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La Calavera Catrina

Bewertungen

Insgesamt 649 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2022
Der große Fehler
Lee, Jonathan

Der große Fehler


ausgezeichnet

„In seinem Kopf begann seine eigene Version New Yorks zu entstehen.“

Der Roman beruht auf einer historisch wahren Begebenheit, um die bekannte Person Andrew Haswell Green. Die Geschichte beginnt mit seinem Tod, an einem Freitag, dem 13. November 1903, als er vor seinem Haus in New York erschossen wurde. Inspector McClusky untersucht den Fall und geht der Frage des Tatmotivs nach. Andrew H. Green war jemand, der große öffentliche Werke geschaffen hat und sich für moralische Interessen und Fortschritt einsetzte. Das heutige Stadtbild hätte es ohne sein Zutun nie gegeben: ihm verdanken die New Yorker den Central Park, das Metropolitan Museum of Art und die Public Library. Er war ein Pionier und eine spezieller Mensch, der für die öffentliche Wahrnehmung Junggeselle blieb und auf seine Privatsphäre bedacht war. Er blieb gern für sich und liebte es, lange Spaziergänge zu machen oder ein Buch zu lesen. Der Roman erzählt von seinem Leben und ist gleichzeitig eine Liebeserklärung an New York.

Wer einen spannenden Krimi erwartet, wird von der ungewöhnlichen Mischung überrascht sein. Hier trügt der Klappentext, aber der Roman lässt sich auch schwer irgendwo einordnen. Jonathan Lees Schreibstil ist detailliert, seine Sätze ausschweifend und kunstvoll. Es ergeben sich denkwürdige Sätze, kleine Weisheiten des Lebens und bildhafte Szenen. Die Handlung scheint manchmal stillzustehen, bis sie in Zeitlupe weiterläuft, während auf Gedanken, Beschreibungen und Sinneswahrnehmungen eingegangen wird. Das mag nicht jedem gefallen, aber ich fand den Stil großartig, der meine Vorstellung von Andrew H. Green und New York im 19. Jahrhundert immer lebendiger werden ließ. Hier passte für mich alles zusammen: Die Überschriften der Kapitel, die jeweils die Namen der Tore des Central Parks tragen, die authentischen Figuren und der Erzählstil, bei dem nichts dem Zufall überlassen wurde. Jonathan Lee dokumentiert nicht einfach nur das Leben von Andrew H. Green - zu dessen Zweck er unveröffentlichten Tagebücher, Briefe und historische Dokumente studiert hat -, er füllt die Lücken auf und läßt eine Idee von Andrew H. Green lebendig werden. Für mich war das eine stimmige Mischung aus Fiktion und Fakten.

Bewertung vom 31.03.2022
Baddabamba und die Insel der Zeit / Baddabamba Bd.1
Orths, Markus

Baddabamba und die Insel der Zeit / Baddabamba Bd.1


ausgezeichnet

„Bekämpft man Gewalt mit Gewalt, so muss einer irgendwann damit aufhören, sonst nimmt die Gewalt kein Ende.“

„Baddabamba und die Insel der Zeit“ ist ein Insel- und Abenteuerroman, geschrieben in der Pandemie, der Erwachsene in ihre Lese-Kindheit zurück katapultiert und Kinder begeistern wird.

Es geht um ein kleines Mädchen, das auf einer seltsamen Insel landet. Mithilfe ihrer neuen Freunde muss sie sich auf die gefährliche Reise durch den Dschungel und den bevorstehenden Kampf mit der Teufelskrake vorbereiten, um wieder nach Hause reisen zu können.

Alle Figuren sind überaus einzigartig und liebenswert. Die verträumte 10-jährige Paula ist die kleinste in ihrer Familie, liebt es auf ihrem Pferd Henry zu reiten und in Bücher einzutauschen. Dank ihrer schnellen Auffassungsgabe und der Kraft, der sich immer wiederholenden Routine, wird sie innerlich und äußerlich immer stärker. Der zurückhaltende Baddabamba ist eine sehr interessante Figur: Mit seiner gewählten Ausdrucksweise und seinem ruhigen Charakter ist der Gorilla der gelassene Fels in der Brandung, und „der Meister in allen möglichen Kampfarten“. Anna Bella ist die coolste Sau im ganzen Land; rotzig, frech, ganz im Hier und Jetzt, nimmt sie alles etwas lockerer. Bei ihr darf Paula so viel Cola trinken, wie sie möchte, solange sie sich keine Sorgen macht. Carissima ist die Oma mit den vielen Gemütszuständen und dem Specht im Haar. Sie erinnert mit ihren roten Haaren ein wenig an Pipi Langstrumpf, wenn sie die stärkste Oma der Welt ist.

