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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2007
Nachtfalter / Kostas Charitos Bd.2
Markaris, Petros

Nachtfalter / Kostas Charitos Bd.2


weniger gut

Ein Kommissar, dessen private Probleme, einen Fall fast zudecken, ist nicht neu. Daß er trotz Beinah-Herzinfarkt von einem Fall fasziniert ist, auch nicht. In den letzten Jahren setzt sich neben dem Serienermittler, dem Serienkiller, dem Serienpathologen vor allem der Serienort durch. Nun Markaris und sein Athen. Zumeist leidet das krimialistische unter dem Lokalkolorit und auch in Nachtfalter mag man mehr von Athen, als von der Handlung angetan sein. Es ist ein müder Plot, dessen sich Markaris bedient, er zündet nicht richtig. Die Aufdeckung der Schiedsrichter-Manipulationen, die Verwicklung der Politik in die niederen Ebenen von Vertuschung und Geldwäsche besitzt durchaus humorvolle Passagen, aber das ist zu wenig um dem Genre mehr als einen Aufguß zu bescheren.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 11.09.2007
Auf Abwegen / Easy Rawlins Bd.1
Mosley, Walter

Auf Abwegen / Easy Rawlins Bd.1


gut

Ein Kriminalroman, der vor allem aus Dialogen besteht. Easy Rawlins wird von einem Freund um Hilfe gebeten und den Wirren einer Bürgerrechtsbewegung ausgesetzt, die von bestimmten Kreisen instrumentalisiert wurde, und sinniert über die Benachteiligungen der Afroamerikaner im Amerika der Sechziger Jahre. Dies verbunden mit einer Spur Humor und der Erkenntnis, daß er dauernd in etwas hineingezogen wird, das ihn gar nichts angeht, daß er genug mit dem eigenen Überleben beschäftigt ist. Die privaten Passagen überzeugen. Das Kriminalistische droht manchmal ins Geschwätzige abzurutschen, worunter die Spannung leidet. Allenfalls der Schluß wenn Easy die Hände in den Schoß legt und abwarten, bringt eine charmante Wendung.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 11.09.2007
Nada
Manchette, Jean-Patrick

Nada


sehr gut

Von der Revolution träumen. Wie die Verbesserung der Welt auszusehen hat, sieht auf jeder Seite anders aus. Man braucht nur einen Tupamaro, einen Taliban, einen Innenminister oder einen Geistlichen zu befragen und bekommt vier verschiedene Antworten. Einen Botschafter zu entführen setzt voraus, daß man sich klare Ziele vorgibt, weiß, woran unsere Gesellschaft krankt. Leider scheinen die Protagonisten in Jean-Patrick Manchettes Roman Nada nicht alles bis ins Letzte durchdacht zu haben. Sie verfallen einem Aktionismus, dem sie am Ende selber zum Opfer fallen. Erst mal Fakten schaffen. Es werden Autos gestohlen, Waffen beschafft, Polizisten erschossen und auf der "guten" Seite herrscht dasselbe Chaos, wird nicht mal vor dem möglichen Tod eines Botschafters zurückgeschreckt, weil man auch dort eigene Ziele verfolgt. Manchette führt uns in eine Welt, bei der man sich fragen muß, warum ist nicht mehr passiert? Der Anfang der Siebziger Jahre waren innenpolitisch bewegte Jahre. Sie beherrschten die Schlagzeilen wie in unseren Tagen es nur die Krisenschauplätze der Außenpolitik vermögen. Vor allem Haß schlug einem entgegen. Aufs System, auf Umstürzler, auf die Veränderung an sich. Beim Lesen des Romans kommt man sich wie in einen Film versetzt vor. Wenn der Abspann läuft, muß man durchatmen. So hektisch, wie die Jahre waren, in denen Manchettes Geschichte spielt, so turbulent wechseln Schauplätze, Personen, Ziele in diesem Roman. Nur eines gibt es nicht: Einen Sieger. Nada eben.
Polar aus Aachen

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Bewertung vom 11.09.2007
Wandlungen einer Ehe
Márai, Sándor

