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seschat
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Insgesamt 897 Bewertungen
Bewertung vom 13.01.2019
Was würdest Du tun?
Bohmeyer, Michael;Cornelsen, Claudia

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ausgezeichnet

Michael Bohmeyer hat 2014 den Verein "Mein Grundeinkommen" gegründet. Dieses Crowdfunding-Projekt zahlt für den Zeitraum von 1 Jahr monatlich 1000 Euro an Personen aus, die sich zuvor auf der Homepage des Vereins dafür beworben haben und per Zufallsgenerator dafür ausgewählt worden sind. Bis heute wurden insgesamt 258 Grundeinkommen ausgezahlt.

Das vorliegende Buch beschreibt das ungewöhnliche und politisch heiß diskutierte Projekt näher. Um herauszufinden, welche Bevölkerungsgruppen zu den Begünstigten zählen und inwiefern die monatliche Finanzspritze deren Leben verändert hat, ist der Ex-ITler Michael Bohmeyer mit der Journalistin Claudia Cornelsen einmal quer durch Deutschland gereist. Das Ergebnis dieser subjektiven Studie ist ein spannendes "Psychogramm unserer Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts (S. 22)." Insgesamt werden in 10 Tagen 24 Städte bereist und damit 24 unterschiedliche Personen besucht. Ob Hotel-Erbin, Managersohn, Beamter, Minijobber, Selbstständige oder Arbeitslose, keine Berufsgruppe fehlt. Dies verwundert nicht, bedenkt man, dass es ein bedingungsloses Grundeinkommen ist, also schlichtweg jeder dafür in Frage kommt. So sind die Begünstigten von 2 bis 67 Jahre alt. Am interessantesten an den 24 kurzen Erfahrungsberichten ist die private Komponente, sprich, inwieweit das zusätzliche Geld sich auf Leben und Beruf ausgewirkt hat. Und auch hier unterscheiden sich die unterschiedlichen Umgangsformen voneinander. Zum einen gibt es die Sparer bzw. Anleger und zum anderen die Spender und Investoren. Was aber alle vereint, ist das Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmtheit. Wenn monatlich die Grundkosten abgedeckt sind, lebe es sich schlichtweg leichter, so die Gewinner des Grundeinkommens. Der tägliche Stress ums liebe Geld fällt weg und lässt alle erst einmal auf sich selbst und die eigenen Wünsche rückbesinnen. Auch der Blick auf die Politik, und die Gesellschaft wandelt sich, wenn Existenzängste keine Rolle mehr spielen. D. h., es wird genauer hingeschaut und weniger weggeschaut. Mitunter lösen die Begünstigten sogar ungeliebte Arbeitsverhältnisse auf und wagen einen beruflichen Neuanfang, gern auch im Ehrenamt. Kurzum, das Gemeinschaftswohl rückt stärker in den Fokus.

M. E. besitzt Bohmeyers Projekt viel Potenzial. Denn Gesellschaft und Arbeitswelt befinden sich im ständigen Wandel, so dass der Sinn von Arbeit und Leistung immer mehr hinterfragt wird. Das bedingungslose Grundeinkommen bietet eine Möglichkeit aus den engmaschigem beruflichen und staatlich sanktionierten Netz (Hartz IV...) auszubrechen und eigene Wege zu gehen.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.01.2019
Lennart Malmkvist und der überraschend perfide Plan des Olav Tryggvason / Lennart Malmkvist Bd.3
Simon, Lars

Lennart Malmkvist und der überraschend perfide Plan des Olav Tryggvason / Lennart Malmkvist Bd.3


sehr gut

INHALT
Lars Simons Abschlussband der Fantasytrilogie um Lennart Malmkvist habe ich sehr entgegengefiebert. Darin kämpft der Besitzer eines Zauber- und Scherzartikelladens in Göteborg gegen die bösen Mächte von Olav Tryggvason, genannt Krähenbein. Um den dunklen Magier aus längst vergangenen Zeiten endgültig zu schlagen, bedarf es nicht nur der vier Dunklen Pergamente, sondern auch der vereinten Kräfte der sog. Pergamentwächter. Zudem will Lennart seinen Pflegehund Bölthorn, einen sprechenden adipösen Mops, zurück in die Welt der Lebenden holen. Wird er die ihm auferlegten Aufgaben und Herausforderungen bewältigen können?

