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solveig

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Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 30.03.2014
Diamanten Eddie
Kray, Sabine

Diamanten Eddie


sehr gut

"Verstehen kann man das Leben rückwärts, leben muss man es aber vorwärts"


Es ist eine ungewöhnliche, sehr schmerzhafte Lebensgeschichte, die uns Sabine Kray in ihrem Buch erzählt.
Sie schildert das Leben ihres Großvaters Edward, der in den 70er Jahren als „Diamanten Eddie“ in Mönchengladbach und Umgebung bekannt wurde. Sein Ruhm basierte auf seiner großen Geschicklichkeit beim Glücksspiel, aber auch auf seinem Knowhow und Erfolg bei Einbruchdiebstählen in Schmuck- und Pelzgeschäften. In einschlägigen Kreisen war er bekannt als höflich, großzügig, niemals gewalttätig und als zuverlässiger Freund.
Aber Sabine Kray berichtet nicht nur von der Karriere des cleveren Einbrechers, sondern auch darüber, wie Edward zu „Diamanten Eddie“ wurde. Ihr ist es wichtig, dem Leser vor allem Eddies Jugend- und Kriegserlebnisse nahe zu bringen.

Edwards unbeschwerte Jugendzeit in Polen endet abrupt mit Kriegsbeginn im Jahr 1939 ; er wird herausgerissen aus seiner Umgebung, getrennt von seiner Familie. Die Kriegsjahre muss er in diversen Arbeitslagern und als Frontarbeiter verbringen.

In ihren Schilderungen geht die Autorin nicht einfach chronologisch vor. Sehr geschickt lässt sie Abschnitte der schrecklichen Lagerzeiten mit Kapiteln aus Eddies Erwachsenenleben abwechseln. So kann sich der Leser selbst ein Bild davon machen, warum Eddies Leben genau so verlaufen ist, warum er „Diamanten Eddie“ wurde.

Das Material zu diesem biografischen Roman hat Sabine Kray aus vielerlei Quellen zusammengetragen: aus Berichten von Verwandten, aber auch aus Erinnerungen von Augenzeugen erstellt sie ein farbiges, lebendiges Porträt ihres Großvaters. Zahlreiche Recherchen zum Leben in Arbeitslagern und Schicksalen von Leidensgenossen ihres Großvaters machen ihre Erzählung so eindrucksvoll. Die Mischung aus Realität und Fiktion, Dokumentarischem und Authentischem wirkt so anschaulich, dass der Leser mit Eddie fühlt und gute und schlimme Zeiten mit ihm gemeinsam durchlebt.
Doch bei aller Tragik bleibt die Autorin angenehm sachlich und vermeidet pathetische Formulierungen. Sie bedient sich einer klaren, präzisen Sprache, die als echt empfunden wird und entscheidend zu einem eindringlichen Leseerlebnis beiträgt.

Wie kann es einem derart traumatisierten Menschen gelingen, wieder Fuß zu fassen in der „normalen“ Welt? Wie kann er seine Erlebnisse verarbeiten?
„Verstehen kann man das Leben rückwärts“, so ein Zitat des dänischen Philosophen Soeren Kierkegaard, „leben muss man es aber vorwärts“.
Mein Fazit: ein wirklich lesenswertes Buch, das zum Weiterdenken anregt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.03.2014
Winterkinder
Matthews, Owen

Winterkinder


sehr gut

"Meine Liebe ist stärker als ihr Hass"


Mit seinem Werk über „Stalins Kinder“ ist Owen Matthews etwas Besonderes geglückt: es gelingt ihm mühelos, seine Leser über achtzig Jahre russische Geschichte zu fesseln.

