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La Calavera Catrina

Bewertungen

Insgesamt 649 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2022
Superkraft Immunsystem
Ziegelbauer, Katharina

Superkraft Immunsystem


ausgezeichnet

„Die traditionelle chinesische Medizin ist vor allem eine präventive Medizin, also eine, die vorbeugt, damit wir erst gar nicht krank werden.“

Mithilfe dieses Buches kann man seine Gesundheit stärken und vorsorgen, damit man nicht krank wird. Die erste Hälfe beschäftigt sich mit dem theoretischen Teil. Bei jedem Kapitel findet man auch eine Menge praktischer Tipps. Neben 23 Regel für eine gute Verdauungskraft wird beispielsweise auch die Frage beantwortet, welche Rolle Vitamin C wirklich spielt. In der zweiten Hälfte befinden sich viele Ernährungstipps und Hausmittel für verschiedene Beschwerden. Hier kann man ganz praktisch nachschlagen, wenn es einen doch mal erwischt hat. Dabei dreht sich alles um Infekte und häufige Erkrankungen der Atemwege und ihrer Symptome, von Kopfschmerzen bis Schnupfen. Durchweg findet man tolle Rezepte mit Gemüse und einige Frühstücksideen. Die einfach zusammengestellten Gerichte haben nur wenig Zutaten, sind leicht zuzubereiten und haben durchweg gut geschmeckt. Mit Suppen, Eintöpfen und Ofengemüse trifft die TCM sehr meinen Geschmack.

Die Gestaltung ist auflockernd, mit ansprechenden Fotos und übersichtlichen Listen. Dabei ist das Buch nicht überfrachtet, bietet übersichtlich das Wichtigste in Kürze und macht Lust, immer mal wieder darin zu blättern. Ganz aktuell wird auch dem Thema Impfung ein kurzer Beitrag gewidmet, der erläutert, wie die TCM zu dem Thema steht und wie man sein Immunsystem vor und nach der Impfung bestmöglich unterstützen könnte.

Ein gelungenes Buch, bei dem mir vor allem die praktische Zusammenstellung und die ansprechende Gestaltung gefallen hat. Man kann für sich das Beste daraus mitnehmen, sich inspirieren lassen und etwas für die eigenen Gesundheit tun. Das Thema Immunsystem trifft hier den Nerv der Zeit. Aus meiner Sicht eine Anschaffung wert und auch ein tolles Mitbringsel, wenn man mal etwas Sinnvolles schenken möchte.

Bewertung vom 22.02.2022
Rotkäppchen rettet den Wolf
Piuk, Petra

Rotkäppchen rettet den Wolf


ausgezeichnet

Rotkäppchen heißt eigentlich Anna, aber weil sie immer eine rote Kappe trägt, nennt sie jeder Rotkäppchen. Mit ihrer Mama wohn sie in Buchwalden an der Grimm, in einer kleinen Wohnsiedlung. Selbstbewusst und frech, träumt sie davon, ganz allein den Planeten zu retten. Ihre Oma wohnt in einem Häuschen am Waldrand. Aber der Wald ist in Gefahr und soll einem Einkaufszentrum weichen. Der Wolf ist viel zu scheu für das Rampenlicht. Deswegen fällt die undankbare Rolle des Bösen dem Bürgermeister Herr Wolfgang Wolf zu, der sich nicht ein bisschen um die Umwelt schert. Die Wölfe sind die heimlichen Stars des Buches. Familie Wolf hat nämlich nicht nur einen superwitzigen Steckbrief ausgefüllt, sondern Rotkäppchen hat auch einen kurzen Aufsatz über sie geschrieben.
Es gibt Ähnlichkeiten zum Originalmärchen, aber eigentlich ist es eine ganz andere Geschichte, die sich nur an den Elementen Rotkäppchen, Wolf und Großmutter bedient.

