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anette1809 - katzemitbuch.de
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Bewertungen

Insgesamt 957 Bewertungen
Bewertung vom 01.03.2015
Super-GAU / Rupert Rau Bd.1
Bauer, Michael Gerard

Super-GAU / Rupert Rau Bd.1


ausgezeichnet

"Rupert Rau, Super-Gau" ist der erste Band einer Comic-Roman-Reihe, die Michael Gerard Bauer zusammen mit seinem Sohn Joe entwickelt hat. Auch wenn die Rupert-Rau-Serie für ein jüngeres Publikum als die Ismael-Trilogie des Autors konzipiert ist, so beinhaltet sie doch seinen typischen Humor und eine gewisse Tiefe, wie man sie aus seinen anderen Büchern kennt.

Rupert Rau erzählt, wie er zu seinem Spitznamen gekommen ist und von den diversen Super-Gaus, die er in der Schule verursacht. Diese verdankt er seiner Verträumt- und Unkonzentriertheit, denn statt dem Unterricht zu folgen, schreibt Rupert Rau lieber an seinem Helden-Comic um Archie "Achtung" Amber, der sich sogar mit weitaus simpleren Mitteln als der Fernsehserienheld MacGyver aus scheinbar ausweglosen Situationen befreien kann. Wie schade, dass das in der Realität bei Rupert Rau nicht genauso gut klappt. Nach vielen Super-Gaus stellt sich jedoch heraus, dass so ein Gau durchaus auch seine positiven Seiten haben kann, aber bis es soweit ist, blamiert sich Rupert nicht nur einmal... Doch auch sein bester Freund Puff-Puff Rodriguez oder gar sein Lehrer Mr Winter bleiben von den peinlichen Vorfällen nicht verschont, nur das Puffy eine sehr viel lockerere Einstellung zum Leben hat als Rupert:

'Er findet einfach immer alles gut. Ich glaube, das liegt an seinen Eltern. Eigentlich sind sie nett. Sie arbeiten beiden als 'Lebensberater'. Keine Ahnung, was genau das bedeutet, aber sie sagen dauernd Sachen wie: "Denke nie, das kann ich nicht, denn dann kannst du es nicht! Denke immer, das kann ich, dann kannst du es!" und "Scheitern gibt es nicht, nur verzögerten Erfolg!"' (S.14)

Neben vielen peinlich-witzigen Vorfällen, die sich Rupert durch seine Schusseligkeit aussetzt, behandelt das Buch auch die Integration von neuen Schülern und den Glauben an seine Fähigkeiten, aber wie immer schafft Michael Gerard Bauer solche tiefschürfenden Dinge federleicht in eine witzige Handlung zu integrieren.

Nicht nur Michael Gerard Bauers Geschichte überzeugt, auch die visuelle Umsetzung seines Sohns Joe schafft dies: die Bilder sind schräg und nehmen den Humor seines Vaters auf. Neben den Illustrationen ist auch die Typographie verspielt und comicartig. Der Comic im Comic (Archie "Achtung" Ambers Geschichte) fügt sich nahtlos in die Haupterzählung ein und verleiht dem Comic-Roman noch eine weitere Facette.

Rupert Rau wird sicherlich auch Lesemuffel zum Lesen animieren können: der großartige Humor lässt die Seiten nur so fliegen. Auch wenn es mittlerweile einige Comic-Roman-Reihen auf dem Markt gibt, sollte man sich Michael Gerard Bauers Geschichten um Rupert nicht entgehen lassen!

Reihen-Info:
http://michaelgerardbauer.com/my-books/eric-vale-epic-fail/
1. Eric Vale Epic Fail (Rupert Rau, Super-Gau)
2. Eric Vale Super Male
3. Eric Vale Off the Rails

Bewertung vom 23.02.2015
Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek
Whitehouse, David

Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek


ausgezeichnet

Das Buch beginnt mit dem Ende und erinnert ein wenig an den Kultfilm "Thelma und Louise":

Bobby, Val und Vals Tochter Rosa sind mit einem Bücherbus durch England geflüchtet - warum und vor wem, das erfährt man an dieser Stelle noch nicht - die Polizei hat sie nun an einer Klippe umstellt und versucht zumindest die beiden Kinder zu retten. Das Ende ist sehr melancholisch. Bobby, Rosa und ein Hund stellen sich der Polizei, im Hintergrund stürzt der Bus die Klippen herunter. Danach beginnt das Buch von vorne, nicht zu dem Zeitpunkt, als die Entführung oder Flucht im Bus losgeht, sondern einige Wochen oder Monate früher, in Bobbys Kindheit, wo er nur einen Freund hat und von den anderen Kindern unterdrückt und erniedrigt wird. Die Freundschaft der beiden hatte eine schockierende Wirkung auf mich, Sunny, Bobbys Freund, will sich für Bobby zum Cyborg umbauen lassen, um immer zu seinem Schutz an seiner Seite sein zu können. Wie schlecht es Bobby geht, kann der Leser zu diesem Zeitpunkt nur erahnen, dass sein einziger Freund deshalb so weit geht, sich Beine und Arme brechen zu lassen, um während der OPs Metallplatten eingesetzt zu bekommen. Die Kinder scheinen verrückt! Leider geht der Plan daneben, Sunnys Mutter zieht mit ihrem Sohn an die Südküste Englands und Bobby steht wieder einmal alleine auf sich gestellt da.