„Das schaffe ich nie!“ erwiderte Paula. „Dieser Satz ist ein Satz“, sagte Baddabamba, „den ich jetzt gerade zum letzten Mal von dir gehört habe, Paula.“

Fast alles auf der Insel hat mit Zeit zutun: das Uhrzeitmeer, der Zeilupen-Sumpf oder Zukunftsträumen. Die Zeit findet sich in Kleinigkeiten wieder, in den Figuren, ihren Fähigkeiten und raffinierten Zusammenhängen, gekonnt verstrickt, bis zum Schluss. Es gibt allerhand Wesen auf der Insel: bösartige Hubbanesen, eine gefährliche Teufelskrake, fliegende Krokodile, Spiegel-Igel, Spazierstock-Haie und, und, und. Die spannenden Szenen sind unglaublich fesselnd geschrieben und der letzte Satz des Buches hat mich wirklich restlos begeistert. Das Vor- und Nachsatzpapier zeigt eine Karte der Insel und im Buch finden sich, neben illustrierten Vignetten, drei doppelseitige s/w-Bilder, der Rest wird der Fantasie überlassen.

Dieses Buch hat uns absolut begeistert. Es ist randvoll gefühlt mit faszinierenden Einfällen rund um Zeit und ausgeklügelten Erklärungen. Ein gelungenes Leseerlebnis, mit unaufdringlich klugen Worten und versteckten Weisheiten, unvergesslichen Charakteren, spannender Handlung, bildlicher Erzählweise und fantasievollen Ideen. Wer bereits „Die Luftpiraten“ von Markus Orths kennt, weiß um die sprachlichen Qualitäten und das Ideenfeuerwerk, das seine Kinderbücher einzigartig macht. Ein großartiger Kinderbuchschatz, der mit einem abgeschlossenem Ende ganz für sich alleine steht, aber sehr große Lust auf die Fortsetzung und ein Wiedersehen mit Baddabamba macht.

Zum Schluss finden wir: Jeder braucht einen Rudi auf seinem Abenteuer. Ihr wollten wissen, was das bedeuten soll? Ihr findet die Antwort im Buch. Viel Spaß!

Bewertung vom 11.03.2022
Die Schule der Felidix / Mitternachtskatzen Bd.1
Laban, Barbara

Die Schule der Felidix / Mitternachtskatzen Bd.1


gut

Im Auftakt der Abenteuerreihe dreht sich alles um die geheimnisvolle Schule der Katzenflüsterer und ihre neue Schülerin Nova, die gemeinsam mit ihrem Mitschüler Henry ihre Fähigkeiten entdeckt, Katzen verstehen und mit ihnen sprechen zu können und eine nächtliche Rettungsaktion, bei der es darum geht, den Mitternachtskatzen zu helfen, die Königin aus dem Gefängnis zu befreien.