Witzig und originell räumt „Rotkäppchen rettet den Wolf“ mit dem überholten Mythos auf. Von wegen, der Wolf ist böse und gefährlich, der hat nur einen schlechten Ruf. Es ist eine unterhaltsame Geschichte über die Rettung der Wälder und Tiere, wie sie aktueller nicht sein könnte. Absolut großartig ist die abwechslungsreiche Gestaltung: Illustrationen, bevorzugt in Grau und Rot und die unterhaltsame Mischung aus Story und Sachinformationen, aufgelockert durch grafisch kreative Anleitungen, Steckbriefe u.v.m. Auch der Erzählstil ist frech, locker und herausfordernd. Rotkäppchen lässt sich nämlich nicht bevormunden und scheut sich auch nicht, den Erzähler zu berichtigen und den Handlungsverlauf selbst in die Hand zu nehmen. Eine sympathische Heldin, die eine wertvolle Botschaft vermittelt und motiviert, auch selbst etwas für die Rettung unseres Planeten zu tun.

Bewertung vom 22.02.2022
Tell
Schmidt, Joachim B.

Tell


ausgezeichnet

Der Bauer Wilhelm Tell wohnt mit seiner Familie in den Bergen in einer Hütte. Als er mit seinem Sohn auf der Jagt ist, treffen sie auf einen Adligen und dessen streitkräftigen Höllenfürst. Diese kurze Begegnung hat weitreichende Folgen, die dazu führen, dass das ruhige Bergleben der Familie Tell seinen Frieden verliert.

Als Nationalheld der Schweiz gefeiert, ist Wilhelm Teil vor allem ein Querkopf im Widerstand, was die Geschichte erst ins Rollen bringt. Eigenbrötlerisch, angsteinflößend und wortkarg nach außen, offenbart er seine Gedanken nur selten. Dadurch entsteht ein ganz eigenwilliges Bild dieses Antihelden, der hauptsächlich in der Wahrnehmung anderer dargestellt wird, und lediglich in drei Kapiteln sein Inneres preisgibt, was ihn schließlich menschlicher werden lässt. Neben der Gewalt, dem Tod und dem harten Überleben im 14. Jahrhundert geht es um sexuellen Missbrauch und den Zusammenhalt der Familie. Der Aufbau ist schnell, baut an Spannung auf und macht süchtig. Dazu trägt die originelle Idee bei, die Story in hundert Sequenzen zu erzählen. Kurze Kapitel mit wechselnden Ich-Perspektiven, die einen umfassenden Einblick und Umblick gewährleisten. Die Protagonisten sind eindrücklich und mir gefiel die authentisch wirkende Sprache und Denkweise für diese Zeit.

Der Schreibstil von Joachim B. Schmidt ist zum niederknien. Schon der Roman „Kalmann“ war ein Highlight und wenn es um eisige Kälte und Bären geht, fühlt man sich bei Schmidt gut aufgehoben.

Fazit:
Eine grandiose Adaption eines berühmten Stoffs - modern erzählt, als gelungene Mischung aus spannender Unterhaltung, literarischer Kulturreise und Tiefsinn, die mich rundum begeistert hat. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 22.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


sehr gut

In dem Romandebüt von Anna Herzig geht es um das österreichische Dorf Krimmwing und seine engstirnigen Bewohner. Das kleine Büchlein ist mit seiner überschaubaren Seitenzahl und großer Schrift eine kurze Erzählung. Verschiedene Persönlichkeiten werden beleuchtet, die durch ihre Andersartigkeit auffallen, wie der Lorenz Karl Ignatius Rathbauer, der sich als regenbogenfarbenes Braunbärchen mit Propellerhut sieht und sich zum fünfzehnten Geburtstag von seinen Eltern eine Geschlechtsumwandlung wünscht, worauf hin sein alter Herr - „überfordert mit dem Leben im Allgemeinen und den Veränderungen der Nachkriegszeit im Besonderen - mit der Empathie eines Traktors ausgerüstet“ - ihn verprügelt. Ausgangspunkt und Fokus liegt aber auf dem Sepp Steinlachner, hineingeboren in eine Welt, die ihn nicht wollte. Als kleiner Bub afrikanischer Abstammung, vom Vater physisch und einer überforderten Mutter geistig verlassen, versucht Sepp, trotz der ständigen Demütigungen, zu überleben.