MEINUNG
Lars Simons dritter Band beginnt etwas verhalten und verworren. Dies mag zum einen an Lennart Malmkvists langer Leitung liegen und zum anderen am kryptischen Keksorakel. Kurzum, wieder einmal konnte mich der Autor bereits auf den ersten Seiten mit seinem speziellen Humor begeistern. Der schlaksige Antiheld Malmkvist begegnet den magischen und damit recht ungewöhnlichen Entwicklungen um ihn herum recht gelassen. So kann ihn auch nicht der bärbeißige Piratenkapitän Darraben einschüchtern. Denn gerade dieser Wiedergänger wird ihm auf seiner Mission noch von großem Nutzen sein. Mir haben besonders Darrabens verbale Entgleisungen und nassforschen Kommentare imponiert, so dass er sich schnell zu einen meiner Lieblinge mauserte. Daneben war es vor allem der naseweise, wenn auch physisch stark eingeschränkte Mops, der mein Leserherz erweichen konnte. Auch die Nebencharaktere konnten in ihren Rollen überzeugen. Der Plot nahm Stück für Stück an Fahrt an, endete dann aber leider sehr, sehr schnell. Insbesondere Bölthorns Verwandlung am Schluss irritierte mich. Hier hätte ich mir einen beschaulicheren Übergang gewünscht. Darüber hinaus kann die Story doch nicht auf solch abrupte Weise enden oder? Sicherlich gab es ein Happy End, aber die Geschichte zwischen Lennart und der geheimnisvollen Elfe bedarf m. E. einer Fortsetzung. Sprachlich hatte ich nichts auszusetzen. Flugs hatte ich die ersten hundert Seiten geschafft und konnte die Lektüre auch nicht wieder beiseite legen. Dies ist vor allem Simons ausgeprägtem Sinn für skurrile Situationskomik geschuldet. Darin macht ihm keiner etwas vor. Auch das effektvolle Cover konnte mich abermals überzeugen.

FAZIT
Ein Trilogieabschluss mit kleinem Schönheitsfehler, den ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge gelesen habe.

Bewertung vom 01.01.2019
Die Villa an der Elbchaussee / Hamburg-Saga Bd.1
Johannson, Lena

Die Villa an der Elbchaussee / Hamburg-Saga Bd.1


ausgezeichnet

INHALT
Die 17-jährige Frieda Hannemann entstammt einer angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilie. Ihr Vater betreibt ein Kontor für Kakao. Doch die wirtschaftliche Lage nach dem Ersten Weltkrieg ist alles andere als rosig. Hinzu kommt, dass Friedas Bruder Hans Hannemann als gebrochener Mann aus dem Krieg heimkehrt und damit die interne Firmennachfolge gefährdet ist. Auch Friedas Idee, einer Schokoladenmanufaktur, bringt nur bedingt finanzielle Erleichterung. Besser wäre es, für Frieda und damit für das Fortbestehen des Kontors einen vermögenden Ehemann zu finden. Doch Frieda will entgegen den Vorstellungen ihrer Eltern lieber selbst die väterliche Firma übernehmen und denkt nicht daran, sich mit der Rolle der Hausfrau und Mutter zu begnügen...

