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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2021 Bewertungen
Bewertung vom 20.02.2023
Macht
Furre, Heidi

Macht


sehr gut

Der Vorfall

Macht, ist im Original unter dem Titel Magta 2021 im Norwegischen erschienen.
Der Roman zeigt eine Frau im Ausnahmezustand, der jedoch schon jahrelang anhält. Liv wurde als Studentin vergewaltigt. Das lässt sie auch jetzt als verheiratete Frau und Mutter nicht los. Ihre ständige Überlegung: Jeder zehnter Frau ist das passiert.
Manisch zählt sie die Frauen in ihrer Umgebung ab.
Erst spät im Buch wird der Vorfall genauer betrachtet.
Es wird darüber reflektiert, wo die Macht liegt, wo man sie abgibt oder wieder findet. Liv will kein Opfer sein, aber der Vorfall bestimmt ihr Leben. Es ist eine Wunde, die ständig neue Formen annimmt.Kann Liv wieder eine normales Leben führen?
Die Stärke der Norwegischen Autorin Heidi Furre ist, dass sie eine Sprache für Livs Zustand findet. Sprachlich gibt es so einige besondere Sätze. Es ist ein dichter Text, streckenweise unbequem, aber mit Atmosphäre.

Bewertung vom 19.02.2023
Der Inselmann
Gieselmann, Dirk

Der Inselmann


ausgezeichnet

Hans, der Starke

Der Inselmann von Dirk Gieselmann ist ein Leseerlebnis.

Ein Mann und eine Frau sowie ihr 10jähriger Sohn Hans ziehen auf eine abgelegen Insel.
Dieses Buch ist sprachlich stark und ausdrucksvoll. Für mich ist es eine Überraschung, dass jemand heute noch über so eine Sprache verfügt, die wie eine imposante, kraftvolle Mischung aus Siegfried Lenz und Christoph Ransmayr wirkt.

Beispiel: Die Insel ist der Gipfel eines Bergs, der aus dem Wasser ragt, geformt von einem Gletscher im Winter der Welt.

Mich hatte der Autor schon dadurch, dass er seinem Roman ein Zitat von Tomas Tranströmer voranstellte.
Dirk Gieselmann verzichtet auf einen journalistischen Stil und setzt dafür auf Naturbeschreibungen. Die Umgebung und die Kälte sind übermächtig.
Getragen wird der Roman durch die Eindrücke, die auf den Jungen einwirken. Er ist von der Insel fasziniert. Der Blick eines 10jährigen wird hier glaubhaft wie selten gezeigt.
Doch dann wird er für Jahre von der Insel in ein Internat verfrachtet.

Ort und Zeit werden nicht direkt benannt, aber vermutlich sind es die sechziger Jahre. Das kann man aus Sprache und dem Verhalten der Figuren schließen.

Mit 176 Seiten ist der Roman nicht umfangreich, aber er ist doch prall gefüllt mit sinnlichen, eindrucksvollen Beschreibungen.
Ich denke, dass Buch ist nicht für jeden das Richtige, aber es gibt eine relevante Leserschaft, die ausgehungert nach so einer wuchtigen, melancholischen Sprache ist.

Bewertung vom 19.02.2023
Saubere Zeiten
Wunn, Andreas

Saubere Zeiten


ausgezeichnet

Familiengeschichte über 3 Generationen

Der Protagonist und Erzähler Jakob Auber hat seine Mutter schon früh verloren. Die Erinnerungen an sie und ihrem Tod in seiner Kindheit prägen die ersten Passagen des Buches, das ich als Hörbuch (erschienen bei Aufbau audio) gehört habe.
Dann in der Gegenwart liegt auch sein Vater im sterben.
Zurück im Elternhaus wird er wieder von Erinnerungen geflutet, auch an die seines Großvaters, der im Nachkriegsdeutschland mit einer Drogerie erfolgreich war, ein Waschmittel zu entwickeln. Auber mach Sauber wird zum geflügelten Wort, vergleichbar mit Rei in der Tube.

Die Geschichte seiner Familie lässt Jakob nicht los. Er beginnt weiter nachzuforschen, zum Beispiel anhand der Tagebücher und Tonbänder.
Einige Passagen stellen dadurch auch Jakobs Vater Hans in den Vordergrund, später auch den Großvater und zeigt den Werdegang.
Diese Erzählform hat auch seine Fallstricke, funktioniert aber.

Andreas Wunn hat mit Saubere Zeiten ein mehr als ordentliches, weitgehend undramatisches Romandebüt vorgelegt.

