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Juti
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Insgesamt 631 Bewertungen
Bewertung vom 11.03.2019
Die Jahre
Ernaux, Annie

Die Jahre


ausgezeichnet

Milieustudie in der Fünften französischen Republik

Das Haus der Geschichte in Bonn ist ein Museum, das vom Alltagsleben in der Bundesrepublik Deutschland erzählt. Dieses Buch macht das gleiche für Frankreich.

Politik wird nicht ausgespart, kommt aber nur am Rande vor, eben so wie man sich darüber im Alltag unterhält. Wichtiger sind die Fortschritte der Moderne, etwa die Einführung der 35-Stunden-Woche, der Fernseher, der PC oder das Handy.

Dinge, die viele Betreffen beschreibt die Autorin mit „man“, auch wenn etwa nicht alle Mitterrand wählen. So entstehen Lebensweisheiten wie: „Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie verboten.“ (S.150)

Persönliche Erlebnisse erzählt die Autorin in der dritten Person und ist in erotischen Fragen offen, wie mein Lieblingszitat zeigt: „als sie in Toledo im Hotel Estorial übernachten, wird sie mitten in der Nacht von spitzen Schreien wach […] Mittlerweile ist auch ihr Mann aufgewacht, und sie stellen fest, dass irgendwo eine Frau einen gewaltigen Orgasmus hat, ihre Schreie hallen von den Wänden des Innenhofs wieder und dringen durch die offenen Fenster herein. Ihr Mann schläft schnell wieder ein, während sie neben ihm masturbiert“ (S.148)

Ich habe ihr Buch „Erinnerungen eines Mädchens“ vorher gelesen. Es erstaunt, dass die Lücke in ihrer persönlichen Biographie gut kaschiert ist und nicht auffällt.

Mir gefällt ihre Art zu schreiben, ihr Humor mit echten Witzen („ein anständiges Mädchen geht um acht ins Bett, damit es um zehn zu Hause ist“ (S.15)) und lustigen Vergleichen. 5 Sterne.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.03.2019
Gott der Barbaren
Thome, Stephan

Gott der Barbaren


ausgezeichnet

China, Mission, Opiumkrieg und Taiping-Rebellion

711 Seiten, mein erster dicker Schinken 2019 und es lohnt sich.
Philipp Johann Neumann heißt der fiktive Ich-Erzähler, der als historisches Vorbild den deutschen Missionar Karl Gützlaff hat. Dieser wird im Buch auch genannt, aber er stirbt bereits 1851, als der zweite Opiumkrieg und der Höhepunkt der Taiping-Rebellion noch in weiter Ferne lag.
Der Autor sorgt dafür, dass unser Protagonist die Eigenschaften Gützlaffs übernimmt und nach Nanking reist, der Hauptstadt des Himmlischen Reiches, wie sich das Gebiet der Taiping-Rebellion nennt.
Unterwegs wird er mit seinem Kompagnon Alonzo Potter überfallen, den es auch gab, aber nicht in China, und verliert seine linke Hand.
Das geschieht auf dem Gebiet der Hainan-Armee, die im Bürgerkrieg auf Seiten des Kaisers kämpft. Ihr General Zeng Guofan traut sich nicht die beiden Ausländer zu töten, sondern pflegt den Verletzten dank des Mädchens Huang Shuhua, dessen Schicksal wir im weiteren Verlauf in ihrem Tagebuch miterleben.

An dieser Stelle sollten man vielleicht sagen, dass das Buch aus 25 Hauptkapitel besteht, die von Philipp Johann Neumann, Lord Elgin, dem britischen Sonderbotschafter im Zweiten Opiumkrieg, und General Zeng Guofan handeln. Das Tagebuchs des Mädchens kommt nur in Zwischenkapiteln vor, die sonst auch Briefe, Zeitungsberichte oder Parlamentsdebatten enthalten. Anders als bei Laetitia Colombani „Der Zopf“ finde ich hier die Einschübe sinnvoll.

Der Roman bringt uns die chinesische Geschichte nahe, denn unser Ich-Erzähler erreicht Shanghai, wo die Europäer Handel treiben wollen. Wer hätte gewusst, dass die Chinesen im Ersten Opiumkrieg erst eine Vereinbarung unterschrieben, sie dann aber nicht erfüllten, so dass Lord Elgin zwei Jahre später zurückkommen musste. Aber auch die Briten sind keine Unschuldslämmer.