MEINUNG
Lena Johannsons Auftaktband um die Hamburger "Schokoladen-Dynastie" bot durchweg spannende wie emotionsgeladene Unterhaltung. Die Handlung beginnt recht ruhig und steigert sich Seite für Seite. Hierfür sorgen die vielfältigen Verstrickungen der einzelnen Charaktere untereinander, deren wahres Ausmaß der Leser erst gegen Ende erfasst. Die insgesamt 433 Buchseiten haben es in sich. Denn nicht nur Fans der Stadthistorie kommen dabei auf ihre Kosten, sondern auch Anhänger melodramatischer Stoffe. Im Fokus des Plots steht dabei die alles überstrahlende junge Protagonistin Frieda Hannemann, die versucht, sich in der von Männern dominierten Kaufmannswelt zu behaupten und dabei nicht nur einmal mit den gängigen Konventionen der Zeit bricht. Mit ihrem Geschäftssinn und ihren innovativen Ideen bereichert sie den Familienbetrieb. Mutig und mit viel Empathie für Familie und Freunde geht sie durchs Leben. Dass dabei Freundschaften zerbrechen und eigene Hoffnungen wie Träume zerplatzen, muss sie ein ums andere Mal schmerzlich erfahren. Mir hat vor allem ihre charakterliche Stärke und ihr Kampfeswille imponiert. Darüber hinaus fand ich Johannsons Beschreibung von Hamburg in den 1920ern sehr reizvoll - hierhin würde ich gern einmal eine Zeitreise unternehmen. Alles in allem bot der erste Band der Familiensaga prächtige Unterhaltung, wenngleich ich den Buchtitel "Die Villa an der Elbchaussee" etwas unpassend finde, da diese Lokalität keine große Rolle innerhalb der Handlung spielt. Nichtsdestotrotz ist Johannson mit diesem Werk ein mitreißender Pageturner gelungen, bei dem Historie, Gefühl und Kulinarik eine ausgewogene Melange eingehen.

FAZIT
Eine rundum überzeugende Auftaktlektüre, die fesselt und auf baldige Fortsetzung hoffen lässt.

Bewertung vom 30.12.2018
Jahre aus Seide / Das Schicksal einer Familie Bd.1
Renk, Ulrike

Jahre aus Seide / Das Schicksal einer Familie Bd.1


gut

Ulrike Renks Australien- und Ostpreußensaga sind famose Lesestoffe, die, einmal angefangen, sofort süchtig machen. Dementsprechend gespannt war ich auf ihre neueste Familientrilogie, die Anfang Dezember 2018 erschienen ist.

INHALT
In "Jahre aus Seide" entführt Ulrike Renk den Leser ins Deutschland der 1930er-Jahre. Im Fokus steht dabei die Geschichte der begüterten jüdischen Familie Meyer aus Krefeld. Hautnah erlebt der Leser darin mit, wie sich die politischen Wirren der Weltwirtschaftskrise und der ohnmächtigen Weimarer Republik sowie der aufstrebenden NSDAP im Kleinen, d. h. auf eine Familie und deren unmittelbares Umfeld, auswirkten. Anfangs lebte Familie Meyer ein ausgesprochen großzügiges und sorgloses Leben mit Villa, Haushälterin, Hund sowie eigenem Chauffeur. Vater Karl Meyer verdiente als Handlungsreisender für Schuhe sehr gutes Geld, wovon seine Frau Martha und die beiden Töchter Ruth und Ilse profitierten. Doch der politische Wandel und der zunehmende Antisemitismus führten Jahr für Jahr zu Einschränkungen. Obschon sie religiös sind, fühlen sich Meyers als Deutsche. Sie sind liberal und können sich nur schwer von ihrem Krefelder Haus und Freundeskreis trennen, aber die Repressalien gegen sie werden immer schlimmer...

MEINUNG
Anders als bei den o. g. Sagas hatte ich lange Zeit mit dem seichten und wahrlich monotonen Familienidyll auf den ersten 200 Seiten zu kämpfen. Einkäufe in der Stadt, Mahlzeiten und Besuche beim mondänen Nachbarn Merländer wechselten immerfort einander ab. Infolge legte ich das Buch nicht nur einmal beiseite und fing dann doch wieder an, weil ich auf Besserung hoffte. Und die trat auch ein, wenn auch erst im letzten Drittel. Nämlich erst dann gewannen die Figuren und der Plot an Konturen, wurden historisch unterfüttert und emotionalisiert. Hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Lieblingsfigur, gefiel mir die naseweise wie sprunghafte Ruth Meyer auf einmal recht gut. Gegen Ende hat sie die wohl größte Entwicklung durchgemacht. Zu Ruths labiler Mutter Martha konnte ich hingegen keine wirkliche Verbindung aufbauen, sie blieb mir zu blass. An der sprachlichen Umsetzung konnte mich besonders Renks Rückgriff auf typische Wortschöpfungen und Ausdrücke aus den 30ern, wie "phänomenal" oder "knorke", überzeugen. Auch die Einbindung des innenpolitischen Geschehens fand ich gelungen. Zudem fußt der vorliegende historische Roman auf einer wahren und damit spannenden Geschichte. Nichtsdestotrotz störten mich der zähe, fast schon kaugummiartige Anfangs- und Mittelteil und die häufigen Grammatikfehler (besonders KNG-Kongruenz).

