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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 29.09.2018
Das Heer des Weißen Drachen / Draconis Memoria Bd.2
Ryan, Anthony

Das Heer des Weißen Drachen / Draconis Memoria Bd.2


gut

Für mich zu verwirrend

Zwar ist Fantasy nicht mein bevorzugtes Genre, aber weil mich die Leseprobe zu diesem Buch so fasziniert hatte, wollte ich es unbedingt lesen. Was ich nicht bedacht hatte: Es handelt sich um den zweiten Band zu Draconis Memoria. Band 1 kenne ich nicht. Und hierin mag der Grund für meine Schwierigkeiten mit diesem Buch liegen. Trotz der geschickten Einführung bzw. Rückblick auf den ersten Buchseiten hatte ich erhebliche Mühe, der Geschichte wirklich zu folgen. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass sich ständig neue Wissenslücken auftun und ich mich nicht auskenne. Weiter erschwerend kam für mich hinzu die Angewohnheit des Autors, die Kapitel unvollständig zu beenden und erst viele Seiten später fortzusetzen. Diese Cliffhanger und die fehlenden Vorkenntnisse haben mir das Lesen des Buches ziemlich verleidet.

Da ich nicht sicher bin, ob ich den Inhalt mit eigenen Worten richtig wiedergeben würde, nutze ich ausnahmsweise den Klappentext: „Jahrhundertelang baute das gewaltige Eisenboot- Handelssyndikat auf Drachenblut – und die außergewöhnlichen Kräfte, die es verleiht. Als die Drachenblutlinien versiegen und Kundschafter ausgesandt werden, um neue Quellen zu entdecken, kommt ein verheerendes Szenario in Gang.
Eigentlich eine tolle Story, die das Zeug dazu hätte, den Leser mitzureißen. Mich konnte sie leider nicht erreichen. Ich war zu oft verwirrt, wusste nicht, wo ich mich in der Geschichte befand, es fehlten mir Orientierungspunkte, auch emotionale Anknüpfungspunkte. Zu viele Handelnde, zwar immer wieder spannende Episoden, die mich aber nach einer Weile wieder im Unklaren entließen. Für Fantasy-Liebhaber, die es gewohnt sind, in erdachten Universen zu reisen, mag dies alles kein Problem sein. Für mich jedoch war dieses Buch letztendlich wieder eine Bestätigung, dass Fantasy nicht mein Genre ist. Was letztlich nicht der sicher vorhandenen Qualität des Buches angelastet werden darf.

Bewertung vom 17.09.2018
Das Vogelhaus
Meijer, Eva

Das Vogelhaus


ausgezeichnet

Ein behutsames Buch

„Das Vogelhaus“ hat es mir angetan. Es ist zwar ein Roman, aber doch kein richtiger. Es ist eine Biographie, aber auch keine richtige. Und es ist ein Vogelkundebuch, aber auch das kein richtiges. Und genau deshalb, weil das Buch vieles ist, sich nicht festlegen lässt, mag ich es sehr. Immer ist es kurzweilig, man liest und liest, man lässt sich von den Geschichten wegtragen, genießt die teilweise so poetisch schöne Sprache, die nicht viele Worte machen muss, um Kopfbilder zu erzeugen, und wenn man das Buch schließt, ist man völlig unbemerkt und ungewollt zum Vogelbeobachter geworden, mit größter Achtung vor der Natur.

Der Autorin ist es gelungen, uns das Leben und Forschen der vergessenen Vogelkundlerin Len Howard (1894-1973) auf eine ganz spezielle, wunderbar kurzweilige Weise näherzubringen. Von Kindesbeinen an hatte Len eine besondere Affinität zur Natur, insbesondere zu Vögeln, aber auch schon sehr früh in ihrem Leben zeigte sich, dass sie sich mehr zur Natur hingezogen fühlte als zu ihren Mitmenschen. Sie lebte als erfolgreiche Geigerin in London, ihre Freizeit jedoch gehörte ausschließlich der Beobachtung und Deutung von Verhalten und Gesang von Vögeln. Der Wunsch, sich ganz diesem Hobby zu widmen, führte schließlich dazu, dass sie sich in ein Cottage weitab von der lauten Großstadt zurückzog und die nächsten 40 Jahre sozusagen in Extremform in Wohngemeinschaft mit Vögeln verbrachte. Über ihre Beobachtungen und Erkenntnisse schrieb sie Bücher und Geschichten. Tragisch zu hören, dass ihr Vermächtnis, ihr Haus dem Sussex Naturalists‘ Trust als Auffangstation zu vermachen, ignoriert wurde, das Cottage teuer verkauft und die Bäume des Gartens abgeholzt wurden.