Er erzählt gewissermaßen „aus dem Nähkästchen“, von den Schicksalen einzelner Personen seiner Familie, die eng verwoben sind mit der wechselhaften Politik der Sowjetunion verschiedener Epochen.
Sein Familienepos umfasst drei Generationen. Es beginnt mit dem Leben und Sterben des russischen Großvaters in den Dreißiger Jahren der Stalinzeit. Aus Berichten seiner Großmutter, die selbst in einem Arbeitslager inhaftiert gewesen war, und eigenen Archivrecherchen zusammengestellt zeichnet Matthews ein eindrucksvolles Bild jener Zeit. Er lässt den Leser mit leiden und mit hoffen, ganz eintauchen in eine Zeit unvorstellbarer Rechtlosigkeit und Menschenverachtung.
Auch den Lebensweg der nachfolgenden Generation, der Mutter des Autors und ihrer Schwester, lässt er sehr bildhaft lebendig werden.
Abwechselnd mit Abschnitten über Ljudmilas Leben wird in Kapiteln über das Heranwachsen und den Werdegang des Vaters in England, berichtet, bis sich die Wege seiner künftigen Eltern, Ljudmila und Mervyn, kreuzen.
Unpathethisch, aber nicht emotionslos, schildert Matthews den jahrelangen, frustrierenden Kampf des jungen Paares gegen die Bürokraten Russlands und Englands zur Zeit des Kalten Krieges. Hierbei stützt er sich auf den Briefwechsel der Verliebten ebenso wie auf Veröffentlichungen und Aufzeichnungen Mervyns, die seine verzweifelten Bemühungen, Ljudmila heiraten und mit ihr zusammen leben zu können, detailliert dokumentieren.
Schließlich fließen auch Matthews´ eigene Russland-Erfahrungen der späten Achtziger und Neunziger Jahre mit ein und schlagen eine Brücke zum modernen Russland.
So sehr sich die politische Landschaft auch wandelt, für den Autor des Buches steht unausgesprochen immer eine Frage im Mittelpunkt: was zählt der einzelne Mensch und sein Schicksal im großen Zusammenhang mit Politik und Weltgeschichte?

Achtzig Jahre Zeitgeschichte, nicht abstrakt und lehrbuchhaft, sondern lebendig und menschlich dargestellt durch Familienschicksale: sehr lesenswert!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.03.2014
Jetzt erst recht! / Das Kaff der guten Hoffnung Bd.1
Lüftner, Kai

Jetzt erst recht! / Das Kaff der guten Hoffnung Bd.1


ausgezeichnet

Um es gleich vorweg zu nehmen: wir haben uns alle köstlich amüsiert - die Jungen wie auch die Alten!

Die Geschichte von Kalle Ohnenamen hat eigentlich einen traurigen Hintergrund: er ist nämlich ein Waisenkind. Mit einem geheimnisvollen Brief in der Tasche befindet er sich auf der Suche nach seinem verschollenen Bruder Georgie. Als ein zu allem entschlossener Junge, der „hundertmal häufiger aus einem Kinderheim ausgebrochen als in eines eingeliefert worden“ ist, lässt er sich natürlich von keinem Hindernis aufhalten, um sein Ziel zu erreichen. Zum Glück gewinnt er Freunde in dem Waisenhaus „Zur Guten Hoffnung“, mit denen er gemeinsam einen Plan schmieden kann, und eine Reihe von merkwürdigen Ereignissen nimmt ihren Lauf.
Ob er aber hier in Klein-Kalabrien am Fuß des Gigantokatepetel seinen Bruder findet? Was führt Graf Arg von Hinterlist im Schilde? Und was hat es mit dem Fulminantolaboratorium auf sich?

Kai Lüftner bereitet die Themen Freundschaft und Familie mit erfrischend viel Schwung und Humor auf.
Obwohl Kalle als Waise viel Schlimmes erlebt, verfällt er nie in Trauer oder gar Selbstmitleid. Im Gegenteil, sein Durchhaltewillen und unerschütterlicher Optimismus spornen an. Nicht umsonst heißt der Untertitel des Buches „Jetzt erst recht!“ .

Was uns auch gut gefällt: trotz aller fantasievollen Ideen und Wendungen im Geschehen - es bleibt nachvollziehbar, und hin und wieder holt der Autor den Leser auf den Boden der Tatsachen zurück , "weil die Welt schlecht und ungerecht ist..."

Die Seiten sind voll witziger Einfälle und Situationen. Mit teilweise recht bissigem Humor schildert der Autor das Leben in Klein-Kalabrien. Kalle wird uns schnell vertraut; andere, mehr oder weniger liebenswerte Personen, eigentlich Nebenfiguren, erhalten durch wunderbar bildhafte Beschreibung diverser Eigenschaften ihren unverwechselbaren Charakter.

Mit seinen zahlreichen detaillierten Zeichnungen trägt der junge Illustrator Dominik Rupp ganz entscheidend zum Lesespaß bei. Zusätzlich die Vorsatzblätter mit gerahmten „Porträts“ der agierenden Personen zu verzieren, ist eine lustige, gelungene Idee. Und bereits das Cover stimmt auf eine optimistische, lustige Geschichte ein.

