Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Mikka Liest
Wohnort: 
Zwischen den Seiten
Über mich: 
⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 23.01.2015
Gone Girl - Das perfekte Opfer
Flynn, Gillian

Gone Girl - Das perfekte Opfer


ausgezeichnet

Als Leser gewinnt man schnell einen ersten Eindruck von den beiden Protagonisten: dem von Selbstzweifeln geplagten Nick, der sich schwer damit tut, Gefühle zu zeigen, und der wunderbaren, liebevollen Amy, die ihr Bestes tut, ihm die perfekte Ehefrau zu sein. Ganz normale Menschen mit ganz normalen Schwächen und Fehlern, aber beide auf ihre eigene Art und Weise sehr liebenswert.

Aber wer schon einmal ein Buch der Autorin gelesen hat, weiß: Gillian Flynn wäre nicht Gillian Flynn, wenn sich hinter dieser Fassade scheinbarer Normalität nicht Abgründe auftun würden... Als Leser darf man sich bei ihr niemals auf den ersten Eindruck verlassen, und das war noch nie so wahr wie in "Gone Girl". Immer wieder muss man seine Meinung zu den Charaktere überdenken, und dabei bleiben sie doch in sich schlüssig und glaubhaft.

Amy und Nick werden mir noch lange in Erinnerung bleiben, und ich fand beide großartig - wenn auch nicht immer sympathisch. Sie sind unglaublich komplex und voller überraschender Charakterzüge, vor allem die erst scheinbar so leicht zu durchschauende Amy.

Die Geschichte klingt erstmal nach einem relativ gradlinigen Thriller: Frau verschwindet, Mann wird des Mordes angeklagt und muss seine Unschuld beweisen - oder sich als Mörder herausstellen. Aber auch hier gilt: als Leser darf man seinem ersten Eindruck nicht so ohne weiteres trauen! Eine unerwartete Wendung folgt der anderen, und die Geschichte wird immer abgründiger und verwickelter, mit einer beinahe boshaften Liebe zum perfiden Detail.

Und dabei wurde sie für mich auch immer spannender! Mit jeder kleinen Enthüllung konnte ich es weniger abwarten, zu erfahren, wie die Geschichte wohl ausgehen würde - und das Ende hat mich dann vollkommen überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet!

Im Endeffekt ist "Gone Girl" alles andere als ein "Standard-Thriller", sondern eine zutiefst originelle Tour de Force, die den Leser wieder und wieder zwingt, seine Erwartungen über den Haufen zu werfen.

Ich bin ein großer Fan der Autorin, und das liegt nicht nur an ihrem unfehlbaren Gespür dafür, was Menschen sich gegenseitig antun können, sondern auch an ihrem großartigen Schreibstil. Irgendwie schafft sie es, auch die menschlichen Abgründe sehr unterhaltsam zu präsentieren; das liest sich meiner Meinung nach wunderbar und flüssig runter.

Fazit:
Vielleicht Gillian Flynns bestes Buch, und das will meines Erachtens etwas heißen! Hinter dem ganz normalen Alltag eines ganz normalen Ehepaars tun sich unerwartete Abgründe auf, und mit jeder Seite wird die Geschichte spannender, komplexer und auf böse Art unterhaltsamer.

Bewertung vom 20.01.2015
Das siebte Kind
Valeur, Erik

Das siebte Kind


sehr gut

"Das siebte Kind" hat viele Preise gewonnen, unter anderem den Skandinavischen Krimipreis; auch der Klappentext ließ mich einen Krimi oder Thriller erwarten. Auf dem Titelbild steht jedoch schlicht "Roman". Krimi, Thriller, Roman? Nachdem ich das Buch gelesen habe, würde ich sagen: es ist ein psychologisches Drama mit sozialen Themen, einem Hauch politischer Spannung und eher unterschwelligen Thriller-Elementen. Manchmal ist es skurril, manchmal eine exakte Beobachtung des Lebens...

Auf jeden Fall ist es kein Buch, das man mal eben so nebenher lesen kann; man muss sich schon konzentrieren und aktiv mitdenken. Die Frage ist: lohnt sich das? Ja, meiner Meinung nach lohnt es sich sogar sehr - wenn man sich darauf einlassen kann.