Einerseits gefällt mir auch die Verbindung von Opiumkrieg mit Taiping-Rebellion, andererseits wird dadurch das Buch so lang, wie es ist. Außer dem Tod von Lord Elgin in Indien fällt mir aber wenig ein, was wirklich unwichtig ist.

Im Gegenteil nach Shanghai kommt unser „Missionar“ nach Nanking und die Herrschaft einer christlichen Sekte dort ist wirklich das absurdeste, was ich seit langem gelesen habe (und es ist historisch gesichert…). Witzig ist schon der Brief über die Fragen zum Christentum auf S.162ff und die wohl ernst gemeinte Antwort auf S.192.

Mir ist bewusst, dass die Inhaltsangabe nicht vollständig ist, etwa fehlt die Beschreibung der Kampfhandlungen in Peking und auch das Ende wird nicht verraten.

Für mich hätte es etwas spannender sein können, aber da ich viel, sehr viel gelernt habe, vergebe ich 5 Sterne.

Zitat:
Gewissheit bekommt man nicht geschenkt, man muss sie sich verdienen. (Robert Blum S.142)

Bewertung vom 28.02.2019
Die Himmelsscheibe von Nebra
Meller, Harald;Michel , Kai

Die Himmelsscheibe von Nebra


gut

die Guten und die Bösen

Ein Stern für den Krimi zur Sicherung der Scheibe, ein Stern für die wissenschaftliche Beschreibung der Scheibe, ein Stern für die Einführung in die Vorgeschichte, macht 3 Sterne.

Meine Bewertung wäre ungerecht, denn sonst zähle ich die Mängel auf für die ich die Sterne abziehe.
Also: So spannend das Buch beginnt, so langweilig endet es. Fast jedes Kapitel beginnt mit Spekulationen und was für Briefe dem Museum zur Himmelsscheibe gesendet werden. Ein Kapitel Spekulationen, Rest Wissenschaft wäre schöner. Das letzte Kapitel ist ein Romanversuch, der absolut misslingt und die Lehren der Himmelsscheibe sind reine Wiederholung.

Was mir noch mehr missfällt, ist die fehlende Demut und die wissenschaftliche Arroganz. „Die Suche geht weiter. Wir können nicht anders.“ sind die letzten beiden Sätze des Buches.

Wer hat denn die Himmelsscheibe 1999 gefunden? Raubgräber sagen die Autoren, Hobbyarchäologen sage ich. Selbst wenn man der DDR keine archäologischen Grabungen zutraut, hätte Sachsen-Anhalt 9 Jahre Zeit gehabt die Scheibe zu finden. Sie lag nicht einfach in einem Acker sondern innerhalb eines Ringwalls. Man sollte also den Raubgräbern dankbar sein, dass sie die Scheibe gefunden haben und den Hehlern dankbar, dass sie nicht nach Amerika verkauft wurde.
Ich vermute, dass die folgende juristische Auseinandersetzung das Klima zwischen den beiden Parteien so vergiftet hat, dass normale Kommunikation nicht mehr möglich ist.
Schätze suchen bleibt aber ein merkwürdiges Hobby, denn es ist doch bekannt, dass in Ländern mit Schatzregal man nichts behalten darf. Ich nehme an, dass die Himmelsscheibe eine solche Magie auf Finder und Hehler ausübte, dass sie den Fund öffentlich machen wollten. Die rechtliche Situation war Ihnen egal.

Erst als der Schatz in sicheren Händen war, wurden keine Kosten und Mühe gescheut, um die Aunjetitz-Kultur zu erforschen. Und wer weiß, was die Menschen in 100 Jahren zu diesen Forschungen sagen werden. Es bleibt bei 3 Sternen.

Bewertung vom 23.02.2019
Hysteria
Nickel, Eckhart

Hysteria


sehr gut

studentische Öko-Dystopie

Vorweg möchte ich sagen, dass ich kein Science-Fiction-Fan bin. Das Problem bei dieser Gattung liegt darin, dass geschilderte Probleme meist erst satirisch überhöht werden, um dann in unbefriedigender Art aufgelöst zu werden. So auch hier.