Wie schön, dass das Ende des Buches nicht wirklich das Ende von Kalles Geschichte ist: dies war nur der erste Streich. Auf Wiedersehen im Kaff der Guten Hoffnung!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.02.2014
Bunker Diary
Brooks, Kevin

Bunker Diary


sehr gut

Der sechzehnjährige Linus, Opfer einer Entführung, findet sich nach dem Erwachen aus seiner Betäubung allein in einer fremden Umgebung wieder. Er erforscht diesen Bau, der nur über einen Aufzug zugänglich ist, und findet sechs identische Zimmer mit identischem Mobiliar, eine Küche, ein Bad. Jeder Nachttisch beinhaltet eine Bibel, einen Notizblock und einen Stift. Um irgendwie die Zeit zu nutzen beginnt Linus ein Tagebuch zu schreiben und zunächst seine Umgebung zu schildern. Er bleibt nicht lange allein, nach und nach kommen fünf weitere Personen hinzu. Der Entführer scheint seine Opfer nicht zufällig ausgewählt zu haben; denn sie decken unterschiedliche Generationen (Kind/Jugendlicher/Erwachsene/alter Mensch) und ebenso diverse Gesellschaftsgruppen ab.
Diese sechs völlig unterschiedlichen Charaktere müssen nun ihr Zusammenleben gestalten und führen eine Routine ein, um zu überleben. Dabei werden sie immer und überall von Kameras beobachtet und Mikrofonen abgehört. Big Brother Horror.

Bereits das Buchcover des „Bunker Diary“ bringt die Trost- und Ausweglosigkeit des Daseins im Bunker zum Ausdruck: kahle graue Wände, kein Entkommen möglich, das rote Kameraauge an der Decke. In seinem Tagebuch beschreibt Linus die beklemmende Situation, die Versuche der einzelnen Personen, allein oder gemeinsam mit ihrer neuen Lage zurechtzukommen, Beratungen, Eskalationen. Er gibt die tägliche Routine wieder, an die sich alle klammern. Und immer wieder taucht die Frage auf: „Warum? Was hat der Entführer mit uns vor?“ Macht er Experimente mit ihnen? Spielt er einfach nur ein Spiel? Fühlt er (Linus nennt ihn wie in der Bibel „ER“) sich wie ein Gott, der seine Figuren nach Belieben belohnt oder bestraft? Und wie verhalten sich die entführten Opfer?
Immer wieder ertappt sich auch der Leser bei der Frage: „Wie würde ich selbst reagieren?“

Mit Bedacht hat der Autor die Tagebuchform gewählt: direkter kann er seinen Leser gar nicht ansprechen und in das Geschehen einbinden. Dabei empfindet der Leser sich einmal als Adressat von Linus´ Gedanken, Hoffnungen und Ängsten; dann wieder als Voyeur, der Linus´ Intimsphäre verletzt.

Gerade die authentische jugendgerechte Sprache des Autors wirkt sehr eindringlich.
Linus´ Art zu schreiben verändert sich im Laufe der Zeit, vom dokumentarischen Festhalten der Ereignisse wechselt er zu Erinnerungen, philosophischen Gedanken, Überlegungen über den Entführer und seine Absichten, Gedanken zum Leser seines Tagebuchs (wer wird es lesen? Wir? Der Entführer?). Seine Eintragungen sind manchmal ganz klar, manchmal auch wirr, je nach seiner Befindlichkeit.
Der Leser hat keine Wahl: er ist genauso gefangen im Buch wie Linus im Bunker.

Dies ist sicher kein Buch, das man nach dem Lesen einfach zurück ins Regal stellt. Es hallt nach, bringt uns zum Nachdenken. Das Ende des Buches bedeutet für den Leser noch nicht das Ende der Geschichte: ihre Eindrücke werden ihn noch eine Weile verfolgen.

Bewertung vom 21.02.2014
Der unvergleichliche Ivan
Applegate, Katherine

Der unvergleichliche Ivan


ausgezeichnet

„Sich nicht zu erinnern, ist gar nicht so einfach,
aber ich hatte eine ganze Menge Zeit zum Üben.“

So lebt Gorilla Ivan 9855 Tage lang in der Zirkus-Mall nahe der Autobahn-Ausfahrt 8. Ganz allein in einem Käfig eingesperrt, hat er also sehr viel Zeit, die menschliche Sprache verstehen zu lernen und genug Muße, die Menschen zu beobachten, die kommen, um ihn zu sehen. Der Leser nimmt Anteil an den (fast schon philosophischen) Gedanken des unvergleichlichen Gorillas über Homo Sapiens und seine Eigenschaften und betrachtet seine eigene Gattung hier einmal aus der Distanz zu sich selbst, mit dem kritischen Blick Ivans.