Ein Großteil des Buches ist aus Sicht von Marie geschrieben, einem der sieben Kinder, die in einem bestimmten Jahr dasselbe Zimmer im Waisenheim Kongslund bewohnten - die "sieben Zwerge". Marie wurde mit vielen körperlichen Gebrechen und Deformierungen geboren, und während die anderen sechs Kinder alle adoptiert wurden und hinaus in die Welt gingen, hat sie ihr ganzes Leben in Kongslund verbracht, so gut wie isoliert. Sie beschreibt die Geschehnisse mit einer Art Sehnsucht, aber auch einer Art Wut, und oft sogar einer Art Wahnsinn...

Aber auch die anderen "Zwerge" sind traumatisiert und emotional geschädigt von ihrem unerwünschten Start ins Leben. Beinahe scheinen sie einem Fluch zu unterliegen - einem, der sie dazu zwingt, enorme Schuld auf sich zu laden. Der Leser lernt sie nach und nach durch Maries Augen kennen, mit all ihren Hoffnungen und Ängsten, Stärken und Schwächen, ihrer Schuld und gleichzeitig Unschuld. Sie beobachtet die anderen einerseits schonungslos, andererseits mitfühlend, und sie beweist in ihren Schilderungen ein feines Gespür für die menschliche Psyche.

Und genau das ist für mich das Herz des Buches, dieses feine Gespinst psychologischer Betrachtungen, die persönlichen Schicksale. Die Frage, wer die direkt am Anfang des Buches erwähnte Tote am Strand ermordet hat, geriet dabei für mich völlig in den Hintergrund, und tatsächlich vergaß ich sie über weite Strecken des Buches und war überrascht, als das Thema wieder aufgegriffen wurde.

Allerdings empfand ich bei aller Faszination und allem Interesse am Schicksal der sieben Kinder immer eine emotionale Distanz; ich fand es sehr schwer, tatsächlich mit ihnen mitzufühlen.

Auch die Sprache erschien mir erst eher nüchtern, aber rasch entwickelte sie einen ganz eigenen Sog, mit einer einzigartigen Sprachmelodie und vielen kreativen Formulierungen und Metaphern. Manchmal hat sie fast schon etwas bedrückend, düster Poetisches.

Wie schon erwähnt: ein Thriller ist das Buch für mich nicht, deswegen habe ich auch keine Thriller-Spannung erwartet. Dennoch fand ich das Buch manchmal ein wenig langatmig, und ich fragte mich: wo will der Autor eigentlich hin? Was will er mir sagen? So gut mir das Buch auch gefallen hat, meiner Meinung nach hätte man manche Dinge etwas straffen können.

Auch wenn ich die Themen und die Charaktere sehr interessant fand, brauchte ich manchmal eine Pause. Das Buch kann sehr deprimierend sein, und manchmal hatte ich das Gefühl, als würde es mir regelrecht die Lebensfreude aussaugen. Das Schicksal, als immer wiederkehrendes Thema, frisst sich durch die Leben der Charaktere wie ein Krebsgeschwür.

Fazit:
Entgegen meinen Erwartungen ist "Das siebte Kind" kein Krimi, sondern die verstörende Geschichte von sieben Adoptivkindern, deren Leben von Anfang an mit einem Fluch belegt zu sein scheint. Deren persönliches Drama wird verflochten mit sozialkritischen und politischen Themen, sowie den immer wiederkehrenden Themen Schuld und Schicksal.

Das Buch liest sich oft etwas mühsam, gelegentlich bedrückend oder sogar deprimierend, aber meiner Meinung nach lohnt es sich wegen der interessanten Charaktere und der subtil-malerischen Sprache dennoch; man muss nur die nötige Zeit und Muße mitbringen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2015
Novembermord / Martin Velsmann Bd.1 (eBook, ePUB)
Schulz, Berndt

Novembermord / Martin Velsmann Bd.1 (eBook, ePUB)


weniger gut

Auf den ersten Seiten, die aus der Sicht des Mörders geschrieben sind, gefiel mir der Schreibstil noch richtig gut: prägnant, einfallsreich und dabei nicht zu übertrieben, mit viel Gefühl für die Schattierungen der menschlichen Psyche.

