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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 990 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2018
Die Alpen
Bätzing, Werner

Die Alpen


ausgezeichnet

»Hier zeigt sich … das Mensch-Umwelt-Verhältnis in seiner gesamten Bandbreite von Nicht-Eingriffen und Veränderungen über Aufwertungen bis hin zu Zerstörungen so anschaulich wie nirgendwo sonst in Europa. Und hier kann man ganz konkret und sehr eindrücklich erleben, wie Menschen früher und heute mit Natur umgehen, welche Konsequenzen bestimmte Naturveränderungen durch den Menschen haben oder wie sich das Erleben von Natur ändert.«

Die Alpen – beim Gedanken an sie hat man gewöhnlich sofort ein Bild vor Augen. Aber während der eine geradezu malerische Schönheit vor sich sieht, denkt ein anderer an Lawinenabgänge und Bergunfälle und wieder ein anderer an Skifahren und Hüttengaudi. Auch viele Bücher, die ich bisher über die Alpen in den Händen hatte, befassten sich schwerpunktmäßig mit einem dieser Punkte. Dieses Buch ist anders.

Der Autor beschäftigt sich seit vierzig Jahren mit dem Thema Alpen, ist wissenschaftlicher Berater nationaler und internationaler Alpen-Organisationen und lehrte als Professor für Kulturgeographie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Man spürt als Leser deutlich, dass er all seine Kenntnisse und Erfahrungen in dieses Buch eingebracht hat, aus dem Wunsch heraus, die aktuelle Situation der Alpen verständlich zu machen.

Das Buch ist in fünf große Kapitel unterteilt. Es beginnt damit, die populären Alpenbilder darzustellen, befasst sich als nächstes mit den Alpen als Naturraum, den Alpen als Kulturlandschaft und den Veränderungen der Alpen durch moderne Entwicklung. Den Abschluss bildet ein Blick in die Zukunft.

Jedes einzelne Kapitel ist gut und übersichtlich strukturiert, die vielen Informationen werden leicht verständlich vermittelt und bauen logisch aufeinander auf. Es macht daher Sinn, sich nicht ein einzelnes Kapitel herauszupicken, sondern das Buch von vorne zu lesen. Dies gelingt aber – wie gesagt – leicht, zudem finden sich auf jeder Seite passende und ausführlich beschriebene Fotos, die das Gelesene weiter veranschaulichen und mich in ihrer Pracht und Ausdrucksstärke regelmäßig zum Staunen brachten. Die meisten der Fotos hat der Autor übrigens selbst gemacht und sie zeigen – ein weiterer interessanter Aspekt – Bilder aus sehr unterschiedlichen, teils nur wenig bekannten bis unbekannten Alpenregionen.

In jedem Kapitel finden sich hochinteressante Themen, ich konnte Bekanntes vertiefen und einiges Neue erfahren. Wie sahen z.B. die Alpen im Naturzustand aus? Oder was versteht man unter sprunghafter Naturdynamik und wie lebt man damit? Die Bedeutung der Alpen als Wasserspeicher für das europäische Umland ist ebenso Thema wie die ökologische Stabilität der Kulturlandschaft, beispielsweise durch korrekte Almnutzung.
Sehr wichtig ist natürlich auch alles, was zum Bereich Modernisierung gehört, die gesamte Naturschutz-Thematik, die Entwicklung des Tourismus und die Veränderungen durch den Massentourismus. Auch am Thema Klimawandel samt den daraus resultierenden Gefahren führt bei einer solch umfassenden Betrachtung kein Weg vorbei.

Das Buch endet mit Überlegungen, wie die Zukunft der Alpen aussehen wird, einschließlich Vorschlägen für eine mögliche Verbesserung. Dass es diese Möglichkeiten überhaupt gibt, stimmt vorsichtig optimistisch. Hoffentlich lesen das noch viele Menschen, vor allem auch solche mit Einfluss.

Dieses Buch erschien erstmalig im Jahr 2005. Die vorliegende Ausgabe ist eine erweiterte Neuausgabe mit komplett überarbeitetem Text, diversen Aktualisierungen und ausgetauschten Bildern.