„Mit den Himbeeren stimmte etwas nicht.“ lautet der erste Satz und er zeichnet das Problem der Nahrungserzeugung. Gegen Ende wird klar, dass in der zukünftige Welt die landwirtschaftliche nutzbare Fläche wegen Naturkatastrophen abgenommen hat (vermutlich wegen des Klimawandels, aber das wird nicht genannt). So erklärt sich, dass Nahrung künstlich hergestellt wird, obwohl eine Naturpartei an der Regierung ist.

Ein Seitenhieb auf die heutigen Grünen wird gleich mitgeliefert. Es gibt ja das Gerücht, die Grünen würden alles verbieten, was Spaß macht und deswegen ist unter der Naturparteiregierung erst Alkohol und dann Kaffee verboten worden.

Das ist aber nur der Rahmen. Bergheim ist der Protagonist, der auf dem Markt die Veränderungen bemerkt und auf der Suche nach den Ursachen in einem Geschmacksinstitut landet.
Dort trifft er seine Studentenfreunde Charlotte und später auch Ansgar mit denen er Kulinarik studiert und sich immer in einer Buchhandlung getroffen hat, die nach zwei Unglücksfällen - einmal wurde das Schaufenster ausgeraubt, dann die Frau des Buchhändlers ermordet – schließen musste. Verdächtig wird die „spurenlose Bewegung“, die jegliche Spuren des Menschen aus der Natur tilgen will. Es könnte aber sein, dass diese Bewegung nur eine Person ist.

Dazu kommt noch ein Dreiecksgeschichte, die während der Studentenzeit noch glaubwürdig ist, gegen Ende aber etwas daher geholt erscheint, aber das waren ja meine Anfangsworte.

Deswegen nur 4 Sterne. Ich empfehle dieses Buch aber allen, die gerne über Zukunftsvisionen lesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2019
Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt
Stamm, Peter

Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt


sehr gut

Möglichkeiten und Erinnerung

„Lola rennt“ zeigte, was alles möglich ist, in einer kurzen Lebenssequenz.
Peter Stamm beschreibt die Möglichkeit, dass ein Leben sich wiederholt.
Der Schriftsteller Christoph hat nach seiner Trennung von Magdalena ein Paar gefunden, das 15 Jahre jünger genauso lebt, wie er zu damaliger Zeit. Sein Glauben, dass es so sei, bespricht er mit Lena, Chris Freundin, das sind die beiden jüngeren.
Erinnerungen können irren. Chris hat Christoph gezeigt, dass er kein Buch geschrieben, doch noch unterschiedlicher sind die Liebesgeschichten. Chris heiratet Lena, während Christoph und Magdalena nie geheiratet haben. Magdalena soll heute einen Mann haben, dessen Beschreibung auf Christoph zutrifft. Kompliziert.

Im letzten Kapitel blendet Christoph noch einmal in seine Jugend zurück, wo er ein alten Mann aufhilft, der in einem Altersheim für alleinstehende Männer lebt. Er fürchtet wohl so zu enden.
Gerade im Liebesleben sind die Chancen zahlreich, die Trennungen aber leider auch.

Mir hat der lakonische Stil des Autors gut gefallen. Ebenso die kurzen Kapitel, die viel Zeit zum Nachdenken lassen. Wenn ein Buchpreis dazu anregt, dass auch Wenigleser mal ein Buch in die Hand nehmen, dann ist es dem Schweizer Buchpreis besser gelungen als dem Deutschen.

4 Sterne, da die Handlung zu verschachtelt ist. Für 5 Sterne fehlt mir auch das Gefühl, das dieses Buch unbedingt zu lesen ist. Aber eher 5 Sterne als 3.

Bewertung vom 17.02.2019
Armageddon im Orient
Lüders, Michael

Armageddon im Orient


sehr gut

Alle gegen Teheran

Michael Lüders gehört zu den Autoren, deren neue Bücher ich immer lese. Das bleibt auch so. Während mich in seinem Syrien-Buch manchmal seine Erkenntnisse wunderten, liegt dieses Buch auf meiner Linie.
Saudi-Arabien wird von den USA hofiert und der Iran gehört, was auch immer er tut, zur Achse des Bösen. Ihm wird nicht vorgeworfen das Atomabkommen nicht einzuhalten, weil Amerika weiß, dass das nicht stimmt, ihm wird vorgeworfen dessen Geist nicht einzuhalten.

Am Anfang bringt Lüders eine kurze geschichtliche Einordnung von Arabien, die mit der lange in die Antike reichende Geschichte Persiens nicht mithalten kann. Aus Iran kommt Schach, Saudi-Arabien dagegen spielt Monopoly (vgl. S. 70).