In unterschiedlich kurzen Kapiteln schildert die Autorin das einsame, eintönige Dasein des Gorillas und seine Gespräche mit der Elefantendame Stella, die sein Gefangenen-Schicksal teilt, aber auch in dem Zirkus auftreten muss. Dann ist da noch Bob, ein kleiner, streunender Hund, der freiwillig bei Ivan Unterschlupf sucht und aufgrund der bitteren Erfahrungen, die er als Welpe mit den Menschen gemacht hat, die menschliche Kultur sehr sarkastisch analysiert. Eine Art Vermittlerrolle zwischen Mensch und Tier spielt Julia, ein kleines Mädchen mit viel Einfühlungsvermögen und Fantasie.
Als eines Tages Elefantenbaby Ruby als Neuerwerbung in den Zirkus kommt und Ivan miterlebt, wie sie für ihren Auftritt gedrillt wird, kommt langsam seine Erinnerung zurück an das, was es bedeutet, ein Silberrücken zu sein. Sein Beschützerinstinkt erwacht, er will die Initiative ergreifen. Aber kann ein Gorilla einem kleinen Elefanten eine bessere Zukunft verschaffen?

Die Autorin passt ihre Sprache dem „Denken“ des Gorillas an. Sie ist ruhig und schlicht, mutet naiv an, nicht ohne Humor. Ihre Sätze sind unkompliziert aber treffend formuliert. Katherine Applegate geht absolut nicht verschwenderisch mit Worten um (wie Ivan es bei den Menschen ansonsten bemängelt) und löst gerade dadurch beim Leser Gefühle aus.

Etwas wehmütig, aber ohne Selbstmitleid, schildert Ivan sein Leben, ein Sinn-entfremdetes Leben, das von Zirkusmanager Mack vermarktet wird. Die ausdrucksstarken computergenerierten Illustrationen von Patricia Castelao lassen uns die Geschichte noch intensiver erleben.

Im Jahr 2013 hat Katherine Applegate mit diesem Buch über Ivan, der tatsächlich zunächst in Tacoma, später in Atlanta gelebt hat und dort zu Berühmtheit gelangte, den höchsten Kinderbuchpreis Amerikas gewonnen, die John Newbury Medal.
Ihr Buch rüttelt auf, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben oder zu belehren. Applegates unausgesprochener Appell geht jedem Leser nahe: Tiere sind keine Objekte, auch sie haben Gefühle. Sie haben ein Recht auf ein artgerechtes Leben.

Das Buch hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck, eine nachdenkliche, melancholische Stimmung. Und der Leser wird sich noch lange an den unvergleichlichen Ivan und sein Schicksal erinnern.

Bewertung vom 01.02.2014
Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm
Ahava, Selja

Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm


sehr gut

Wie ein Flickenteppich erscheint Anna, Alzheimer-Patientin in einem Pflegeheim, die Zeit und der Rückblick auf ihr eigenes Leben. Sie versucht sich an den Anfang zu erinnern und kehrt in Gedanken an den Ort zurück, an dem sie die glücklichste Zeit ihres Lebens verbracht hat, ihrem Häuschen auf einer kleinen Insel in den Schären.

Aus Annas Perspektive erzählt die Autorin Episoden aus Annas Leben; nicht in einer chronologischen Abfolge von Ereignissen, sondern einzelne Bruchstücke, Augenblicke ihres Lebens.
Zunächst noch in länger zusammenhängenden Phasen geschrieben, wird (nach einem Schicksalsschlag) die Erzählung jedoch zunehmend sprunghaft, so wie Anna selbst auch.
Mit fortschreitender Krankheit wird Anna ruheloser, füllt ihr Leben mit erdachten Kindern (die sie sich immer gewünscht hat) und Gestalten aus Kinderbüchern und findet sich schließlich in der Realität nicht mehr zurecht. Auch der Leser, der Anna auf ihrem Weg durch die stetig fortschreitende Krankheit begleitet, hat Mühe, den Überblick zu behalten, ist beinahe ebenso verwirrt und orientierungslos wie Anna.
Er erlebt den langsamen Prozess des Vergessens gemeinsam mit Anna. Sehr einfühlsam beschreibt Selja Ahava das langsame „Verschwinden“ des eigenen Ich. Es beginnt mit „Bildern, … die aus ihren Halterungen sprangen…“ und endet damit, dass die Teile der Erinnerung immer kleiner werden. Zeitliche Abläufe werden unwichtig, geraten durcheinander. Die meisten Ereignisse in Annas Leben sind am Ende vergessen, genauso wie jener denkwürdige Tag „an dem ein Wal durch London schwamm“. Zum Schluss schließt sich der Kreis, es bleibt das friedliche, versöhnliche Bild ihrer Insel.