Die erste Hälfte des Buches berichtet über das, „was man gehört hat“ - alles aus zweiter Hand. Fragmentiert und sprunghaft erzählt, bis zu dem Tag, als der Sepp mit einem Seil zum Apfelbaum ging, weil er es nicht mehr ausgehalten hat und die Dorfleute taten, was sie am besten können: wegschauen. Die zweite Hälfte erzählt das, „was die Leute sagen“ und schaut bereits genauer hin, weil nach vielen Jahren der Peter Dohringer ins Dorf zurückkehrt und einiges wieder aufwirbelt. Nach und nach wird aufgedeckt, bewusst Verwirrung gestiftet und zusammengeführt.

Ich mochte den literarischen Einfallsreichtum und halte Anna Herzig für eine talentierte Schriftstellerin, die es beherrscht, schmucklos zu schreiben und zwischen den Zeilen, Botschaften zu verschicken. Es war mal etwas ganz anderes, etwas Kurzweiliges, was mich, neben all der Bestürzung, der Bewunderung und dem Humor, auch überraschen konnte. Ein anspruchsvolles Lesevergnügen für Zwischendurch, dass in seiner literarischen Form wunderbar funktioniert.

Bewertung vom 18.02.2022
Allein auf dem Meer
Vick, Chris

Allein auf dem Meer


ausgezeichnet

„Es ging nicht mehr um Rettung. Es ging ums Überleben. Vorher hatten wir Hunger gehabt, jetzt verhungerten wir.“

Schon das Cover hat mich fasziniert, aber nie hätte ich gedacht, dass mich eine Geschichte so packen könnte und ich am Ende so wehmütig sein würde, weil die letzte Seite umgeblättert ist.

Es geht um den fünfzehnjährigen Engländer Bill, der bei einem Sturm verloren geht. Die Geschichte wird aus seiner Perspektive erzählt. In einem kleinen Boot rettet er das Mädchen Aya, aus den Klauen des Meeres. Trotz kultureller Unterschiede und verschiedener Sprachen, lernen sie, einander zu verständigen und zu vertrauen. Aya ist stur, zurückhaltend und geheimnisvoll. Bill ist offenherzig, aber respektiert ihre Grenzen. Um dem Hunger, Durst und der erbarmungslosen Sonne zu entfliehen, erzählt Aya Geschichten, die an Märchen aus Tausendundeiner Nacht erinnern. Es scheint, als wären Botschaften der Hoffnung darin versteckt, wenn mutige Frauen, Dschinns und unschätzbare Kostbarkeiten, ihre Fantasie bevölkern.

Chris Vick hat seine Leidenschaft zum Meer und Liebe zu Geschichten in seine Sprache einfließen lassen. Der Erzählstil ist einfach großartig. Ihm sind wundervolle Charaktere gelungen, die über sich hinauswachsen, mit Tapferkeit und Herz. Dabei konnte man sich gut in Bills anfänglicher Zurückhaltung hineinversetzten, während Aya schon einiges durchgemacht hat, und mit ihrem Überlebenswillen beeindruckt. Ich hätte nicht erwartet, dass mich die Geschichte so packen würde. Es ist so spannend und atmosphärisch geschrieben, poetisch und eindrücklich, ganz ohne Bewertungen - alles gut ausbalanciert. Das Meer schenkt schöne und furchtbare Momente, sorgt für spannende Wendungen und ein Ende, mit dem ich nicht gerechnet hätte.

Ein wundervoller Roman, der von dem unschätzbaren Wert der Gemeinschaft erzählt, einen Eindruck davon vermittelt, wie es ist, auf hoher See verschollen zu sein und die Bedeutung von Geschichten hervorhebt. Eine absolute Leseempfehlung für alle - geeignet für Kinder ab zwölf Jahren.