Neu für mich, dass die Bewohner Irans ihr Land selbst so nennen und dass sie Farsi anstatt Persisch sprechen. Ansonsten führt Lüders noch andere Fachworte ein, vor allem für Arabien, die man aber schlecht behalten kann, da es weder ein Register noch ein Glossar gibt.

Im politischen Teil fehlt das Überraschende, das wirklich Neue. Trump ist alles zuzutrauen, Saudi-Arabien auch. Immerhin die Quatar-Krise und der Jemen-Krieg sind mir nun klarer. Auch der schwindende Reichtum Saudi-Arabiens, von dem schon Dirk Müller geschrieben hat, kommt vor.

Ich hätte mir noch ein Wort über die große Zahl iranischer Flüchtlinge gewünscht, die heute in Deutschland leben. Wer sind sie und warum sind sie hier?

Gerade der Mittelteil war spannend, Syrien bekannt und was der einzelne in der Außenpolitik tun kann ist nicht viel. 4 Sterne.

Bewertung vom 13.02.2019
Der Apfelbaum
Berkel, Christian

Der Apfelbaum


ausgezeichnet

großartige deutsche Familiengeschichte

Manchmal treffen sich auf meinem Nachttisch Bücher, die kaum besser zusammen passen könnten.
In „Archipel“ wurde eine spanische Familie chronologisch rückwärts erzählt, jetzt eine deutsche Familie in herkömmliche Art und Weise.

Der Vater des Vaters Otto vom Ich-Erzähler, der biografisch dem Autor ähnelt, stirbt in Russland im 1.Weltkrieg, sein Vater wächst mit Mutter und Stiefvater in einem Kreuzberger Hinterhof auf. Otto muss sich im Leben regelrecht durchschlagen. Auf einer Einbruchstour lernt er seine spätere Frau Sala kennen, deren alleinerziehender Vater Reformpädagoge, Bi und Alternativ ist. Die jüdische Mutter kämpft in Spanien gegen Franco. Beide haben sich auf dem Mont Veritate bei Ascona kennengelernt.
Sala und Otto können wegen den Nazis nicht zusammen kommen.

Wie beide den Krieg überstehen, ist der Höhepunkt dieses Buches. Sala überlebt ein Lager im französischen Gurs, lebt dann mit falscher Identität in Leipzig. Otto arbeitet als Frontarzt in Russland und gerät in Kriegsgefangen­schaft.

Als er zurückkehrt, heiratet er Waltraud. Sala lebt währenddessen in Argentinien mit ihrer gemeinsamen Tochter Ada.
Letztlich trafen sich Otto und Sala doch noch in Berlin, Otto ließ sich scheiden und alles wäre gut, wenn nicht die Krankenschwester am Sterbebett gewesen wäre, aber das sollt ihr selber lesen.

Erstmals 2019 hat mich ein Buch wirklich gefesselt. 5 Sterne.

Lieblingszitat:
Man weiß nie, wie die Fische küssen, unter Wasser sieht man's nicht, und über Wasser tun sie's nicht. (S.345)

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2019
Archipel
Mahlke, Inger-Maria

Archipel


gut

Spanische Geschichte chronologisch rückwärts

Jeder Mensch hat 2 Eltern, 4 Großeltern und, wenn die Eltern nicht Cousin und Cousine sind, bereits 8 Urgroßeltern. So ist zu verstehen, dass die Autorin nicht mehrere Familiengeschichten erzählt, sondern eine. Ausgehend von Rose Bernadette Baute und ihren Eltern wird die Geschichte ihrer Großeltern und den Urgroßeltern des Vaters mütterlicherseits erzählt.
Denn der Vater Felipe scheitert als Historiker an der Uni bei der Aufarbeitung der Geschichte Teneriffas zur Zeit Francos, weil auch seine Eltern unterschiedlicher Auffassung waren.

Mich hat nicht der chronologisch rückwärts erzählte Teil gestört, ich fand die 165 Seiten des Jahres 2015 zu lang. Seitenlang werden Tour de France Etappen beschrieben, die der Greis Julio im „Asilo“ (und hier sei bemerkt, dass es ein Glossar mit spanischen Wörtern gibt, das aber das Altersheim wie andere Wörter auch fehlt) als Pförtner im Fernsehen verfolgt.
Wenig bleibt von der Gegenwartsbeschreibung, etwa die Verschwendung von EU-Subventionen oder der Umgang mit Trinkwasser.