Leider überzeugte mich der Schreibstil im Laufe des Buches dann aber immer weniger - ja, manche Metaphern sind hervorragend und originell, aber es häufen sich zunehmend konstruierte Vergleiche und bemüht intellektuelle Betrachtungen. So erleichtert sich der Kommissar zum Beispiel in den Schnee und philosophiert dann über seinen Exkrementen(!!):

"All das steckte in seinem Leib, und in seinem Kopf schwebten schillernde Gedankenblasen."

Auch die Dialoge lesen sich zum Teil leider etwas hölzern. Aber besonders Takt und Tempo waren für mich oft überhaupt nicht stimmig. In manchen ruhigen Szenen sind die Sätze auf einmal kurz und abgehackt, während in eigentlich rasanten Szenen philosophische Betrachtungen richtiggehend ausgewalzt werden.

Die Charaktere werden mit interessanten, aufschlussreichen Details beschrieben; sie haben alle viel Potential, das aber in meinen Augen nicht ausgereizt wurde. Entweder blieben sie für mich trotz allem blass, oder aber sie waren einfach nicht stimmig oder sympathisch.

Besonders der Kommissar funktionierte für mich nicht als Handlungsträger.

Er spekuliert ausführlich über die Täterpsychologie, was ich prinzipiell sehr interessant fand und was ja auch zu seinem Beruf gehört. Allerdings schenkt er seinen eigenen psychologischen Problemen mindestens genauso viel Aufmerksamkeit und verrennt sich für mein Empfinden oft zu sehr darin. Überhaupt verhält er sich manchmal sehr ich-bezogen und bewahrt keinerlei professionelle Distanz.

So besucht er zum Beispiel eine Zeugin, lädt sie zum Essen ein, weint sich dann bei ihr - einer völlig fremden Frau! - über seine Eheprobleme aus und gesteht sogar Suizid-Gedanken.

Einer der Hauptverdächtigen ist ihm sehr sympathisch, und dessen Zuhause gibt ihm ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Also besucht er ihn, als er das Gefühl hat, dringend einen männlichen Gesprächspartner zu brauchen, und übernachtet sogar dort! Und weil ihm der Mann so sympathisch ist, weigert er sich lange, ihn auch nur ernsthaft als Verdächtigen zu betrachten...

Zu Beginn konnte mich die Spannung noch packen, aber im Verlauf der Geschichte verlief sie für mich mehr und mehr im Sand. Die Ermittlungen der Polizei kamen mir konfus und planlos vor, und der Fall wird im Endeffekt eher zufällig gelöst. Dennoch wird der Kommissar als der große Held gefeiert, was ich wirklich nicht nachvollziehen konnte.

Fazit:
Leider konnte mich das Buch überhaupt nicht überzeugen. Ein sehr selbstbezogener Kommissar schlägt sich hauptsächlich mit seinen persönlichen Problemen herum und wandert eher nebenher durch eine verworrene Ermittlung ohne Sinn und Plan. Die Spannung wird dabei immer wieder ausgebremst durch ausführliche, bemüht psychologische oder philosophische Überlegungen.

Bewertung vom 14.01.2015
Verblendung / Millennium Bd.1
Larsson, Stieg

Verblendung / Millennium Bd.1


sehr gut

Die Grundidee hat mich direkt sehr angesprochen. Ein steinreicher alter Patriarch leidet seit 43 Jahren unter etwas, bei dem ihm alle Macht seines Geldes nicht helfen konnte: dem Verschwinden und wahrscheinlichen Tod seiner geliebten Nichte Harriet, die fast schon eine Tochter für ihn war. 43 Jahre lang hat er obsessiv recherchiert, ohne die geringste Spur, was mit dem jungen Mädchen passiert sein könnte. In einem letzten verzweifelten Versuch, noch vor seinem Tod endlich Gewissheit zu bekommen, engagiert er den Journalisten Mikael Blomkvist, ein Jahr lang den Fall neu aufzurollen und zu durchleuchten.

Ehrlich gesagt ist das Buch für mich eher ein Krimi als ein Thriller, denn die Spannung baut sich langsam und manchmal geradezu gemächlich auf - dadurch, dass das im Mittelpunkt stehende Verbrechen 43 Jahre zurückliegt, fehlt über lange Strecken diese atemlose Dringlichkeit, die Thrillern meistens innewohnt. Erst ab etwa der Hälfte kommt die Geschichte so richtig ins Rollen.