Fazit: Eindringliches und informatives Portrait, sehr lesenswert! Der hochwertige Bildband eignet sich auch gut als Geschenk für Naturfreunde und -interessierte.

Bewertung vom 22.09.2018
Galgenhügel / Tenbrink und Bertram Bd.1
Finnek, Tom

Galgenhügel / Tenbrink und Bertram Bd.1


sehr gut

»Wir werden sterben, Michael.«
»Eben drum. … Willst du denn gar nicht wissen, was mit deiner Schwester geschehen ist?«

Ob Michael seiner Frau noch erzählen konnte, was ihm während des Flugzeugabsturzes auf der Seele brannte? Während er beim Absturz stirbt, überlebt Ellen wie durch ein Wunder – doch nicht lange. Eines Morgens hängt sie an einem historischen Galgen in einem kleinen Dorf im Münsterland. Während praktisch jeder annimmt, dass das erlebte Trauma und der Tod ihres Mannes sie in den Selbstmord getrieben haben, hat Kommissar Tenbrink Zweifel. Vor 16 Jahren starb an derselben Stelle Ellens Schwester und Tenbrinks Bauchgefühl sagt ihm, dass es irgendeinen Zusammenhang geben muss. Zusammen mit seinem Kollegen Bertram macht er sich an die Ermittlungen…

Diesen Krimi habe ich wirklich von Anfang bis Ende genossen. Schon der Einstieg mit besagtem Flugzeugabsturz ist spannend und macht enorm neugierig. Die Spannung setzt sich fort, immer wieder gibt es neue Ansatzpunkte und auch bei der einen Toten wird es nicht bleiben. Ich hatte zwar recht zeitig schon einen Verdacht, der sich später auch als korrekt erwies, das minderte aber den Unterhaltungswert nicht.

Die beiden Ermittler bilden das klassische Paar voller Gegensätze, die sich ergänzen, sich mögen und sich manchmal gegenseitig auf die Nerven gehen. Tenbrinks Charakter ist besonders interessant, stellt er doch einen sturen Eigenbrötler dar, der bevorzugt seinem Bauchgefühl nachgeht. Bertram hingegen ist äußerst intelligent, hat aber auf seiner Ermittlerweste ein paar schmutzige Flecken. Beide wirken sie sympathisch, allerdings hat Tenbrink gesundheitliche Probleme von einem solchen Ausmaß, dass ich mir schwer vorstellen kann, wie er den bereits existierenden 2. Band des Teams bestreiten soll.

Bei ihren Ermittlungen stoßen die Kommissare auf viele Probleme. Ellen war eine bekannte Schauspielerin, ihr Gesicht kennt jeder aus dem Fernsehen, was ein großes Interesse an ihrem Tod hervorruft. Ein Pressevertreter, der auf eigene Faust Nachforschungen betreibt, sorgt für zusätzlichen Ärger und die Staatsanwaltschaft würde den Fall lieber heute als morgen einstellen. Zudem haben die Dorfbewohner allesamt Geheimnisse und keine Lust, sich auf eine Reise in die Vergangenheit zu begeben, die den Ermittlern notwendig erscheint.

Als Regionalkrimi erfüllt das Buch alle Ansprüche, die Beschreibungen der Gegend (einschließlich des Wetters) sind passend und stimmungsvoll, immer wieder gibt es Ausdrücke und Sätze in Platt und Niederländisch, was mir gut gefiel und mich auch nicht vor sonderliche Probleme stellte. Die meisten Dinge sollten sich auch aus dem Zusammenhang erschließen, trotzdem bin ich an solchen Stellen immer dafür, in der Fußnote oder im Anhang eine hochdeutsche Übersetzung zu bringen. Neben der Sprache sorgen viele kleine landestypische Besonderheiten (z.B. Speisen und Getränke) für das rundum gelungene regionale Flair.

Fazit: Interessante Story und spannend geschrieben. Wenn ich auch Zweifel habe, wie Tenbrink noch weiter arbeiten will, habe ich doch vor, das herauszufinden.