Wandlungen einer Ehe


ausgezeichnet

Diesem Roman sieht man das Konstrukt an. Und stört uns das? Wir sind von der Geschichte des großbürgerlichen Ehepaars und des Dienstmädchen so betört, daß wir den wechselnden Blickwinkeln folgen, als würde jeder der Figuren in der Geschichte sich an uns persönlich wenden. Sándor Màrai schafft es nach Die Glut erneut eine hitzige Liebesgeschichte einer mit dem ersten Weltkrieg untergegangenen Gesellschaft zu erzählen. Obwohl die Leidenschaften darin überborden, behält er bis zuletzt seinen messerscharfen Blick auf die Liebe gerichtet und erzählt davon, was die Menschen mit ihr anzufangen wissen. Erneut benutzt er ein Trio, um sie spiegeln, diesmal zwei Frauen und einen Mann. Sie wandeln sich. Die Institution der Ehe erscheint zunächst ehern, dann brüchig, schließlich fällt sie einfach ab. Màrai ist mit Wandlungen einer Ehe erneut ein Kabinettstück über die Spielarten der Liebe gelungen. Leicht und in seinen Verletzungen vergänglich.
Polar aus Aachen

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Gefährliche Geliebte
Murakami, Haruki

Gefährliche Geliebte


sehr gut

Daß Marukami bei uns so gut ankommt, liegt sicher daran, daß er einer der Schriftsteller Japans ist, der dem Westen äußerst verbunden ist. Er verbündet die Mythen beider Kulturkreise zu einer eigener Melange, die in Gefährliche Geliebte dem japanischen Alltag, den Jazz abtrotzen und Hajime die regnerische Erscheinung seiner Shimamoto schenkt, die aus einem amerikanischen Schwarz-Weiß-Film der Fünfziger Jahre ausgekoppelt zu sein scheint. Die geheimnisvolle, sinnliche Liebe, scheinbar unerreichbar taucht auf, reißt ihn mit und taucht wieder ab. Bei Hajime kommt noch hinzu, daß es sich um eine Jugendliebe handelt, mit der er offensichtlich eine Art Seelenverwandtschaft unterhält. Da kann wegen einem Lächeln schon mal ein Leben aus den Fugen geraten. Das ist in Japan so und auch im Westen. Man sieht, die Kulturen können noch so fremd sein, es gibt in beiden etwas, was einen um den Verstand bringt. Das könnte ins Kitschige abrutschen. Marukami hingegen verläßt sich lieber aufs Träumen. In ihnen ist alles möglich und das Unmögliche darf man sich bei ihm zumindest als möglich erlesen.
Polar aus Aachen

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Morgen in der Schlacht denk an mich
Marías, Javier

Morgen in der Schlacht denk an mich


ausgezeichnet

Was für ein Anfang. Die ersten achtzig Seiten reißen einen so mit, daß man allein wegen ihnen den Roman rühmen möchte. Die Idee ist so simpel, daß man sich fragt, warum ist vor Marías noch nie niemand darauf gekommen. Nicht nur das. In welche Richtung kann die Handlung danach überallhin aufsplittern. Marías Stil, seine Sprache, sein kalter Blick wird zumeist hervorgehoben, doch sollte man sich ruhig auch einmal dem Kern seiner Geschichten annehmen, dem was man genretypisch im Kriminalroman Plot nennt. Ein Mann will mit einer Frau ins Bett gehen, doch sie stirbt. Sofort läuten die Alarmglocken: Wieso, warum, wer hat sie ermordet, ist sie freiwillig aus dem Leben geschieden? Nichts von alldem. Sie stirbt einfach beim ersten Rendezvous. Und was wird aus dem Kind, nachdem der Mann die Wohnung verlassen hat? Marías hält das Niveau des Anfangs. Wie er nicht nur in diesem Roman Geheimnisse entblättert, beeindruckt. Ein sinnliches Buch des Unheimlichen. Wie eine Fahrt durch die Nacht. In den Straßen brennen Laternen. In den Wohnungen Licht. Überall Menschen mit einem Geheimnis.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Die weiße Löwin / Kurt Wallander Bd.4
Mankell, Henning

Die weiße Löwin / Kurt Wallander Bd.4


sehr gut

Natürlich ist es schwierig, einen Thriller zu schreiben, und darin zu planen, eine Person des Weltgeschehens zu ermorden. Forsyth hat es im Schakal vorgemacht. Problematisch ist vor allem, daß man von Anfang an weiß, daß das Attentat scheitern muß. Mandela lebte weiter, De Gaulle starb auch nicht bei seiner Parade. Das muß einem Autor bewußt sein. Mankell geht es weniger um die Tat an sich. Natürlich ist die Aufklärung die Triebfeder, damit man diesen Roman zu Ende liest, und in gewohnter Weise schafft es Mankell auch den Suspense zu steigern, doch zum Lesevergnügen wird er erst, wenn man sich für die Darstellung der Spannungen innerhalb der gerade in die Freiheit entlassenen schwarzafrikanischen Gesellschaft Südafrikas interessiert, dem Haß, der tiefe Gräben aufgerissen hat, bis nach Schweden folgt und sich dort auf den Showdown zwischen Wallander und dem ehemaligen KGB-Offizier Konovalenko einläßt. Ein spannender Roman, trotz manch aktueller Unpäßlichkeiten. Nach dem Schakal sagte man sich, wer weiß schon, wie viele Attentate auf De Gaulle vereitelt wurden, von denen wir nie etwas erfahren haben. Mankell bedient sich desselben Kunstgriffs.
Polar aus Aachen

