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Benutzername: 
vielleser18
Wohnort: 
Hessen
Über mich: 
Ich lese querbeet, am liebsten aus den Bereichen Historisch, Krimi/Thriller, Frauen und Fantasy

Bewertungen

Insgesamt 831 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2017
Die Zeit der Ruhelosen
Tuil, Karine

Die Zeit der Ruhelosen


ausgezeichnet

Im Roman von Karine Tuil stehen vier Menschen im Vordergrund. Romain Roller, Soldat der französischen Armee und traumatisierter Afghanistan-Heimkehrer. Francoise Vely, reicher Unternehmer, mit einem außergewöhnlichen Kunstinteresse und jüdischen Wurzeln,und seine zweite Frau Marion. Die Beziehung der beiden fing durch den Selbstmord von Francoise erster Frau kurz vor der Heirat an zu bröckeln.
Der Vierte, der hier im Blickpunkt steht, ist der farbige Mitarbeiter im Elysee-Palast, Osman Diboula. Aufgewachsen im sozialen Brennpunkt, im Banlieue, den Vororten Paris, hat Osman als Streetworker, Vermittler und Schlichter auf sich aufmerksam gemacht und danach eine steile Karriere im politischen Geschäft begonnen.

Anfangs erzählt die Autorin abwechselnd in öfters kurzen Abschnitten von den vier Hauptprotagonisten, die sich anfangs weder kennen noch sonstige Berührungspunkte haben. Doch sie haben eines gemein: richtig glücklich und zufrieden mit sich und seinem Leben ist keiner.
Es geht um die Suche nach Macht, weil manche der Protagonisten das Gefühl haben, nur dann glücklich/anerkannt/zufrieden zu sein. Es geht um die eigenen Wurzeln (bei Osman Diboula, aber auch bei Francoise Vely), die man abschütteln möchte, weil man dazu gehören möchte, nicht anders sein will.
Es geht auch um das eigene Gewissen. Um das Abschütteln der Vergangenheit, nur mit dem Blick nach vorne zu leben. Ist das möglich ?
Es geht um Beziehungen, Liebe und Ehen. Ehen, die aufgrund der Verschiedenheit der Ehepartner oder auch durch die Selbstsucht der Protagonisten zum Scheitern verurteilt sind.
Es geht aber auch um die sozialen Netzwerke, Meinungsmache, Medien. Und um ihre Macht, die das Leben eines Einzelnen nicht nur verändern können.
Und es ist eine Suche nach einem glücklichen Leben, das eigentlich jeder der Protagonisten sich wünscht.
Als Leser verfolgt man gespannt ihre Anstrengungen, ihre Fehltritte, ihre Entscheidungen. Manchmal kann man als Leser Symphatiepunkte verteilen um diese im nächsten Augenblick wieder zu streichen. Es gibt bei den Protagonisten keine eindeutigen Helden oder Antihelden - irgendwie steckt in jedem beides.

Anfangs sind es vier Erzählstränge, die aber nach und nach sich immer mehr verwickeln, nach und nach berühren sich die Leben der vier Protagonisten, am Ende kennen sich alle Protagonisten und sind in unterschiedlichen Konstellationen auch voneinander abhängig.
Am Ende muss man tief durchatmen und das Ganze Geschehen, die ganze Geschichte erst einmal sacken lassen.


Der Schreibstil ist sehr flüssig, wenn man sich mit den Protagonisten vertraut gemacht hat, ist man gespannt auf den Fortgang. Auch wenn alles aus der Erzählwarte eher kühl, diagnostisch, seziert erzählt wird, verfolgt man als Leser gespannt das Auf und Ab der Protagonisten mit. Irgendwie herrscht in ihrem Leben auch nie Ruhe, es ist immer Entwicklung, immer Bewegung - egal in welche Richtung - vorhanden. "Die Zeit der Ruhelosen" - ein Roman aus unserer heutigen Zeit, den ich empfehle kann.

Bewertung vom 16.04.2017
Das Licht und die Geräusche
Schomburg, Jan

Das Licht und die Geräusche


sehr gut

Man sollte sich bei diesem Buch nicht vom Klappentext oder von dem Kurzzitat auf der Rückseite beeinflussen lassen, denn leider wird das Buch dadurch nicht treffend beschrieben.