In dieser Situation macht der die Bekanntschaft zu der behinderten Rose und deren Mutter Val, die für die Reinigung des Städtischen Bücherbuses zuständig ist. Als Die Stadt die Mittel streichen und den Bus schließen wollen und zudem Gerüchte aufkommen, dass Val Bobby entführt und misshandelt, kommt es zu einer Kurzschlussreaktion: die drei hauen mit dem Bücherbus auf eine Odyssee quer durch England ab... und dem Leser wird nun erst so richtig klar, dass die Insassen des Busses vor ihren alten Leben davonlaufen.

Sie treffen auf böse Gestalten, zum Beispiel einen Baron, der ihre Mission beinahe zum Scheitern bringt, aber wie die kleine Dorothy auf ihrer Wanderung durch Oz bekommen sie auch Hilfe: durch den Roboter, der eigentlich mal ein Cyborg werden sollte. Ein Höhlenmensch, eine Königin, eine Prinzessin und ein Junge werden später eine Familie bilden, denn Familie ist nur dem Namen nach eine Blutsbande, eine wirkliche Familie besteht aus Liebe, Hilfe und Zusammengehörigkeit. Ob der Höhlenmensch und seine Familie zusammenfinden, klärt das "Ende" dieses Buches nicht völlig, aber trotzdem ist es so passend als Abschluss für dieses Buch, wie es nur sein kann, denn...

"Hat diese Geschichte ein Happy End?", fragte Bobby.
"So etwas wie ein Ende gibt es nicht", sagte sie. "Gutes ergibt sich aus Schlechtem und Schlechtes aus Gutem und so geht es immer weiter. Genau wie im Leben. Bücher sind das Leben. Es gibt nicht nur den Teil, den du liest. Sie fangen schon lange vorher an. Und sie gehen danach weiter. Alles geht ewig weiter. Du nimmst nur für ein paar Seiten daran teil, für die Dauer eines winzigen, aus der Zeit geschnittenen Fensters." (S.138)

"Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek" ist literarisch, märchenhaft, mehrdeutig und verzaubernd! Und das weitaus mehr, als es sich auf den ersten Stationen der Reise erahnen lässt. Die Fahrt mit dem Bücherbus lohnt nicht nur für Vielleser!

Bewertung vom 22.02.2015
Love Letters to the Dead, deutsche Ausgabe
Dellaira, Ava

Love Letters to the Dead, deutsche Ausgabe


sehr gut

"Love Letters to the Dead" ist ein Roman, der komplett in Briefen verfasst ist.

Durch eine Hausaufgabe im Englischunterricht fängt Laurel an, Briefe an früh verstorbene, berühmte Persönlichkeiten zu schreiben, in denen sie über ihre ebenfalls viel zu früh verstorbene Schwester May schreibt. So fällt ihre erste Wahl auf den Lieblingssänger ihrer Schwester: Kurt Cobain. Da Laurel in diesen Briefen sich Dinge von der Seele schreiben kann, über die sie mit niemandem reden kann, folgen dem Brief an Kurt Cobain weitere an Janis Joplin, Amy Winehouse oder Heath Ledger. Dabei ergibt sich diese Wahl immer aus dem Kontext der Geschichte, so wird ihr die Musik von Janis Joplin von einer Freundin empfohlen, die Filme von Heath Ledger oder dem ebenfalls früh verstorbenen River Phoenix hat sie zusammen mit ihrer Schwester May angesehen. So wird verständlich, warum Ava Dellaira teilweise Persönlichkeiten gewählt hat, mit denen Jugendliche von heute auf den ersten Blick nicht viel anfangen können.

Da man lange nicht weiß, warum Laurels Schwester May so früh verstorben ist und welche Geheimnisse Laurel sonst auf der Seele lasten, zieht sich der Mittelteil der Geschichte etwas in die Länge, da vieles über Kapitel hinweg nur angedeutet wird, ohne in irgendeiner Weise konkretisiert zu werden. Da man Laurels eigene Geschichte kurz vor dem Tod ihrer Schwester ebenfalls nicht kennt, ist es zudem schwer für ihr aktuelles Verhalten Verständnis zu zeigen. Es lohnt aber bei dieser Geschichte am Ball zu bleiben, da die Autorin mit einer besonderen Auflösung der Geschichte aufwartet, die zudem Laurels schwieriges Verhalten nach dem Tod ihrer Schwester erklärt. So gibt sich Laurel tatsächlich aus sehr schockierenden Gründen die Schuld am Tod ihrer Schwester und man versteht, warum sie die Bindungen zu Freunden und ihrer alten Schule gekappt hat, und sich nicht einmal ihren geschiedenen Eltern anvertrauen wollte.

