Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
solveig

Bewertungen

Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 06.01.2014
Immer schön gierig bleiben
Alef, Rob

Immer schön gierig bleiben


ausgezeichnet

Immer schön gierig bleiben?


Lust auf Abwechslung?
Dann ist dieser Roman, der viel mehr ist als „nur“ ein Krimi, sicher das Richtige!
Mit Hauptkommissar Pachulke und seinem bemerkenswerten Team aus völlig unterschiedlichen Individuen geht der Leser auf die Suche nach dem Mörder einer jungen Maklerin. Dieser „Körperverletzer mit Todesfolge“, wie er sich selbst bezeichnet, hat sein Opfer nach der Tat geschminkt. In Pachulke lässt dieseTatsache die Erinnerung an einen anderen, lange zurück liegenden Mordfall aufkommen, und die Ermittlungen werden konkreter.

Aber – wie versprochen – es geht dem Autor um mehr als nur die Aufklärung eines Mordes. Er beleuchtet ein top aktuelles Thema in der Geschichte, die im modernen Berlin angesiedelt ist, nämlich die derzeitige Wohnungspolitik. Jeder Berliner (aber auch Bürger anderer deutscher Großstädte) kennt die Problematik, eine bezahlbare Wohnung innerhalb der Stadt zu finden oder gar seine derzeitige Wohnung halten zu können und nicht aus „seinem“ Kiez vertrieben zu werden durch Neugestaltung und explodierende Mieten – eben durch die Gier von Hausbesitzern und Maklern. Auch Pachulke und seine Kollegen bleiben davon nicht verschont. Zudem hat sich in Alefs Roman eine Gegengesellschaft gebildet, die auf Müllhalden nach eigenen Regeln lebt: ein surrealistisches Element, das ein düsteres Szenario herauf beschwört.

Dennoch versteht Alef es großartig, seine Kritik an Gesellschaft und Verwaltung in bissig-humorvoller Form zu verpacken - auch wenn dem Leser manchmal das Lachen im Halse stecken bleiben will.

Er verwebt Realität geschickt mit phantastischen Elementen. So hat der Leser auf der einen Seite Gelegenheit bei einer Busfahrt mit der (tatsächlich existierenden) Linie 104 die Stadt Berlin durch Pachulkes Augen und Kommentare zu erleben.
Andererseits gibt es surrealistisch anmutende Szenen auf der Müllkippe oder auf der „Treptower Halde“, die der Berliner heute (Gott sei Dank) noch als Park kennt.

Salopp geschrieben, aber immer präzise formuliert, zahlreiche kleinere und größere satirische Seitenhiebe verteilend, hält der Krimi die Spannung bis zum Schluss. Kurz, es ist ein Vergnügen, diesen „Roman Noir“ zu lesen.

Nun mag der künftige Leser spekulieren: wird der Täter gefasst? Ändert sich etwas? Oder bleiben wir „immer schön gierig“?

Bewertung vom 11.12.2013
Empfindliche Wahrheit
Le Carré, John

Empfindliche Wahrheit


ausgezeichnet

"Wer die Wahrheit sagt, wird früher oder später dabei ertappt"



Dieses Motto, den „Weisheiten von Oscar Wilde“ entnommen, hat John le Carré seinem neuen Roman „Empfindliche Wahrheit“ voran gestellt. Was dem Leser zunächst als witziges Bonmot erscheint, entpuppt sich im Verlauf des Romans als desillusionierende Realität.
Doch der Reihe nach:

Alles beginnt in der englischen Kronkolonie Gibraltar, wo ein englischer Diplomat unter dem Decknamen „Paul Anderson“ als Beobachter der „Operation Wildlife“ , bei dem ein internationaler Waffenhändler inhaftiert werden soll, fungiert. Das Unternehmen, hinter dem auch der Außenminister Fergus Quinn steht, misslingt; die beteiligten Akteure müssen sich zurückziehen. In demselben Jahr wird Toby Bell, ein junger, sehr versierter Diplomat, in die Dienste eben dieses Fergus Quinn gestellt, entdeckt Ungereimtheiten und Merkwürdiges und versucht, Details zu erfahren. Da seine Fragen unbeantwort bleiben, entschließt er sich, ein geheimes Gespräch seines korrupten Ministers per Tonbandgerät mitzuschneiden. Einige Jahre später trifft er mit dem inzwischen pensionierten Kit Probyn alias Paul Anderson in Cornwall zusammen. Der Pensionär musste inzwischen erkennen, dass sein Einsatz in Gibraltar wohl doch nicht dem „Wohlergehen der Nation“ diente. Sie beschließen, das Geheimnis „Wildlife“ aufzudecken, wobei jeder auf seine eigene Art vorgeht.