Es ist eine Geschichte aus Sicht der 18jährigen (?) Johanna, die mit Boris aus ihrer Klasse befreundet ist. Allerdings sind sie kein Paar, obwohl Johanna mehr für ihn empfindet. Boris hat aus seiner Zeit, in der er mit seinen Eltern in Portugal gelebt hat, dort eine Freundin: Ana-Clara.
Es geht im Roman um Johanna. Und um Boris. Am Rande auch um Ana-Clara. Es geht um Liebe und Freundschaft, um Zugehörigkeit und den richtigen Blick im und auf das Leben. Es geht ums Beobachten, ums Einmischen. Es geht um eine gewisse Zeit im Leben, ums Erwachsenwerden.

Johanna ist die Erzählerin. Sie springt mit ihren Berichten, ihren Erzählungen zwischen Gegenwart und Erinnerungen aus der Vergangenheit hin und her. Es gibt aber einen roten Faden, der sich durchs Buch zieht und das sind die Erlebnisse mit Boris.
Man muss sich anfangs einlassen auf diese Erzählweise, die sprunghaften, manchmal kurzen Einschübe benötigen Konzentration beim Leser. Aber dadurch lernt man Johanna "kennen", kann sie einschätzen, ihren Gedanken folgen. Kühl, pointiert, auf den Punkt gebracht, berichtet sie. Manchmal nebensächliches, oft allerdings sehr gut beobachtet, wird alles interessant erzählt.

Als Leser muss man bereit sein, sich mit der Jugendlichkeit und den daraus resultierenden Ereignissen der Protagonisten einzulassen. Soweit ich das als - nicht mehr jugendlicher Leser - einschätzen kann, hat der Autor Jan Schomburg es geschafft, diese Jugendlichen sehr authentisch darzustellen. Für mich ein gelungener coming-of-age-Roman.

Die Geschichte ist eigenwillig, anders als erwartet, es gibt überraschende Wendungen und irgendwie läuft am Ende aber auch alles zusammen, anfangs hätte ich das nicht gedacht. Es passt, auch wenn am Ende nicht alles geklärt, nicht alles zu Ende gesponnen wurde. Es lässt Raum zum Nachdenken, das gefällt mir aber auch.

Sprachlich gelungen, es ist für mich ein Roman mit Niveau, anspruchsvoll, authentisch und eigenwillig erzählt.

Punktabzug nur für die eher verwirrende Buchbeschreibung im Klappentext/Rückseite.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2017
Bürgerlich, christlich, sucht ...
Kelle, Klaus

Bürgerlich, christlich, sucht ...


ausgezeichnet

Klaus Kelle, Jahrgang 1959, Journalist, Kolumnist hat in seinem Buch "Bürgerlich, christlich, sucht..."
die Probleme in Deutschland angemakert, die
ihn, die viele, stören, die sich aber immer weniger offen anzusprechen trauen.


Worum geht es ? Um die Sicherheit, die Familie, das Wir-Gefühl, um Politik, um den Rechtsstaat, um Flüchtlingspolitik, um die Kirchen, um Gender, um die Medienlandschaft.
Er erzählt von seinen Erlebnissen, seinen Erfahrungen und drückt mit seinen Ausführungen den "Finger" in die Wunde. Was läuft hier alles schief ? Warum ? Warum traut sich keiner mehr offen zu reden, zu groß ist die Angst in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden. Dabei kritisiert Kelle hier Politiker aller Couleur. Er regt an selber nachzudenken, Meinung zu äußern. Er will keine Meinung machen, sondern er zeigt seine Meinung und möchte, dass die Mehrheit sich mehr engagiert, Meinungen gebildet und auch geäußert werden. Nicht alles was "von oben" angeordnet oder beschlossen wurde, hingenommen wird.
Dabei legt Kelle keinen Wert auf "Mainstream", sondern auf Ehrlichkeit und Direktheit und vor allem auf Sinnhaftigkeit statt Lobbyisten. Werte statt kurzsichtige Popularität. Kelle bekennt sich zu seinen bürgerlichen, christlichen Werten und fordert sie auch ein.