"Angst zu haben und sich danach zu sehnen, beschützt zu werden, sind die beiden elementarsten Gefühle im Leben."
Ich musste an May denken. "Glaubst du, dass wir uns manchmal absichtlich in Gefahr bringen, weil wir uns wünschen, beschützt zu werden?" (S.188)
"Aber was ist mit meiner Schwester? Warum habe ich es nicht geschafft, sie zu beschützen?" Meine Stimme zitterte, und ich konnte richtig spüren, wie ich innerlich zusammenzuckte. Vielleicht auch äußerlich. Ich hatte das vorher noch nie so laut ausgesprochen. (S.285)

"Love Letters to the Dead" ist ein intensives Buch über Freundschaften und Familienbande, über die Zeit, die eine Familie durchmachen muss nach dem Verlust eines Familienmitglieds. Dabei wird - aber ebenfalls erst sehr spät in der Geschichte - angesprochen, wie schwer es für Elternteile ist mit dem Verlust eines Kindes umzugehen. So erklärt sich nun auch die Flucht von Laurels Mutter nach Kalifornien und das Insichgekehrtsein ihres Vaters. Worum es noch geht, will ich an dieser Stelle nicht verraten, auch wenn es einerseits die Begründung dafür wäre, warum sich das Durchhalten lohnt, falls jemand den Mittelteil ebenfalls als zäh und in die Länge gezogen empfindet, aber es würde zu viel von der Auflösung über die Umstände von Mays Tod verraten.

"Love Letters to the Dead" ist eine intensive und zu Herzen gehende Geschichte einer Jugendlichen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, die zeigt, wie wichtig ist, sich im Nacheifern an einen geliebten Menschen nicht selbst aus den Augen zu verlieren und das man Probleme nicht verarbeiten kann, in dem man sie in seinem Innersten verschließt. Laurels Briefe an die Toten sind eine Therapie in Tagebuchform, die ihr helfen ihre Probleme zu verarbeiten und mit deren Hilfe sie lernt, wieder mit den Lebenden zu kommunizieren.

Bewertung vom 18.02.2015
Kirschen im Schnee
Yeh, Kat

Kirschen im Schnee


ausgezeichnet

"Kirschen im Schnee" ist die Geschichte von GiGi und ihrer Schwester DiDi (die außergewöhnlichen Namen stehen übrigens nicht für BH-Größen, sondern sind die Abkürzungen für "Galileo Galilei" und "Delta Dawn", einem Song aus den 70ern, und ihre Wahl ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte), die nach einem Millionengewinn aus den Südstaaten weggezogen sind, um fernab ihres früheren Umfelds ein neues Leben anzufangen. GiGi und DiDi sind in einer Wohnwagensiedlung aufgewachsen, ihre Mutter haben sie sehr früh verloren durch einen Wohnungsbrand, das einzige, was den beiden als Erinnerung geblieben ist, ist die alte Rezeptkladde ihrer Mutter, aus der DiDi regelmäßig Rezepte nachkocht, ohne jegliche Abwandlung, immer genau nach den Vorgaben ihrer Mutter, obwohl die durchaus das Talent und die Raffinesse hätte, diese Rezepte weiter zu entwickeln, aber sie widersetzt sich jeden Änderungen. Darüber hinaus besitzt GiGi nur noch die Geschichte von Mas Lieblingslippenstift "Kirschen im Schnee" von Revlon, den sie immer verwendet hat, denn "mit 'Kirschen im Schnee' kann ein Mädchen alles meistern, was auch kommen mag." Der Leser wird direkt in die Geschichte der beiden Schwestern hineingeworfen, durch die Rezepte, die Einblick in das Leben ihrer Mutter geben, und die Ich-Perspektive aus der Sicht von GiGi, lernt man jedoch sehr schnell die beiden Schwestern kennen und kann sich dem Sog der Geschichte von Anfang an nicht zur Wehr setzen, obwohl sie bis zu einer überraschenden Wendung im letzten Drittel eher ruhig verläuft.

GiGi hat eine enge Beziehung zu unser Schwester, fühlt sich aber auch immer etwas bevormundet durch sie, da diese sehr viel Wert darauf legt, dass GiGi sich durch nichts von der Schule und dem Lernen dafür ablenken lässt. GiGi nimmt dies lange hin und lässt sich auch durch ihre neue Freundschaft zu den beiden Jungs Trip und Billy und den Mädchen der Astronomie-AG nicht von ihrem Fleiß abbringen, jedoch kommt es zwischen den beiden Schwestern beinahe zum Bruch, als DiDi sich mit GiGis Mitschülerin Mace anfreundet, mit der GiGi sich gar nicht versteht, da diese vor der Ankunft GiGis Trips allerbeste Freundin aus Kindergartenzeiten war und GiGi ihr diese Rolle nun mehr als streitig macht. Der Leser wird in einen wahren Strudel der Gefühle mit hineingezogen, und teilweise versteht man selbst als Außenstehender nicht, warum DiDi für die mit ihrer Schwester gleichaltrige Mace scheinbar viel mehr Verständnis zeigt als zu GiGi selbst. DiDi lässt Mace, aber auch die Freunde ihrer Schwester, viel mehr Kind sein. Bei mir hat das beim Lesen ein richtiges Gefühlschaos ausgelöst, DiDi war mir zeitweise richtiggehend unsympathisch, aber um ihr Verhalten und das anderer Figuren aus dem Buch verstehen zu können, muss man die bereits erwähnte überraschende Wendung im Buch abwarten... DANACH konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und musste es in einem Rutsch durchlesen, aber mehr verraten, als das diese Geschichte viel tiefgründiger und stellenweise leider auch trauriger ist, als man durch Titel und Cover schließen würde, kann ich leider nicht verraten. Aber sie ist auch wunder-wunderschön! Allein schon, wie GiGi durch ihre neuen Mitschüler den Wert echter Freundschaft erst richtig kennenlernt und man im Laufe der Geschichte erfährt, was DiDi alles auf sich genommen hat, um GiGi eine möglichst unbeschwerte Kindheit und die bestmöglichen Aussichten für ihre Zukunft zu bieten.