Bewertung vom 18.02.2022
Dachs und Rakete. Ab in die Stadt!
Isermeyer, Jörg;Schüttler, Kai

Dachs und Rakete. Ab in die Stadt!


sehr gut

Herr Dachs und seine Freundin Rakete führten ein idyllisches Leben in einem ruhigen Dachsbau im Grünen. Bis der Maulwurf sie mit seinem Bagger aus dem Schlaf reist. Ein Räumungsbefehl macht die beiden Gefährten obdachlos, die sich dazu entschließen, ein neues Heim zu suchen. Als Landflüchtige finden sie schließlich eine Zuflucht in der Stadt - einem trubeligen Ort, der so viel Neues für sie bereithält. Die Freunde werden mit fremdartigen Verhaltensweisen konfrontiert und müssen lernen, dass man in der Stadt Geld benötigt, wenn man Hunger hat und ein Heim sucht.

„Ach du dickes Ei…“ ist Herr Dachs liebster Ausspruch, wenn er überrascht ist. Wenns unbehaglich wird, hat er auch ein Lied auf den Lippen oder erinnert sich gern an die Ratschläge seiner Eltern: „Mach dir nicht so viele Sorgen, was heut nicht klappt, passiert halt morgen.“ Rakete hat eine beruhigende Wirkung auf ihren Freund und unterstreicht mit ihrem liebenswerten Charaktere seine hilfsbereite Tüftlerei. Irgendwie lässt sich doch schließlich immer alles wieder reparieren. Mutig und erfinderisch lassen sie sich nicht unterkriegen und bleiben offen für alles, was auch kommt, und so findet sich immer eine Lösung - die dann meistens sogar richtig nachhaltig und praktisch ist. So verstecken sich schöne Botschaften und Weisheiten in den Bildern und Texten. Besonders herausragend sind die tollen - teilweise seitenfüllenden - Illustrationen von Kai SchSchüttler. In den Bildern tummeln sich viele unterschiedliche Tiere, die mit viel Erheiterung und Vielfalt die Handlung detailreich ergänzen. Natürlich sind die Tiere vermenschlicht, was noch verstärkt wird, als sie vom Dachsbau in die Stadt ziehen, aber das macht es besonders lustig (Dachse haben Schnecken nämlich eigentlich zum Fressen gern).

Fazit: Das neue Zuhause der Freunde bietet reichlich Handlung für eine Fortsetzung. Da die liebenswerten Gefährten und der ironische Wortwitz bei uns gezündet haben, freuen wir uns auf neue Abenteuer von Herr Dachs und Rakete. Wir empfehlen das gemeinsame Vorlesen und Endecken für Kinder ab 8 Jahren.

Bewertung vom 18.02.2022
Die gigantischen Dinge des Lebens
Nielsen, Susin

Die gigantischen Dinge des Lebens


ausgezeichnet

„Noch nie hatte ich jemanden getroffen, der so vergnügt und vollkommen im Reinen war mit dem Nichtvorhandensein des eigenen Talents.“

In dieser schrägen Coming-of-Age Geschichte geht es um das Mobbingopfer Wilbur und seine bemerkenswerte innere und äußere Entwicklung. Es ist eine humorvolle Erzählung über das eigene Selbstwertgefühl, große Gefühle und den besonderen Wert von Freundschaft.

Wilbur ist der Star in dieser Geschichte. Allerdings weiß er nichts davon. Er hat keine Ahnung, was er alles zu bieten hat. Als Außenseiter findet er sich nicht besonders toll und zieht sich in seine Welt zurück. Allerdings eine wunderbar bunte Welt, die sich in keine Schublade stecken lässt: da wäre sein 85-jähriger bester Freund, seine homosexuellen Mütter und Freunde und seine Liebe zur Dichtkunst.
Die Kapitel beginnen mit seinen unterhaltsamen Gedichten und der Text ist mit einigen Briefen auch sehr abwechslungsreich gestaltet. Viel Wirbel bringt die Französin Charlie in die Geschichte. Als Leser:in taucht man mit Wilbur in die Sprache der Liebe ein, lernt ganz nebenbei ein paar Worte und etwas über die französische Kultur. Mir hat besonders gefallen, wie der sensible und warmherzige Wilbur voller Situationskomik auf seine Höhen und Tiefen blickt, sich liebevoll um seinen Hund Templeton kümmert und seinem Peiniger in der Schule entgegentritt. Es werden viele relevante Themen angesprochen, ohne das es überfrachtet oder konstruiert wirkt. Man fiebert mit Wilbur mit, und ist dankbar für all diese wunderbaren Menschen in seinem Umfeld. Die preisgekrönte kanadische Autorin Susin Nielsen schreibt einfach umwerfend leichtfüssig und treffend. Sie schafft unvergessliche Charaktere, schreibt über bedrückende Themen und lässt trotzdem Raum für Humor und Leichtigkeit. Man schließt ihre Bücher ins Herz und liest sie auch als Erwachsener gern.