In seinem Buch spricht Kelle aus und von eigenen Erfahrungen, berichtet von seinem Werdegang, seinen Anfängen. Von seinen Eltern, seinem journalistischen Werdegang, seinem Glauben, seinen Erlebnissen. Berichtet, was in unserer heutigen Gesellschaft und vor allem in der Politik, insbesondere der Regierung, falsch läuft.
In 12 Kapiteln ist das Buch unterteilt und es ist zwar ein Sachbuch, aber eines, dass sich durch seine direkte Art, seinen abwechsungsreichen Stil, der geprägt ist von Offenheit und vielen exemplarischen Beispielen, zügig lesen lässt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2017
Osteraugen
Müller, Raphael

Osteraugen


ausgezeichnet

Raphael Müller, Jahrgang 1999, stumm, autistisch und hochbegabt, hat mich wieder einmal mit seinem Worten begeistert. Ich habe schon seine autobiografische Geschichte "Ich fliege mit zerrissenen Flügeln" gelesen, schon damals war ich beeindruckt von der Tiefe und Sprachgewalt seiner Worte.

Im neuesten Buch "Osteraugen" erzählt er in Kurzgeschichten den Ablauf der Osterzeit, der Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Das besondere daran ist die Betrachtungsweise. Hier kommen Menschen, Tiere und Dinge "zu Wort", die diese Zeit miterlebt haben. Angefangen vom Esel, auf dem Jesus Palmsonntag geritten ist, von Steinen, die den Weg säumten, vom Baum, der den Verrat Judas beobachtet hat, aber auch Pontius Pilatus, Maria, Petrus und Johannes erzählen.
Jede Geschichte ist ein Teil der gesamten Geschichte, aneinandergereiht wie eine Perlenkette ergeben diese facettenreiche Gedankenspiele ein wunderbares Buch, das für Leser fast aller Altersgruppen geeignet ist.
Egal ob Mensch, Tier, Engel, Gegenstand, der Autor schafft es sich in jeden hinein zu fühlen und vor allem das auch in Worte kleiden zu können. Als Leser kann man nur staunen. Keine Geschichte ähnelt der anderen, alle gehören aber zusammen, denn sie ergeben ein Gesamtbild. Es ist eine Osterbotschaft der ganz besonderen Art.

Beeindruckt haben mich auch wieder die Gedichte Raphael Müllers , die in gedruckter Form schon optisch eine Besonderheit sind, im Klang harmonieren und inhaltlich so viel aussagen können.

Fazit:
Eine wunderbare Einstimmung auf die Osterzeit, zum Nachdenken, Innehalten und aus einer ganz besonderen Betrachtungsweise erzählt.

Bewertung vom 02.04.2017
Vernunft & Gefühl
Austen, Jane

Vernunft & Gefühl


ausgezeichnet

Aufgrund des 200. Todestages der Autorin Jane Austen am 18.07.2017 hat der Manesse Verlag ihr erstes Werk "Sense und Sensibility" von Andrea Ott neu übesetzen lassen. Ihr gelingt es mit ihrer Übersetzung, mich einerseits in das viktorianische Zeitalter versetzen zu lassen, anderseits aber auch, trotz der beibehalten geschliffenen, verschnörkelten Sprache und Sätze, mich darin wohlzufühlen, es mit Genuss lesen zu können, da es trotz aller Widesprüchlichkeit auch eine moderne Sprache ist, derer sie sich bedient.
Diese Ausgabe von "Vernunft und Gefühl" erschien am 13.03.2017 mit einem hochwertigen, ansprechendem und hochglänzendem Schutzumschlag.