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Hetzjagd
Moore, Brian

Hetzjagd


sehr gut

Der ausgewiesene Fuchs Brossard, der immer wieder seinen Kopf aus der Schlinge gezogen hat, ist sicher nicht der einzige Kriegsverbrecher, der nach Jahrzehnten aufgespürt und zur Rechenschaft gezogen wird. Brian Moores Roman Hetzjagd beschäftigt sich mit den Hintergründen, wie es dazu kommen konnte, daß ein solcher Mann nicht längst gefaßt wurde. Die Antwort, die Moore gibt, ist einleuchtend: Er wird von hohen Kreisen beschützt. Warum? Die Antwort lautet sicher, Brossard weiß etwas, was anderen schaden könnte. Solchen, die unbeschadet davongekommen sind, die weggeschaut haben. Und solche, die sein Verbrechen gegen die Juden billigen. Moore hat sich in seinen Büchern immer wieder mit der katholischen Kirche auseinandergesetzt, sich an ihr gerieben. In Hetzjagd beschreibt er nun ein Umfeld, indem vor allem sie die schützende Hand über ihn hält. Alte Kameraden spinnen darüber hinaus ein konspiratives Netz, um diesen Mörder vor dem Zugriff spurlos verschwinden zu lassen. Ein spannendes Buch darüber, wie schwer es ist, der Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 11.09.2007
Die Große Viktorianische Sammlung
Moore, Brian

Die Große Viktorianische Sammlung


ausgezeichnet

Was wenn man seinen Sinnen nicht mehr trauen darf? Aus einem Fenster einen Markt erblickt, den es so nie gegeben hat? Soll man sich da wieder hinlegen und so tun, als habe man nur geträumt? Oder runtergehen und an den Tischen entlang schlendern, um zu staunen? Brian Moore ist ein Abenteurer. Er nimmt sich die Freiheit, die Geschichten aus dem Boden wachsen zu lassen. Wenn er seine Figuren erfindet, gesteht er ihnen zu, daß sie sich eine eigene Welt erträumen. Doch selbst der schönste Traum kann sich mitunter als Alptraum erweisen, wenn ein so typisches menschliches Merkmal wie der Geschäftssinn um sich greift oder die Frage auftaucht, wem gehört das Besitzrecht an einer Phantasie. Moore nimmt nicht erst in diesem Buch das Irreale als das Wirkliche an und verstört den Geschichtsprofessor aus Kanada so, daß er bald nicht mehr weiß, träume ich oder wache ich, egal es gehört mir allein. Daß Moore dabei einen klaren Blick auf die Schwächen seiner Mitmenschen behält, zeichnet den Roman neben seiner leichten Erzählweise aus.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2007
Tea-Bag
Mankell, Henning

Tea-Bag


weniger gut

Novelle, den Begriff kennt man doch aus der Schulzeit und schon da wußte nicht jeder gleich eine Antwort darauf, was eine Novelle ausmacht. Martin Walsers Geschichte von Helmut und Sabine Halm, Klaus Buch und seiner Frau Helene hat das Verfallsdatum überschritten, in dem deutsche Literatur spätestens zehn Jahre nach dem Erscheinen versinkt. Es werden immer noch Filme danach gedreht, Walser selbst hat die Geschichte in ein Stück verwandelt. Die beiden Männer könnten unterschiedlicher nicht sein in der Präsentation nach außen. Wie viel Neid kommt da bei Halm in Bezug auf Buchs Leben auf? Er selber hegt eher ein Faible für die Vernichtung. Dies vor Augen geführt zu bekommen, kann einen schon aus der Bahn werfen. Es bedarf eines Unwetters bei einer Segelpartie, um auch Klaus Buchs Existenz in Frage zu stellen. Was bleibt vom Leben, wenn der eine davor flieht und der andere es ausbeutet? Eine wunderschöne Erzählung, die der klassischen Forderung nach dem einen Ereignis im Mittelpunkt nachkommt, und auch nach all den Jahren sehr Deutsch anheimelt, jedoch nicht verblaßt.
Polar aus Aachen

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.