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sommerlese
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Zu meinen Hobbies gehört Lesen einfach dazu. Meine Rezensionen erscheinen auch auf meinem Blog. Schaut doch bei Interesse mal rein! https://sommerlese.blogspot.com/
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Insgesamt 2518 Bewertungen
Bewertung vom 01.08.2022
Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1
Hennig von Lange, Alexa

Die karierten Mädchen / Heimkehr-Trilogie Bd.1


gut

Statt wahrer Geschichte nur eine geschönte Fiktion!
Im Dumont Verlag erscheint mit dem Roman "Die karierten Mädchen" von Alexa Hennig von Lange der erste Band einer Trilogie.

Klara ist blind, bereits über neunzig, lebt allein und beginnt ihr Leben Revue passieren zu lassen. Sie erinnert sich an ein Geheimnis, dass sie vor ihrer Familie verborgen hat. Auf Kassetten nimmt sie diese Erinnerungen auf, sie beginnt 1929, als sie mit einundzwanzig Jahren Lehrerin in einem Erholungsheim für kranke Kinder wird. Dort wird die einjährige Tolla abgegeben, zu der sich Klara hingezogen fühlt. Als Klara das Heim bereits leitet, gibt es wirtschaftliche Schwierigkeiten und sie hofft auf Unterstützung durch die nationalsozialistischen Funktionäre. Damit soll das Heim unter der Hakenkreuzflagge eine Ausbildungsstätte für junge Frauen werden und damit erledigt sich das Vorhaben, dort eigenständige Menschen zu erziehen. Die Besuche der Nazi-Funktionäre gefährden auch Tolla, die jüdischer Herkunft ist und inzwischen von Klara als Kind angenommen wurde.

"Die karierten Mädchen" hat Alexa Hennig von Lange an die Geschichte ihrer eigenen Großmutter angelehnt, von ihr existieren Kassetten über ihre Zeit als Lehrerin.

In zwei Zeitebenen erfahren wir die Geschehnisse damals im Kinderheim und später als Klara eine alte Frau ist. Der Schreibstil der Autorin hat mich sofort in diese Vergangenheit versetzt und mit der politischen Brisanz der Zeit gepackt. Allerdings entwickelt sich die anfänglich noch sympathisch erscheinende Protagonistin Klara doch nicht in dem Maße, wie ich es erwartet hätte. Sie interessiert sich angeblich nicht für Politik, merkt aber schon, was das Erstarken der Nazis bewirkt. Sie schützt ein jüdisches Mädchen und ich hoffte darauf, dass sie mehr bewirken konnte. Doch im Grunde wurde Klara zu einer Mitläuferin, die im Nachhinein zwar die Erlebnisse festhält, aber wirkliche Gewissensbisse konnte ich nicht entdecken. Es gab keine Reflektion des Geschehenen, kein Wort von Klara über eigene Fehler oder mögliche andere Handlungsweisen, die damals für viele Menschen der rettende Anker gewesen wären.
Klara erscheint mir kühl und sehr distanziert, fast gefühlslos, sie kommt mir nicht nahe und ich habe keine enge Verbindung zu ihr aufbauen können. Sie wirkt oberflächlich, diszipliniert und in ihrer Art sehr widersprüchlich, denn obwohl sie ihre Schülerinnen zu eigenständig denkenden und selbstbewußten Frauen erziehen möchte, will sie selbst von Politik nichts wissen. Und sie ignoriert die Gefahr einer nationalsozialistischen Verwaltung des Heims. Das passt nicht so recht zusammen und macht sie für mich uninteressant und die Liebesgeschichte passte für mich auch nicht so recht ins Bild.

Der eindringliche Schreibstil ist für mich der positive Part des Buches, es war sehr sehr gut zu lesen und wenn der fiktive Teil die Großmutter nicht ganz so schönend ins positive Licht gestellt hätte, wäre ich sicher überzeugter von der Geschichte gewesen. Da die Autorin aber Tolla nur hinzugedichtet hat, hatte ich den Eindruck, hier sollte ein Akt der Nächstenliebe die wahre Klara überdecken. Das hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.