Die Mischung zwischen fiktiven und überlieferten biographischen Szenen aus dem Leben der Vogelforscherin und eingestreuten Geschichten über Sternchen, einer ganz besonderen Kohlmeise, macht das Geheimnis des Buches aus. Auf ganz unspektakuläre Weise gewinnen wir einen Einblick in das Fühlen und Denken eines Menschen, der völlig aufging in seiner wahren Berufung. Die Autorin konnte auf großartige Weise die Faszination des genauen Hinschauens vermitteln einschließlich der Entbehrungen, die die Besessenheit für eine Sache mit sich bringt. Dass ein Mensch, der auf solch intensive Weise mit scheuen Wesen zusammenlebt, zum menschenfeindlichen Einsiedler wird, lässt Eva Meijer völlig wertfrei im Raum stehen. Den eigenen Weg zu gehen mit allen Konsequenzen als eine Möglichkeit, das Leben zu gestalten, das vermittelt Eva Meijer in wunderbarer Weise, so leise und behutsam, wie es die Annäherung an Vögel erfordert.

Bewertung vom 13.09.2018
Das andere Haus
Fleet, Rebecca

Das andere Haus


gut

Zuviel vom Gleichen
Caroline und Francis haben eine schwere Zeit in ihrer Ehe hinter sich. Ein Urlaub soll auf dem neuen Weg zueinander hilfreich sein. Als sie ein Angebot zu einem Haustausch erhalten, greifen sie zu und beziehen voller Pläne für eine Woche das angebotene Haus in der Nähe von London. Caroline jedoch fallen während des Aufenthaltes immer mehr beunruhigende Details im Haus auf, und zwar eigentlich harmlose Gegenstände, die jedoch in Caroline machtvolle Erinnerungen auslösen. Dazu kommt noch die Angst auslösende Frage, wer der Mensch ist, der nun stattdessen in ihrem eigenen Haus wohnt. Sind Caroline und Francis in eine mysteriöse Falle geraten?
Das mit einer interessanten Haptik gestaltete Cover hatte es mir angetan, ebenso der spannend wirkende Plot. Auch entdecke ich stets gerne und offen-neugierig Erstlingswerke. Aber was fand ich vor?
In wechselnden Sequenzen erzählen Caroline und Francis in Gegenwart und Rückblenden, also in einem schriftstellerischen Kunstgriff, um Spannung zu erhöhen. Das ist insofern gelungen, als immer wieder in die einzelnen Szenen brotkrumenartige Spuren setzen, ohne dass es dem Leser lange Zeit hinweg gelingt, einen Zusammenhang herzustellen. Auch ist die Autorin zu bewundern, wie sie es schafft, die geschilderten Befindlichkeiten in tausend Bruchstücke zu zerlegen und zu immer neuen Mustern wieder zusammenzusetzen, einer Laterna magica gleich. Das Gute ist aber auch zugleich das Negative. Denn spätestens, allerspätestens nach 100 Seiten beginnt das Buch zu langweilen. Es wird ohne Ende dasselbe erzählt, nämlich eine seelische Verstörung, die sich bei jedem der Beteiligten anders zeigt. Nein, ich mag nicht in endloser Wiederholungsschleife darüber lesen, wie Caroline sich schminkt und Francis im Tablettensumpf dümpelt. Vor allen Dingen mag ich nicht Caroline’s weinerliches Suhlen in Gefühlswirrnissen in zig Variationen lesen. Das Psychogramm eines Betruges hätte viel Potenzial in sich gehabt, aber leider erstickt es sich selbst im Zuviel von Gleichem.