Auch wenn der Verlag dieses Buch unter Kinderbüchern mit einer Altersempfehlung ab 11 Jahren führt und die Hauptfigur GiGi ebenfalls erst in diesem Alter ist, sollten sich Jugendliche und auch Erwachsene nicht davor scheuen dieses Buch in die Hand zu nehmen: wer um diesen Titel auf Grund der Alterseinstufung einen Bogen macht, verpasst eine wunderschöne und tiefgründige Geschichte um Familienbande und wahre Freundschaft. Oder, um es mit einem abgewandelten Zitat aus dem Buch zu sagen: "Achtung, hier kommt eins eurer Lesehighlights in diesem Jahr!"

Bewertung vom 16.02.2015
Marienkäfertage
Marmon, Uticha

Marienkäfertage


sehr gut

In "Marienkäfertage" beleuchtet Uticha Marmon das Thema Adoption von einem besonderen Blickwinkel aus.

In jedem Sommer haben Elin und ihre Eltern ihre Ferien im Marienkäferhaus verbracht. Diesen Sommer machen Elins Eltern alleine Urlaub und Elin hatte eigentlich vor ihre Tage mit Unternehmungen mit ihren Freundinnen zu füllen. Doch kaum sind ihre Eltern weg, erreicht sie ein seltsamer Brief aus dem hervorgeht, dass Elin adoptiert ist und der sie dazu treibt alleine nach Dänemark aufzubrechen auf der Suche nach Antworten und vor allen Dingen auf der Suche nach sich selbst... Denn ist sie überhaupt Elin, oder waren all die vergangenen Jahre eine einzige, große Lüge? Wer ist diese Lykke, was hat dazu geführt, dass aus Lykke Elin wurde und kann ihr Kurt - der Nachbar in Dänemark - Antworten liefern? Weiß er möglicherweise mehr, hat er Elin doch die ganzen Jahre mein Lykke-Mädchen genannt...

'"Lykke. Ich heiße Lykke. Lykke Elin Michelsen."
Jetzt ist es raus. Das erste Mal hat sie es laut gesagt. Und nichts ist passiert. Kein Ruckeln, weil die Welt für eine Millisekunde aufgehört hötte, sich zu drehen, kein Moment, in dem alles still war, nichts dergleichen.' (S.58)

"Marienkäfertage" ist ein sehr atmosphärisches Buch und im Gegensatz zu Titel und Cover oftmals düsterer, als man von diesen beiden aus schließen würde. Die mysteriöse Atmosphäre rührt von den vielen Zwischenschüben, die von dem unbekannten Briefeschreiber stammen, dessen Identität sich lange vor dem Leser und vor Elin verbirgt, auch wenn man nach einer Weile Schlüsse ziehen kann, wer sich möglicherweise dahinter verbirgt. Die Einschübe des Unbekannten geben Einblicke auf eine Kindheit, die das genaue Gegenteil von Elins Kindheit ist: wo Elins Kindheit von Glück und Licht bestimmt war, umgab den Unbekannten ein problematisches familiäres Umfeld und Schatten.

Es dauert lange, bis Elin die Augen aufgehen, dass ihre Adoption kein Unglück war, sondern vielmehr ihre große Chance, die einem anderen verwehrt geblieben ist, viel mehr möchte ich zum Kontext und zum Inhalt des Buches gar nicht verraten, da die Geschichte viel durch die Überraschungsmomente und Offenbarungen gewinnt.

Kritik habe ich nur an den (fehlenden) Reaktionen einiger Nebenfiguren, so hat mir Elins Kindheitsfreundin Silje zu viel als selbstverständlich hingenommen, ohne zu hinterfragen, und von Elins während ihrer Kindheit überbesorgten Adoptiveltern, kam ebenfalls zu wenig Reaktion. Ansonsten kann ich "Marienkäfertage" sehr empfehlen, für alle, die gerne ein stilles, aber sehr tiefgründiges und intensives Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Adoption so ganz anders auseinandersetzt, als man dies erwarten würde.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2015
Die Buchspringer
Gläser, Mechthild

Die Buchspringer


ausgezeichnet

Vor vielen Jahren hat Amys Mutter während der Schwangerschaft ihre Heimat Stormsay verlassen. Nun führen Schwierigkeiten von Amy an der Schule und eine Trennung seitens Alexis' dazu, dass die beiden in den Ferien fluchtartig ihr Zuhause in Bochum verlassen und die Insel aufsuchen.
Dort erfährt Amy eine unglaubliche Tatsache, die sie zunächst für einen albernen Scherz hält: sie entstammt einer Familie von Buchspringern, deren Aufgabe es ist die Literatur zu schützen. Ihre Mutter hat ihr diesen Umstand jahrelang verschwiegen, da sie diese Aufgabe für sehr gefährlich einschätzt, aber es existiert noch ein weiterer Umstand, weswegen Alexis mit ihrer Vergangenheit gebrochen hat.