FAZIT
Ein insgesamt durchwachsener Auftaktband, der erst zum Schluss seine wahre Größe entfalten konnte.

Bewertung vom 23.12.2018
No time to eat
Tschernigow, Sarah

No time to eat


sehr gut

In unserer heutigen hektischen und eng getakteten Zeit gerät das Essen bzw. Kochen schnell zur Nebensächlichkeit. Häufig greift man dann aus Mangel an Alternativen bzw. Stress zum zuckrigen Snack oder Getränk, um den Hunger zu stillen. Doch diese unbewusste Ernährung, die zumeist aus Fast Food/Junkfood besteht, macht uns langfristig krank, müde und unausgeglichen. Die Journalistin und Ernährungstrainerin Sarah Tschernigow hat dies am eigenen Leib erfahren müssen. Ungewöhnliche Arbeitszeiten beim Radio als auch die Unzufriedenheit mit sich selbst, ließen sie mit Ende zwanzig eine Essstörung samt Fitnesswahn entwickeln. Aus diesen Teufelskreis auszubrechen, war nicht leicht. Doch die Autorin hat es mithilfe einer psychologischen Therapie und der Herausbildung des eigenen Ernährungskonzepts und Podcasts "No time to eat" geschafft. Fortan schwört sie auf Clean Eating und gibt ihr Wissen an interessierte Kunden weiter. Und das Beste daran ist, dass man dazu keine App bzw. einen sog. Kalorientracker braucht. Denn alle möglichst unbehandelten gesunden Nahrungsmittel sind erlaubt. Stark industriell verarbeitete Lebensmittel, wie Tiefkühlpizza, Chips & Co, sind hingegen Gift. Was einfach klingt, ist es auch. Was der Laie zu einer derartigen Ernährungsumstellung benötigt, sind etwas Zeit und einen starken Willen. Tschernigows 10-Punkte-Plan ist m. E. recht simpel und damit alltagstauglich. Berücksichtigt man zudem noch, dass Mealprep, d. h. Vorkochen bzw. Vorbereiten von Speisen für den Folgetag oder die gesamte Woche, der Schlüssel zu jeglicher süßen bzw. zuckrigen Verführung sein kann, dann hat man es fast geschafft. Und selbst, wenn man einmal im Restaurant oder in der Kantine isst, kann nichts passieren, solange man sich auf relativ naturbelassene Kost beschränkt. Natürlich muss man von Tschernigows Konzept überzeugt sein, das keineswegs auf süße Ausnahmen verzichtet, aber auf einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln und damit unserer Ernährung abzielt. Ihre Tipps und Rezepte lassen sich schnell umsetzen und fußen zudem auf eigener Erfahrung, sind also nicht weit hergeholt oder rein theoretischer Natur. Alles in allem hat mir Tschernigows offener Umgang mit ihrer eigenen Geschichte sowie dem zurzeit medial heiß diskutierten Thema Ernährung sehr gefallen, obschon ihr Ansatz nicht neu ist. Doch gerade Workaholics bedürfen solcher Ratgeber, weil sie durch übermäßigen Fast Food Genuss oft Schindluder mit ihrer Gesundheit treiben. Mich hat die Autorin darin bestätigt, mein Essen fürs Büro weiterhin vorzubereiten und auf hämische Kritik mit einem Lächeln und noch mehr Gelassenheit zu reagieren. Denn ist nicht jeder seines Glückes Schmied?

