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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1963 Bewertungen
Bewertung vom 29.10.2022
Die Mauersegler
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


ausgezeichnet

Roman in Überlänge

Die Mauersegler umfasst 832 Seiten. Es ist im Prinzip ein langer Bericht des Protagonisten Toni, der beschlossen hat, sich innerhalb einen Jahres das Leben zu nehmen.
In seinem Bericht gehen die Erinnerungen zurück in die Kindheit und in seine gescheitere Ehe mit Amalia, von der er jetzt geschieden ist und einer nicht sehr engen Beziehung zum jugendliche Sohn Nikita. Dann gibt es noch seinen guten Freund, den er innerlich immer Humpel nennt und der sein einziger Vertrauter ist.

Toni ist Lehrer, aber auch darin findet er keine Freude.
Obwohl der 55 Jahre alte Erzähler ein frustrierter Mann ist, gibt es teilweise auch komische Stellen im Buch.

Im Hintergrund tönt außerdem durch Tonis Kommentare das Leben in Spanien mit den gesellschaftlichen und politischen Problemen mit.

Mit der Hauptfigur kann man seine Probleme haben, dann verstehe ich ihn teilweise auch wieder.

Durch die Form des Romans kommt man beim Lesen nicht wirklich schnell voran und ich benötigte auch mehrere Ansätze. Doch man spürt die Relevanz des Textes und Fernando Aramburu designed sein Buch geschickt.
Schließlich war ich ganz drin im Buch und habe das Lesen genossen.

Bewertung vom 27.10.2022
Als die Welt zerbrach
Boyne, John

Als die Welt zerbrach


sehr gut

Die Tochter des Teufels

Was für ein pathetischer Romantitel, aber die Fortsetzung des Jungen im gestreiften Pyjama wollte ich mir doch nicht entgehen lassen.
Hier geht es um die Schwester von Bruno, der im ersten Roman im Mittelpunkt stand.
Dieser neue Roman ist weniger als Fabel erzählt.
Der irische Schriftsteller John Boyne schreibt über gewisse Themen auf spezielle Art. Damit muss man umgehen.
Der Roman wird stark durch den Erzählton geprägt. Es wird deutlich, dass die Erzählerin Gretel von den Ereignissen der Vergangenheit beschädigt ist.
Ihr Leben wird geschildert. Als Tochter des Lagerkommandanten ist sie ganz in der deutschen Schuld gefangen, und auch in persönlicher Schuld. Sie verdrängt es lange, aber als alte Frau kommt es zu einer entscheidenden Begegnung, bei der Gretel sich entscheiden muss.

Das Buch ist teilweise schwer zu verdauen. Das steht im Kontrast zu dem leichten Erzählstil, bei dem mir Teile der Dialoge fast verplaudert vorkommen.
Das Finale hingegen ist dramatisch und nach meinem Empfinden nicht wirklich angemessen.

Ob es zum Hauptthema Schuld mit diesem Buch neue Erkenntnisse gibt, wage ich zu bezweifeln, aber zum Nachdenken regt es sicherlich an.

Bewertung vom 23.10.2022
Feldpost
Borrmann, Mechtild

Feldpost


sehr gut

Realistische Darstellung

Das Schreiben in verschiedenen Zeitsträngen, meist Gegenwart und Vergangenheit ist ein wesentliches Merkmal dieses Genres, in dem Mechthild Borrmann eine erfolgreiche Meisterin ist.
Hier sind es die Jahre 2000 mit der Anwältin Cara, die sich mit alten Briefen befasst und dann ab 1935 in Kassel mit wechselnden Perspektiven. Wichtig sind da Adele und ihre Familie sowie Richard Martens, den ich für die vielleicht stärkste Figur halte.

Mechthild Borrmann hat schon eine Reihe von Büchern geschrieben, wobei mich besonders Der Geiger und Trümmerkind beeindruckten.
Feldpost kommt mir im Vergleich zu routiniert vor. Doch dafür schafft sie eine große Komplexität.

Der Plot funktioniert. Wie Cara recherchiert und wie Adele und Richard die schlimme Zeit erlebt, werden intensiv dargestellt. Auch die Exilgeschichte von Adeles Eltern Gerhard und Katharina wird erzählt.
Es wird zu einem packenden Lesen.

Bewertung vom 22.10.2022
Die Legenden von Andor: Varkurs Erwachen
Baumeister, Jens

Die Legenden von Andor: Varkurs Erwachen


sehr gut

Varkurs Schicksal

Graphic Novels lese ich nicht oft, daher ist Die Legenden von Andor – Varkus Erwachen für mich etwas besonders.
Mich beeindrucken die gut gezeichneten Bilder und dabei besonders die Gesichter der Figuren, die Emotionen ausdrücken.
Auch die Umgebung ist teilweise imposant gezeichnet.