Diese Geschichte hat mich gefesselt und auch der Erzählstil ist mitreißend. Jedoch verlief die Geschichte ohne spürbaren Gewissenkonflikt Klaras, den sie im Alter doch hätte verspüren sollen. Und das hinzugedichtete jüdische Mädchen Tolla vermittelte ein geschöntes Bild der Großmutter, das es nie gegeben hat. Die ganze Story verliert damit für mich an Glaubhaftigkeit und es bleibt ein fader Beigeschmack.

Eine Geschichte, die persönliche Wahrheit verspricht, bei der sich aber bei näherer Betrachtung doch der fade Beigeschmack der Entlastung der Großmutter als Mitläuferin am Ende durchgesetzt hat. Immerhin noch drei Sterne, weil die Zeitgeschichte gut dargestellt wird.

Bewertung vom 31.07.2022
111 royale Momente für die Ewigkeit
Begasse, Michael

111 royale Momente für die Ewigkeit


sehr gut

Eine kurzweilige, interessante Reise zu den Royals dieser Welt
Unter dem Titel "111 royale Momente für die Ewigkeit" aus dem Emons Verlag zeigt Michael Begasse berührende, pikante, traurige und lustige Momente aus dem Leben von Menschen aus dem Adelsbereich.

Wir kennen sie alle, die Klatschblätter beim Friseur sind voll von Skandalen, besonderen Fotos, Hochzeiten und Informationen über royale Personen, ob gekrönte Häupter oder nur verarmter Adel, ausgestorbene Dynastien oder langlebiges Monarchentum. Es ist eine gewisse Faszination, die von ihnen ausgeht. Man bewundert blinkende Juwelen und Kronen, bezaubernde Kleider und erfährt die neuesten Begegnungen und unerhörten Skandale. Die Geschichten der Blaublüter der Welt gehören für Adelsexperte und Journalist Michael Begasse seit drei Jahrzehnten zu seinem Job und aus der Nähe zu diesen Menschen stellt er unterschiedliche Informationen, Klatsch, aber auch Fakten zusammen.

Die 111 Themen drehen sich um die Royals dieser Welt. Wir beginnen bei der prunkvollen Hochzeit 2011 in Monaco, wo ein modernes Märchen zwischen dem Playboy-Prinzen und der Olympia-Schwimmerin wahr wurde. Weiter geht es ins Zarenhaus Russlands, worüber sich inzwischen schon der Staub der Jahrhunderte gelegt hat. Die royale Reise streift das niederländische, schwedische und norwegische Königshaus, reist nach Spanien und immer wieder werden die Britischen Royals als beständige Monarchie, aber auch skandalumgebene Gruppe erwähnt. Es gibt traurige Dinge zu erfahren und es wird sogar in die Vergangenheit geblickt und so kommen auch Napoleon, Isabella von Kastilien, Kaiser Karl V. und andere frühere Monarchen ins Buch.

Zu allen Royals gibt es eine Doppelseite unter einer knackigen Überschrift, mit flott erzählten Text und ein entsprechendes Foto der Personen. Die Promifakten werden dank der kurzweiligen Erzählweise zu einer schönen Unterhaltung, die zeigt, hier ist auch nicht alles Gold was glänzt.

Begasse zeigt bekannte und ständig in der Klatschpresse vertretene Personen wie die Queen oder Diana, er erwähnt aber auch diejenigen, die sich diskret im Hintergrund halten oder über die man nicht viel weiß, wie Kaiser Friedrich III., Anna von Kleve, Mswati III. (ausbeutend herrschender Dikator des ehemaligen Swasiland) oder Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, der König von Bhutan. Zu allen weiß Begasse besondere Details zu berichten, die er mit seinen persönlichen Erlebnissen aufbereitet. Die Leser:in erfährt bekannte und auch schreckliche Dinge, peinliche wie sensationelle Nachrichten, lustige wie erstaunliche und wird dadurch gut und kurzweilig unterhalten.

Michael Begasse gibt mit diesem Buch einen vielseitigen und kurzweiligen Einblick in die Königshäuser der Welt und bringt so viele Details ans Licht, die interessant zu lesen sind und uns die Royals als normale Menschen erscheinen lassen.