Wer Katzen liebt und nach einer Geschichte voller miauenden Charaktere sucht, dürfte mit „Mitternachtskatzen“ einen Treffer landen. Barbara Laban hat es geschafft, Katzen und ihre liebenswerten Qualitäten in den Mittelpunkt zu rücken, und trotzdem den menschlichen Hauptfiguren genug Raum zu geben. Nova ist eine interessante Figur, mit einer geheimnisvollen Familiengeschichte und Henry ein passender Begleiter. Ich habe bei den vielen Katzen manchmal etwas den Überblick verloren - dazu würde ich mir für die kommenden Bücher eine Illustrierte Übersicht wünschen. Auch die nächtliche Atmosphäre von London wurde bestens eingefangen. Damit habe ich in vielen Punkten bekommen, was ich mir beim Lesen erhofft hatte. Die Illustrationen sind wunderbar kunstvoll und stellen alle wichtigen Charaktere und einige Situation dar. Auch der Schreibstil trägt dazu bei, dass man mit leichten Pfoten durch die Geschichte tapst. Nur von der vorhersehbaren Handlung, war ich etwas enttäuscht. Es fing so stark an, aber wurde immer vorhersehbarer und flacher. An manchen Stellen hätte ich gern mehr über Novas Mitschüler erfahren, ihr Leben, bevor sie auf die Schule der Felidix kam oder die Katzen. Alles wird nur angerissen und selbst, wenn zu hoffen bliebt, dass es bewusst für die Fortsetzungen zurückgehalten wurde, fühlte es sich beim Lesen nicht rund an. Insgesamt aber ein vielversprechender Auftakt, der noch nicht das ganze Potenzial seiner Idee nutzen konnte. Trotzdem bin ich gespannt auf die Fortsetzung und würde die Reihe allen Katzenfans empfehlen.

Bewertung vom 11.03.2022
Monster auf der Couch
Strandberg, Mats;Jägerfeld, Jenny

Monster auf der Couch


sehr gut

Das Buch beginnt mit einem verzweifelten Brief von M. an die Schwedische Polizeibehörde. Noch immer weiß niemand, was mit der Psychotherapeutin J. passiert ist. Sie bleibt vermisst. Das baut Spannung auf, allerdings bleibt man auf dem selben Wissenstand, wie die Schwedische Polizeibehörde, die vermutlich die Akten durchgeht. Denn neben dem Brief enthält das Schreiben vier Akten der Therapeutin. Das besondere: ihre Klienten waren „Ikonen der viktorianischen Schauerliteratur“: der zerrissene Dr. Jekyll, die Vampirin Carmilla und ihre Geliebte, der selbstverliebte Dorian Gray und der geplagte Dr. Frankenstein und seine Familie. Alle durch die Zeit gereist, um von den Fortschritten in der Psychologe zu profitieren. Ziemlich bizarr - vor allem die Paartheraphie einer Vampirin mit einer Sterblichen - aber auch eine spannende Idee, unheimlichen Persönlichkeiten aus der Literatur eine neue Richtung geben zu wollen, deren Psychosen möglicherweise auch auf das rückschrittliche Zeitalter zurückzuführen sind . Es gibt einige, die mitmachen, andere verschließen sich - die Reaktionen sind so vielfältig und spannend, wie die Persönlichkeiten selbst.

Es geht um Themen wie Polyamorie, Homosexualität, Feminismus, Schönheitsbilder, aber vor allem darum, die ungeliebten Seiten an sich zu akzeptieren. Es war frustrierend und amüsant zugleich, wenn die Figuren sich in Abschweifungen und Aphorismen flüchteten, unfähig einen Zugang zu ihren Gefühlen herzustellen. Als Therapeutin muss man offenbar viel Geduld mitbringen, als Leserin empfand ich das streckenweise als langatmig und mühsam. Die Therapeutin wächst dabei über sich hinaus, punktet als kompetente Beobachterin und gewährt Einblicke in ihre persönlichen Traumata, mit denen sie sich erneut konfrontiert sieht. Der Schreibstil ist dialogreich und authentisch, teilweise auch anspruchsvoll und lädt zum Nachdenken ein. Interessant ist zudem der informative Aspekt, wo sich reale Theorien mit fiktiven Klienten kreuzen: Sigmund Freuds Thesen zur Psychoanalyse (Konflikt des Über-Ichs mit dem Es) oder Lawrence Kohlbergs Stufenmodell der moralischen Entwicklung. Im Gegensatz zu anderen Lesern und Leserinnen, fand ich das Ende gelungen, weil es zum Buchkonzept passt und man, durch das Lesen der Akten, durchaus eigenen Schlüsse, über den rätselhaften Fall der verschwunden Psychologien, ziehen kann.