Bewertung vom 06.09.2018
Der Klang eines Augenblicks (eBook, ePUB)
Dakota, Kate

Der Klang eines Augenblicks (eBook, ePUB)


sehr gut

Das richtige Buch für einen Schlecht-Wetter-Tag

Wenn man so einen Tag hat, an dem das Wetter mies und die Stimmung mau ist, ist es hilfreich, sich mit einer Kanne Tee, mit Kuscheldecke und Kerzenlicht auf das Sofa zurückzuziehen und sich in der Fantasie auf die Reise nach Irland zu begeben. So wie Britt, die nach vielen Jahren auf die Halbinsel Fanad zurückkehrt. Ihr Vater war damals dort ums Leben gekommen, und nun will sie ergründen, ob es sich um Unfall oder Mord gehandelt hat. Sie lernt auf ihren Nachforschungen den gut aussehenden Iren Declan kennen…

Die Geschichte ist vorhersehbar, ja. Sie ist trivial, auch das. Aber sie ist gut geschrieben, und genau das bringt den Spaß am Lesen. Die bildhaft-anschaulichen Schilderungen von Land und Leuten, von Landschaften, Meer und Wetter sind so eindringlich dargestellt, dass man glaubt, das gewaltige Rauschen des Wellen, die an die Felsen schlagen, zu hören und vom durchdringenden Regen bis auf die Haut durchnässt zu werden. Die Autorin bringt ihre Irland-Kenntnisse und ihre realen Hintergründe sowohl politischer als auch menschlich-biographischer Natur geschickt in die Handlung ein. Am meisten jedoch haben mich die Dialoge überzeugt. Die Protagonisten können so herzhaft streiten, ihre Gespräche sind so authentisch, wie aus dem Leben gegriffen und humorvoll wiedergegeben, dass man meinen könnte, man sei mitten unter ihnen. Auch wenn manche Passagen etwas breitgewalzt sind – mich hat das Buch leicht und gut unterhalten.

Bewertung vom 28.08.2018
Mit der Faust in die Welt schlagen
Rietzschel, Lukas

Mit der Faust in die Welt schlagen


weniger gut

Weiterhin bleibe ich ohne Verständnis für ostdeutsches Befinden

Dass der Autor erst 23 Jahre alt ist, hat mich überaus erstaunt. Zum einen wegen des Schreibstils, der eine eindringliche Wirkung hat, teilweise geradezu poetisch zu nennen ist. Aber auch wegen einer über allem liegenden Hoffnungslosigkeit im Buch, die man von einem jungen Menschen wie dem Autor nicht erwarten würde.

Wir befinden uns in Sachsen wenige Jahre nach der Wende. Tobias und Philipp sind Brüder, ihre Eltern starten mit einem Hausbau in ein neues Leben. Doch die DDR-Vergangenheit lässt sich nicht leugnen. Sie scheint über das Land einen permanenten Schatten der Perspektivlosigkeit geworfen zu haben, der die Menschen in eine uneingestandene Angst treibt, was nicht zuletzt am Thema Flüchtlinge in Wut umschlägt.

Ich konnte mit dem Buch wenig anfangen, auch wenn es gut zu lesen war. In seiner Tristesse war es mir als immer schon im Westen lebend keine Hilfe, auch nur einen Funken Verständnis zu entwickeln für die geschilderten Probleme der Menschen im Osten. Im Gegenteil. Das Buch machte mich zornig. Diese immanent passive Erwartungshaltung, „es“ möge besser werden, irgendwie, irgendwann, irgendwer soll es richten, das bessere Leben, das macht mich zornig. Das Leben selbst in die Hand zu nehmen statt nur Bier zu trinken und herumzuhängen, scheint wohl keine Option zu sein. Und die Schuld sucht man bei anderen, natürlich. Auch das macht mich zornig. Der Autor schildert eine Welt, die lethargisch und stoisch auf dem Elend des Alltags beharrt. Die chronische Grausicht, dieser nicht wegwischbare Grauschleier, der über allem liegt, und diese so unreif wirkende Schuldsuche bei anderen, zum Beispiel beim Thema Flüchtlinge, wurde mir vom Autor nicht wirklich nachvollziehbar erklärt. Ich weiß nicht, wofür dieses Buch gut sein soll. Höchstens vielleicht als Chronik des Scheiterns, wenn Menschen nicht gelernt haben, selbstverantwortlich zu handeln, sich Ziele zu setzen, Idealen nachzustreben. Verständnis für ostdeutsches Befinden hat mir das Buch jedenfalls nicht gebracht, eher noch mehr Kopfschütteln…

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.08.2018
Alligatoren
Spera, Deb