Mit dem Motiv der Spionage im Dienst der nationalen Sicherheit und Antiterrorbekämpfung hat Carré ein top aktuelles, brisantes Thema bearbeitet (wie er es auch in den meisten seiner vorherigen Bücher getan hat). Er führt uns auf das glatte, rutschige Parkett der Diplomaten im Auswärtigen Dienst. Die einzelnen Handlungsstränge sind geschickt miteinander verwoben,
eine sehr komplexe Geschichte. Der Roman ist dennoch gut und flüssig zu lesen, dank Carrés lockerer, ruhiger Schreibweise. Er steckt voller Anspielungen auf einzelne Episoden in der englischen Politik (New Labour, Tony Blair), enthält Spitzen gegen Staat und Staatsdiener. Carré, dessen bürgerliche Name David John Moore Cornwell lautet, würzt sein Werk mit viel Sarkasmus - so heißt etwa das Dienstleistungsunternehmen, das neben humanitären Projekten auch Söldner für spezielle militärische Aufgaben zur Verfügung stellt, „Ethical Outcomes“ (übersetzt etwa „Moralische Resultate“), und gleich in den ersten Zeilen des Romans sind „seine sympathisch-rechtschaffenen Züge“ die Erkennungsmerkmale des Engländers im Allgemeinen.
Packend geschrieben, lebendig und aufrüttelnd, legt Carré die Situation eines Whistleblowers dar. Der Autor lässt die unterschiedlichsten Menschen in der ihnen eigenen Sprache zu Wort kommen, beleuchtet die unterschiedlichsten Motive. Mit der Erfahrung des „altgedienten“ Schriftstellers schafft er es, seine Romanfiguren authentisch wirken zu lassen.
Den englischen Originaltitel „Delicate Truth“ könnte man auch mit „Heikle Wahrheit“ übersetzen. Im Deutschen entspräche das Adjektiv „heikel“ meiner Meinung nach dem Inhalt des Romans besser als „empfindlich“.
Es ist ein verstörendes Buch, das ein Bild der permanenten Überwachung der Bürger wiedergibt. Verstörend auch, weil es nicht nur die Macht des Staates und seiner Organe demonstriert, sondern vor allem die Ohnmacht des Einzelnen. Und so wird das Ende des Romans kommentiert in der bitteren Aussage des ursprünglich vorangestellten Mottos: „Wer die Wahrheit sagt, wird früher oder später dabei ertappt.“

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.12.2013
Das Chaos wohnt nebenan / Zwei kunterbunte Freundinnen Bd.1
Holt, Anne

Das Chaos wohnt nebenan / Zwei kunterbunte Freundinnen Bd.1


sehr gut

Wo wohnt nun eigentlich das Chaos - im Wohnwagen, wie der Leser vielleicht vermutet? Oder nebenan, in dem kleinen roten Haus?
Das finden die kleinen Leser sehr schnell heraus; denn die Geschichte, wie die Freundschaft der zwei Mädchen Maibritt und Victoria zustande kommt, ist sehr turbulent und aufregend. Es passiert so vieles an diesem Sonnabend, dass nach den glücklich überstandenen Abenteuern Maibritts Mutter vor Erschöpfung im Garten einschläft.
In dem ersten Band ihrer Kinderbuchserie „Zwei kunterbunte Freundinnen“ schreibt die Norwegerin Anne Holt, vielen Lesern vielleicht bereits bekannt als Schriftstellerin von Kriminalromanen, in ihrem schönen, klaren Stil von zwei total unterschiedlichen Mädchen; Maibritt als die sehr Mädchenhafte, Verantwortungsbewusste fühlt sich von ihrem „Gegenstück“ Victoria angezogen, die eher unüberlegt und wild ist. Zwar nicht in Ich-Form geschrieben, werden die Ereignisse dennoch aus der Sicht eines Kindes (Maibritt) geschildert, in klaren Sätzen, frei von allen Schnörkeln und Kitsch.
Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz, gut geeignet für das Vorlesen vor dem Zubettgehen.
Bunte, ausdrucksstarke Illustrationen von Katrin Engelking (auch Illustratorin für Bücher von Astrid Lindgren und Kirsten Boje) vervollständigen das Buch. Sie nehmen großzügig jeweils eine halbe Buchseite ein - für kleine und große Kinder ein Genuss.
Die Aufmachung wirkt liebevoll und kindgerecht, wie man es vom Oetinger-Verlag gewohnt ist.
Mein Fazit: ein lustiges, lesenswertes, nicht allzu braves Buch zum Vor- und Selberlesen ab 7 Jahren.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.11.2013
Norden ist, wo oben ist
Bertram, Rüdiger