Bewertung vom 30.07.2022
Ein Bild von einer Frau
Bub, Natascha

Ein Bild von einer Frau


sehr gut

Interessante Story um eine aufstrebende Fotografin und Hemingway

1953 reist die junge Fotografin Insa Schönberg nach Kuba, um Ernest Hemingway zu fotografieren. Der berühmte Schriftsteller lässt Insa, die er "kleine Kraut" nennt, zwar bei sich wohnen und feiert mit ihr, will sich aber nicht von ihr fotografieren lassen. Allmählich beginnt Insa Hemingway zu verstehen, denn beide sind sich auf eine bestimmte Weise ähnlich. Hemingway quält die Vergangenheit, die wie ein dunkler Schatten auf seiner Seele lastet. Und das ist Insa sehr bekannt.

"(Hemingways) fiktionale Charaktere zeigten Scham und Trauer, Unsicherheit, Verletzlichkeit. Er selbst aber gab in der öffentlichen Inszenierung seiner selbst immer nur ein Bild eindimensionaler absoluter Männlichkeit ab." Zitat Seite 210
In diesen Roman musste ich anfangs erst einmal hineinfinden, denn die Geschichte der Fotografin Insa setzt sich aus vielen kleinen Szenen zusammen, die von ihrem Fotoauftrag sowie ihren Lebenserlebnissen erzählen. Die fiktive Story lehnt sich an die wahre Geschichte von Inge Schönthal an, ihr Name wird im Roman als Insa umbenannt. Insa lebt für ihre Begeisterung für die Fotografie und war damit ihrer Zeit voraus. Dem Erzählstil lässt sich gut folgen, Natascha Bub fasst Momente und Stimmungen in gut gewählte Worte und lässt uns in das Leben auf Kuba der 50er Jahre eintauchen.


Der Aufhänger für diesen Roman war für Natascha Bub das weltberühmte Foto Hemingways mit der Fotografin und einem großen Marlin. Geschickt lässt sie die Erlebnisse aus Insas Kindheit und Ausbildungszeit einfließen und stellt auch Hemingway mit seiner Unberechenbarkeit, seinen Launen und Macken und seiner speziellen Art näher vor.

Insa lernte nach dem Ende des Kriegs das Fotohandwerk bei der Foto-Pionierin Rosemarie Pierer in Hamburg. Angespornt durch ihre Wette mit dem Verleger Ledig-Rowohlt reist sie nach Kuba, um dort Hemingway zu treffen. Doch ihr Charme prallt an diesem ungehobelten Klotz ab. Aber Insa fühlt, dass hinter der harten Fassade ein weicher Kern steckt und gibt nicht auf.

Dieser Roman lässt sich sehr schön lesen und ich finde es sehr interessant, Insa/Inge Schönthal dabei zu begleiten, wie ihre Zeit mit Hemingway abläuft und wie es ihr gelingt, mit sturer Beharrlichkeit, aber auch mit Einfühlungsvermögen, ihr Ziel zu erreichen.


Ein interessanter Roman, der die Figur der Fotografin und die von Ernest Hemingway klar umreißt und uns Einblick in ihr Leben gibt.

Bewertung vom 28.07.2022
Das Licht der frühen Jahre
Lyne, Charlotte

Das Licht der frühen Jahre


ausgezeichnet

Eine mitreißende Story über die 20er Jahre und die Welt des Films
Charlotte Lynes Buch "Das Licht der frühen Jahre" ist der Auftaktband zur "Adler-Saga" und erscheint bei Tinte & Feder.

Berlin 1919: Lilly Adler wird in der Friedrichstraße groß, dort besitzt ihr Vater sein bekanntes Fotoatelier Adler. Die finanziellen Schwierigkeiten machen den Menschen zu schaffen, nur noch wenige lassen Fotos von sich machen. Lilly träumt vom Film und möchte abseits ihrer Familie ihren Weg gehen. Sie wird vom trubeligen Nachtleben der Zwanzigerjahre gelockt und lernt den gutaussehenden Regisseur Theo Stiller kennen. Beide lieben die bewegten Bilder des Films und Lilly stellt ihre Begabung für die Regie fest. Doch ihr Glück hält nicht lange an, Lilly stösst auf ein altes Familiengeheimnis, dass ihr Leben vor andere Tatsachen stellt als bisher.