Besonderes erwähnenswert finde ich die realistisch wirkenden s/w-Bleistiftskizzen (Porträts oder Gegenstände), Sitzungsprotokolle, Briefe, handschriftliche Notizen, Artikel und Fotografien, die von der Therapeutin für das Buchprojekt gesammelt wurden. Dadurch gestaltet sich das Lesen sehr unterhaltsam und man hat das Gefühl, tatsächlich ihre Akten durchzuarbeiten. Ein echtes Gestaltungshighlight! Ich mochte besonders die handschriftlichen Notizen in den Sitzungsprotokollen, da sie tiefblickende Bewertungen aufwarfen. Dadurch werden insgesamt spannende Einblicke in das Denken und Vorgehen einer Psychotherapeutin und den Ablauf ein Therapie gegeben, weshalb man auch etwas für das eigenen Leben daraus mitnehmen könnte. Deshalb würde ich „Monster auf der Couch“ besonders denen empfehlen, die sich für Psychologie, menschliche Abgründe, aus der Zeit gefallende Dialoge und schauderhafte Persönlichkeiten interessieren. Von mir gibt es vier von fünf Sternen!

Bewertung vom 11.03.2022
Violet und Bones (eBook, ePUB)
Cleverly, Sophie

Violet und Bones (eBook, ePUB)


sehr gut

Angesiedelt in England im 19. Jahrhundert geht es in diesem Reihenauftakt um die außergewöhnliche Violet, in deren Leben der Tod immer eine Rolle gespielt hat. Schließlich lebt sie nicht nur neben einem Friedhof, sondern ihr Vater ist Totengräber. Das erinnert mich an den ersten Satz, der mir sehr im Gedächtnis geblieben ist: „Ich wurde in einer Leichenhalle geboren.“ Spätestens da, wollte ich das Buch unbedingt lesen.

Als willensstarke weibliche Hauptfigur, hat mir Violet sehr gefallen, weil sie nicht aalglatt dargestellt wird. Wer also durchweg sympathische Figuren sucht, die nur positiv Eigenschaften mitbringen, könnte sich an Violet stören, die in ihrer Stur- und Überheblichkeit an die Buchreihe mit Enola Holmes erinnert, bei der man auch gern vergisst, dass sie eigentlich erst dreizehn Jahre alt ist. Violet, Oliver und ihr treuer Begleiter Bones sind jedenfalls ein tolles Team, das großen Lesehunger auslöst und auf weitere Fälle hoffen lässt. Insgesamt hätte ich mir mehr Rätsel und spannende Handlungsentscheidungen gewünscht, gleichzeitig hat der elegante Schreistil, das Setting und der kitzelnde Gruselfaktor einen so angenehmen Unterhaltungswert, dass ich es schlussendlich richtig gut fand und auch Erwachsenen weiterempfehlen würde, die eine kurzweilige Detektivgeschichte mit starker Hauptfigur suchen.

Bewertung vom 04.03.2022
Madame Kunterbunt und das Geheimnis der Mutmagie / Madame Kunterbunt Bd.1
Thilo

Madame Kunterbunt und das Geheimnis der Mutmagie / Madame Kunterbunt Bd.1


ausgezeichnet

Schon der Einstieg ins Buch ist stimmungs- und geheimnisvoll. Die neunjährige Nicky wacht mitten in der Nacht auf, und beobachtet, mit ihrem Cousin Nick, mysteriöse, nächtliche Aktivitäten am Nachbarhaus. Der nächste Morgen wird aufregend, denn die gesamt Klasse 3a bekommt eine neue Lehrerin. Sie ahnen noch nicht, dass ihnen eine unvergessliche Woche bevorsteht. Denn ihre neue Klassenlehrerin Madame Kunterbunt ist eine warmherzige, lustige und freundliche Person, die die Schule zu einem magischen Ort werden lässt, indem sie ihre Schüler ermutigt und ihre Fantasie beflügelt. Jeden Tag trägt sie ein anderes Kleid in den Farben des Regenbogens und ihre lebenslustige und chaotische Art ist ansteckend. Mit dabei sind ihre drolligen und streitlustigen Chamäleons Cilly und Rosso, die mit ihren magischen Schimmerschuppen Wünsche erfüllen können. Mit ihrer unkonventionellen Unterrichtsgestaltung geht sie auf die Wünsche ihre Klasse ein und erreicht damit, dass der Unterricht Spaß macht und die Kinder wieder gern zur Schule gehen. Was genau sie machen, wird nicht verraten und natürlich gibt es das ein oder andere Problem. Zwar bilden die 3a und ihre neue Lehrerin eine verschworenen Gemeinschaft, um ihr Geheimnis zu schützen, aber es gibt eine Person, die keinen Spaß versteht: Rektor Plümpe, der Pünktlichkeit und Ordnung eine hohe Bedeutung beimisst und herausfinden will, was da Seltsames in seiner Schule vor sich geht.

