. Lockwood und der Haushälterin Nelly Dean. Beide verfügen über Realitätssinn und gesunden Menschenverstand, wodurch ihre Schilderungen der abgrundtiefen Geschehnisse an Wahrhaftigkeit gewinnen. Wegen seiner dämonischen Düsterkeit bis hin zum Tierhaften im Menschen und der Negierung aller gesellschaftlichen Normen stieß der Roman beim viktorianischen Publikum auf empörte Ablehnung. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ihm die literarische Anerkennung zuteil. Heute, wo Triebhaftigkeit und das angebliche „Böse“ längst Einzug in die Literatur gehalten haben, zählt der Roman mit seiner Inszenierung von Leidenschaft, Gewalt, Übersinnlichkeit und Naturkräften zu den wichtigsten Werken der englischen Literatur, ja der Weltliteratur.

Die vorliegende Hörspielfassung (Regie Kai Grehn) ist eine Produktion des Norddeutschen Rundfunks und des Südwestrundfunks aus dem Jahr 2012 – Hördauer der mp3-CD knapp drei Stunden. Gespickt ist das Hörspiel mit Musik der britischen Sängerin und Songwriterin Anne Clark. Als SprecherInnen sind u.a. Bibiana Beglau, Alexander Fehling, Jule Böwe, Franziska Wulf, Sebastian Blomberg und Jens Wawrczeck. Im 20seitigen findet man neben einem Text (Jan Weiler) und einem Stammbaum zu dem Roman weitere Informationen zu der Produktion.

Bewertung vom 15.08.2022
Anna Karenina
Tolstoi, Lew

Anna Karenina


ausgezeichnet

Neben „Krieg und Frieden“ ist „Anna Karenina“ Leo Tolstois berühmtestes Werk. Der Roman, der ins Russland des 19. Jahrhunderts führt, zählt zu den Klassikern der Weltliteratur. Anna Karenina ist die Frau eines Staatsbeamten und führt eine lieblose Ehe in St. Petersburg. Während eines Besuches in Moskau lernt sie den schneidigen Offizier Wronskij kennen, der sich augenblicklich in sie verliebt und ihr zurück nach St. Petersburg folgt. In der Folgezeit haben die beiden eine heftige Affäre, von der schließlich Annas Ehemann und die ganze Petersburger Gesellschaft erfahren. Als Anna schwanger wird, flieht sie mit Wronskij nach Italien. Nach ihrer Rückkehr ist sie gesellschaftlich ruiniert. Sie sieht keinen Ausweg mehr und wirft sich vor einen Zug.

Ohne moralischen Zeigefinger zeigt Tolstoi, was seine Protagonisten zu ihren Handlungen treibt, Der allwissende Erzähler wird dabei immer wieder von den einzelnen Figuren unterbrochen, wenn sie ihre intimsten Gedanken und Gefühle preisgeben. Die Anwendung dieses Stilmittel in einem Roman war damals etwas völlig Neues.

Die Hörspielfassung des fesselnden Romans ist eine Produktion (Regie Ludwig Cremer) des Hessischen Rundfunks aus dem Jahr 1967. Sie besticht durch ihre Lebendigkeit, Natürlichkeit und Detailtreue. Als Erzähler fungiert Walter Andreas Schwarz und Johanna von Koczian spricht die Titelrolle. Als weitere SprecherInnen sind u.a. Romuald Pekny, Hansjörg Felmy oder Rudolf Melichar zu hören. Die Spieldauer der mp3-CD beträgt immerhin 4:28 Stunden, doch die Tracks haben zum besseren Wiedereinstieg nur eine Länge von drei Minuten. Ein 12seitiges Booklet gibt kompakte Informationen zum Roman und zur Produktion.