Bewertung vom 22.09.2018
Goldkehlchen
Stammkötter, Andreas

Goldkehlchen


gut

»Sag doch mal ehrlich, Kroll. So einen Scheißfall hatten wir noch nie: Keinen Mord, keine Verwandten, keine Anhaltspunkte, keine Zeugen, keine Spuren, keine Verdächtigen, … aber dafür viel Aufmerksamkeit.«

Für die Kommissare Kroll und Wiggins steht ein ungewöhnlicher Fall auf der Tagesordnung. Aus dem Grab Johann Sebastian Bachs in der Leipziger Thomaskirche wird die rechte Hand des Komponisten gestohlen. Außerdem erkranken mehrere Sänger des berühmten Thomanerchors – und das kurz vor den Osterfeierlichkeiten! Die Ursache der scheinbaren Vergiftung ist zunächst unklar, doch bald wird den Ermittlern klar, dass beide Vorfälle im Zusammenhang stehen und dass das, was zunächst nur merkwürdig erscheint, zu einer regelrechten Bedrohungssituation eskalieren wird…

Ein Krimi rund um den weltberühmten Thomanerchor – diesen Hintergrund empfand ich als sehr reizvoll. Auch dass sich mal nicht alles um einen Mord drehte, lockte mich. Tatsächlich habe ich mich etwa bis zum letzten Drittel gut unterhalten gefühlt. Da der Fall aufgrund der prominenten Opfer und der Lokalität starke Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hat, wird trotz fehlenden Mordes kräftig ermittelt. Und als sich herauskristallisiert, dass die Situation ernster ist als zunächst angenommen, wird es auch spannend. Leider hält das nicht an.

Grund dafür ist die in meinen Augen sehr konstruierte Auflösung, die ich auch mit gutem Willen nur in Teilen nachvollziehen kann. Zudem lockte der Autor einleitend damit, dem Leser »das Leben im Chor näherzubringen«. Ganz ehrlich, davon habe ich nicht viel gemerkt. Es sei denn, der Autor wollte den Eindruck vermitteln, dass es sich bei den Thomanern um Jungs handelt, die gerne mal Detektiv spielen. Genau das passiert hier nämlich und wie meist, wenn Laienermittler agieren, sind diese den Profis überlegen. Das ist nett zu lesen, aber wirklich keine Überraschung mehr.

Fazit: Guter Ansatz, reizvolle Idee. Leider schwächelt die Auflösung.

Bewertung vom 16.09.2018
Wut kommt selten allein / Südtirolkrimi Bd.7
Neubauer, Ralph

Wut kommt selten allein / Südtirolkrimi Bd.7


sehr gut

»Auch habe ich gar kein Motiv«, dachte Fabio. »Warum sollte man diesen jungen Mann umbringen? Es gibt keine Gründe, die ich sehe. Ein Unfall ist bei der Verletzung auch ausgeschlossen … Totschlag? Ja, kann sein. Aber wer um alles in der Welt ist in der Lage, ein solches Verletzungsmuster zu erzeugen und dabei keine Spuren zu hinterlassen? Was zum Teufel ist an dem frühen Morgen in Tirol bloß passiert?«

Commissario Fabio Fameo und sein Freund Carabiniere Tommaso Caruso müssen sich über gleich zwei höchst eigenartige Todesfälle den Kopf zerbrechen. Schon die Frage, wie die Opfer überhaupt zu Tode kamen, lässt Raum für viele Spekulationen, von der Frage nach einem möglichen Motiv ganz zu schweigen! Gibt es am Ende einen Zusammenhang? Viel Ermittlungsarbeit wartet auf die beiden und ihre Teams. Zeitgleich laufen im Dorf die Proben für ein spektakuläres Theaterstück, bei dem auf der Bühne Realität und Fiktion ineinanderfließen…