Zunächst ist das Buchspringen für Amy ein großer Spaß, sie bekommt "Das Dschungelbuch" zugeteilt, um ihre Fähigkeiten als Buchspringerin zu testen. Sie bringt schnell in Erfahrung, dass ihre Fähigkeiten außerordentlich groß sind: von Beginn an kann sie in Büchern bis zu deren Rand vordringen und in andere Geschichten wechseln, ebensowenig benötigt sie im Gegensatz zu den anderen Buchspringern auf Stormsay ein Portal, um in die Buchwelt einzutreten. An der Seite des jungen Werther lernt sie die Welt zwischen den Seiten kennen, Oliver Twist und den anderen Waisen im Heim bringt sie Kekse und Kaugummi, doch dann treten verschiedene Umstände ein, die zeigen, dass die Buchwelt in Gefahr ist. Schätze werden geraubt, Ideen werden gestohlen und eines Tages wird sogar eine Buchfigur tot aufgefunden...

Mechthild Gläser erzählt eine spannende Geschichte auf den Pfaden berühmter, literarischer Figuren auf zwei Ebenen. Es sind sozusagen mehrere Bücher in einem Buch enthalten. Dabei verweben sich die Stränge auf verschiedene Art und Weise. Zum einen betreten die Buchspringer die Welten zwischen den Seiten, aber auch einige literarische Figuren finden den Weg in Amys Welt. Zudem sind zwischen den Kapiteln Fragmente eines Märchens eingestreut, welches in Mechthild Gläsers Welt der Buchspringer eine wichtige und geheimnisvolle Rolle spielt.
Auch die ungeklärten Vorfälle in der Bücherwelt haben einen unterschiedlichen Ursprung und verknüpfen mehrere Handlungsstränge miteinander, so sind es verschiedene Faktoren, die die Neugierde beim Lesen anheizen und den Leser durch die Seiten treiben.
Die Figuren aus der literarischen Welt, die Mechthild Gläser auftreten lässt, sind bunt und vielschichtig. Es sind allesamt Figuren aus der klassischen Literatur, entnommen sowohl aus Büchern für junge als auch für ältere Leser. Einige davon kann man bereits auf dem Cover entdecken - Baghira aus dem Dschungelbuch, Sherlock Holmes, Alice und das weiße Kaninchen aus dem Wunderland - selbst, wenn man die Bücher (noch) nicht gelesen hat, so sollte man zumindest schon von den Figuren beziehungsweise den Büchern, denen sie entstammen, gehört haben, und wer weiß... vielleicht bekommt ja der eine oder andere spätestens nach "Die Buchspringer" Lust die Welt des jungen Werther oder von Elizabeth Bennet näher zu erkunden.

Das Ende des Romans gibt auf beiden Ebenen - Amys Geschichte und dem Märchen - Raum für den Leser, die Zukunft der Figuren weiterzuspinnen. Dies gefällt mir gerade im Zusammenhang mit dieser Geschichte ausgesprochen gut, da Mechthild Gläser ein Szenario erdacht hat, in dem sich Geschichten abseits der vom Autor erdachten Pfade entwickeln können. So hat jeder Leser am Ende von "Die Buchspringer" die Möglichkeit, sich sein eigenes Ende auszudenken. Zudem haben "Die Buchspringer" eine gewisse Ironie inne, da die Autorin beschreibt, dass aus Elementen verschiedener Geschichten wieder eine neue gewebt werden kann - wie eine Anzahl verschiedener Zutaten, die in unterschiedlicher Kombination und Mischungsverhältnis einen ganz neuen Cocktail ergeben: Mechthild Gläser ist ein sehr spannender und unterhaltsamer gelungen, der erfrischenden Einblick in die Welt der klassischen Literatur gibt und die Lust daran weckt diese Welten selbst zu entdecken.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2015
17 Briefe oder der Tag, an dem ich verschwinden wollte
Kolbe, Karolin

17 Briefe oder der Tag, an dem ich verschwinden wollte


ausgezeichnet

Line ist sehr unglücklich. Ihr dominanter Vater macht ihr, der jüngeren Schwester und der Mutter ständig Vorwürfe und schüchtert sie ein. Line soll Schuld daran sein, dass er vor 18 Jahren nach der Schule keine Weltreise machen und anschließend studieren konnte. Line zieht sich immer mehr in sich zurück, ihre Schwester tröstet sich über den Familientwist mit Essen hinweg, die Mutter duckt sich vor den Vorwürfen des Vaters weg und versucht einen oberflächlichen Frieden zu bewahren, in dem sie zu allem, was ihr Mann will, ja und Amen sagt.
Line weiß nicht mehr, was sie tun soll, sie weiß nur, so wie jetzt kann es nicht mehr weitergehen. Da sie auf Grund ihrer familiären Lage das Vertrauen zu Menschen verloren hat, sucht sie in ihren Büchern um Rat. Ihre Sammlung an Reclam-Heftchen wird zu ihrem Orakel, auf Grund dessen Vorhersagungen sie in 17 Tagen verschwinden will...

Eine weitere Textstelle bringt sie doch zunächst dazu alle ihre Sorgen und Gedanken in einem Brief festzuhalten, den sie unter einem Stein am Bach versteckt, an dem sie sich gerne zurückzieht. Dort wird er von Anton gefunden, einem Jungen aus ihrer Klasse, mit dem sie als Außenseiterin keinerlei Kontakt hat. Im Gegensatz zu ihr ist er beliebt, ein toller Fußballspieler und mit einem hübschen und angesagten Mädchen zusammen. Seltsamerweise berührt der Brief Anton, denn was keiner weiß: bei ihm ist vieles nur Fassade, in Wirklichkeit ist auch seine Familie am Zerbröckeln. Seine Schwester ist magersüchtig, doch die Mutter weigert sich strikt der Wahrheit ins Auge zu sehen, da eine Magersucht ihrer Tochter ihrem Ruf als Kinderärztin schaden würde. Anton selbst setzt sich unter Druck, weil er Erwartungen erfüllen möchte, sowohl im Sport als auch in seiner Beziehung.
Zwischen den beiden problembeladenen Jugendlichen entwickelt sich ein Austausch mit 17 Briefen, für jeden Tag einen bis zu dem Tag, an dem Line eigentlich verschwinden wollte...