Es war mein erstes Buch von Charlotte Lyne und ich bin sofort ihrem wunderbaren Erzählstil verfallen. Dieser Auftaktband hat mich von Anfang an gefesselt und mir sehr gut gefallen. An Lillys Seite konnte ich die Filmwelt entdecken und bin sofort in die bildhafte Szenerie der Goldenen Zwanziger abgetaucht.

Lilly Adler ist eine junge Frau, die von der Filmwelt fasziniert ist und nichts sehnlicher wünscht, als eigenständig Regie zu führen und Emotionen mit der Kamera einzufangen und so sichtbar zu machen. Deshalb widersetzt sie sich dem Wunsch ihres Vaters und verlässt sie ihre Familie, um in Babelsberg beim Film zu arbeiten. Die Zeiten sind für Frauen denkbar schlecht, denn die Männerdomäne ist wie überall auch im Filmgeschäft vorherrschend. Lilly erlebt einige persönliche Abenteuer, sowohl in der Liebe als auch beim Film. Es ist eine Traumfabrik, die noch in den Kinderschuhen steckt und auf wackligen Füßen steht. Häufig genug muss Lilly ihre Hoffnungen zusammenstreichen und ihre Träume rücken in weite Ferne.


In der Geschichte ist Lilly nicht die alleinige Hauptfigur, auch ihre gute Freundin Ariane und der Regisseur Theo Stiller stehen im Mittelpunkt und sorgen mit ihren lebendig gezeigten Erlebnissen und einigen Nebenfiguren für einen umfassenden Einblick in die damalige Gesellschaft und die vorherrschende Zeit. Ganz nebenbei lässt Chalotte Lyne die politischen Umbrüche einfließen, sodass man die Handlung auch vor diesem deutlich gezeigten Rahmen erleben kann und sich gedanklich in diese Zeit versetzt.

Neben den sympathischen und authentisch wirkenden Charakteren hat mich vor allem der eingängige und wunderbare Schreibstil der Autorin beeindruckt und mitgerissen. Sie lässt manche Szenen unglaublich bildhaft erscheinen, dass mein Kopfkino automatisch in Gang setzte.

Es sind diese berührenden Schicksale, die mich neben den informativen Beschreibungen der Filmwelt, der Kameras, der Kameraführung und der Regie so unglaublich gefesselt haben. Das aufgedeckte Geheimnis bringt Veränderung in Lillys Leben und lässt meine Neugier auf die Weiterführung des Romans noch wachsen.


Ein fesselnder Auftakt der Adler-Saga, der die Träume der Filmwelt aufzeigt und Lebenswege entscheidet.

Bewertung vom 27.07.2022
Olaf Hajeks fantastische Früchte
Roeder, Annette;Hajek, Olaf

Olaf Hajeks fantastische Früchte


ausgezeichnet

Ein tolles Kunstwerk, das Wissen vermittelt und Appetit anregt
"Olaf Hajeks fantastische Früchte" von Annette Roeder erscheint im Prestel Verlag und eignet sich für Kinder ab acht Jahren.

Olaf Hajek lässt mit unterschiedlichen Obstsorten farbenfrohe und kunstvolle Bilder entstehen, die man sich gerne ansieht und dabei so manches entdecken kann.

In den dazugehörigen Texten liefert Annette Roeder interessante und überraschende Fakten, die von der Herkunft, über die Vitamine und den Geschmack bis hin zu den biologischen Hintergründen reichen.

Ein außergewöhnliches Buch über Früchte: Von Ananas bis Zitrone.