Dieser Krimi, der an den Schauplätzen Südtirol und Dorf Tirol spielt, kommt ruhig und einfallsreich daher. Sein Reiz liegt nicht in einer Abfolge von Spannungsmomenten, sondern in umfangreichen Ermittlungen, die mit vielen Verhören, Gesprächen und Gedankenspielen einhergehen. Alles findet vor einer sehr reizvollen Umgebung statt, die in mir beim Lesen mehr als einmal große Reiselust auslöste. Zu den Beschreibungen von Gegend, Hotel und Gaststätten kommen diverse Abschnitte, die in der Theaterszene spielen. Es passiert wirklich eine Menge, trotzdem schafft es der Autor, die Geschichte zusammenzuhalten und den Leser zu fesseln.
Diverse Gedankenspielereien entschleunigen zusätzlich, allerdings muss man die Bereitschaft mitbringen, sich darauf einzulassen. Wer gerne von einer spannenden Szene zur nächsten eilt, kommt hier nicht auf seine Kosten, aber dafür bietet der Krimi mehr als einen kniffligen Fall und abwechslungsreiche Unterhaltung.
Kleiner Minuspunkt: Mehrfach denkt ein Protagonist etwas, was kurz darauf fast wörtlich gesagt wird. Das wirkt dann wie eine doch unnötige Wiederholung.

Für mich war es der erste Fall der beiden Ermittler Fabio und Tommaso, beide waren mir sofort sympathisch und der Einstieg in die Reihe bei Band 7 bereitete mir keine Schwierigkeiten. Gut gefiel mir zudem, dass es im Anhang eine ausführliche Erklärung zum italienischen Polizeiwesen gibt. Jetzt habe ich das endlich mal verstanden ;-)

Fazit: Ruhiger, intelligenter Krimi vor reizvoller Kulisse. Unterhält und erzeugt Fernweh.

Bewertung vom 07.09.2018
Zerrissene Leben
Jarausch, Konrad H.

Zerrissene Leben


ausgezeichnet

Wenn man sich das 20. Jahrhundert in Deutschland anschaut, dann stellt man eine Aneinanderreihung dramatischer Ereignisse, schwerer Zeiten und drastischer Veränderungen fest. Speziell wer in den 1920er Jahren geboren wurde, musste erkennen, dass das Leben nicht so verlief, wie erwartet oder erhofft.

Für dieses Buch hat Konrad Jarausch rund 80 Autobiographien von Weimarer Geburtsjahrgängen ausgewertet. Das Besondere dabei: Es handelt sich nicht um die Lebenserinnerungen von Promis, sondern um die ganz normaler Menschen, was einen Blick auf das Alltagsleben erlaubt. Zudem, und fast noch wichtiger: Es sind praktisch sämtliche Bevölkerungsgruppen vertreten. Männer, Frauen, Arbeiter, Bürger, Arme und Reiche. Es finden sich Katholiken, Protestanten und Juden, Bewohner des Westens, der Ostgebiete oder aus Berlin. Speziell in der Nazizeit konnte man die Menschen in Täter, Opfer und Zuschauer unterteilen, entsprechend liest man auch von HJ-Führern und BDM-Mädels, von Widerständlern, Emigranten und Flüchtlingen, Überlebenden des Todesmarschs und SS-Tätern in Auschwitz. Das beeindruckende Ergebnis dieser Aufarbeitung ist eine kollektive Biographie, die gerade durch ihre vielen Perspektiven ein gutes Gesamtbild liefert.

Gemeinsam mit den verschiedenen Protagonisten erlebt der Leser eine Kindheit in der Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise und den Aufstieg der Nazis, eine Jugend in Kriegsjahren und das Leben der Erwachsenen in der Nachkriegszeit. Doch geht es noch weiter, da die Autobiographien in den 1990er Jahren geschrieben wurden, umfassen sie auch Wiederaufbau, Beginn der Demokratie, Neuorientierung, die DDR und das SED-Regime, kalten Krieg, Mauerbau und –fall und die Wiedervereinigung.