Zum Inhalt:

Temperamentvoll und leidenschaftlich, ist Marianne Dashwood das genaue Gegenteil ihrer älteren Schwester, der beherrschten und vernünftigen Elinor. Dass sich Marianne Hals über Kopf und natürlich unglücklich in den begehrten Frauenschwarm John Willoughby verliebt, erstaunt daher niemanden. Aber auch Elinor erlebt mit dem Mann ihres Herzens eine böse Überraschung, denn «ihr» Edward Ferrars hat einer anderen die Ehe versprochen. Gemeinsam lernen die ungleichen Schwestern mit ihrer Enttäuschung zu leben und nach einer dramatischen Zuspitzung der Ereignisse den Standpunkt der jeweils anderen besser zu verstehen. In der Neuübersetzung von Andrea Ott erstrahlen geschliffener Witz und lebendige Dialoge dieser beliebten Klassikerin in frischem Glanz.
(Quelle; https://www.randomhouse.de/Verlag/Manesse/37000.rhd)

Meinung:
Ich habe mich lange an keinen Klassiker mehr herangetraut. Und habe damit eindeutig etwas verpasst.
Schon gleich von Anfang an konnte mich das Buch fesseln. Es steckte nicht nur voller Liebe und Herzensleid, immer wieder gab es feinen Humor, ja, manchmal sogar satirische Dialoge, die mir ein unheimliches Lesevergnügen bereitet haben.
Dazu wurde man in ein andere Zeit versetzt, in ein viktorianisches, steif anmutendes Jahrhundert, das so ganz anders ist als unser heutiges. In dem - in den höher gestellten Kreisen - steife und feste Konventionen galten. Dennoch waren auch damals die Menschen entweder temperamentvoll, leidenschaftlich, ernst, vernünftig, hinterhältig, egoistisch, selbstlos, traurig, kühl, besorgt, verliebt, schwatzhaft, geizig oder verschwenderisch.
Und das sehe ich als große Kunst Jane Austens an, sie hat Protagonisten mit einer ganzen Breite an Gefühlen erschaffen, die so verschieden auch sein mögen, untereinander in dieser Geschichte zusammen gehören, zusammen agieren, so dass der Leser gefesselt wird. Es sind die widersprüchlichsten Charaktere, die hier die Essenz ausmachen, dennoch schafft die Autorin einem beim Lesen immer wieder zu überraschen, immer wieder gibt es neue Wendungen, neue Aktionen, in denen man als Leser regelrecht mitfiebert, bangt und hofft.

Ich habe mich jedenfalls bestens unterhalten gefühlt, bin in diese Zeit eingetaucht, habe mit Elinor und Marianne gefühlt und gelitten, habe mich an den Dialogen erfreut und habe mich auch einige Male über die humorigen Spitzen in diesem Roman amüsiert.
So habe ich das immerhin über 400 Seiten starke Werk innerhalb kürzester Zeit ausgelesen.

Nicht umsonst ist das Buch, dass das erste Mal 1811 veröffentlicht worden ist, seit nunmehr 200 Jahren immer wieder neu aufgelegt worden.

Mir hat auch das angehängte Nachwort von Denis Scheck gefallen der das Buch und die Autorin nicht nur zeitlich eingeordnet hat, die Autorin beleuchtet und manche kritischen Stimmen über das Werk (hier geht es um die fehlenden geschichtlichen bwz. politischen Bezüge in Austens Werken) mit eingeflochten hat, insbesondere aber seine sehr positven Ansichten über das vorliegende Werk.



Fazit:
Das Buch erlaubt beim Lesen ein eintauchen in eine andere Zeit. Es geht um Liebe und Leid, gespickt mit Humor und Satire. Vernunft contra Gefühl - genial formuliert, fesselnd geschrieben und zum 200. Todestag von Jane Austen vom Manesse Verlag neu übersetzt und aufgelegt.

Bewertung vom 30.03.2017
Die Zitronenschwestern
Cebeni, Valentina

Die Zitronenschwestern


gut

Elettras Mutter liegt schon ein Jahr im Koma, die Bäckerei, die sie von ihr übernommen hat, musste sie aus finanziellen Gründen schließen. Was nun? Da entdeckt Elettra innerhalb weniger Tage einige Hinweise, die auf eine Mittelmeerinsel hindeuten. Liegt da die Vergangenheit ihrer Mutter ? Viel weiß sie nicht darüber, auch wer ihr Vater war, hat ihre Mutter ihr immer verheimlicht. Kurzentschlossen bricht Elettra auf um mehr zu erfahren.
Dort angekommen entdeckt sie ein altes Kloster. Bewohnt von drei Frauen. Was für ein Geheimnis verbergen sie ? Elettra spürt, dass sie hier mehr heraus finden kann. Dass ihre Mutter hier gelebt hat. Was verbergen die Frauen? Und können sie sich zusammentun um das Kloster zu retten?