Bewertung vom 16.12.2018
Meine Hormone - Bin ich ferngesteuert?
Wimmer, Johannes

Meine Hormone - Bin ich ferngesteuert?


ausgezeichnet

Bereits mit seinem Buch "Ein Schnupfen ist kein Beinbruch" konnte mich der sympathische norddeutsche Dermatologe und TV-Arzt Dr. Johannes Wimmer von sich überzeugen. Denn er schafft es wie kein Zweiter, komplizierte medizinische Zusammenhänge und Begriffe allgemeinverständlich und heiter, unter Verwendung vielfältiger Alltagsbeispiele, zu erklären. Kurzum, das übliche unverständliche Fachchinesisch findet der Leser hier nicht. Vielmehr wird er kurzweilig über die Bedeutung von Hormonen für den menschlichen Körper sowie die bekanntesten Hormonarten (Melatonin, Serotonin, Insulin, Testosteron, Cortisol usw.) aufgeklärt. So erfährt man beispielsweise, dass die Entdeckung der Hormone erst 100 Jahre zurückliegt und bisher nur 100 verschiedene Hormonarten bekannt sind. Diese kleinen geheimnisvollen Botenstoffe beeinflussen nicht nur unseren Stoffwechsel, sondern auch unsere Entwicklung. Das umfangreiche Wirkungsspektrum der Hormone ist einfach faszinierend. Mir hat es zudem gefallen, dass Wimmer in jedem Kapitel die normalen Hormonwerte im Blut beziffert und allerlei Ratschläge im Fall von Über- und Unterversorgung gegeben hat. Dementsprechend kam auch das Schlusskapitel, das als kleine "Hormonsprechstunde" angelegt wurde, gut an. Wer sich darüber hinaus noch mit der Thematik beschäftigen möchte, dem sei das ausführliche Literatur- und Adressverzeichnis empfohlen.

FAZIT
Ein locker-leichtes Medizinbuch, das sich bestens als Einstiegslektüre zum Thema Hormone bzw. Endokrinologie eignet. So macht Medizin Laune. Ich werde nun auf jeden Fall einmal einen Blick auf Dr. Wimmers Videoblog werfen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.12.2018
Mein Kopf gehört mir
Meckel, Miriam

Mein Kopf gehört mir


ausgezeichnet

Die Journalistin und Professorin für Kommunikationsmanagement Miriam Meckel setzt sich schon lange mit dem Einfluss der zunehmenden Technisierung und Digitalisierung auf unser Leben auseinander. In ihrem neuesten Buch "Mein Kopf gehört mir" geht es um unser Gehirn und dessen Optimierung, auch Brainhacking genannt. Im Silicon Valley werden nahezu täglich neue Methoden und Verfahren ersonnen, um unsere Denkleistung zu steigern. Die Autorin ist deswegen extra in die USA gereist, um dort an wissenschaftlichen Experimenten, wie z. B. dem Neuro-Enhancement mittels Stromstößen bzw. Medikamenten (Ritalin, Modafinil usw.), teilzunehmen. Doch ihre persönlichen Erfahrungen waren ernüchternd. Die getesteten Hirndopingmethoden gingen mit Kopfschmerzen, Übelkeit und Überreizung statt mit Leistungssteigerung einher. Als Leser fragt man sich dabei nicht nur einmal, muss das denn alles sein? Wir sind doch keine Maschinen/Computer oder etwa doch? Die Crux an der ganzen Geschichte ist folgende Tatsache: Während PCs immer mehr vermenschlicht, gar emotionalisiert werden sollen, ist man dabei, das Hirn immer mehr auf Maschine, sprich auf effizientere Leistungen, zu trimmen. Und nichts anderes tun wir, indem wir uns Geräte bzw. Apps zum Selftracking zulegen und uns damit getreu dem unheilvollen Motto "Erscanne dich selbst!" (S. 105) immerfort selbst überwachen und zu höheren Leistungen treiben. Am gruseligsten empfand ich dabei den teilweise schon experimentell erprobten Versuch, Hirn und Computer durch Hirnimplantate, sog. Neuralinks, miteinander zu verschalten. Das hat mich sofort an Frankensteins Monster denken lassen. Und wo zieht man bei diesem Verfahren die Grenze zwischen Selbst- und Fremdbestimmung? Ich bin wie Meckel gespannt auf die Zukunft und hoffe auf eine harmonische Einheit zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz.

Mich hat Meckels ungemein aufschlussreiches wie offenes Sachbuch sehr nachdenklich gestimmt. Ihre scharfsinnigen Ausführungen sind Realität und gerade das macht diese teilweise so schwer verdaulich. Abermals fragt man sich doch: Quo vadis schöne neue Welt?