Es ist ein Buch, dass vor wissenswerten Fakten nur so strotzt und trotzdem gut unterhält. Wir erfahren, dass ein Granatapfel eigentlich eine Beere ist. Oder dass die Ananas überall Ananas heißt. Aber habt ihr schon mal was von Zitrullengurke gehört oder von Muttergottesbeeren? Nein? Die Lösung könnt ihr im Buch finden und noch viele andere Namen, die rund um den Erdball für Früchte verwendet werden. Dazu erfährt man Zungenbrecher, Volksweisheiten und die jeweiligen Herkunftsländer der gesunden Obstsorten.

Was gehört in euren Obstsalat? Äpfel, Erdbeeren und Bananen kennt jedes Kind, aber es gibt noch soviel mehr, wie Physalis, Avocado, Passionsfrucht und Kaki. Was möchtet ihr unbedingt mal probieren? Blättert mal rein, es gibt viel zu entdecken.

Mich faszinieren Olaf Hajeks fantastische Bilder, sie sind eine Augenweide, fantasievoll und kunterbunt und treffen dennoch naturgetreu die Abbildung der jeweiligen Frucht. Annette Roeder hat die Texte sehr verständlich formuliert und sorgt durch die Fülle an Fakten für viel Wissen und unterhaltsame Lesemomente. Am Ende des Buches gibt es noch einen märchenhaften Exkurs in Sachen Obstsalat und Infos über Nachhaltigkeit und biologischen Anbau. Toll finde ich auch, dass dieses Buch klimaneutral produziert wird.

Ich bin mal wieder begeistert! Was für ein lehrreiches und wunderschön illustriertes Buch über heimische und exotische Obstsorten! Es eignet sich zum Stöbern, Entdecken und Kennenlernen der unterschiedlichen Früchte und macht damit richtig Appetit auf einen gesunden Obstsalat.

Bewertung vom 26.07.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


sehr gut

Ein lesenswerter und bewegender Roman

Željko Drazenko Kovačević, den alle Jimmy nennen, ist 15 Jahre alt, stammt aus Herzegowina und lebt mit seiner Familie zu fünft in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Sein Vater ist Bauarbeiter, seine Mutter putzt, u. a. bei Martha, einer Literatur-Professorin in Heidelberg. Jimmy nimmt einen Ferienjob bei Martha an, darf ihre Bibliothek nutzen, ist fasziniert von ihrer Bildung und verliebt sich in sie. Sie zeigt ihm ihre Welt, sie gehen ins Theater, sprechen über Bücher und das bereichert Jimmys Leben ungemein.

Diese Story berichtet aus Željkos Sicht in der Ich-Perspektive und erzählt die Liebesgeschichte zwischen ihm als jugendlichen Liebhaber und einer reifen Frau, die aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und Kulturen stammen. Der Erzählstil ist klar und nicht beschönigend, ruhig beschreibend und dennoch in die Tiefe gehend und man wird unweigerlich in diese Welt eines "Gastarbeiterkindes" mitgenommen, der sich seinen Platz in Deutschland sucht. Željko ist ein schlauer Kopf, nach dem Abitur bekommt er ein Stipendium der Uni München und Martha, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat, übernimmt die Bürgschaft seiner Wohnung.

Die Liebe zwischen Martha und Željko verläuft nicht auf Augenhöhe, entwickelt sich sachte, in langen Schritten, teilweise sehen sie sich jahrelang nicht. Doch Martha begleitet ihn zu seiner Abschlussfeier des Studiums, unternimmt mit ihm Segeltouren und fährt mit zur Trauerfeier von Željkos Großvater nach Kroatien.


Bei dieser ungewöhnlichen Geschichte hat mich besonders die intensive Einbindung der Heimatgefühle und des "Dazugehörens" angesprochen. Man erlebt die erste Liebe eines Jungen und die emotionale Bindung mit Martha, die auch Jahre später noch anhält. Doch viel mehr geht es um die Hintergründe und Fragen, die Željko durch seine Herkunft als Fremder in Deutschland umtreiben. Er wächst hier auf, fühlt sich als einer von uns, bleibt aber in gewisser Weise zerrissen, hat mit Vorurteilen zu kämpfen und stürzt sogar ab. Und selbst an der Uni macht die Beziehung zu seinem Uniprofessor deutlich, wie dieser Željko ausnutzt. Am Ende findet er seinen Platz, doch der Weg war steinig.