Nun muss man Erinnerungen, gerade wenn viele Jahre vergangen sind, mit ein wenig Vorsicht genießen. Einiges wurde vergessen oder verdrängt, es gibt Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen, subjektive und selektive Darstellungen. Auch hier zeigt sich wieder der Vorteil der kollektiven Biographie, die solche Schwachstellen relativiert. Die Schilderungen stellten nicht wenige Autoren vor das Problem, positive Erinnerungen, wie z.B. schöne Zeiten in der HJ mit den schlimmen Folgen zusammenzubringen. Immer wieder zeigt sich Desillusionierung, weil das, woran man geglaubt hat, falsch war.
»Ich erkannte, dass ich dem Bösen die Treue gehalten hatte.«
Viele Erinnerungen schildern großes Leid, das ist ungemein intensiv und berührend zu lesen. Für einige Passagen habe ich ziemlich lange gebraucht, weil ich nicht einfach weiterlesen konnte, sondern das Gelesene erst man durchdenken musste.

Ein nicht unerheblicher Teil des Buchs befasst sich mit der DDR-Geschichte, hier erinnert sich ein Ostdeutscher beispielsweise an ein Leben »von Diktatur zu Diktatur«. Auch dieser Teil wird gründlich aufgearbeitet und von vielen Seiten beleuchtet. Ergänzt um diverse geschichtliche Infos wird aus vielen individuellen Erzählungen von Überleben und Neuanfang, Erinnern und Vergessen, eine große Geschichte. Eine Reihe eingestreuter, teils privater, Fotos intensiviert den Gesamteindruck noch weiter. Im umfangreichen Anhang finden sich zu den einzelnen Autoren Kurzbiographien.

In fast jeder deutschen Familie gibt es Geschichten über zerrüttete oder verlorene Leben, die Vielfalt der Erzählungen macht eine Identifikation möglich. Meine Familie gehörte zur Arbeiterklasse und wenn ich die entsprechenden Passagen lese, frage ich mich, was ich getan hätte. Wäre ich mutig genug zum Widerstand gewesen oder hätte ich konzentriert auf die eigene Armut und das eigene Überleben die wahren Opfer übersehen, verdrängt oder nicht wahrgenommen? Ich weiß es nicht und niemand, der nicht in dieser Situation war, kann das wirklich wissen. Aber wichtig für unser aller Zukunft ist es, sich immer wieder mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, damit sich solche schrecklichen Ereignisse nicht wiederholen.

Bewertung vom 07.09.2018
Sachsenmorde

Sachsenmorde


sehr gut

Im Freistaat wird wieder gemordet! Andreas M. Sturm hat für diese Anthologie erneut kurze Thriller gesammelt, die in verschiedenen Gegenden Sachsens spielen.

Die 13 Geschichten bieten eine große Vielfalt, der Leser kann sich auf völlig unterschiedliche Stile und interessante Motive freuen. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei! Mir gefielen besonders die Fälle, bei denen die Auflösung als ziemliche Überraschung daherkommt. Wer er blutig mag, kommt ebenso auf seine Kosten wie derjenige, der es subtiler bevorzugt. Ein bisschen Mystery findet sich ebenfalls und natürlich darf auch der Bezug zur DDR-Vergangenheit nicht fehlen.

Eine Kleinigkeit, die mir schon bei „Sachsenmorde 1“ gut gefiel, ist die Karte vorne im Buch. Jeder weiß, wo Sachsen liegt und Dresden oder Leipzig findet man ebenfalls sofort. Aber Bautzen oder der Vogtlandkreis? Ich finde es schön, wenn ich so ganz nebenbei eine Bildungslücke schließen kann.

Wie immer bei Anthologien habe ich jede Geschichte einzeln bewertet. Drei gefielen mir so gut, dass ich ihnen 5 Sterne gegeben habe, vier weitere erhielten 4 Sterne von mir. Für fünf Geschichten konnte ich 3 Sterne vergeben und eine sagte mir leider nicht zu und erhielt lediglich 2 Sterne. Im Schnitt komme ich so auf 3,7 Sterne, die ich auf 4 aufrunde.

Fazit: Kurzweilige und abwechslungsreiche Krimikost, da ist für jeden Geschmack etwas dabei!