Der Autor Thilo beschreibt eine Lehrerin, die sich viele Kinder wünschen würden und gibt der Geschichte Zeit, sich zu entfalten und die Charaktere
kennenzulernen. Madame Kunterbunt löst Probleme auf kreative Weise und beweist Menschlichkeit, weil auch sie nicht frei von Fehlern ist.
Nick und Nicky sind sympathische Figuren mit Charakter, denen man gern durch die Geschichte folgt. Es geht im Kern um Mut, Gleichberechtigung (unter Geschwistern) und die Kraft der Fantasie. Verpackt in eine bunte Geschichte voller Magie, kreativer Ideen und liebenswerter Figuren, die einem ein wohlig warmes Gefühl bescheren und Spaß machen. Dialogreiche Texte, große Schrift und auflockernde s/w-Illustrationen machen das Buch noch spannender für Kinder. Uneingeschränkte Empfehlung für große und kleine Menschen ab 8 Jahren zum Selber- und Vorlesen.

Bewertung vom 04.03.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


sehr gut

Inspektor Avi Avraham ermittelt in zwei neuen Fällen:
Zum einen geht es um die Frau Liora, die mehrfach verhört wird, weil sie einen Säugling vor dem Krankenhaus abgelegt hat und sich nicht kooperativ zeigt. Liora bleibt bei ihrem Plan und versucht manipulativ und herablassend die Kontrolle über das Verhör zu erlangen. Der andere Fall, indem Avi Avraham hauptsächlich ermittelt, dreht sich um einen verschwundenen Franzosen, der nicht in sein Hotel zurückgekehrt ist. Es kommt bei den Fällen schließlich zu Überschneidungen und Avi Avraham reist sogar nach Frankreich, um fehlende Teile zusammenzufügen.

Inspektor Avi Avraham ist eloquent, bodenständig und lebt seine Berufung, auch wenn er sich für seine Arbeit mehr sinnenhafte Tragweite wünscht. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen und gibt ein gemächliches Tempo vor. Im Gegensatz zu Krimis, die auf den ersten Seiten ein Mordopfer präsentieren, konstruierte Wendungen und zunehmende Spannung inszenieren, vertraut Dror Mishani auf die Ermittlungsarbeit seiner Protagonisten, nimmt sich Zeit und baut ein Bild, das beim Lesen zutiefst realistisch und authentisch wirkt. Avi Avraham und seine KollegenInnen haben eine Menge Fragen, und die Antworten sind mühsam zu bekommen. Lüge und Wahrheit gilt es zu unterscheiden und manchmal ist eben Geduld gefragt. Vor allem bei dem Fall des ausgesetzten Säuglings, waren die Verhöre so mühsam, dass ich nur Bewunderung für die Kollegin hatte, die zudem noch eine drohende Erblindung erleidet. Was mir nicht so gut gefallen hat: Die Wiederholung der erlangten Erkenntnisse bei der Informationsweitergabe empfand ich als unnötig. Ehrlicherweise hat mich die Handlung nicht packen können, aber ich erinner mich vor allem, an das angenehme Gefühl beim Lesen. Es war vermutlich der entspannendste Krimi, den ich je gelesen habe. Außerdem hat mich das Buch nicht ganz losgelassen und nachhaltig beeindruckt. Das war mein erster Kriminalroman von Dror Mishani, deswegen kann ich keine Vergleiche zu den anderen drei Fällen der Reihe ziehen.

Fazit:
Ein Kriminalroman, der die Ermittlungsarbeit und ihre Suche nach Antworten in den Fokus rückt, und ganz ohne Gewalt, Waffen oder unrealistische Konstruktionen auskommt. Eine dezente Spannung zieht sich durch den Roman, der mit authentischen Protagonisten und einem gelungenem Schreibstil punktet. Wer Lust auf einen Krimi hat, dessen Handlungsfluss man entspannt folgen kann, dem sei dieses Buch empfohlen.