Alligatoren


ausgezeichnet

Starkes, großartig erzähltes Südstaaten-Epos

Der überaus starke Buchbeginn nimmt sofort gefangen, und dieser Einstieg in seiner Intensität, auch in seiner Grausamkeit und Unabdingbarkeit zeigt, wohin die Geschichte zielt: auf die enorme Stärke von Frauen, wenn sie sich verbünden, egal woher sie kommen, egal welche Vorgeschichte sie mit sich herumschleppen, egal welche Sehnsüchte sie antreibt. Freiheit und Selbstbestimmung als Selbstverständlichkeit des Lebens sind die nicht ausgesprochenen Ziele.

Wir befinden uns in den Südstaaten in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und tauchen ein in das Leben von drei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Gertrude hat einen brutalen, gewalttätigen Ehemann und vier Töchter, die sie nicht ernähren kann. Oretta ist die schwarze Haushälterin von Annie Coles, hat eine scharfe Beobachtungsgabe und willigt ein, eines der kranken Mädchen von Gertrude zu pflegen. Als dritte Frau lernen wir Annie Coles kennen, Ehefrau des Tabakplantage-Besitzers. Sie führt eine Näherei für Getreidesäcke und will ihr Geschäft mit der Anfertigung von Herrenhemden und Damenbekleidung ausweiten, jedenfalls solange ihr Ehemann ihr dies erlaubt.

In wechselnden Kapiteln berichten diese drei Frauen jeweils als Ich-Erzählerin ihre Geschichte, was von der Autorin gekonnt durch unterschiedliche Schreibstile, passend zum Bildungsgrad, ausgedrückt wird. In ruhiger, unaufgeregter Erzählweise wird uns jede der drei Frauen nahe gebracht, und zwar auf eine subtil so eindringliche Weise, dass man als Leser Seite um Seite liest, von einer merkwürdigen, nicht erklärbaren Spannung getragen. Die Schwüle des Klimas in Sumpfnähe, die Beklemmung der Lebensumstände, Rassismus, häusliche Gewalt – viele große Lebens- und gesellschaftskritische Themen werden wohltuend zurückhaltend in die Geschichte eingewoben. Ein detailreich und lebendig ausgearbeitetes Südstaaten-Epos in drei „Variationen“, in drei Perspektiven, großartig erzählt, lange nachwirkend.

Bewertung vom 22.08.2018
Achtung, gruselig! / Tiergeister AG Bd.1
Iland-Olschewski, Barbara

Achtung, gruselig! / Tiergeister AG Bd.1


gut

Tod von Haustieren als Spukgeschichte geeignet?

Rauhaardackel Arik tapert orientierungslos nachts durch den Wald, sein kleines Herzchen voller Sehnsucht nach seinen Menschen Jette und Tim. Wie war er nur in diesen Wald gekommen? Wie sollte er nach Hause finden? Und dann plumpst er auch noch in ein Erdloch. Mit seinen kurzen Beinchen hat er keine Chance, sich von dort zu befreien. Aber da naht Rettung: fünf ziemlich seltsame und irgendwie kaputte Tiere holen Arik aus der Erdhöhle und nehmen ihn mit zu ihrer Geisterschule Spuk Ekelburg, die am Tag die ganz normale Menschenschule Sankt Ethelburg ist. Nach und nach wird Arik klar, dass seine neuen Freunde alle tot sind und nachts in ihrer Schule das Geistern und Spuken lernen. Und ja, Arik ist auch tot. Er erinnert sich jetzt, dass er ohne Leine über die gefährliche Straße gelaufen war und ein Auto rasend schnell angekommen war… Seine neuen Tierfreunde und er schließen sich zu einer Tiergeister AG zusammen, um sich gemeinsam gegen ihre recht fiesen Spuklehrer zu stellen.