Bewertung vom 18.02.2022
Die Feuer
Thomas, Claire

Die Feuer


sehr gut

„Wenn Summer im Publikum sitzt, wünscht sie sich oft, sie könnte in die Köpfe der Menschen hineinsehen. Achsen sie auf das Stück, oder sitzen sie einfach nur da und hängen irgendwelchen belanglosen Gedanken nach, oder müssen sie dringend aufs Klo und können die Pause kaum erwarten?“

In diesem außergewöhnlichem Roman geht es um drei verschiedene Frauen, die sich eine Theateraufführung ansehen, während in den australischen Bergen ein Buschfeuer wütet. Extreme Hitze, andauernde Dürreperioden und einer Stadt voller Buschfeuerqualm, während das Theater eine unberührte Kulturblase darzustellen scheint. Alle drei Frauen kennen das Stück bereits und sind mit ihren Gedanken ganz woanders.

Die Tragikomödie von Samuel Beckett wurde 1961 uraufgeführt und ist eines seiner mistgespielten Werke. Es zeigt das menschliche Ableben im Zyklus apokalyptischer Szenarien und spiegelt die Paradoxie des Lebens und seiner Protagonisten in ihrer naiven Absurdität wieder. Claire Thomas verstrickt dessen darstellende Kunst gekonnt mit ihren Figuren, bei denen es Erinnerungen, innere Bilder und Kommentare auslöst. Sie verlieren sich immer wieder sinnierend in ihren Gedanken, wodurch für den Leser ein persönliches Bild entsteht.

„Aber vielleicht interpretiere ich zu viel hinein. Vielleicht zerdenke ich das.“

Die Gedanken der Frauen enthalten teilweise skurrile Ideen und übereifrige Problemstellungen: Pornographie im Weltall, umweltfreundliche Ei-Bestattungen, Rassismus, Liebe, Demenz, Angststörung und Weltschmerz. Deutlicher Schwerpunkt liegt auf der Umweltzerstörung und Klimakrise. Hier zeichnet sich eine wichtige Botschaft des Romans ab. Während die Älteste der Frauen selbstkritisch auf ihre persönlichen Dramen blickt und die etwa vierzigjährige Mutter ihre Höhen und Tiefen beleuchtet, scheint die zweiundzwanzigjährige Summer für alle, die Angst wegen der Brände, auf ihren schmalen Schultern geladen zu haben.

„Ich kann unmöglich die Einzige hier drinnen sein, die sich über die Feuer da draußen Gedanken macht.“

Auch die Erzählweise ist interessant: das Bühnenstück läuft chronologisch und die Figuren wechseln sich in ihrer Innenschau jede Szene ab; sowohl der allwissende Erzähler berichtet, als auch die Figuren erzählen aus ihrer eigenen Perspektive.
Was mir auch besonders gefallen hat, war der außergewöhnliche Aufbau des Romans. Die Pause nach dem ersten Akt verhält sich wie ein Bühnenstück in vier Szenen, welches die losen Fäden der Figuren durch unverhoffte Begegnungen miteinander verbindet. Mit diesen Erkenntnis kommt es im zweiten Akt zur finalen Schlussszene, in der jede der Frauen einen Entschluss fast.