Bewertung vom 04.03.2022
Sei stärker als die Angst
Fleisch, Sabrina

Sei stärker als die Angst


sehr gut

Inhalt:
Das Arbeitsbuch ist so aufgebaut, dass man zuerst die aktuelle Situation betrachtet und ein Ziel festlegt, auf das man hinarbeiten möchte. Dafür beantwortet man einige Fragen und darf kreativ werden, wenn man möchte. Danach werden Emotionen - insbesondere die Angst - näher beleuchtet und Bewältigungsstrategien vorgestellt. Es geht darum, negative Gedanken zu durchbrechen, Gefühle zuzulassen, sich beängstigenden Situationen bewusst auszusetzen und daran zu wachsen, wobei Hilfsmittel, wie Atemtechniken, Affirmationen und Visualisierung an die Hand gegeben werden. Selbstliebe und Selbstakzeptanz spiele auch eine wichtige Rolle, stehen hier aber nicht im Fokus - dafür gibt es von der Autorin ein separates Workbook.

Zwischen den schriftlich zu beantwortenden Fragen und dem Sachtext besteht ein ausgewogenes Verhältnis. Abwechselnd wird ein Thema behandelt, dann kommt der schriftliche Teil und dann wird das Ganze gefestigt. Wenn man sich so intensiv mit dem Sachverhalt beschäftigt, tut man das auch im Alltag. Es arbeitet in einem weiter, weshalb das Buch einen großen Mehrwert bietet. Dabei spielt der Aufbau eine wichtige Rolle. Es soll chronologisch jede Frage in ganzen Sätzen beantwortet werden. Das verlangt viel ab und ist nicht immer einfach. Dafür nimmt man sich am besten jeden Tag ein bisschen Zeit und betrachtet das Buch als Projekt, das man in seinem eigenen Tempo durcharbeiten kann.

Die Autorin Sabrina Fleisch hatte selbst in ihrer Kindheit mit Ängsten und Panikattacken zu kämpfen, hat sich beruflich dazu weitergebildet und schreibt vielleicht deshalb so kompetent und einfühlsam. Ich habe vieles angestrichen und fand ihre Wortwahl einprägend und ermutigend. Das Wort „Angstimpfung“ aus dem Buch, finde ich nicht gut gewählt und würde es positiver formulieren und durch Mutmuskeltraining ersetzten. Ich kombiniere mein Wissen verschiedenen Bücher und Experten lieber, weil nicht ein Buch - auch hier nicht - alle Probleme lösen kann.

Für wen das Buch geeignet ist:
Wenn man ein sehr vorsichtiger Mensch ist, zu Misstrauen und ständigen Sorgen neigt, und den Eindruck hat, unter der eigenen Zerbrechlichkeit, Zurückhaltung und Mutlosigkeit zu leiden, lohnt es sich genauer hinzuschauen und mit diesem Buch zu arbeiten. Es eignet sich besonderes, wenn man im Reflektieren geübt ist und mit Sachbüchern gut arbeiten kann. Meiner Meinung nach eine gute Alternative, wenn eine Therapie (noch) nicht möglich ist oder man es generell bevorzugt, sich Dinge selbst zu erarbeiten. Einen Therapeuten kann das Buch natürlich nicht ersetzten. Ein Versuch ist es aber wert und dieses Buch bietet eine gelungene Mischung aus hilfreichen Informationen, Reflextionsfragen und Übungen.

Bewertung vom 04.03.2022
Ancora
Hadler, Colin

Ancora


weniger gut

In „Ancora - Die Zeit ist gegen dich“ geht es um die achtzehnjährige Romy, die gemeinsam mit ihrem Freund und ihrem bestem Kumpel das Dorf Ancora besucht, um in der autarken Gemeinschaft neue Ideen für ihre Gedichte zu finden und ihre Beziehung zu retten. Doch es geschehen mysteriöse Dinge, die nur Romy zu bemerken scheint, und die sie Wahn und Realität bald nicht mehr unterscheiden lassen.