Valentina Cebeni hat nicht nur Geheimnisse aus der Vergangenheit, Freundschaft, Liebe und schöne Landschaften, ein ganz eigenes Inselvölkchen, sowie Kummer und Intrigen miteinander verwebt, sondern auch mit dem Duft von Anisbrötchen, Zitronen und manch anderer Leckerei mit einbezogen. Gut, dass auch die Backrezepte zu den beschriebenen Backwerken abgedruckt sind und zum nachbacken einladen.

Die Autorin schildert aus Sicht von Elettra, die hinter ihre Ursprünge, die Vergangenheit der Mutter kommen will, aber auch einsam ist und sich nach Liebe sehnt. Nach einem Zugehörigkeitsgefühl. Die anderen Protagonisten haben auch ihre Last zu tragen und daher hat jede ihr kleines oder größeres Geheimnis.

Die Geschichte ist interessant, verwickelt und ein interessantes Ambiente wird beschrieben. Erst nach und nach lüftet sich ein Geheimnis nach dem anderen, zudem gibt es auch Spannungen zwischen den aktiven Protagonisten. Doch um das Kloster zu retten müssen sie zusammen halten. Eigentlich eine spannende Ausgangslage. Dennoch konnte es mich nicht wie gewollt fesseln, da es doch für mich einige unnötige Längen gab. Und manch eine Stelle, die entweder zu zufällig oder zu unrealistisch war. Aber es gab auch viele Momente, wenn es um die Landschaft oder die Backkunst ging, bei denen ich das Beschriebene vor Augen hatte.
Der Roman spielt in den 1980er Jahren und man merkt, dass es eine andere, ruhigere, aber auch vom Verhalten eine verschlossenere Gesellschaft auf dieser Insel war. Eine andere Zeit, die hier im Roman beschrieben worden ist.

Für alle, die gerne Frauenromane mit Verwicklungen, Liebe, Geheimnissen lesen und sich über die abgedruckten Backrezepte freuen, empfehle ich es mit Einschränkungen weiter. Aber vielleicht gefällt es euch besser als mir ?
Das Cover ist jedenfalls herrlich erfrischend, anziehend und peppig gemacht!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2017
Blutfährte / Mark Becker Bd.1
Stolzenburg, Silvia

Blutfährte / Mark Becker Bd.1


ausgezeichnet

In was ist Tim Bergmann da nur hinein gerutscht ? Der Sanitätsfeldwebel bemerkt in seiner Nachtschicht zum wiederholten Mal, dass - kurz nachdem er mit einem Auftrag weggeschickt worden ist - ein Toter aus der Notfallaufnahme gerollt wird. Wo kam der her ? Seine Neugier bringt ihn in akute Gefahr - es bleibt ihm nur die Flucht.
Feldjäger Mark Becker hat den Auftrag dem unerlaubt abwesenden Tim Bergmann hinterher zu spüren. Je weiter er in dem Fall ermittelt, desto verzwickter scheint es zu werden. Es beginnt eine atemberaubende Jagd, denn nicht nur Becker scheint hinter ihm her zu sein.

Nach ihren historischen Romanen und der Krimi-Trilogie um das Stuttgarter-Ermittlerduo Markus Hauer und Anna Benz, hat Silvia Stolzenburg mit "Blutfährte" neue Protagonisten erschaffen.
Diesmal spielt sich alles in Ulm und um Ulm herum (smile) ab. Im Mittelpunkt steht die Bundeswehr mit Feldjägern und dem Sanitätspersonal. Aber auch die Kriminalpolizei Stuttgart, insbesondere Lisa Schäfer, ermittelt und schnell ist klar, zwischen ihr und Mark Becker gibt es unterschiedliche Meinungen.