Ein interessanter, lesenswerter und bewegender Roman, der aus einer Coming-of-age-Story eine tiefgreifende Geschichte über Einwandererfamilien macht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.07.2022
Marokko
Scotto, Catherine

Marokko


sehr gut

Eine eindrucksvolle Entdeckungsreise durch Marokko
Im Prestel Verlag erscheint der Bildband "Marokko" von Catherine Scotto mit Fotografien von Nicolas Mathéus.


Alte Tradition und Kultur wird in Marokko immer noch gelebt, eine neue Generation von Designer:innen und Architekt:innen greifen diese Werte auf und setzen sie auf ihre persönliche Weise um. Die interessanten Ansichten zeigen wunderschön gestaltete Räume, Häuser, Gebäude und Gärten und die Marokkoreise startet in Tanger im Norden, erreicht Zentralmarokko und den Atlas und endet im Süden. Hier mischen sich Handwerk, Tradition und neue Ideen.



Die Fülle an Interior, Design und Inspiration ist es, was dieses Buch ausmacht. Die Autorin stellt atemberaubende Ausblicke, Gärten, Innenhöfe, Räume und Dekorationselemente, sowie Möbel vor und erzählt von den Menschen, die diese Dinge erdacht und umgesetzt haben und sich dabei an ihrer marokkanischen Tradition orientieren.

Ob die wunderbare Einrichtung des Hotels La Tangerina im arabisch-andalusischen Stil, die engagierte Weiterführung eines Familienunternehmens für Rattanmöbel von Rotin Ameublement oder die Weberei von Heimtextilien der Marke Made in Tangier, man wird augenblicklich in eine faszinierende Welt voller Farben, Traditionen und neuen Ideen versetzt. Es gibt tolle Innenansichten verschiedener Räume unterschiedlicher Designer:innen zu bewundern, die alle ihren ganz speziellen Charakter ausstrahlen und den Geschmack ihrer Bewohner ausstrahlen.

Im Atelier Mendil werden Stoffe aus Leinen und Baumwolle hergestellt, wie die Mendil-Wickeltücher, die die Frauen Nordmarokkos tragen. Außerdem handgeknüpfte Teppiche, Korbwaren und Keramikgeschirr.

Das Hotel Mamounia ist ein legenderäres Haus, das 2020 umgestaltet wurde und nun in spektakulärem modernem Glanz erstrahlt.

Und so geht es weiter, es werden viele andere Häuser, Designer und Ansichten gezeigt, die die Moderne mit der Tradition und altem Handwerk vereinen. Am meisten haben mich die Fotos der Berber Lodge und des Beldi Country Clubs mit ihrer Schönheit beeindruckt.


Dieses Buch zeigt schöne Innenräume und tolle Garten-Ansichten, bei denen moderne Ideen und alte Traditionen miteinander verknüpft werden. Es ist ein Buch zum Wünsche entwickeln oder Ideen aufschnappen, vielleicht findet man sein Traumziel für den nächsten Urlaub oder auch nur eine Anregung für eigene Wohnträume.



Ein wunderschönes Buch zum Blättern, Träumen und Inspirationen holen. Eine eindrucksvolle Entdeckungsreise durch Marokko mit Eindrücken verschiedener Baustile und Innenraumgestaltungen in Form von faszinierenden Fotos, informativem Text und tollen Empfehlungen.

Bewertung vom 22.07.2022
Findelmädchen
Bernstein, Lilly

Findelmädchen


ausgezeichnet

Hat mich emotional mitgerissen!

Köln 1955: Die Französin Claire rettete die Geschwister Helga und Jürgen nach Kriegsende aus einem Keller in Köln und nahm sie mit nach Frankreich. Als 1955 der Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, erfährt er über den Suchdienst vom Verbleib seiner Kinder und sie kehren zu ihm zurück. Von ihrer Mutter Elisa fehlt immer noch jede Spur und die kaltherzige Tante Meta hat den Haushalt übernommen. Der Vater baut sich mit einem Büdchen eine neue Existenz auf, Jürgen arbeitet bei Ford und Helga möchte aufs Gymnasium, wird aber auf eine Haushaltsschule geschickt. Bei einem Praktikum in einem Waisenhaus erlebt sie, wie schlecht es den Kindern dort ergeht. Besonders ein »Besatzerkind« muss viel aushalten und Helga versucht dem Mädchen zu helfen. Sie kämpft gegen die Schatten des Krieges an und hofft, am Ende doch noch ihr eigenes Glück zu finden.