Einerseits ist der Roman irgendwie spannend, obwohl kaum etwas passiert, weil man erfahren möchte, worauf die Geschichte abzielt. Es fallen einem viele Dinge auf und es wird ausreichend Gesprächsstoff geboten. Die Idee dahinter fand ich außergewöhnlich; den Interpretationsspielraum geistreich und erfrischend. Andererseits hat mir ein tieferer Bezug zu den Figuren gefehlt. Trotz all der persönlichen Einblicke und schmückendem Beiwerk, stand ich ihnen leidenschaftslos gegenüber.

Fazit: Ein vielversprechender Roman mit gekonnten Überleitungen, einer raffinierten Erzählweise, vielfältigen Ideen und einer Fülle von Themen, dem ein absurdes Bühnenstück als Rahmen dient. Wer diesen Roman liest, benötigt mentale Disziplin, Neugier und eine Schwäche für literarische Kreativität.

Bewertung vom 18.02.2022
Bone Music
Almond, David

Bone Music


ausgezeichnet

„Wir. Wir sind diejenigen, die die Welt verändern können. Wir, die verdrehte, leidenschaftliche, schwierige, liebende Jugend.“


Ein fünfzehnjähriges Stadtmädchen verbringt, gemeinsam mit ihrer Mutter, ein paar Tage, in einer abgelegenen Gegend und wird von einer magischen Melodie verzaubert. Sie stammt von einer Knochenflöte, gespielt von einem Jungen. So beginnt ein mystischer Wandlungsprozess.

Die Hauptfigur Sylvia Carr ist fremden gegenüber schüchtern, aber in ihr schlägt das mutige Rebellionsherz einer Planetenretterin. Ihr Begleiter ist der gleichaltrige Gabriel; er ist leidenschaftlich, klug und empfindsam. Zu Beginn wirkt er seltsam und etwas verrückt, aber er eröffnet ihr neue Blickwinkel und zeigt ihr den Wald und die weite Landschaft. Zwei sympathische Figuren, denen man sich nahe fühlt, obwohl man nur Bruchstücke aus ihrem Leben erfährt.

Mir haben besonders die Beschreibungen der Natur gefallen. Sehr aufmerksam und lebendig geschildert, kann man sich wunderbar darin verlieren. Der Autor David Almond lebt selbst in Northumberland, dem Teil in Nordengland, indem die Geschichte spielt. Ein wunderschönes Fleckchen Erde und ideale Kulisse für den Roman. Es sind vor allem die Momente in der Natur, die den Roman so lesenswert machen, wenn Sylvia durch ihre Musik Magie erzeugt, mit ihren eigenen Händen eine Knochenflöte herstellt oder gemeinsam mit Gabriel philosophische Gespräche und neue Blickwinkel entstehen. Kann Selbstfindung auch bedeuten, die Natur zu erfahren und so herauszufinden, wofür man bestimmt ist?

„Es nutzt ja nichts, wenn wir Natur in die Welt zurückbringen, aber nicht in uns selbst.“

Ein philosophisches Buch über die Gedanken junger Menschen, zum Thema Umweltzerstörung und Klimaschutz, und dem Druck der Gesellschaft, der auf ihnen lastet. Poetisch und bildhaft geschrieben, regt es zum Nachdenken an, macht Hoffnung, und thematisiert u.a. die Verbundenheit mit der Natur, die Kraft der Schöpfung und unsere Wurzeln der Vergangenheit.

„Die Vergangenheit umgibt uns. (…) Sie ist überall. Sie ist tief in uns drin.“

Der Roman greift mit psychischen Erkrankungen, Selbstverletzung und Krieg auch unbequeme Themen auf, die aber nur peripher eine Rolle spielen.


Fazit:

Eine mystische Geschichte, die magische Bilder im Kopf entstehen lässt, gesellschaftlich relevante Fragen stellt, und die man nur schwer einordnen kann. Verträumt und gleichzeitig brutal realistisch. Beim Lesen hätte ich mir das gut als fantasievollen Animationsfilm vorstellen können.

Ein besonderes Buch, das wahrscheinlich entweder begeistert oder gar nicht gefällt. Ich würde es für Ältere (ab 14) empfehlen, die sich für Philosophie, Umweltschutz und fantasievolle Bücher begeistern können.