Wie immer in den Romanen von Silvia Stolzenburg, sind die Protagonisten wieder so gestaltet, dass sie mit Leib und Seele, mit Gefühlen, ausgestatten wurden, dass sie lebendig und vertraut erscheinen. Man fiebert und bangt mit Tim, drückt Mark die Daumen, erschauert bei manchen Textstellen und fühlt sich als Leser mittendrin bei allen Aktionen.
Der Autorin gelingt es vor allem , dass man durch die wechslenden Schauplätze und wechselnden Kapiteln, die oft und gerne an "fiesen" Stellen aufhören, nur so durch die Seiten fliegt, weil man einfach nicht aufhören kann zu lesen. Einfach zu spannend.
Hinzu kommt, dass man als Leser zwar manchmal einen Vorsprung vor der Ermittlungsarbeit der Agierenden hat, aber trotz allem wird nie zu viel verraten. Lange tappt man im Dunkeln und am Ende wird man überrascht, aber so, dass es auch ein glaubwürdiges, rundes Ende bekommt.
Wieder einmal hat man auch in diesem Thriller bemerkt, dass die Autorin gute Recherchearbeit geleistet hat.

Ich freue mich jedenfalls schon auf eine Fortsetzung der neuen Reihe um den Feldjäger Mark Becker.

Fazit:
Spannend, überraschend und fesselnd !!! Einmal angefangen, kann man nicht aufhören zu lesen.

Bewertung vom 24.03.2017
Alles, was ich nicht erinnere
Khemiri, Jonas H.

Alles, was ich nicht erinnere


ausgezeichnet

"Ich rede mir ein, dass ich ein Teil der wirklichen Welt bin, dass Wörter nicht wichtiger als Menschen sind, dass ich nichts anderes will, als versuchen zu verstehen, was geschehen ist. " (Zitat, S. 315).


Samuel ist tot. Gestorben bei einem Autounfall. Selbstmord oder Unfall ? Die Geschichte "Alles, was ich nicht erinnere" ist ein Roman der ganz anderen Art. Interessant, manchmal verwirrend, es braucht auch vom Leser Konzentration und vor allem Aufmerksamkeit. Doch wenn man sich hinein gefunden hat, dann ist es eine sehr intensive Geschichte, bei der man selber nachdenkt, selber versucht sich eine Meinung zu bilden.

Das Grundgerüst des Romanes ist einfach. Ein schwedischer Journalist/Autor versucht das Leben des letzten Jahres von Samuel und vor allem dessen Tod zu rekonstruieren. Warum, wieso, weshalb ? Dafür befragt er die Menschen, die Samuel kannten. Angefangen von Mitarbeitern des Heimes, in dem seine Großmutter (deren altes Haus übrigens auch eine große Rolle spielt) liegt, über Nachbarn, der Pantherin (eine Freundin, die in Berlin lebt) und vor allem kommen Samuels Freund und MItbewohner Vandad und seine Freundin Laide zu Wort.
Am Anfang muss man sich reinfinden. Wiedergegeben sind immer nur die Antworten, die Berichte der Bekannten und Freunde. Keine Fragen. Es liest sich wie ein Protokoll von Gesprächen, wie die Niederschrift von Aufnahmeprotokollen, was sie auch darstellen sollen. Die Antworten der verschiedenen Interviewpartner werden nur durch Sternchen abgegrenz, wechseln häufig, meist sind es nur sehr kurze Passagen und jedesmal muss man überlegen, wer berichtet hier gerade ? Doch nach einer Weile habe ich mich hineingefunden in diesen besonderen Erzählstil.

Mehr als interessant wird es spätestens als Vandad und Laida erzählen. Abwechselnd. Manchmal zu den gleichen Ereignissen. Jeder aus seiner Sicht - meist erzählen sie widersprüchlich. Man kommt als Leser ins Grübeln - wer hat Recht, wer übertreibt oder erzählt nicht die (ganze) Wahrheit? Der Autor zeigt auf, dass je nachdem aus welchem Blickwinkel über Samuel berichtet wird, das Bild sich ändert. Verzerrt wird, verschleiert wird, gefiltert wird. Eine gelungene Darstellungsweise von Khemiri. Man fragt sich, wer war Samuel wirklich ? Wie war er und woran lag es, dass er so unterschiedlich wahrgenommen worden ist. Hat jeder nur sein eigenes (Wunsch)Bild projeziert ?