Wenn das jetzt so klingt, als hätte mich das Buch gelangweilt: nein, überhaupt nicht! Der Sog des Buches liegt eher in der Psychologie der Charaktere, aber diesem Sog konnte ich mich einfach nicht entziehen.

Das Buch ist auf seine ganz eigene Art und Weise spannend, wenn man sich darauf einlassen kann. Man muss der Spannung wirklich Zeit geben, sich zu entfalten, und dadurch ist "Verblendung" kein Buch, das man mal gerade so nebenher verschlingt, kein "Pageturner". Es bietet eine sehr intelligente Spannung, in der interessante Fragen aufgeworfen werden wie die Unantastbarkeit der Pressefreiheit oder der persönliche Umgang mit Trauer und Schuld, aber das Tempo wird vielen Lesern möglicherweise zu langsam sein.

Mich hat manchmal ein wenig gestört, dass der Autor gerne ausführlich nebensächliche Handlungen beschreibt, wie Rauchen, Essen und Trinken, was die Spannung doch empfindlich ausbremst.

Die Charaktere sind für mich das größte Plus dieses Buches. Ich konnte sie mir alle lebhaft vorstellen, und sie kamen mir sehr echt und dreidimensional vor. Sie haben durchweg ihre Fehler und Schwächen, sogar die Hauptcharaktere, aber gerade das macht sie so glaubhaft! Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander haben mich direkt in ihre Geschichte gezogen, und ich begann schon bald, mit beiden mitzufiebern.

Dabei ist gerade Lisbeth ein sehr zwiespältiger, problematischer Charakter - sie hat ganz offensichtlich eine Vergangenheit voller dunkler, traumatischer Ereignisse, und diese habe aus ihr eine Frau gemacht, die kämpferisch und gnadenlos für das eintritt, was sie für richtig hält. Sie ist misstrauisch, wenig sozial und gilt ganz offiziell sogar als zurückgeblieben und psychotisch veranlagt. Sie ist auf jeden Fall keine Frau, mit der man sich anlegen sollte!

Mikael ist dagegen regelrecht zahm, von ein paar Affären mit verheirateten Frauen einmal abgesehen, aber seine Entschlossenheit, sein Einfallsreichtum und sein Mut haben mich dennoch sehr für ihn eingenommen. Manchmal kam es mir ein wenig vor, als flögen ihm die Puzzleteilchen, die den Fall vorantreiben, ein wenig zu - so bringt zum Beispiel ein kurzer Besuch seiner Tochter innerhalb kürzester Zeit etwas ans Licht, was in 43 Jahren noch niemand durchschaut hat. Aber im Großen und Ganzen fand ich ihn als Ermittler sehr überzeugend.

Der Schreibstil kam mir erst eher nüchtern vor, aber je länger ich der Geschichte folgte, desto besser gefiel er mir. Er hat eine sehr ansprechende Klarheit, die dennoch mühelos Personen, Orte und Geschehnisse vor dem Leser auferstehen lässt.

Fazit:
Ein interessantes Buch, das ich wegen seiner eher gemächlichen Spannung weniger als Thriller denn als Krimi bezeichnen würde. Man muss der Geschichte wirklich eine Menge Zeit geben, um in Fahrt zu kommen, aber dann ist sie meiner Meinung nach sehr lohnend!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.01.2015
Die Herren von Winterfell / Das Lied von Eis und Feuer Bd.1
Martin, George R. R.

Die Herren von Winterfell / Das Lied von Eis und Feuer Bd.1


ausgezeichnet

Wie originell kann Fantasy heute noch sein? Seit Tolkien haben unzählige Autoren unzählige Bücher dieses Genres veröffentlicht, und gewisse Themen und übernatürliche Kreaturen haben sich unzählige Male wiederholt. Dennoch schafft es George RR Martin scheinbar mühelos, eine Geschichte zu erzählen, die kein bisschen abgedroschen ist und voller einzigartiger Ideen steckt. Die Welt, in der das Ganze spielt, ist so perfekt durchdacht und so lebendig beschrieben, dass man fast den Eindruck hat, diese Welt müsse es wirklich geben, oder zumindest irgendwann einmal gegeben haben.