Das Buch lässt mich etwas ratlos zurück. Vielleicht beginne ich mit den Illustrationen, die meiner Meinung nach sehr gut gelungen sind. Sie sind kindgerecht, humorvoll im Ausdruck, und die Beschädigungen der Tiere (Loch im Körper, heraushängendes Auge usw.) sind relativ unauffällig eingezeichnet, nicht abstoßend oder erschreckend. Auch gut gefallen mir die Grundthemen wie Freundschaft oder Zusammenhalt, weil jeder das, was er kann, zur Gemeinschaft beiträgt. Gut auch, dass das Buch mit sehr viel Sprachwitz geschrieben ist, ideenreich, lebendig. Ratlos macht mich das Buch allerdings, was das Alter der Zielgruppe betrifft. Meines Erachtens enthält das Buch viel zu viele Namen, zu viele Personen, zu viele schwierige Begriffe, zu viele Handlungsstränge, als dass 8- bis 10-jährige Kinder wirklich gut damit zurechtkämen. Am Schlimmsten jedoch empfinde ich persönlich den traurigen Grundgedanken der Geschichte, dass nämlich alle Tiere tot sind, tot bleiben und kein einziger Satz für die traurigen Tierbesitzer, bei Arik z. B. Jette und Tim, übrig ist. Für mich bleibt sehr fragwürdig, ob man für Kinder dieses Alters den Tod von Haustieren auf diese Weise thematisieren oder besser gesagt benutzen kann für eine an sich gut erdachte Spukgeschichte.

Bewertung vom 12.08.2018
Die letzte Terroristin
Georgi, André

Die letzte Terroristin


gut

Kein Buch für mich

Gegen dieses Buch entwickelte ich, je weiter ich las, eine zunehmende Abneigung. Ein komisches Urteil: „Ich mag dieses Buch nicht.“ Man kann ein Buch langweilig finden oder schlecht geschrieben, aber zu sagen, dass man das Buch nicht mag, klingt nicht unbedingt „literarisch korrekt“. Und doch trifft es für mich genau auf den Punkt.

Ich halte mich deshalb mit Wiedergabe des Inhalts nicht auf. Es ist überall nachzulesen, welche realen Vorbilder der Autor hatte, um die Welt des Terrorismus Anfang der Neunziger in seinen Thriller zu verpacken. Und genau da beginnt bereits meine Abneigung gegen das Buch. Entweder schreibe ich ein bestmöglich recherchiertes Sachbuch zum Thema „dritte Generation RAF“. Oder ich schreibe einen Thriller, schöpferisch erdacht, frei erfunden, vielleicht mit Zeitbezügen, aber ganz bestimmt nicht unter „Benutzung“ realer menschlicher Vorbilder, damit insbesondere Täter und Opfer gleichermaßen degradierend zu Unterhaltungsobjekten.
Die harte, mitunter geradezu expressionistisch anmutende Sprache des Autors gefiel mir zu Anfang: „… der Abspann eines Jahrhunderts, das immer noch an Deutschland herumkaute…“ Aber je weiter ich las, desto mehr ging mir der manirierte Schreibstil auf die Nerven, ich sehnte mich geradezu nach schlichten Sätzen.
Spannend ist das Buch, keine Frage, es ist auch kritisch, durchaus stellenweise böse kritisch. Vielleicht für Viele lesenswert. Für mich war es nichts.

Bewertung vom 09.08.2018
Unter Verdacht / Die Schwestern von Mitford Manor Bd.1
Fellowes, Jessica

Unter Verdacht / Die Schwestern von Mitford Manor Bd.1


ausgezeichnet

Genussvolles Lesefutter

Manchmal gibt es sie noch, diese dicken Bücher, die man liebevoll Schmöker nennt und damit Bücher meint, denen Tiefgang fehlt und die uns doch gnadenlos gefangennehmen, kaum dass die ersten Seiten gelesen sind, in die man geradezu hineinfällt und von denen man sich nach der letzten Seite schmerzlich trennen muss, von den liebgewonnenen Menschen, die man lesend eine Weile begleitet hat und vom Inhalt, der aufs Feinste unterhalten hat. Ich habe dieses schön im Art Déco Stil gestaltete Buch in genau dieser Weise gelesen: als leichte, aber gekonnt geschriebene und gut unterhaltende Lesekost. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Wir befinden uns in London im Jahr 1920. Durch glückliche Umstände erhält die 19-jährige Louisa, die in ärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen war, eine Anstellung als Kindermädchen bei den Mitfords, einer herrschaftlichen und glamourösen Familie. Sie erringt sich aufgrund ihrer klugen und freundlichen Art schnell die Freundschaft von Nancy, der 19-jährigen ältesten Tochter des Hauses. Zeitgleich wird Florence Nightingale Shore, eine Freundin der Familie und zu Kriegszeiten sich selbstlos aufopfernde Krankenschwester während einer Bahnfahrt grausam ermordet. Nancy und Louisa beginnen aufgrund von merkwürdigen Beobachtungen eigene Nachforschungen anzustellen. Doch nichts ist so wie es scheint…