Bewertung vom 03.09.2018
Work-Wife-Balance
Jessel, Jenk

Work-Wife-Balance


sehr gut

Jenk Jessel und seine Frau Sabine bekamen erst spät ihr erstes Kind, beide waren beruflich etabliert, erfolgreich und nicht gewillt, ihre Arbeit aufzugeben oder zurückzufahren. So entschlossen sie sich, das Experiment einzugehen, weiter Vollzeit zu arbeiten und trotzdem gute Eltern zu sein und ein glückliches Familienleben zu führen. Um das Ende vorwegzunehmen: Das mit dem Glück hat geklappt. Und alles andere auch, irgendwie ;-)

In diesem Buch erzählt der Autor viele kurze Episoden aus dem Leben mit mittlerweile zwei kleinen Kindern. Dabei gibt es natürlich viele klassische Alltagssituationen, die den Außenstehenden schmunzeln und den beteiligten Eltern die Haare zu Berge stehen lassen. Die meisten dieser Situationen haben irgendwie mit dem Grundthema zu tun, sprich der Bewältigung des Alltags bei zwei vollzeitarbeitenden Eltern. Da werden Krippenplätze gesucht, plötzliche Betreuungsnotstände (krankes Kind) gelöst und darüber gestritten, wer mit dem Bringen zur oder dem Abholen von der Kita dran ist. Wer Kinder hat und berufstätig ist, dem werden die geschilderten Szenen nur allzu bekannt vorkommen.

Allerdings hat mich persönlich gestört, dass hier auf sehr hohem Niveau gejammert wird, denn beide Eltern verdienen offenbar recht gut und haben dadurch z.B. die Möglichkeit, teure private Betreuungen in Anspruch zu nehmen. Ich kenne sehr viele Eltern (uns selbst eingeschlossen), bei denen beide Vollzeit arbeiten und das Geld trotzdem kaum für die städtische Kita reicht, bei der man mit wochenlangen Ferienschließungen und größtenteils sehr eingeschränkten und unflexiblen Öffnungszeiten leben muss.
Diese Missstände werden auch ordentlich angeprangert, nur – wie gesagt – der Autor und seine Frau haben wenigstens noch die Möglichkeit, diese Situation finanziell zu stemmen. Lieber hätte ich aus dem Alltag einer Familie gelesen, die näher an meiner Lebenswirklichkeit ist. Da werden Betreuungsprobleme nämlich nicht nur unangenehm und anstrengend, sondern unter Umständen existenzbedrohend.

Aber nun gut, gönnen wir der Familie Jessel ihre gute finanzielle Ausgangslage. Der Autor betont ja im Sinne auch aller anderen Eltern, dass sich hier von staatlicher Seite einiges ändern muss. Steuerliche Erleichterungen, mehr und vor allem finanzierbare Betreuungsplätze kämen schließlich allen zugute.
Auch in den Köpfen der Allgemeinheit ist die heutige Zeit noch nicht angekommen. Noch immer dominiert das alte Rollenmodell, werden Frauen zuallererst in die Pflicht genommen, wenn es um die Sorge für den Nachwuchs geht. Der Autor beschreibt einige Szenen, in denen er als aktiver Vater gegen Vorurteile kämpfen muss. Aber auch Mütter machen sich gerne gegenseitig das Leben schwer und solange eine vollzeitarbeitenden Mutter ein schlechtes Gewissen haben muss, weil sie den Kuchen für die Feier in der Kita gekauft und nicht selbst gebacken hat, muss sich wirklich noch eine Menge ändern.

Das Schriftbild ist sehr groß, die 192 Seiten täuschen im Grunde, da der Text auf erheblich weniger Platz passen dürfte. Zusammen mit den kurzen Kapiteln ist dies folglich ein sehr schnell zu lesendes Buch. Die eingestreuten Zeichnungen sind witzig und unterstreichen den bei aller Kritik unterhaltsamen Charakter.

Gut gefielen mir auch die kleine Sammlung von Glücksmomenten und der klare Appell des Autors an die Männer, sich mehr zu engagieren, nicht nur finanziell, sondern auch tatkräftig.

Fazit: Unterhaltsame Episoden aus dem Leben mit zwei kleinen Kindern, gepaart mit einem ordentlichen Schwung Kritik an fehlender staatlicher Unterstützung und immer noch existierenden gesellschaftli