Der Grundplot an sich ist nicht ganz neu. Eine Frau findet einen verletzten Mann, der sein Gedächtnis verloren hat. Das gab es schon bei Joseph Conrad.
Aber das macht nicht. Die Bestandteile des Plots funktionieren einfach und der Geschichte zwischen Varkur und Ranja folgt man gerne.
Es bleibt zunächst Geheimnisvoll, doch Varkurs schlummernde Kräfte werden langsam spürbar, zunächst nur andeutend im Dorf und schließlich mächtig, als Ranja von einem Skral angegriffen wird.

Es gibt Ansätze, wo es etwas düster wird, aber sie bleiben im Ansatz. Das hätte ich mir auch noch stärker Dark ausgeprägt vorstellen können.
Dafür wird in Varkurs Erwachen eine geradlinige Story erzählt und dafür habe ich viel übrig.

Bewertung vom 19.10.2022
Ein Alman feiert selten allein
Atmaca, Aylin

Ein Alman feiert selten allein


sehr gut

Deutsch-türkisches Zusammentreffen

Aylin Atmaca schreibt in ihrem Roman „Ein Alman feiert selten allein“ auf leicht humorvolle Art über kulturelle Unterschiede zwischen Türken und Deutschen, vor allem im Zusammenhang mit Weihnachten, aber auch andere Aspekte kommen zum tragen.
Zwar fand ich den Humor jetzt nicht brüllend komisch und den Schreibstil auch nicht besonders subtil, aber thematisch konnte es mich interessieren und die Autorin geht behutsam vor.
Das Konzept Weihnachten wird auf den Prüfstand gestellt.
Es wird deutlich, wie wunderlich den türkischen Einwanderer die westlichen Sitten vorkommen. Selbst aus der nächsten Generation der schon in Deutschland geborenen.
Aber auch deutsche Klischeevorstellungen über türkisches werden blossgelegt, zum Beispiel die Unsitte andere in Schubladen zu stecken.

Davon abgesehen erscheint mir der Roman dann doch als Positivbeispiel des Zusammenlebens. Das zeigt sich in vielen kleinen Episoden, die das gemischte Familienleben ausmachen.
Überwiegend ist es ein entspannter, amüsanter Roman.

Bewertung vom 19.10.2022
Die weißen Jahre
Wondratschek, Wolf

Die weißen Jahre


ausgezeichnet

Vielfältige Texte

Die weißen Jahre ist eine Sammlung von Texten von Wolf Wondratschek, die unter Reportagen und Stories laufen. Ich lese sie aber eher als Anekdoten. Sie sind amüsant, aber betont subjektiv. Den Objektivitätsanspruch einer Reportage findet man hier nicht, zum Glück muss man sagen.

Manchmal sind die Texte auch Porträts, aber weniger von den betreffenen Stars selbst als die Wirkung, die sie auf die Menschen haben. Das gilt von Elvis bis Martina Navratilova bis hin zu Rainer Werner Fassbinder. Auch für Charles Bukowski und erst Recht für Glenn Gould.

Natürlich erreichen mich nicht alle Texte, aber manche sind schon sehr gut. Besonders die, die über die Gefühlslage des Verfassers viel aussagen, und die möglicherweise auch die des Lesers ist. Das muss nicht zwangsläufig so sein, aber Wondratschek ermöglicht es, über die Themen in einen Dialog zu treten. Diese Form schätze ich sehr.

Manche Texte sind überraschend detailliert, z.B. Malcolm Lowry in Mexiko. Dazu passend dann der bewundernde Bericht über den Drehort und die Verfilmung von Unter dem Vulkan.
Orte sind Wondratschek ähnlich wichtig wie die Menschen.

Ansonsten bietet Wondratschek das, was von ihm zu erwarten ist. Launig, großspurig und fast immer originell. Das muss man natürlich mögen. Dann wird es überwiegend zum Lesevergnügen.

Bewertung vom 16.10.2022
Das Funkeln der Sehnsucht / New Hope Bd.4
Bloom, Rose

Das Funkeln der Sehnsucht / New Hope Bd.4


gut

Cassie und Jacksons zweite Chance

Das Funkeln der Sehnsucht von Rose Bloom ist der vierte Teil der New Hope-Reihe und ist eigenständig zu lesen.

Dieser Roman dürfte wohl in die Kategorie New Adult fallen, obwohl sich viele Szenen auch wie ein Young Adult-Buch lesen. Typische Versatzstücke wie junge erste Liebe und Mobbing an der Schule sind enthalten.
Es gibt aber auch den Gegenwartshandlungsstrang, in der die Protagonisten Cassie und Jackson erwachsen sind und sich nach Jahren wiedersehen. Sie waren gute Freunde und ein Paar als Jugendliche, doch da war auch etwas passiert, was der Leser zunächst noch nicht erfährt und warum Jackson damals die Stadt verlassen hat.
Diese vermutlich fiktive US-amerikanische Kleinstadt heißt übrigens New Hope und ist somit titelgebend.