Nach der tollen Lektüre des Romans "Trümmermädchen" war ich natürlich auf diesen Nachfolgeband neugierig. Von Anfang war ich gebannt von Helgas und Jürgens Schicksal und habe mit ihnen gefühlt und gelitten. Der Erzählstil ist eingängig und zeigt mit bildhafter Genauigkeit die Szenerie und auch die zeitlichen Besonderheiten. Besonders eindrücklich und spannungsfördernd lesen sich die stückweise in den Roman eingefügten Einträge aus Elisas Tagebuch von 1945, die am Ende ein grausames Geheimnis enthüllen.

Lilly Bernstein zeichnet ihre Charaktere mit feiner Hand in vielen Facetten und lässt sie damit absolut lebendig erscheinen. Besonders Helgas und Jürgens Gefühle werden sehr nachfühlbar geschildert und man merkt ihnen ihre Emotionen in Form von Liebe, Hoffnungen und Ängsten deutlich an. Neben einigen liebenswerten Menschen gibt es auch schlechte Figuren, die mir von Anfang an ein Dorn im Auge waren. Die unterschiedlichen Erlebnisse der Familie sind mir sehr nahe gegangen, sie haben mich berührt und damit den Figuren sehr nahe gebracht.

Die zeitliche Reise führt in ein Nachkriegs-Deutschland, das sich zwar im wirtschaftlichen Wiederaufbau befindet, wo aber die diskriminierenden Nazigedanken unter der Bevölkerung dennoch weiterhin präsent sind. Deshalb hat es gerade das farbige Besatzerkind Bärbel im Waisenhaus so schwer. Und auch die Rolle der Frau ist immer noch auf eine Ehe ausgerichtet und mit der Haushaltsführung verknüpft.

Dieser bewegende Roman steckt voller intensiv erzählter Szenen, die glaubhaft erscheinen und für ein Nachempfinden dieser Zeit sorgen Es ist eine lebendig erzählte, mitreißende Nachkriegsgeschichte, die den Zeitgeist hervorragend abbildet. Diese Lektüre wird noch eine Zeitlang in mir nachhallen.

Bewertung vom 21.07.2022
Klimt
Wenzel, Angela

Klimt


ausgezeichnet

Sehr schönes Buch über Leben und Werke Klimts
"KLIMT" von Angela Wenzel erscheint in der Paperback-Reihe "Große Meister der Kunst" vom Prestel Verlag.

Gustav Klimt (1862–1918) prägte den Wiener Jugendstil, sein Ruhm erstrahlt im Glanz seiner goldenen Phase, aus der seine berühmtesten Werke stammen, wie beispielsweise »Der Kuss«(1908/09) oder »Adele Bloch-Bauer I« (1907). Und gerade mit seinen ornamentalen Bildern hat er sich einen Namen gemacht, dazu gehören »Bauerngarten mit Sonnenblumen« oder »Tod und Leben«. Durch seine provokanten Werke war er umstritten, doch sie machten ihn zu einem Erneuerer der Wiener Malerei.

In der Einleitung dieses Paperbacks verfasst die Autorin einen treffenden Eindruck über das Werk des österreichischen Malers. Dann folgen Informationen zum Leben, dem privaten und politischen Umfeld während der K.-u.-k.-Monarchie, sowie die Beziehungen zu Künstlern seiner Zeit, wie Egon Schiele und Koloman Moser. Das anschließende Kapitel zeigt eine ausgesuchte Vorstellung seiner Werke, die in guter Qualität abgebildet werden. Dieses Buch bringt Klimts Vielseitigkeit zum Ausdruck. Er fertigte große Wand- und Deckengemälde in Wien und Österreich-Ungarn, erstellte den Beethovenfries im Ausstellungsgebäude der Wiener Secession, die Klimt mitbegründete und malte diverse Frauenporträts und Landschaftsbilder.