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.12.2018
Die seltsamsten Orte der Antike
Zimmermann, Martin

Die seltsamsten Orte der Antike


ausgezeichnet

Der Münchener Althistoriker Martin Zimmermann liebt sein Fach und kennt sich bestens damit aus. Daher verwundert es nicht, dass er nun eine Sammlung der "seltsamsten antiken Orte" herausgebracht hat. Gemeinsam mit dem historisch interessierten Leser geht er dabei auf eine eigenwillige Rundreise durch die antike Welt. Die ausgewählten Lokalitäten sind einerseits bekannt (z. B. die Hängenden Gärten von Babylon oder das Serapeion in Alexandria) und andererseits völlige Neuentdeckungen (z. B. Städte wie Helike und Olympos).

Als studierte Altertumswissenschaftlerin zog mich die Materie schnell in ihren Bann. Mit Neugier und Freude ging ich an die Lektüre und habe sogar noch einige neue, zumeist überraschende Aspekte dazulernen können. Zimmermanns ausgesprochene althistorische Expertise verbunden mit seinem kurzweiligen Schreibstil hat mir sehr imponiert. Nahezu spielerisch vermag er beim interessierten Leser Interesse für längst vergangene Zeiten und Orte zu entfachen. Die Kapitel über römische Latrinen und Antinoopolis konnten mich am meisten überzeugen. Darüber hinaus will Zimmermann den Leser nicht belehren, sondern einfach gut unterhalten und zum Staunen bringen. Mit seinem Buch zeigt er, dass es immer schon Kurioses bzw. Seltsames auf der Welt gegeben hat, was man sich nicht erklären konnte. Auch die z. T. recht übersichtliche Quellenlage lässt er nicht unerwähnt. So wissen wir zwar, dass es in Rom beispielsweise die Porta Triumphalis gegeben hat, aber wo sich diese genau befunden hat, kann bis heute nicht wirklich eruiert werden. Zudem sind die Berichte der antiken Dichter und Schriftsteller oft tendenziös und damit nur bedingt von Nutzen. Nichtsdestotrotz hat mir Zimmermanns antikes Panoptikum spannende Lesestunden beschert. Das einzige Manko stellte die fehlende Liste mit weiterführender Sekundärliteratur dar. Die antiken Schriftquellen wurden hingegen umfassend aufgeführt. Abschließend soll noch der liebevoll illustrierte Glanzeinband gewürdigt werden, welcher das Buch zu einer wahren Preziose macht.

FAZIT
Eine spannende Reise quer durch die damals bekannte Welt, bei dem eine Kuriosität die nächste abwechselt. Auf diese Weise weckt man auch bei der jungen Generation das Interesse für die Antike. Weiter so!