Karolin Kolbes Geschichte von Line und Anton ist in Kapiteln aufgebaut, die von "Noch 17 Tage" bis "Heute" vorwärtszählen, vom Beginn der Handlung, bei der der Leser erfährt, dass Line aus ihrem traurigen Leben verschwinden will, bis zu dem Zeitpunkt, als der letzte Brief geschrieben und gelesen wird.
Die Idee ein Mädchen ohne Rückhalt bei Familie und Freunden nach Ratschlägen in Büchern suchen zu lassen und dadurch auf ein offenes Ohr zu stoßen, dass von einer Stelle her rührt, mit dem sie nie gerechnet hätte, ist eine schöne Parabel, dass Freunde und Hilfe manchmal an ganz anderen Stellen zu finden ist als man erwartet. Zudem zeigt die Figur des Anton auf, dass auch Menschen, die nach außen hin selbstsicher wirken und beliebt sind, ihr Päckchen an Problemen mit sich herumzutragen haben.
Karolin Kolbe reisst sehr viele Probleme in ihrem Buch an, die in Familien mit Kindern und Jugendlichen auftreten können, wie Übergewicht, Magersucht, Beziehungsprobleme der Eltern, Verdrängung von Problemen, Bevormundung und Unterdrückung. Trotzdem - und auch trotz des relativ geringen Umfangs - schafft die Autorin es in meinen Augen die Geschichte nicht zu überladen wirken zu lassen.
Durch das Ansprechen vielfältiger Probleme und dem Aufzeigen verschiedener Wege, wie man diese anpacken und möglicherweise lösen kann, finde ich "17 Briefe" sehr geeignet, um als Schullektüre gelesen zu werden. Karolin Kolbe schickt ihre Protagonisten auf einen guten Weg, sie müssen nur den Mut beweisen aus ihrer vertrauten Umgebung auszubrechen und neue Wege zu beschreiten.

Bewertung vom 10.02.2015
Ben Fletchers total geniale Maschen
Easton, T. S.

Ben Fletchers total geniale Maschen


ausgezeichnet

Ben Fletcher wächst in einer total schrägen Familie auf. Die Mutter geht regelmäßig auf Tour als Magierin, der machohafte Vater versteht unter einer perfekten Vater-Sohn-Beziehung Interesse an Autos und gemeinsame Besuche von Fußballspielen: eine einmalig grottenschlechte Kombination, wenn der Sohn weder auf Autos steht noch Fußball mag. Die sechsjährige und dickköpfige Molly vervollständigt des Bild der chaotischen Familie, die der Leser gleich zu Beginn live in Action bei einem verunglückten Familienpicknick mit abgefackelten Augenbrauen und verkohlten Hähnchenteilen kennenlernen darf.
Auch mit seinen Freunden hat Ben es nicht viel besser getroffen: ein missglückter Raubzug, um Alkohol für eine Party zu organisieren, endet für seine drei Freunde mit einer Verwarnung, eine Verkettung denkbar unglücklicher Umstände bestraft Ben mit einer Bewährungsstrafe, einem Wohltätigkeitskurs bei einer alten Dame, und einem mehrwöchigen Abendkurs am Community College, der Ben davon abhalten soll erneut auf die falsche Bahn zu geraten. Da er es einfach nicht schafft, um Fettnäpfchen einen Bogen zu schlagen, sitzt Ben nun ab sofort Donnerstagabends im Strickkurs unter der Leitung der Mutter seiner angebeteten Mitschülerin Megan. Unglaublicherweise entpuppt sich Ben als wahres Naturtalent fürs Stricken und entwickelt einen großen Spaß daran. Allerdings verstrickt er sich in ein Lügengerüst aus Lehmklumpen, Playboys, Stricknadeln und erfundenen Freundinnen, weil er sein neues Hobby vor seinem machohaften Vater und seinen coolen Freunden geheimhalten möchte. Doch als er in London bei einer Endausscheidung eines landesweiten Strickwettbewerbs antreten und dadurch seine Schule retten kann, ist es mit der Geheimhaltung vorbei. Seltsamerweise reagieren einige seiner Familie, Bekannten und Freunde ganz anders als befürchtet - dafür manche viiiiiel schlimmer! Wer die Geschichte bis zum Strickwettbewerb in London nicht verrückt fand, der sollte spätestens hier die Gesichtsmuskulatur für ein paar herzhafte Lacher locker machen.

"Ben Fletchers total geniale Maschen" ist ein besonders intensives Lesevergnügen, da man Ben beim Schreiben seines Tagebuchs aka Erfüllung seiner Bewährungsauflagen, direkt über die Schulter guckt. Ganz ernst nehmen sollte man die skurrile Geschichte nicht, sonst hätte er sich sicher mehr Ärger durch seine Eltern eingehandelt und auch der Briefaustausch zwischen ihm und seiner Bewährungshelferin würde nicht so persönlich ausfallen. Für mich war das Buch einfach ein riesengroßer Lesespaß, der zeigt, dass das Hobby, das wie für einen gemacht ist, nicht immer den gängigen Klischees entspricht. Und ein Hobby zudem die perfekte Gelegenheit bietet gleichgesinnte Freunde und Bekannte zu finden.