Eine fast schon abgedrehte Selbstfindungsstory einer jungen Frau, die zwischen Beziehungsdrama, der eigenen Zerrissenheit und den seltsamen Vorkommnissen, ihrer eigenen Bestimmung folgen muss.

Mich konnte das Buch leider nicht so begeistern. Die teilweise auch gruseligen Mystery-Elemente, vereinzelten Cliffhanger und offenen Fragen tragen dazu bei, dass man weiterlesen möchte, aber die Hauptfigur Romy, ihre Freunde und die Bekanntschaften aus dem Dorf haben mich kaum erreichen können. Es waren für mich austauschbare Persönlichkeiten ohne nennenswerten Tiefgang. Mit ihrem Freund agiert Romy hauptsächlich über Konflikte und die Motivationen der Figuren, wurde für mich immer fragwürdiger. Besonders bei Romy hätte ich mir mehr authentische Intensität gewünscht, gerade auch weil der Roman in der Ich-Perspektive geschrieben wurde. Richtig gut inszenierte Spannung kommt selten auf und verfliegt so schnell, wie sie gekommen ist. Interessante Sequenzen werden nicht ausgebaut. Hier konnten einige Ideen ihr Potenzial gar nicht entfalten. Unzählige Fragen bilden sich im Laufe der Geschichte und die Spekulationen enden erst auf den letzten Seiten, zwar schlüssig, konnten mich aber nicht gänzlich überzeugen - wahrscheinlich hatte mich da die Geschichte schon verloren.

Fazit: Klischeehaft, oberflächlich und konstruierte Spannungsmomente, zugeschnitten auf ein jugendliche Leserschaft. Irgendwie hatte ich mir darunter etwas anderes vorgestellt und konnte, seit langem, mit einem Buch gar nichts anfangen. Für die Zielgruppe könnte es aber durchaus einen Blick wert sein. Für mich war es nur leider nicht das passende.

Bewertung vom 04.03.2022
Ungeheuer weckt man nicht / Sea Monsters Bd.1
Iland-Olschewski, Barbara

Ungeheuer weckt man nicht / Sea Monsters Bd.1


sehr gut

Hauptfiguren der Geschichte sind der zehnjährige Finn und die gleichaltrige Poppy, die gerade erst aus Glasgow auf die schottische Insel gezogen ist. Durch einen Zufall entdecken sie ein Seemonster, das für ziemliches Chaos auf der Insel sorgt und ein Geheimnis aus der Vergangenheit aufdeckt.

Besonders toll sind die zahlreichen s/w-lllustrationen und die farbig gestaltete Karte. Mit den kurzen Kapitel und der großen Schift eigenen sich das Buch gut für Selbstleser ab 9 Jahren. Tatsächlich würde ich das Buch bis ca. 12 Jahren begrenzen, weil die einfach gestrickte Erzählweise, das schnelle Tempo und die oberflächlichen Charaktere sich eher an Jüngere richten. Vorlesende Erwachsene hätten möglicherweise nicht so viel Spaß mit dem Buch. Das spannende Handlungsgeschehen dürfte, neben den mystischen Monstern aus dem Meer, der größte Pluspunkt der Geschichte sein. Außerdem werden unterhaltsam wichtige Werte wie Mut und Freundschaft vermittelt und die Charaktere sind sympathisch. Die Hauptfiguren gerate sowohl mit sich selbst (Ängste überwinden) in Konflikt, als auch bei der Auseinandersetzung mit den Erwachsenen, was die richtige Entscheidung betrifft. Denn auch Erwachsene wissen nicht immer eine Antwort oder treffen die richtige Wahl. Mehr Informationen über die Insel, die Leute und die Hauptfiguren wären interessant gewesen und hätten der Geschichte mehr Würze verliehen. Der Fokus liegt aber auf einer flott erzählten Abfolge der Ereignisse, die Spannung erzeugt und zum Dranbleiben motiviert.

Fazit: Ein kurzweiliges Kinderbuch und maritimes Abenteuer mit Seemonstern und einem spannendem Finale für Kinder von 9-12 Jahren. Wir vergeben 3,5 Sterne für den ersten Band von Sea Monsters.