Die gezeigten Werke werden mit zeitlichem und künstlerischem Bezug erklärt, sie sind chronologisch angeordnet und verdeutlichen die künstlerische Entwicklung Klimts.
Seine Gemälde, Wandmalereien oder Friese zeichnen sich durch schimmernde und brillante Farben, florale und mosaikartige Muster aus und er befasste sich mit den Themen: Liebe, weibliche Schönheit, Alter und Tod. Bei seinen Porträts stellte er Emotionen dar, was im Wiener Bürgertum als provokant und tabu angesehen wurde.

Dieses toll bebilderte und sehr umfassend informierende Buch bietet einen guten Überblick über Klimts Lebenswerk mit Erfolgen, Skandalen und Affären. Für Kunstliebhaber eine gelungene Einführung in Gustav Klimts Werk!

Bewertung vom 20.07.2022
Fräulein Steiff
Gottschalk, Maren

Fräulein Steiff


ausgezeichnet

Gut erzählte Erfolgsgeschichte der Unternehmerin der Steiff-Tiere

Margarete Steiff wird 1847 in Giengen (Schwaben) als eines von vier Kindern geboren, sie erkrankt an Kinderlähmung und bleibt zeitlebens an den Rollstuhl gefesselt. Mit viel Willensstärke und Lebensmut kämpft sie darum, selbständig und unabhängig zu sein. Zunächst wird sie Schneiderin, später eröffnet sie ein Filzgeschäft. Die zündende Idee für Plüschtiere kommt ihr, als sie ein Nadelkissen in Form eines Elefanten näht, den ihr kleiner Neffen sofort ins Herz schließt: Das Elefäntle.

Das "Elefäntle", zuerst noch als Nadelkissen gedacht, war das erste weich gestopfte Spieltier welches Margarete Steiff kreierte. Es ist der Beginn eines noch heute florierenden Unternehmens in dem Margaretes Motto "Für Kinder ist nur das Beste gut genug" (Zitat Seite 302) immer noch gilt.

Margarete Steiff trotzte ihrem Handicap und wurde erfolgreiche Unternehmerin und Mutter aller Teddybären.

Die Autorin erzählt in zwei Zeitebenen aus dem Leben der Margarete Steiff und schafft damit eine Art von Spannungsaufbau. Detaillierte Erlebnisse aus der Kindheit wechseln sich mit den Vorgängen von Gretes Firmengründung ab. So kommt man der Person Margarete Steiff sehr nah, erkennt ihre schwierige, aufgrund der Lähmung auch isolierte Situation in der Kindheit, erlebt ihre vielen Arztbesuche und fühlt, wie sie sich ihren Platz im Leben schafft und als Unternehmerin sich auch um ihre Mitabeiterinnen sorgt.

Der fiktive Roman ist gegründet auf biografischen Fakten, er lässt uns auf lebendige Weise teilhaben, wenn Gretle ständig auf Hilfe angewiesen ist und getragen werden muss und wie sie unvergessliche Wochen in der Kinder-Klinik erlebte. Die Geschichte wird aber auch angereichert mit interessanten Schritten im Schneiderhandwerk bis hin zu ihrer Firmengründung und dem Bau des Jungfrauenaquariums. So zeichnet Maren Gottschalk ein umfassendes und mitreißendes Bild dieser bemerkenswerten und mutigen Frau, deren Kuscheltiere mit dem Knopf im Ohr über Deutschlands Grenzen hinaus berühmt wurden und heute noch hergestellt werden.

Das ausgewogen dargestellte Verhältnis zwischen Alltagsleben und Freundschaften und der informativen Gründungsgeschichte hat mir gut gefallen. So bekommt man einen umfassenden Eindruck der damaligen Zeit und von der Person Margarethe Steiff.

Ein interessanter und unterhaltsamer Roman um eine beeindruckende Frau, die trotz aller Widrigkeiten ihren Weg ging und ein Familienunternehmen von Weltruf gründete.