Die Geschichte entwickelt schnell einen unwiderstehlichen Sog, der einen geradezu zwingt, die Seiten umzublättern. Politische Intrigen, familiäre Tragödien... Es bleibt spannend bis zur letzten Seite, und das auf vielfältige Art. Dabei ist es jedoch immer eine intelligente geschriebene Art von Spannung, die vom Leser Mitdenken erfordert! Das Buch ist nichts, was man mal eben so nebenher konsumieren kann, aber gerade das macht es in meinen Augen so lohnend.

Die Welt ist unglaublich komplex, und es gibt eine Menge, was der Leser sich erst einmal aneignen muss: die verschiedenen Adelshäuser, das politische System, die Geschichte des Landes... Dass das funktioniert, ohne dass man sich langweilt, liegt vor allem an den lebendigen, dreidimensionalen Charakteren. Davon gibt es schwindelerregend viele, und normalerweise schreckt mich eine solche Fülle an Namen, die ich mir merken muss, eher ab. Ich habe ein grauenvolles Namensgedächtnis, und wenn ich immer hin- und herblättern muss, um herauszufinden "Wer war das nochmal?", dann reißt mich das aus meinem Lesefluss.

Hier war das aber überhaupt gar kein Problem für mich! Ich entwickelte schnell ein Gefühl für die wichtigsten Protagonisten, denn die sind alle unverwechselbar geschrieben und haben einen hohen Wiedererkennungswert. Nur wenige sind liebenswert, denn der Autor hat scheinbar ein echtes Faible für menschliche Abgründe, aber alle sind interessant und unterhaltsam.

Der Schreibstil ist beeindruckend, bildgewaltig und voller sprachlicher Wucht. Auf jeder Seite finden sich Passagen, die es verdient hätten, hier zitiert zu werden! Wobei ich direkt dazusagen muss, dass die Sprache direkt noch einmal so umwerfend ist, wenn man das Buch auf englisch liest. Außerdem finde ich die Übersetzung gelegentlich ein bisschen fragwürdig, vor allem die Eindeutschung der Namen... Andererseits wäre es vielleicht schade, wenn Lesern, die des Englischen nicht mächtig sind, die Bildhaftigkeit der Namen entgehen würde.

Eine kitschige Liebesgeschichte sucht man in diesem Buch vergebens. Die Ehen werden arrangiert, und es ist eher ein fast schon unerhörter Glücksfall, wenn sich dann doch Gefühle zwischen den Ehepartnern entwickeln. Manchmal endet die Liebe in "Ein Lied von Eis und Feuer" auch im Tod und dem darauffolgenden endlosen Zyklus der Rache.

Sehr ungewohnt für den modernen Leser ist sicher auch, wie jung die Kinder sind, die hier einander versprochen oder sogar verheiratet werden. So wird zum Beispiel die 13-jährige Danaerys mit einem Mann verheiratet, den sie nicht kennt und dessen Sprache sie nicht einmal spricht, und der Autor schreckt auch nicht davor zurück, Sexszenen zu schreiben, die eher den Beigeschmack von Vergewaltigung haben. Das klingt entsetzlich, macht aber im Kontext der Geschichte Sinn, denn die Welt von "Ein Lied von Eis und Feuer" erinnert an eine Zeit unserer Geschichte, wo junge Mädchen tatsächlich in diesem Alter verheiratet wurden und dabei wenig Mitsprachrecht hatten.

Fazit:
Ein Buch, das meiner Meinung nach völlig zu Recht Kultstatus erreicht hat! Die Welt ist komplex und perfekt durchdacht, die Geschichte intelligent und spannend, die Charaktere lebendig und dreidimensional... Aber es war besonders der bildgewaltige Schreibstil, der mich begeistert hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.01.2015
Die Flucht / Monument 14 Bd.2
Laybourne, Emmy

Die Flucht / Monument 14 Bd.2


ausgezeichnet

Alex beginnt die Geschichte mit seinem Tagebuch, geschrieben wie einen Brief an seinen Bruder Dean, den er in Monument zurücklassen musste. Und direkt auf der ersten Seite hatte ich schon einen Kloß im Hals.

"Deshalb schreibe ich diesen Brief, damit später noch irgendwer weiß, wer wir waren."