Die einzelnen Szenen sind geradezu bildlich vorstellbar, wie mit einer Kamera eingefangen.
Dieser Eindruck wird durch die schlichte, aber sehr schöne, bildhafte Sprache der Autorin hervorgerufen, eine Sprache, die zu Annas Wesen passt. Sie geht sorgsam mit Worten um, trifft stets das Wesentliche und berührt den Leser.

Man sollte sich Zeit nehmen für diesen nachdenklich stimmenden Roman und sich einfach mit der Erzählung treiben lassen. Sie macht sensibel für das eigene alltägliche (Er-)Leben.
„Es gibt keine einheitliche Geschichte, es gibt erleuchtete Augenblicke, und der Rest ist Finsternis“.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.01.2014
Zwillingschaos hoch zwei
Schlüter, Andreas;Margil, Irene

Zwillingschaos hoch zwei


ausgezeichnet

„Von Irren umgeben“ fühlt sich Malte Feldkamp, als er nach dem Umzug mit seiner Familie von Freiburg nach Großensee gelangt. Dabei liegt das neue Elternhaus ruhig und idyllisch an einem See. Und hier scheiden sich bereits die Geister der Hauptfiguren des Buches: Malte findet es zu ruhig, seine Zwillingsschwester Julie dagegen himmlisch.

Kontrovers geht es weiter: Malte sucht das Abenteuer und findet den „Mädchenkram“ langweilig; Julie hingegen engagiert sich sehr für ihr Projekt Schülerzeitung.
Und da beide Kinder viel zu erzählen haben, besteht das Buch im Grunde genommen aus zweien: einmal „Maltes Buch“, das die Ereignisse in der neuen Umgebung und der neuen Schule aus seiner Sicht darstellt. Bereits das Cover zeigt seine Interessen und Vorlieben: vom Mountainbike über Astronomie bis hin zu Aliens. Dreht man das Buch auf die Rückseite erhält man „Julies Buch“, in dem seine Zwillingsschwester zu Wort kommt. Auch Julies Hobbies sind schon auf dem Buchcover dargestellt: Pferde und das Schreiben für die Schülerzeitung.

Humorvoll, in authentischer, jugendgerechter Sprache erzählt Andreas Schlüter/Malte von seinen täglichen Erlebnissen und den Abenteuern mit seinen neuen Freunden. Dabei greift er auf moderne Kommunikationsformen wie SMS und E-Mails zurück, in denen er seinen „alten“ Freiburger Freunden ausführliche Berichte sendet.

Julies Ansichten, geschrieben von Irene Margil, unterscheiden sich natürlich von denen ihres Bruders. Sie sieht viele Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel und setzt andere Prioritäten. Sie möchte eine Schülerzeitung gründen und später berühmt werden. Aus diesem Grund macht sie sich bereits Notizen für ihre „Memoiren“ bzw. Aufzeichnungen ihrer Erlebnisse, die sie handschriftlich verfasst. Berichte an ihre „alte“ Freundin in Freiburg gibt sie per SMS weiter. Auch sprachlich unterscheidet sich ihr Part von Maltes Buch.

Die beiden Teile ergänzen sich wunderbar und zeigen dem Leser das Bild eines recht unterschiedlichen Zwillingspaares mit seinen ebenso unterschiedlichen An- und Einsichten.

Ein weiteres Bonbon sind die vielen ideenreichen Zeichnungen und witzigen Einfälle des Illustrators Stephan Pricken, die dem attraktiv gestalteten Buch zusätzlichen Reiz verleihen.

Ob man die Teile nun nacheinander oder abwechselnd liest - egal, wie man es dreht oder wendet: beide Seiten des Buches sind vergnüglich zu lesen! Und wir warten schon gespannt auf Teil zwei …

Bewertung vom 24.01.2014
Siebenschön / Emilia Capelli und Mai Zhou Bd.1
Winter, Judith

Siebenschön / Emilia Capelli und Mai Zhou Bd.1


sehr gut

"Und in Wahrheit ist nichts so, wie es scheint"


Mit italienischem Temperament und chinesischer Gelassenheit geht ein recht unterschiedliches Ermittlerduo auf die Jagd nach einem Serienmörder.