Bewertung vom 09.12.2018
Claus Schenk Graf von Stauffenberg
Schlie, Ulrich

Claus Schenk Graf von Stauffenberg


ausgezeichnet

Fulminante Biografie
Dem Historiker und Professor Ulrich Schlie ist mit seinem Essay über Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944) ein wahrlich großer Wurf gelungen. Obschon dieses Buch bereits vor 10 Jahren erstmals erschienen ist, hat der Herder Verlag nun eine erweiterte Neuausgabe herausgebracht. Das mag zum einen am grundgelehrten Inhalt und zum anderen an Schlies ungemein lesbarer Umsetzung des durchaus diffizilen Themas liegen. Auf insgesamt 224 Buchseiten bekommt der geneigte Leser einen vielschichtigen Überblick über die damalige historisch-politische Gemengelage. Wie das Attentat vom 20. Juli 1944 im Hauptquartier "Wolfsschanze" ablief und warum Stauffenberg vom verdienten Wehrmachtsoffizier zum Widerstandskämpfer wurde, schildert Schlie ungemein kenntnisreich und kriminalistisch fesselnd. Fachkundig entlarvt er dabei Mythen und verweist auf die Rezeptionsgeschichte Stauffenbergs im Wandel der Zeit. Hierbei lässt er nicht nur Zeitzeugen und Zeitgenossen zu Wort kommen, sondern bindet auch aufschlussreiche Fotografien sowie Erkenntnisse aus der Sekundärliteratur mit ein. Kenner der Materie wie Laien werden gleichermaßen von dieser Biografie, die vor allem auf Stauffenbergs 18-jährige Offizierslaufbahn abzielt, begeistert sein. Denn Schlie wird darin sowohl dem Privatmann Stauffenberg als auch der mythischen Figur gerecht. So erfährt der Leser von den Anfängen des wissbegierigen wie disziplinierten fränkischen Adelssprosses, der den Philosophen Stefan George verehrte und enge familiäre Bande pflegte, und von dessen steiler Armeekarriere. Er besaß das Charisma einer Führungspersönlichkeit, so Schlie, um stets einflussreiche Leute um sich zu scharen und verhielt sich dabei aber stets korrekt. Auch seine hohe Bildung wird nicht verschwiegen, die ihm neben dem Offiziersalltag noch einen Dolmetscherlehrgang und andere Seminare besuchen ließ. Während andere Kameraden in Kneipen und Kasinos versackten, bildete er sich weiter bzw. mobilisierte Kräfte zum Widerstand gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime. Am erstaunlichsten ist aber sein unbedingter Mut, das Attentat trotz vielfältiger körperlicher Einschränkungen, fünf Kindern und strenger polizeilicher Überwachung durchzuführen. Er träumte von nationaler Erneuerung und schloss sich deshalb dem Hitler Regime an, doch merkte bald, dass dieser neue Staat nur wahnhafte Interessen weniger berücksichtigte. Wie Stauffenberg seit 1942 im Geheimen agierte, um Widerstandsmaßnahmen wie -personal zu organisieren, ist für die damalige Zeit beeindruckend und las sich ausgesprochen spannend. Auch seine Verbindung zu anderen Gruppierungen des sog. deutschen Widerstands werden dabei nicht verschwiegen. Darüber hinaus werden moderne filmische Umsetzungen, wie Operation Walküre, kritisch bewertet.

FAZIT
Wer sich ein vollumfängliches Bild über Claus Schenk Graf von Stauffenberg und den 20. Juli 1944 machen will, der sollte unbedingt zu diesem Buch greifen. Denn Ulrich Schlie vermittelt mehr als graues Schulwissen, indem er Zeitgeschichte auf wenigen Buchseiten für den Leser erlebbar macht.

Bewertung vom 09.12.2018
Verschlusssache Karlsruhe
Darnstädt, Thomas

Verschlusssache Karlsruhe


sehr gut

Einmal einen Blick hinter die Kulissen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe werfen zu dürfen, das hat sich wohl schon so jeder interessierte Mitbürger einmal gewünscht. Der Jurist und Journalist Thomas Darnstädt macht dies möglich. Für den Spiegel hat er jahrelang von den Karlsruher Urteilen berichtet und dabei allerhand Aktenmaterial studiert. Was ihm dabei in die Hände fiel, war z. T. recht aufschlussreiche richterliche wie bundespolitische Korrespondenz. Von den Anfängen nach 1945 bis hin zum Streit um den § 218 erzählt Darnstädt die Geschichte des obersten deutschen Gerichts nach. Hierbei greift er auf bekannte Urteile (u.a. KPD-Verbot oder die Spiegel-Affäre) zurück, um den kleinteiligen Wahrheitsfindungsprozess der damaligen Richter nachvollziehen zu können, der trotz des Unabhängigkeitsanspruchs in den frühen Jahren noch oftmals staatspolitisch beeinflusst wurde.

Wer sich dieser Lektüre annimmt, braucht einen langen Atem. Denn die Stellungnahmen, Handaktennotizen wie Urteile sind alles andere als leicht verständlich. Obschon Darnstädt alles Wichtige zusammenkürzt, muss man als Leser stets aufmerksam sein, wird dafür aber mit direkten Einblicken in die Wirkmechanismen und Arbeitsabläufe des Bundesverfassungsgerichts im Wandel der Zeit entlohnt. Als Leser merkt man schnell, wie viel kleinteilige Arbeit in diesem Sachbuch steckt. Chapeau, wer da als Autor den Überblick zu wahren weiß.

FAZIT
Keine leichte Lesekost, die sich aber wegen der gerichtlichen wie zeithistorischen Aspekte zu lesen lohnt.