Das Ende ist rund, bietet aber noch jede Menge Potential für Folgebände. Schließlich schreibt Bens Freund Joz gerade an einer Fortsetzungsgeschichte "Shades of Graham", die Ben lektoriert, er hat nun Megan, ihm stehen die AS Levels bevor, aber am wichtigsten ist: Eine Masche nach der anderen!

Das Layout lockert das Innere des Buches auf und passt perfekt zum Thema: Datenangaben und Überschriften im Tagebuch sind handschriftlich ausgeführt und abgerollte Wollknäuel verleihen dem Ganzen eine spielerische Leichtigkeit. So flutschen die Seiten beim Lesen wie das Garn beim Stricken vom Finger: schneller als man Gucken kann!

Reihen-Info:
Boys don't knit (Ben Fetchers total geniale Maschen)
An English Boy in New York

Bewertung vom 05.02.2015
Eleanor & Park
Rowell, Rainbow

Eleanor & Park


ausgezeichnet

Eleanor hat wegen einem Umzug die Schule gewechselt. Die Geschichte beginnt am Morgen des ersten Schultags als Eleanor in den Bus einsteigt und Probleme hat einen freien Sitzplatz zu finden. Notgedrungen rückt Park auf seiner Bank ans Fenster und lässt Eleanor neben sich Platz nehmen.
Die ersten Kapitel kratzen zunächst nur an der Oberfläche der Persönlichkeiten von Eleanor & Park: P. ist gutausehend, Halbkorenaer, eher schüchtern und zurückhaltend, E. besitzt eine plumpe Körperstatur und auffällig rote, gelockte Haare. Mit diesem Aussehen zieht sie am ersten Tag im Bus die Blicke auf sich und wird zum neuen Opfer der Schüler im hinteren Teil des Busses auserkoren.
Nach diesen Oberflächlichkeiten steigt der Leser nach und nach tiefer in das Leben der beiden Teenager ein. Man lernt die Familien der beiden kennen und lernt dadurch mit der Zeit ihre Art besser zu verstehen. Denn Eleanor ist eigentlich weder plump, noch dumm, auch wenn sie durch ihre Körpersprache am ersten Tag so gewirkt hat. Ihre verängstigte, zurücknehmende Art ist der Familiensituation verschuldet, die sie tagtäglichen ertragen muss. Mit ihrer Mutter und den vier jüngeren Geschwistern wohnt sie im viel zu kleinen Haus ihres aggressiven und alkoholabhängigen Stiefvaters, der ihre Mutter schlägt und die Kinder einschüchtert.
In der Schule lernt man jedoch schon bald eine starke, offene Eleanor kennen, die einen ganz eigenen Kopf hat und zu ihrem Standpunkt steht. So kommt es eines Tages, dass Park sich irgendwann für das Wesen hinter der plumpen Fassade interessiert und sich die beiden über die Comics, die Park im Bus liest, und die Songtitel, die Eleanor auf ihre Schulbücher geschrieben hat, näher kommen.
Leider steht der Beziehung der beiden so vieles im Weg. Zum einen muss Eleanor die Freundschaft mit Park vor ihrer Familie geheim halten, da ihr Stiefvater in der Vergangenheit schon wegen geringeren Sachen ausgerastet ist. Aber auch Park ringt lange Zeit mit sich, bis er offen zu seiner Beziehung mit Eleanor stehen kann. Er hat Angst vor den Reaktionen der anderen Mitschüler und seine Mutter lehnt Eleanor anfangs ab, da Eleanor durch ihre verschlossene Art und den schrecklichen Familiengeheimnissen, die sie vor anderen verbirgt, unfreundlich und ablehnend auf andere wirkt.
Eleanor & Park ist ein ruhiges Buch, das trotzdem einen unglaublichen Sog auf den Leser ausübt. Dies liegt zum einen an den tiefen Gefühlen, die Rowell fast greifbar zwischen Eleanor und Park entstehen lässt, aber auch wegen dem tieftraurigen Anfang, der vor dem ersten Kapitel zu lesen ist: Eleanor ist fort... Mit diesem Wissen begleitet der Leser das Kennenlernen der beiden und ihre entstehende Liebe zueinander. Von Anfang an mit dem Wissen, dass Irgendwas oder Irgendwer es schafft die beiden wieder auseinander zu bringen.
Ich gebe zu: bei einigen Büchern bin ich ein "auf-die-letzte-Seite-Gucker", weil mich ein Buch so fesselt oder eine derart unerträgliche Spannung aufbaut, dass ich nicht schnell genug lesen kann, um endlich ans Ende zu gelangen, damit der Knoten sich löst. Zum Glück habe ich es in diesem Fall geschafft, nicht während des Lesens ans Ende zu linsen. Lasst um Himmels Willen die Finger von der letzten Seite! Dieses Buch durchläuft alle Facetten an Gefühlen und Beziehungen, Glück und Trauer, Freundschaft und Liebe, Familienglück und einem Scherbenhaufen. Man muss sich auf die Achterbahnfahrt der Gefühle einlassen bis zur Endstation, denn kurz vor Schluss gibt Rowell mit unerwarteten Entwicklungen und Überraschungsmomenten nochmals alles und schüttelt den Leser richtig durch. Zum Glück lässt sich das Buch durch den jugendlichen Schreibstil und den ständigen Perspektivwechsel zwischen Eleanor und Park regelrecht inhalieren.
Spätestens am Ende sollten dann auch die abgebrühtesten Leser ein Taschentuch bereit liegen haben - sei es zum Vollheulen oder Zerknüllen, mehr sage ich dazu nicht, meine Qualen während des Lesens musste ich schließlich auch alleine durchstehen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2015
Der Klang der Hoffnung
Zail, Suzy