Mai Zhou, deutsch-chinesische Ermittlerin, ist nicht gerade die Wunschpartnerin der ehrgeizigen jungen Kriminalhauptkommissarin Emilia Capelli, deren familiäre Wurzeln in Sizilien liegen. Und so beginnt ihre Zusammenarbeit zunächst einmal mit viel Misstrauen von Seiten Capellis.

Aber schon bald ist enge Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen notwendig; denn ein äußerst brutaler Mörder hält Frankfurt in Atem.
Schwer zu fassen, hoch intelligent, der Polizei immer eine Nasenlänge voraus, präsentiert er der Kripo gleich mehrere Leichen. Dabei sind nicht nur die Ermittler um Capelli und Zhou, sondern auch der Leser anfangs etwas verwirrt.
Schließlich stolpert das Team über ein Zahlenrätsel; ein altes Kinderlied liefert schließlich wertvolle Hinweise und bringt Licht ins Dunkel der Taten.

In einem angenehm klaren, flüssig lesbaren Stil führt die Autorin den Leser durch Frankfurt und seine Stadtteile, durch das Labyrinth von Schuld und Sühne. Zudem lässt sie - selbst von Beruf Psychologin - den Leser an den Gedanken und Empfindungen der unterschiedlichen Charaktere, auch der späteren Opfer, teilhaben, was das Mit-Erleben noch intensiviert. Auch die Einblicke in das Privatleben der Protagonistinnen erleichtern es dem Leser ihre Motive nachzuvollziehen.
Judith Winter versteht es, die Spannung im Zuge der Ermittlungen noch zu steigern und bis zum Ende des Romans auch zu halten.

Die zwei eigenwilligen Ermittlerinnen, Frauenpower mit Witz und Verstand, ergänzen sich zum „Dream Team“. Von ihnen möchte man mehr lesen.
Wie schön, dass „Siebenschön“ keine Einzeltat bleibt, sondern weitere Folgen geplant sind!

Bewertung vom 14.01.2014
Berlins Geschichte für Kinder
Schupelius, Gunnar;Schupelius, Magdalena

Berlins Geschichte für Kinder


sehr gut

Wie ist unsere Hauptstadt entstanden?
Warum wurde sie geteilt und später wieder vereint?

Diesen und anderen Fragen rund um Berlin gehen die Autoren Magdalena und Gunnar Schupelius nach.

In ihrem kurzen, spannenden Streifzug durch die Geschichte der Stadt Berlin lernen bereits Grundschulkinder (und ihre Eltern) auf sehr unterhaltsame Weise, wie sich Berlin zu der quirligen Stadt entwickelt hat, die sie heute darstellt. In kindgerechter Sprache werden historische Zusammenhänge erzählt und erklärt. Dabei bleibt genug Spielraum für die Eltern bzw. Vorleser, eigene Erklärungen anzufügen, Fragen zu beantworten, dem Alter des Kindes angemessen - oder gar selbst erlebte Geschichten einzuflechten. Natürlich geht das Autorenpaar chronologisch vor. Dennoch kann man auch ein Kapitel herausgreifen, welches das Kind gerade interessiert. Die einzelnen Abschnitte sind nicht zu lang und ermüden daher nicht die Aufmerksamkeit des kleinen Lesers.

Mit seinen zahlreichen dokumentarischen Fotos, Plänen und farbigen Illustrationen lädt das Buch geradezu ein, es immer wieder einmal aufzuschlagen. Einen großen Anteil an der besonders Kinder ansprechenden Optik hat der freischaffende Künstler Zurah Sumbadze, dessen ausdrucksvolle, klare Zeichnungen und Collagen die Darstellung geschichtlicher Ereignisse auf humorvolle Weise bildlich ergänzen. Berlins Wappentier in Miniatur begleitet zudem den Leser auf seiner Reise durch die Geschichte: auf jeder zweiten Seite findet man den kleinen Bären, neben der Seitenzahl abgebildet, wieder; manchmal auch in eine Zeichnung integriert.

Gut durchdacht sind auch die ausklappbaren Vorder- und Rückendeckel des Buches, auf denen zum einen eine übersichtliche Liste berühmter Berliner Mitbürger, zum anderen eine kurze chronologische Übersicht über die geschichtlichen Ereignisse dargestellt ist.
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Eine schöne, sehr aufwändig gestaltete Lektüre für Grundschulkinder nicht nur in Berlin - schließlich macht die Geschichte unserer Hauptstadt auch Nicht-Berliner neugierig!