Als hätte er begriffen und akzeptiert, dass diese Reise möglicherweise eine Reise in den Tod ist. Wie bitter ist das für einen Jungen in seinem Alter? Und damit beginnt ein zweiter Band, der dem ersten an Spannung und emotionaler Wucht in nichts nachsteht.

Der Leser trifft liebgewonnene Charaktere aus dem ersten Band wieder, und auch hier sind sie wieder lebendig, komplex und rundum überzeugend geschrieben. Es ist sehr spannend, mitzuverfolgen, wie die schrecklichen Ereignisse, die sie durchlebt haben, sie verändert haben, und mit welchem Einfallsreichtum sie die zahlreichen Probleme angehen. Besonders Alex und Dean sind daran gewachsen und wirken jetzt wesentlich reifer, als es eigentlich ihrem Alter entspricht! Ich glaube, es war Dean, der an einer Stelle sagt, dass das Alter zwischen ihnen keine Rolle mehr spielt, weil sie jetzt alle auf der gleichen Stufe stehen.

Obwohl sie alle völlig unterschiedliche Menschen sind, sind die Kinder und Jugendlichen zu einer richtigen Familie zusammengewachsen, und ihre bedingungslose Loyalität zueinander fand ich immer wieder rührend. Das macht es um so unerträglicher, wenn einem von ihnen etwas zustößt...

Die Spannung baut sich schnell auf und bleibt ungebrochen bis zum Schluss. Es gibt jede Menge brenzliger Situationen, es passieren schreckliche Dinge, aber das wirklich Erschreckende an diesem Buch ist nicht die Katastrophe, nicht der drohende Tod... Sondern welche menschliche Abgründe sich dadurch auftun, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, um das eigene Leben zu retten - aber gerade wenn man denkt, man könnte glatt den Glauben an die Menschheit verlieren, trifft man wiederum jemanden, der über sich hinauswächst, um anderen zu helfen. Niko zum Beispiel setzt immer wieder sein eigenes Leben aufs Spiel, um seinen Freunden eine Rettung zu ermöglichen.

Bei allem Grauen gibt es immer mal wieder eine Szene, in der man gerührt lächeln kann. Es gibt allerdings auch ein paar blutige Szenen, und ein paar davon sind relativ eklig... Aber ich fand es für ein Jugendbuch, das für 14+ angeprisen wird, immer noch akzeptabel.

Ich war auch in diesem Band wieder sehr beeindruckt davon, wie realistisch die Autorin schreibt. Man kann sich (leider) nur zu gut vorstellen, dass die Dinge sich bei einer Katastrophe genau so entwickeln würden. Auch der Schreibstil gefiel mir wieder sehr gut, und besonders gut gelungen fand ich, dass Dean und Alex ganz unterschiedliche "Stimmen" haben - die Szenen, die aus Deans Sicht geschildert sind, lesen sich ganz anders als die Szenen aus Alex' Sicht.

Inmitten all des Chaos, der Angst und der ständigen Gefahr gibt es doch hier und da ein wenig Romantik, aber auch die bleibt realistisch und alles andere als kitschig. Dean ist unsterblich in die schwangere Astrid verliebt, aber dann taucht Jake wieder auf der Bildfläche auf - und kurz darauf gehen die Dinge in Monument dermaßen drunter und drüber, dass die Romantik wirklich eher an den Rand rückt. Ich fand gut, dass die Autorin auf Schmalz verzichtet, und trotzdem ist Dean in seiner Verliebtheit manchmal unglaublich süß.

Fazit:
Die Kids aus Monument haben die ersten Wochen nach der Katatrophe überlebt, aber so langsam müssen sie versuchen, sich ihre Rettung zu erkämpfen - und dabei müssen sie sich unzähligen Gefahren stellen. Manchmal ist der ärgste Feind dabei nicht das Giftgas, denn Todesangst kann aus Menschen skrupellose Egoisten machen...

Der zweite Band bietet wieder Spannung und Action, aber auch großartige emotionale Momente und glaubhafte Charaktere. Er hat mir mindestens genauso gut gefallen wie der erste Band, wenn nicht sogar noch mehr!