Norden ist, wo oben ist


sehr gut

„Auch allein hier?“
Mit diesen Worten beginnt für den 11jährigen Philip ein folgenreiches Ferienabenteuer. Von einem quirligen, etwa gleichaltrigen Mädchen namens Mel wird er gewissermaßen zu einer Reise „nach oben“ in den Norden Deutschlands „überredet“.
Die Ereignisse überstürzen sich; Philip, als der Erfahrenere, hält dabei jedoch nicht immer die Fäden in der Hand, oft ist es die impulsive Mel, die schnelle Entscheidungen trifft. Aber im Verlauf ihrer Fahrt werden beide vertraut miteinander und können sich in Schwierigkeiten aufeinander verlassen. Das ist der Beginn einer Freundschaft zwischen zwei sehr ungleichen Kindern: Philip, dem es nicht an materiellem Wohlstand fehlt, der aber sehr unter der Trennung seiner Eltern leidet; Mel, die in einer Pflegefamilie aufwächst und sehr wohl eine Ahnung von finanziellen Problemen hat.
Auf sich allein gestellt und ohne technische Hilfsmittel wie etwa ein Mobilphon („So ein Handy ist doch die reinste Hundeleine!“) , mit nur noch wenig Geld in der Tasche suchen die beiden Kinder nach Mels Bruder, den sie selbst gar nicht kennt, der aber ein Stück eigene Familie für sie bedeutet.
Aus Philips Sicht erzählt der Autor in einer kind- bzw. jugendgerechten Sprache von den Abenteuern, die sie auf ihrem Weg nach Rostock erleben und den Schwierigkeiten, die sie meistern müssen. Er würzt die Ereignisse mit humorvollen Details und hält die Spannung bis zum Schluss.
Sehr sparsam ist das Buch von Constanze Spengler illustriert – nur die Kapitelüberschriften sind mit jeweils einem (für das Kapitel aufschlussreiche) Bild versehen - was die Phantasie der jungen Leser beflügelt.
Am Schluss bleiben viele Fragen offen: sicherlich so beabsichtigt vom Autor. Im „wahren Leben“ bekommt schließlich auch niemand eine Lösung serviert. Das Ende soll zum Weiterdenken anregen, vielleicht auch zum Diskutieren.
Mein Fazit: ein spannendes Buch, aufgelockert mit lustigen Episoden, aber auch ernsthaften Passagen, die nachdenklich stimmen.