Der Umgang mit der Vergangenheit hat mir besser gefallen, auch wenn beim Tod des Bruders von Felipe fragen bleiben und auch was mit Jorge geschah ist mir nicht klar.
Neben der politischen Situation kommt auch das Liebesleben nicht zu kurz, allerdings bestanden die Ehe früher nur auf den Papier, dank der katholischen Kirche, die mit dem Franco-Regime zusammen arbeitete.

Wenn Carlos Ruiz Zafon in Teneriffa statt in Barcelona leben würde, wäre der Roman überflüssig, so aber vergebe ich vor allem wegen der Längen am Anfang nur 3 Sterne.

Bewertung vom 07.02.2019
Die seltsamsten Orte der Antike
Zimmermann, Martin

Die seltsamsten Orte der Antike


ausgezeichnet

Reiseführer für Altphilologen

Ruinenclub heißen Reisegruppen, die sich antike Steine anschauen. Für solche Leute ist dieses Buch wie geschaffen.
Von ein Tempel als Wiege der Menschheit bis hin zu Troja, dass wohl nur ein antiker Mythos war. Das Orakel von Delphi durfte nicht in Feindeshand fallen und Rom gründete sich beim Kapitol.

Die Fundamente des Turm von Babel wurde erst in diesem Jahrhundert in einem Tümpel bei Babylon entdeckt, die griechische Stadt Helike versank schon in der Antike nach Erdbeben und Tsunami im Meer. Klar, dass man die wissenschaftliche Erklärung damals nicht kannte.
Pompeius baute sich ein Denkmal gut sichtbar in den Pyrenäen, genau auf der heutigen Grenzen von Frankreich und Spanien. Caesar und den römischen Senat ärgerte dies. Caesar baute ein Denkmal bei Nizza und beide marschierte durch den Triumphbogen in Rom, dessen genauen Ort heute nur vermutet werden kann.

Orte der Liebe sind Abydos und Sestros zwischen denen die Dardanellen liegen, weil Hero und Leander immer die Meerenge durchschwimmen mussten. Babylon bestand zur Zeit der antiken sieben Weltwunder nur noch aus Ruinen. Wenn es die Hängenden Garten aber doch gab, dann waren sie für eine Königsgemahlin, die im Zweistromland ihre bergige Heimat vermisste.

Kleopatra schaffte mit ihrem Geliebten Marc Aurel ein Grabmal, das nur durch ein höheres Fenster zu betreten war. Jung verstorbene, wie Lady Di, erschaffen oft einen Mythos. So auch Antinoos, der im Nil ertrank. Als Geliebter des Kaisers Hadrian wurde für ihn extra eine neue Stadt gegründet.
Im nächsten Kapitel werden Ausnahmeräume behandelt. Hinrichtungsplätze gehören ebenso dazu wie Handelsschiffe, die vor allem im Sommer fuhren und keineswegs erholsam für die Passagiere waren. Die Stadt Abdera war das antike Schilda und Kyme war das antike Ostfriesland.
Wir lernen die Akademie Platons im Norden Athens kennen. Hier gab es auch das erste Gymnasion, in dem sportliche Wettkämpfe stattfanden. Die Teilnehmer waren nackt, denn nackt heißt griechisch „gymnos“. Die Römer hielten von philosophischen Akademien nicht viel.

Mazaka ist ein Ort in Anatolien, seit Jahrhunderten an einer wichtigen Handelskreuzung gelegen. Von römischen Geografen Strabo wurde das verkannt. Er kritisierte alles an der Stadt.
Die Stadt Alba Longa kämpfte mit Rom um die Vorherschaft in Latium. Um die Orte nicht zu schwächen, kämpften stellvertretend zwei Drillingspaare, der letzte Römer gewinnt mit einer List und tötet seine Schwester, da ihr Bräutigam zu den Gegnern gehörte. Sein Vater läuft als Sühne unter dem Schwesterbalken.