Der Klang der Hoffnung


ausgezeichnet

Die Autorin Suzy Zail wurde durch die Lebensgeschichte ihres Vaters zu ihrem Roman "Der Klang der Hoffnung" inspiriert. Im Vorwort gibt sie an, welche Teile von Hannas Geschichte historisch verbürgt sind, und dass die Romanfiguren und die Handlung ihrer Fantasie entsprungen sind. Des Weiteren erwähnt sie, dass der einzige Weg ist, dass sich die Geschichte des Holocaust nicht wiederholt, darüber zu reden und zu schreiben. Dieser Meinung kann ich mich nur anschließen: wer sich nicht für Geschichtsbücher oder Lebenserinnerungen interessiert, der sollte stattdessen zu fiktiven Erzählungen greifen, bevor er vor diesem Punkt in der Vergangenheit die Augen verschließt.

"Der Klang der Hoffnung" erzählt die Geschichte der 15jährigen Hanna. Der Leser lernt sie und ihre Familie im Jahr 1944 kennen. Sie leben seit einigen Wochen im Budapester Ghetto, doch nun soll das Ghetto dicht gemacht werden. Noch schweben Hanna und ihre Familie in völliger Ahnungslosigkeit, wie es weitergehen soll. Nach den Wochen im Ghetto denken sie, dass egal was danach kommt, es nur wieder aufwärts gehen kann. Wenn man dies liest, schnürt sich bereits ein Knoten im Hals zu, denn viele haben ja doch einiges an Vorwissen zum Holocaust, sei es durch die Schule, Fernsehen und Filme oder andere Bücher. Da das Buch jedoch nur aus der Sicht Hannas erzählt wird, kann sie natürlich immer nur Vermutungen anstellen oder schwebt in völliger Ahnungslosigkeit. Dies zeigt sich unter anderem an einem Handlungsstrang, in dem der Mediziner Josef Mengele im Zusammenhang mit Zwillingen erwähnt wird.

Dass Hanna im KZ Birkenau nicht direkt in die Gaskammern geschickt wird, liegt nur daran, dass sie sich ein Jahr älter macht, um bei ihrer Schwester und ihrer Mutter zu bleiben. Der Leser erlebt auch hier wieder einen Schreckensmoment, denn Hannas ältere Schwester Erika wollte unbedingt, dass Hanna ihr wahres Alter angibt, weil sie dachte, dass Kinder und ältere Menschen im KZ leichtere Arbeit leisten müssen.
Dank ihres großen Talents zum Klavierspielen bekommt Hanna nach einer Weile die Gelegenheit im Haus des Kommandanten von Birkenau aufzuspielen und erlangt damit gewisse Privilegien und außerdem die Möglichkeit eine letzte Verbindung zu ihrem alten Leben aufrecht zu erhalten: die Liebe zur Musik. Durch diese Liebe nähert sie sich im Laufe der Zeit Karl - dem Sohn des Kommandanten, oder dem "falschen Jungen", wie das Buch im Original betitelt ist. Doch der "falsche Junge" ist er nicht wegen seiner Abstammung, die in seinem Fall genauso wenig ein Grund zum Schämen ist wie für Hanna ihre jüdische Abstammung.

'Ich bin, wer ich bin, und ich schäme mich nicht dafür, hätte ich ihm gerne gesagt. Ich bin stolz darauf, eine Jüdin zu sein. Ich lebe mit Philosophen, Wissenschaftlern, Künstlern und Lehrern, Landfahrern, Dichtern und Komponisten hinter einem Stacheldrahtzaun. Du lebst in einem Haus voller Hass.' (S.132)

Neben dem Schicksal Hannas und ihrer Familie gewährt die Autorin auch einen tieferen Einblick in das Leben einiger Nebenfiguren, so dass man zumindest ansatzweise Verständnis dafür entwickeln kann, warum sich einige Menschen zu Kriegszeiten in ihrer Persönlichkeit so stark verändert haben. Zudem führt das Buch hoffentlich jedem vor Augen, dass man niemandem seine Herkunft, seine Abstammung oder seinen Glauben anlasten sollte. NIEMANDEM - bei Suzy Zail ist es nämlich mitnichten nur Hanna, die unter diesem Irrglauben unmenschliches Leid ertragen muss, sondern auch Karl, wenngleich dieses Leid bei ihm ganz anders aussieht und sich zumindest nicht auf körperlicher Ebene auswirkt.

Gegen das Vergessen sind Bücher wie "Der Klang der Hoffnung" wichtig und unerlässlich, denn Romane wie die fiktive Geschichte Hannas, die jedoch auf historischen Fakten aufbaut und ohne Effekthascherei den Leser tief berührt, erreichen das jugendliche Zielpublikum eher als Geschichtsbücher dies vermögen.