Bewertung vom 22.11.2013
Die grüne Bluse meiner Schwester
Kristný, Gerður

Die grüne Bluse meiner Schwester


sehr gut

Eigentlich müsste der Titel „Die grüne Bluse meiner Mutter“ heißen; denn es ist ihre Bluse, die Fridas Schwester bei der Beerdigung des Vaters trägt. Hier wird der jungen Frau die Distanz zum Rest ihrer Familie richtig bewusst. Das Gleichgewicht der Familienkonstellation Mutter - Gabba, Vater - Frida ist endgültig zerstört. Da ist die grüne Bluse der Mutter, die Fridas Schwester trägt, ein Symbol für die Zusammengehörigkeit dieser beiden und ein Auslöser für Fridas Gefühl der Verlassenheit. Dass Kristny ihren Roman „Die grüne Bluse meiner Schwester“ betitelt hat, macht deutlich, wie Mutter und Gubba zueinander stehen, wer die Dominante ist.
So natürlich leicht wie ihre Romanheldin Frida sich gibt, lässt die Autorin ihre Erzählung über Familiengeschichte, Fridas Kindheitserinnerungen und Gedanken vom Alltäglichen bis hin zu
besonderen Ereignissen fließen. Der Leser wird ganz einfach davon mitgetragen und in Fridas Leben eingeführt. Die Beziehung zu ihren Freundinnen, ihre Arbeit, der tägliche Kleinkrieg und die Konkurrenz in Zeitungsredaktionen – all das wird in lockerem Erzählton geschildert, immer wieder überlagert von Fridas besonderem Gespür für Gerüche, Parfums, über die sie andere, fremde Menschen einschätzt.
Dennoch verstecken sich unter dieser Oberfläche Trauer über den Verlust des Vaters, Wehmut über die Mutter, die nie wirklich für sie da war, Wut und Eifersucht auf die Schwester, aber auch liebevolle Gefühle für ihren Neffen Gunnar Birnir. Und fast wie nebenbei entdeckt sie die wahre Todesursache ihres Vaters, dessen Ausspruch bei ihrem letzten Gespräch „Schrecklich, dass jemand anders bestimmt, wann man gehen muss" noch in ihren Ohren klingt.
Bei allen Alltags- und ungelösten Familienproblemen herrscht doch stets ein optimistischer Ton vor. Ein Hauch von feinem Humor überdeckt die Trauer. Der Roman ist frei von Pathos und wohltuend ehrlich. Eine nachdenkliche Geschichte mit optimistischen Tönen.

Bewertung vom 10.11.2013
Wo bist du, Motek?
Goren, Ilan

Wo bist du, Motek?


ausgezeichnet

Ein turbulentes, ereignisreiches Jahr verbringt Ilan Goren in Berlin. Im Auftrag des israelischen Senders „Channel 10“ soll er Reportagen über aktuelle Ereignisse drehen. Der neugekürte Europakorrespondent will diese Zeit nutzen, um Karriere zu machen; vor allem aber hat er den Wunsch, kurz nach dem Tod seiner Mutter ihrer Vorliebe für alles Deutsche – von Markenware über Spielzeug bis zu Kinderreimen - nachzuspüren und in Berlin vielleicht einiges über seine deutschen Ahnen in Erfahrung zu bringen.

In einer lockeren, freimütigen Sprache, die jedoch nie ausfällig wird, berichtet Goren, der in seinem Buch „Motek“ genannt wird (ein hebräisches Wort für „Süßer“), über sein alltägliches Leben in Berlin mit Freunden, seiner Arbeit - und immer wieder Schokolade. Aus seiner Perspektive heraus entwirft er ein Stimmungsbild des modernen Berlin. Wie eine Collage werden Impressionen, Erinnerungen und neue Erfahrungen zu einer Einheit zusammengetragen. Als wegweisende Figur im Hintergrund stets die verstorbene Mutter und ihre Lebensweisheiten, die Motek geprägt haben. Dabei wird immer wieder deutlich, wie sehr sich Moteks Ansichten, der in dem biblischen „gelobten Land“ groß geworden ist, von denen unterscheiden, die er hier in Deutschland, dem „gelobten Land“ seiner Mutter, antrifft.

Mit Hilfe eines Tagebuchs, das sein Urgroßvater einst geführt hat, und einigen handgeschriebenen Zetteln seiner Großmutter gelingt es Motek, sich ein Bild seiner Vorfahren und deren Leben zu machen.
Der Autor versteht es, den Leser in wechselnden Erzählperspektiven von seiner Geschichte zu fesseln: da ist zum einen seine eigene gegenwärtige Situation in Berlin, zum anderen auch Episoden aus dem Leben und der Sicht von Else und Juda/Joachim, den Urgroßeltern, die er dem Tagebuch und den handschriftlichen Notizen von Großmutter Jutta entnimmt. Dabei passt er seinen Sprachstil jeweils der Vergangenheit bzw. der Gegenwart an.

Temporeich, spritzig erzählt Ilan Goren den Ablauf eines ganzen Jahres. Bei aller Vergnüglichkeit und dem Humor, den Motek nie verliert, ist das Buch doch auch mit einer guten Portion Ernst und Nachdenklichkeit gewürzt.