Die Autorin hat den real geschehenen, bis heute unaufgeklärten Mord an der Krankenschwester Florence Nightingale Shore in ihrem Buch fantasievoll zur Aufklärung gebracht und damit über fast 500 Seiten hinweg einen großen Spannungsbogen gesetzt. Die bei uns relativ unbekannten Mitford Schwestern bzw. deren Leben und Umfeld unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg wurden von der Autorin sorgfältig recherchiert und lebendig-sympathisch dargestellt. Die seelischen Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, aber auch gesellschaftliche Zwänge, die zu dieser Zeit noch herrschten, lassen das Buch zwar zu einer leichten, aber keineswegs zu einer seichten Lektüre werden.

Bewertung vom 28.07.2018
Das Jahrhundertversprechen / Jahrhundertsturm Trilogie Bd.3
Dübell, Richard

Das Jahrhundertversprechen / Jahrhundertsturm Trilogie Bd.3


ausgezeichnet

Zeitgeschichte unterhaltsam verpackt

Leider kannte ich die beiden Vorgängerbände dieser Trilogie bislang nicht, was ich im Nachhinein sehr bedauere. Dennoch konnte ich mich sofort gut in diesem dritten Band mit seinen Personen zurechtfinden. Dem Autor ist es gut gelungen, auch „Neulesern“ den Einstieg problemlos zu ermöglichen.

Es geht um die Familie Briest in der Zeit der Weimarer Republik 1921. Obwohl der erste Weltkrieg bereits seit 3 Jahren zu Ende ist, herrschen Not und Elend. Hohe Reparationszahlungen zwingen das Land in die Knie. Hunger ist Alltag. Wirre politische Strömungen schaffen Angst und Unsicherheit. Otto und Hermine Briest stehen kurz vor dem Bankrott, die Tochter Luise hofft auf eine Filmkarriere. Die Menschen suchen Ablenkung von ihrer Not, und so boomt alles, was kurzzeitig Vergnügen bereitet, Filmtheater, Varietés und Autorennen. Max, der Ziehsohn der Familie Briest, der einst Luisa das Leben gerettet hatte, versucht sich als Rennfahrer zu beweisen, doch ein Erzfeind der Familie von Briest nutzt die Politik der Zeit, um den Untergang der Familie von Briest voranzutreiben.

Vom Buchumfang von mehr als 650 Seiten zu Anfang etwas verschreckt, nahm mich die Geschichte jedoch nach kurzem Einlesen restlos gefangen, und ich las mich mit großer Freude und kurzweilig unterhalten durch die Zeit von 1921 bis 1928. Richard Dübell versteht es meisterhaft, eine Zeitspanne lebendig werden zu lassen, deren Schattenseiten mir bislang in dieser geschilderten Eindrücklichkeit nicht bewusst waren. Die Zwanziger Jahre waren mir als Zeit der überschäumenden Lust an Ablenkung, an Unterhaltung, an Tanz und Champagner im Gedächtnis. Die unendliche Not, der zu entfliehen die Menschen versuchten, wurde mir erst durch dieses Buch augenfällig, nachspürbar, erschreckend nah. Dem Autor gelingt es auf großartige Weise, politisches, gut recherchiertes Hintergrundwissen so mit der erzählten Handlung zu verweben, dass man keinen Moment der Langeweile erlebt, aber dennoch diese gespenstisch anmutende Zeit der Tristesse, der Orientierungslosigkeit, des aufkommenden Nationalsozialismus und all der damit verbundenen Ängste stets als leise Drohung im Hintergrund grollen hört. Bedeutende Namen lernen wir kennen wie Fritz Lang, den Stummfilm-Regisseur, oder den Politiker Walter Rathenau, der als Reichsaußenminister einem Attentat zum Opfer fiel. Die anständige Familie von Briest und Max mit seiner liebenswerten Berliner Schnauze sind mir im Buch ans Herz gewachsen, und so beende ich diesen dritten Band der Trilogie etwas traurig, insgesamt jedoch bereichert und mit einer unbedingten Leseempfehlung.