Bewertung vom 01.01.2015
Spiegelwelten
Glöckner, Rolf

Spiegelwelten


sehr gut

Der Autor entzündet in "Spiegelwelten" ein wahres Feuerwerk an Einfällen und skurillen Charakteren, in einem bunten Genremix aus Fantasy und Science Fiction. Jedes Kapitel bringt neue, originelle Ideen und unerwartete Wendungen, und das Ganze wird mit gutmütigem Humor und Wortwitz erzählt. Welten hinter dem Spiegel, Prophezeiungen, Zeitreisen, Drachen, ein intergalaktischer Bösewicht, und in der Mitte aller Geschehnisse eine scheinbar ganz normale menschliche Familie...

Die jugendlichen Protagonisten, um die sich das Buch dreht, sind liebenswerte Teenager, die mit viel selbstlosem Mut gegen das Böse kämpfen und mir sehr sympathisch waren. Allerdings benehmen sie sich für mein Empfinden oft deutlich jünger, als sie tatsächlich sind, fast eher wie Kinder im späten Grundschulalter, und sie sprechen meist auf eine eher förmliche, altmodische Art. Daher bin ich mir nicht sicher, ob sich junge Leser im gleichen Alter mit ihnen identifizieren können, oder ob das Buch nicht doch eher kleinere Kinder anspricht? Andererseits habe ich das Buch auch als Erwachsene gerne gelesen, weil es mich an die Klassiker meiner Kindheit erinnert hat, wie z.B. die Chroniken von Narnia von C.S. Lewis.

Es gibt unglaublich viele Charaktere, die ich aber sehr schnell auseinanderhalten konnte, denn jeder von ihnen wird lebendig und mit vielen Details geschildert, so dass er unverwechselbar wird. Sehr schön fand ich, dass hier ganz verschiedene Wesen mit völlig unterschiedlichen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen, aufeinandertreffen, und dass sie nur gegen das Böse kämpfen können, wenn sie zusammenhalten und sich gegenseitig helfen. Eine sehr positive Botschaft!

Es steht eine Menge auf dem Spiel, denn das Schicksal von zwölf Welten hängt davon ab, dass deren magische Bücher vom bösen Raubmond zurückerobert werden. Die Zeit drängt, und so wird die Geschichte in schnellem Tempo erzählt und bleibt eigentlich immer spannend bis zum großen Finale. Eigentlich, denn die Konflikte werden alle sehr schnell und relativ problemlos bewältigt. Manchmal kam es mir ein wenig zu praktisch vor, dass jedes Mal, wenn ein Problem entsteht, einer der Charaktere genau die passende Fähigkeit oder den passenden Gegenstand aus der Tasche zaubert.

Das Buch kommt ohne große Gewalt oder Blutvergießen aus, und auch das Ende ist versöhnlich und positiv, was ich sehr angenehm fand.

Schade fand ich, dass Tom und Carolyn, die doch eigentlich die Helden der Geschichte sind, meist gesagt bekommen, was sie zu tun haben und wie es weitergeht. Sie müssen nur wenig selbst herausfinden oder entscheiden, und an vielen der wichtigsten Ereignisse sind sie nicht einmal direkt handelnd beteiligt. Sie reagieren mehr, als dass sie aktiv agieren, und manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass es die menschlichen Charaktere gar nicht zwingend geben müsste, weil sie nichts tun, was nicht auch ein anderer Verbündeter übernehmen könnte.

Der Schreibstil liest sich gediegen und anspruchsvoll, dabei aber dennoch unterhaltsam und flüssig, mit vielen lebendigen Beschreibungen voller bunter Details.

Fazit:
Eine klassische Fantasygeschichte, die sich durch die positive Botschaft und das kindgerechte Ende meiner Meinung nach vor allem für kindliche Leser eignet. Lebendige, bunte Charaktere aus zwölf ganz unterschiedlichen Welten müssen zusammenarbeiten, um dem fiesen Raubmond die magischen Bücher zu entreissen, die er ihnen gestohlen hat, und der Autor bringt dabei genug Ideen für ein dutzend Bücher ein. Ein wenig gedämpft wurde meine Begeisterung über diesen Einfallsreichtum dadurch, dass mir die Konflikte etwas zu schnell und leicht aufgelöst und die jugendlichen Helden eher von der Geschichte mitgerissen werden anstatt die Geschehnisse aktiv zu steuern. Dennoch fand ich das Buch sehr lesenswert.