„Sie sehen genauso aus wie vor einem Jahr“, stellt schließlich die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde fest. Rein äußerlich, vielleicht. Doch für Motek hat sich viel verändert: eine Beziehung zerbricht, Freunde gehen neue Wege, er selbst verliert seine Arbeit - aber er hat etwas über sich und seine Wurzeln erfahren. Was liegt da näher, als ein weiteres Jahr in Berlin zu verbringen? Tel Aviv, Berlin, Tschenstochau - wo bist du heute, Motek?
Ich bin überzeugt, dass sich viele Leser mit großem Vergnügen Moteks Suche anschließen werden.

Bewertung vom 01.11.2013
Rosen, Tulpen, Nelken
Wanner, Heike

Rosen, Tulpen, Nelken


weniger gut

Puzzle aus Erinnerungen

Kurz vor ihrem 30. Geburtstag hält Sophie das Poesiealbum ihrer jung verstorbenen Mutter in der Hand. Während des Durchblätterns kommt ihr die Idee, gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen Vanessa und Sandra auf die Suche nach drei der ehemaligen Schulfreundinnen zu gehen. Und schon macht sich das Kleeblatt mit einem alten Wohnwagen auf den Weg, um der unbekannten Lebensgeschichte der Mutter nachzuspüren. Einige der Episoden, von denen sie erfährt, erscheinen Sophie wie Paralellen zu ihrem eigenen Leben. Stück für Stück versucht die junge Frau, das Bild von ihrer Mutter, das sie nur noch undeutlich vor Augen hat, wie ein Puzzle durch neue Erkenntnisse zu ergänzen und nebenbei ihr eigenes Leben in Ordnung zu bringen. Dabei zieht sich das Thema „Freundschaft“ als Leitfaden durch das Geschehen. Soweit eigentlich ein originelles Thema für einen Roman ...
... Wenn da nicht so viele Klischees aufgewärmt würden: da hat Sophie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann; zwei der Poesiealbum-Freundinnen der Mutter, verheiratet und nicht berufstätig, werden als warmherzig geschildert, die dritte Exfreundin ist Karrierefrau und wird zunächst als distanziert und vom Leben enttäuscht beschrieben, bis sie durch ihr Zusammentreffen schließlich bekehrt wird; ein netter Nachbar und Pizzabote entpuppt sich als Arzt und künftiger neuer Partner - bis zum Happy-End ist eigentlich alles recht vorhersehbar.
Mit dem „wahren Leben“ hat das nicht viel zu tun, aber dafür ist es ja auch ein Roman. In einem leichten, gut lesbaren Stil geschrieben, ist er sicherlich eine nette, unverfängliche Lektüre zur Entspannung.

Bewertung vom 30.10.2013
Odessa Star
Koch, Herman

Odessa Star


ausgezeichnet

Es ist der Abend vor der Beerdigung seines Freundes Max, an dem Fred Moorman zum „Archäologen seiner eigenen jüngsten Vergangenheit“ wird.
Auf der Suche nach geeigneten Worten für eine Grabrede lässt er die Ereignisse der letzten Monate, vermischt mit Erinnerungen aus der gemeinsamen Schulzeit, Revue passieren.
Mit hintergründigem, ja schwarzem Humor gibt der Ich-Erzähler seine ganz persönliche Sicht der Geschehnisse wieder, wobei seine Beziehung zu dem undurchschaubaren Max naturgemäß im Mittelpunkt steht. Andere Figuren rücken in den Hintergrund, werden als Randfiguren teilweise nur oberflächlich charakterisiert und knapp beschrieben. Die eine oder andere Frage zum makabren Hergang wird offen gelassen; es bleibt Fred (und dem Leser) überlassen, eigene Schlussfolgerungen zu ziehen oder zwischen den Zeilen zu lesen: Wer hat
Max ermordet?
Dabei ist der Autor in seiner Wortwahl nicht zimperlich.
In flottem, gut lesbarem Stil macht Herman Koch bereits im Eingangskapitel Andeutungen zu wesentlichen Charakterzügen der zwei Hauptfiguren - das „Spiel“ mit dem Kater ist sehr aufschlussreich.
Überhaupt: das Spiel mit der Gefahr ist eines der Romanthemen: für Max bedeutet es Herausforderung und Lebenselement, für Fred birgt es den Reiz des Neuen, Unberechenbaren. Aus der Sicherheit seiner bürgerlichen Existenz heraus sucht der Endvierziger, der in einer Midlife-Krise steckt, das Abenteuer und wird zum Mitspieler, wobei er anfängliche Skrupel überraschend schnell überwindet. Bleibt er nur Spielfigur oder kann er trotz der von Max diktierten Spielregeln gewinnen?
Der Buchtitel „Odessa Star“ lässt Assoziationen an Osteuropa, zwielichtige Gestalten und zweifelhafte Geschäfte aufkommen. Einen guten Teil davon findet der Leser in dem Roman wieder.
Spannend, humorvoll, aber auch mit bösartigem Vergnügen, so scheint es, führt der Autor den Leser durch den Abgrund, der sich auftut, wenn Spießertum und Verbrechen aufeinander treffen.
Eine Empfehlung für unerschrockene Leser auch diesseits/jenseits der Midlife-Krise!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.10.2013
Warum haben Eltern keinen Beipackzettel?
Bösel, Roland;Bösel, Sabine