Vor allem sieht man immer Samuel vor sich, der sich wahrscheinlich genauso zwischen seinen Mitmenschen aufgerieben hat. Was hat schlußendlich zu seinem Tod geführt ?
Durch die Berichte seiner Mitmenschen merkt man, wie sich die Situation, die Stimmung bei Samuel immer mehr zugespitzte.
Als Leser versucht man sich ein eigenes Bild zu machen, was nicht immer leicht ist.
Was bleibt ist der Tod eines jungen Mannes, der sich verraten und letztendlich verlassen und ungeliebt gefühlt haben muss, der keinen Sinn mehr in seinem Leben sah, sich entwurzelt gefühlt hat und ohne Hoffnung.


Fazit:
Man muss ich einlassen auf die Erzählweise, auf die Geschichte und die Protagonisten. Es ist eine ganz andere Leseerfahrung. Anspruchsvoll, manchmal verwirrend, aber interessant, sehr gut aufgebaut, man muss Nachdenken und MItdenken.

Bewertung vom 19.03.2017
Sturmherz
Bomann, Corina

Sturmherz


sehr gut

Alexas Mutter Cornelia liegt nach einem Schlaganfall im Koma. Alexa muss sich jetzt als Einzelkind nicht nur um eine Betreuung für ihre Mutter kümmern, sondern sich auch Gedanken machen, wie sie mit ihrer Mutter weiter umgehen soll. Die Mutter-Tochter-Beziehung ist schon seit ihrer Kindheit gestört, seit Cornelia damals für drei Monate spurlos verschwand und sich nach ihrer Rückkehr in eine kühle, abweisende Frau verwandelt hat, die keine Liebe mehr geben konnte oder wollte. Doch Alexa kann sich nicht von ihrer Mutter, nun, da sie Hilfe benötigt, abwenden. Die Begegnung mit dem amerikanischen Autoren Richard Henderson und dessen Sohn Ethan bringen nun nach und nach die Geheimnisse ihrer Mutter ans Licht.....

Der Roman spielt in der heutigen Zeit, durch die Erinnerungen der Protagonisten springt er aber immer wieder zurück in die Zeit vor und nach der großen Sturmflut in Hamburg, 1962. Erst nach und nach werden die Geheimnisse aus der Vergangenheit gelüftet und die Spannung, was nun eigentlich damals und vor allem auch 20 Jahre später, beim Verschwinden Cornelias, passiert ist, bleibt lange erhalten.

Der Schreibstil von Corina Bomann ist wieder einmal sehr kurzweilig und flüssig. Sie schafft es auch hier, dass man die Protagonisten vor Augen hat, dass man die über 500 Seiten schnell liest und auch das ein oder andere Mal überrascht wird. Sie weckt Emotionen, gerade weil manche Entscheidungen, manche Taten und Ereignisse hier weite Kreise ziehen und das Leben der Protagonisen unweigerlich dramatisch ändern.

Die Protagonisten erleben viel Leid, reagieren nicht immer rational, sondern manchmal sehr gefühlsbetont und egoistisch, was weitere Folgen haben wird. Sie sind auf der Suche nach der großen Liebe, dem Glück und können es nicht halten.

Trotz aller ruhigen Erzählweise, ging mir manches im Roman doch etwas zu klischeehaft ab, manchmal fehlte mir die Tiefe. Die Handlungen und Haltungen der Protagonisten konnte ich - aus meiner Sicht- nicht immer verstehen. Aber das gehört woh zur Dramaturgie der Geschichte dazu.
Im ganzen ist es aber eine sehr gut formulierte Geschichte mit Geheimnissen, verschiedenen Zeitebenen, Spannungen, Liebe, die - mit ein paar Abstrichen- eine gute Unterhaltung für Zwischendurch war. Die Autorin schafft es, dass man durch die Seiten fliegt, weil die Geschichte wie eine Zwiebel verpackt ist, bei der sich erst nach und nach alle Schichten ablösen lassen und - auf den Roman bezogen - sich der Kern der Geschichte erst nach und nach offenbart.