Am Südufer des Schwarzen Meers in Ionopolis gab es ein Orakel wie in Delphi. Der Römer Lukian witterte Betrug und schrieb den Roman „Alexander oder der falsche Prophet“.
Bibliotheken waren Orte des Wissens. Die in Alexandria hatte weniger Paoyrosrollen als man früher dachte. Auch ob ein Feuer zur Zeit Caesars die Bücher zerstörte oder nicht eher Christen später das Wissen vernichteten ist heute fraglich. Die älteste Bibliothek stand in Ninive im Nordirak, was wir dank erhaltener Tontafeln wissen

Das Buch endet mit den Enden der Welt. Für Alexander war die Welt im heutigen Tadschikistan zu Ende. Sein Heer wollte nicht nach Indien, was so als mythischer Ort erhalten blieb. Der Geograf Pythea, der uns nur durch Zitate von Strabo bekannt ist, kam bis zum mythischen Ort Thule, der sehr an Island erinnert. Das westliche Ende der antiken Welt befand sich am heutigen Leuchtturm Faros in Portugal.

Ein mehr als interessanter Gang durch die antike Welt mit viel Neuem und kein Professorenstil. Nicht alle Orte sind real, aber das erhöht nur den Reiz. 5 Sterne. (gekürzt)

Bewertung vom 03.02.2019
Alles ist möglich
Strout, Elizabeth

Alles ist möglich


sehr gut

Liebesgeschichten der zweiten Wahl

2019 lerne ich einen neuen Romanbegriff kennen. Wie schon „Das Feld“ von Robert Seethaler handelt es sich bei diesem Roman um Kurzgeschichten, die nur lose zusammenhängen.

Handwerklich ist das alles in Ordnung. Der Inhalt erinnert an O'Connor „Keiner Menschenseele kann man noch trauen“, heile Welt gibt es nicht. Aber einsam sind die Protagonisten nicht.

Sei es der Farmer eines abgebrannten Hofes, der im Feuer Gott sah und seinen Nachbarn besucht, sei es Patty, die Sebastian liebte, der von seinem Stiefvater missbraucht wurde. Sie selbst mag auch keinen Sex, da sie ihre Mutter mit ihrem Spanischlehrer im Bett erwischt hatte: „Dass die Brüste ihrer Mutter so groß sein sollte – Patty kam nicht darüber hinweg, über diese Brüste, die da entfesselt über Mr Delaney hin und her schwangen.“ (S.54) Später „bekam sie das Bild nicht aus dem Kopf: ihre Mutter, blusenlos, BH-los, wie sie auf diesem Mann ritt, der mit dem Mund nach ihren schwingenden Brüste schnappte.“ (S.55)

Dann hören wir Frauengeschichten: Ein Sohn hat ein Mädchen umgebracht und es zwei Jahre später der Mutter gestanden, was ihre Beziehung entzweite. Linda lebt mit einem Psychopathen zusammen und deckt ihn, auch bei der Polizei, so dass ihr Frauenbesuch in der Gästesuite nicht wieder kommt.

Charlie trifft sich mit der Hure Tracy. Aus Geschäft wird Liebe. Tracy verlangt kein Geld mehr und auch Charlies Ehefrau ist einverstanden. Als Tracy 10.000 Dollar für ihren drogenabhängigen Sohn braucht, bestiehlt Charlie seine Frau. Vom Zerbrechen der Ehe hören wir erst später.

Angelina hat ihren Mann nach der Goldhochzeit und nach überstandener Tumorkankheit verlassen, um mit dem über 20 Jahre jüngeren Paolo in Italien ein neues Leben anzufangen. Wer kann es ihr verbieten? Sie wird von ihrer Lieblingstochter Mary besucht, die auch so ihre (Ehe)problemchen hat.

Lucy besucht Bruder Pete im Elternhaus. Dann kommt Schwester Vicky und aus den nicht gerade schönen Kindheitserinnerungen im verschmutzen Haus, wo alles unter den Teppich gekehrt wird, wird Sex bei dem sich die Frau die Nase putzt, bis Lucy es nicht mehr aushält.

Dottie hat eine Pension, die Ehepaar Small beherbergt, das mit Dottie ins Gespräch kommt, um über die Ehe der Nachbarn zu reden bis es zum Streit kommt, als Dottie den Satz „David, dieses Haus ist Shellys Penis.“ (S.197) Dann folgt noch eine Geschichte über Inzest und ein Mann, der das Pony seiner Enkelin im Theater abholen will und wieder Erwarten aufgehalten wird.

Das alles ist etwas spannend, aber ich frage mich, was der verpasst, der dieses Buch nicht liest. Und die nüchterne Antwort ist: Nichts. Außer guter Unterhaltung. 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.