Warum haben Eltern keinen Beipackzettel?


sehr gut

Sind Eltern wirklich allein verantwortlich für mein persönliches Glück oder Unglück?
Wie kann ich mich vom „emotionalen Erbe“ meiner Eltern befreien und mein Verhalten ändern?
Diesen Fragen gehen die Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel auf den Grund.
In leicht verständlicher Sprache helfen sie dem Leser, den Blick tiefer in komplizierte Zusammenhänge zu richten, die Risiken und Nebenwirkungen seines persönlichen emotionalen Erbes zu erkennen und bieten Möglichkeiten an, aus eingefahrenem Verhalten heraus zu finden. Dabei veranschaulichen zahlreiche Beispiele aus der Praxis (nicht zuletzt auch eigene Erfahrungen des Ehepaars) ihre Erklärungen.
Jedes der neun Kapitel ist unterteilt in überschaubare, kürzere Abschnitte, die das Lesen erleichtern. Ein prägnanter „Beipackzettel“ zu Beginn eines jeden neuen Kapitels stimmt den Leser bereits auf den zu erwartenden Inhalt ein.
Es wird klar: unser emotionales Erbe können wir nicht einfach ausschlagen, sondern wir müssen es annehmen und bearbeiten. Das Buch möchte dabei eine Stütze sein, ein Ratgeber, den man bei Bedarf immer wieder zur Hand nehmen kann. Den Therapeuten kann und will es nicht ersetzen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.10.2013
Stella Menzel und der goldene Faden
Rahlens, Holly-Jane

Stella Menzel und der goldene Faden


ausgezeichnet

Magie der Geschichte

„Es war einmal …“ Wahrlich märchenhaft beginnt die Geschichte der kleinen Stella Alisa Menzel, die von ihrer Großmutter eine Decke aus magischem blauen Seidensatin geschenkt bekommt. Dieser Stoff und die in seinen Falten versteckten Erzählungen, die ihre Großmutter dort „entdeckt“, begleiten Stella bis ins Teenageralter. Wie sich Stoff und Geschichten im Laufe der Zeit verändern mag der Leser selbst herausfinden.
Dieses wunderschön und liebevoll gestaltete Büchlein führt uns in einer klaren, für Kinder leicht verständlichen Sprache durch hundert Jahre europäische Geschichte. Dass die Hintergründe dabei nur angedeutet werden, ist sicher so gewollt: hier ist es den Eltern überlassen jeweils soviel zu erklären, wie es dem Alter des Kindes entspricht.
Eine hübsche Idee: Rahmenhandlung und die Erzählungen der Großmutter sind farblich leicht voneinander abgesetzt.
Text und Illustration bilden eine harmonische Einheit. Zu Anfang der Geschichte beginnt sich der goldene Faden von seiner Spule zu rollen und zieht sich als Leitthema durch sämtliche Kapitel bis zum Ende des Buches.
Die einzelnen Abbildungen gestaltet Reinhard Michl als Erinnerungsfotos.
Sogar an einen Familien-Stammbaum, der gerade für Kinder übersichtlich den Zusammenhang der einzelnen Familienmitglieder aufzeigt, ist gedacht worden.
Und noch ein Kompliment zur „Anmerkung der Autorin“: Mit diesem kurzen Kapitel beantwortet Frau Rahlens viele Fragen, lässt aber genügend Raum für eigene Überlegungen. Hier rückt sie ihren kleinen und großen Lesern ein Stückchen näher.
Ein gut durchdachtes und liebevoll gestaltetes Buch sowohl für kindliche als auch erwachsene Leser!

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.