Cassie ist ziemlich sympathisch gestaltet. Sie freundet sich mit dem schüchternen Jackson an, obwohl er in der Schule stottert und ein Außenseiter ist.

Streckenweise ist der Plot etwas konstruiert und das Geheimnis der Vergangenheit zu sehr aufgeblasen.
Davon abgesehen ist es auch wegen der angenehmen Sprache ein wirklich ordentlicher Roman.

Bewertung vom 16.10.2022
Matrix
Groff, Lauren

Matrix


ausgezeichnet

Sprachlich stark und mit einem poetischen Ton

Die amerikanische Schriftstellerin Lauren Groff ist eine Autorin, die nicht in erste Linie historische Romane schreibt, obwohl die Handlung von Matrix im 12.Jahrhundert angesiedelt ist. Doch die Autorin will mehr zeigen als nur einen historische Kulisse. Es geht um Entwicklung und Selbstbestimmung.

Es gibt einen Bezug zu Eleonore von Aquitanien, aber Protagonistin ist Marie de France, die offenbar auch eine historische Persönlichkeit ist. Viel ist von ihr anscheinend nicht bekannt. Lauren Groff macht aus ihr eine beeindruckende und außergewöhnliche Figur!
Es wird ein längerer Zeitraum betrachtet. Das verleiht dem Buch eine entsprechende Dimension.

Lauren Groff ist stark bei Detailbeschreibungen insbesondere auch dabei, wie alles auf Marie wirkt, zum Beispiel der Eintritt ins Kloster. Ihre Emotionen werden nachvollziehbar. Und man lernt eine Klostergemeinschaft gut kennen, die Marie als Äbtissin weiterentwickeln wird.

Lauren Groffs sprachliche Mittel sind wirkungsvoll.
Wenn sie z.B. schreibt

„Eine daumendicke Schicht aus feinem, glänzendem Eis überzieht die Welt. Der Wind weht eisige Messerklingen herein.“

dann spürt man diese Eiseskälte.

Insgesamt kann man bei Matrix von einem überzeugenden Roman sprechen, wie er einen nicht oft begegnet.

Bewertung vom 15.10.2022
Die Freischwimmerin
Nair, Preethi

Die Freischwimmerin


sehr gut

Der Roman Die Freischwimmerin ist ein gutes und unterhaltendes Stück Literatur, das den Originaltitel Sari hat.

Das Buch wird sehr durch seine Erzählart geprägt. Die 59jährige Protagonistin ist Icherzählerin und hat einen Hang zur Ironie und Selbstironie, den ich sehr schätze.
Sie steht kurz vor ihren 40 Hochzeitstag und lässt gedanklich Passagen ihres Lebens entstehen. Dazu gehört Kindheit, ihre erste Liebe Deep, der eine arrangierte Hochzeit mit einem anderen Mädchen eingehen musste, der Weg nach London, die eigene schwierige Ehe.

Es ist eine britisch-indische Literatur. Die Autorin ist in London aufgewachsen und schreibt auch auf Englisch.

Es handelt sich um ein ruhiges Buch, das zwischen Drama und Humor gut ausbalanciert und ausgewogen ist.

Bewertung vom 14.10.2022
Das Apfelblütenfest
Henn, Carsten Sebastian

Das Apfelblütenfest


gut

Das Apfelblütenfest ist ein leichter Roman mit schweren Themen. Manchmal ist das genau das richtige für entspannte Unterhaltung.
Das Hörbuch geht 10 Stunden. Das ist eine gute Länge, nicht zu lang, nicht zu kurz, obwohl ich in Mitte dann doch etwwas ungeduldig wurde. Aber das gab sich.

Das Buch lebt von seinen Figuren: Jules, der Calvados produzent und Lilou, die seine Haushälterin wird.
Bevor es zu flach wird, kommen auch harte Themen ins Spiel. Jules muss mit einer schweren Erkrankung zurechtkommen und Lilou wird von einem skrupellosen Mann bedrängt, was sogar in einen sie belastenden Prozess mündet.
Die vielleicht schönste Beziehung des Buches ist die tiefe Freundschaft zwischen Jules und dem alten Claude.

Richard Barenbergs Stimme passt zum Text, seine Sprechweise ist ebenfalls angenehm zu hören. Bisher hatte ich noch kein Hörbuch mit ihm gehört. Aber für die Zukunft werde auf ihn achten und hätte nichts dagegen, wieder ein Hörbuch mit ihm als Sprecher zu hören.