Bewertung vom 18.02.2023
Zeiten der Auflehnung
Mattioli, Aram

Zeiten der Auflehnung


gut

Zeiten der Auflehnung ist ein interessantes und umfangreiches Sachbuch mit gesellschaftlichen wie politischen Aspekten. Es will eine Geschichte des indigenen Widerstandes in den USA über eine Zeitraum 1911 bis 1992 zeigen.
Darin wird auch auf den Roman Der Nachtwächter von Louise Erdrich über ihren Großvater angespielt. Da ging es um den Protest gegen das Terminationsgesetz in den fünfziger Jahren. Dieser Roman hatte mich auch zu diesem Buch gelockt.
Es bietet viel, aber leider ist es kein erzählendes Sachbuch. Zwar werden viele Persönlichkeiten der Zeit erwähnt, aber nie so richtig vorgestellt. Streckenweise liest es sich wie ein Lehrbuch, also nicht unbedingt ein Lesevergnügen.
Aber vielleicht darf man da auch nicht zu viel erwarten. Der Autor Aram Mattioli ist in erster Linie Historiker. In seinem Vorwort erläutert e, was ihn zu dem Buch angestoßen hat. Ich halte ihn für einen motivierten Autor.
Schade, dass das Buch 1992 abbricht. Mich hätte die heutige Situation auch noch interessiert.

Bewertung vom 16.02.2023
Dschomba
Peschka, Karin

Dschomba


sehr gut

Leben in Eferding

Die Autorin Karin Peschka ist Tochter von Wirtsleuten und stammt aus Eferding, wo auch ide Handlung dieses Romans spielt.
Eine kleine Stadt in Oberösterreich. Wer hier lebt, wird davon geprägt.
Einer, der doch irgendwie immer fremd blieb, ist der Serbe Drankar Dzomba, phonetisch Dschomba genannt.

Karin Peschka erzählt in verknappter Sprache, die überflüssiges vermeidet. Das wird aber nicht so weit getrieben, dass die Lesbarkeit darunter leidet.
Im Gegenteil profitiert der Text davon, dass Karin Peschka einen ganz eigene Ton hat. Ein Ton, der mich anspricht und so folge ich der Handlung gerne.
Diese ist ganz offensichtlich autobiografisch beeinflusst, aber nicht in dem Sinne, dass ihr Leben erzählt wird. Doch sie kennt das Leben im Dorf und kann es adäquat wiedergeben.
Dabei bleibt die Handlung verhalten. Doch es gibt immer wieder Passagen, die zu berühren vermögen.

Bewertung vom 15.02.2023
Sunset City (eBook, ePUB)
Ginsburg, Melissa

Sunset City (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Im Taumel durch die Stadt

Sunset City ist ein atmosphärisch dichter Kriminalroman und ein Gesellschaftsporträt vom Leben in der Großstadt Houston.

Charlotte erfährt vom Tod ihrer unsteten Freundin Danielle. Danielle wurde ermordet. Das wirft Charlotte aus der Bahn. Hinzu kommt, dass sie gerade von ihrem Freund verlassen wurde.
Orientierungslos geht Charlotte der Spur ihrer Freundin nach, sucht deren Freunde auf und taucht wie diese ab in einen Taumel von Alkohol, Drogen und Sex.
Es wird in erster Person aus Sicht von Charlotte erzählt, dadurch ist man dicht bei der Figur.

Es handelt sich nicht um einen stringenten Krimi mit Ermittlungen, obwohl es auch einen Detective gibt, der ermittelt. Doch man ist immer bei Charlotte und ihr Weg ist vom Zufall geprägt.Es ist nicht der raffinierteste Kriminalroman, aber die Noir-Motive funktionieren. Melissa Ginsburg Stil sagt mir sehr zu.

Der Roman schafft es, mich als Leser zu packen und ich habe ihn nahezu am Stück durchgelesen.

Bewertung vom 09.02.2023
Malvenflug
Wiegele, Ursula

Malvenflug


gut

Brünn, Graz und Davos

De Roman ist genau geschrieben, wirkt etwas statisch.
Es ist eine Familiengeschichte in zwei Teilen. Zunächst in Zeiten des Krieges, verteilt auf Brünn, Graz und Davos. Im zweiten Teil wird die Nachkriegszeit betrachtet.
Im Mittelpunkt stehen Emma, ihr geschiedener Mann Pavel, die Kinder, die jüngsten unter ihnen sind die Zwillinge Lotte und Fritz. Dann noch Helga, die älteste Tochter.
Die Kapitel sind kurz, manchmal zu kurz. Dann wird man schon wieder an den nächsten Schauplatz gespült. Mit ein Grund, warum man den Figuren nicht zu nahe kommt. Manche hätten auch einfach noch weiterentwickelt werden, bleiben aber leider zu schematisch.
Hilfreich ist das Personenverzeichnis am Anfang des Buches. Jedoch ist es auch kein gutes Zeichen, wenn ein Roman ein solches überhaupt benötigt.
Ursula Wiegele hat durchaus einen ordentlichen Roman geschrieben, der aber passagenweise zu trocken geraten ist. Das gilt aber nicht für das gesamte Buch. Immer wieder gibt es durchaus emotionale Szenen.
Vielleicht bietet sich Malvenflug für einen zweiten Lesegang an.

Bewertung vom 04.02.2023
Mein Leben in deinem (MP3-Download)
Moyes, Jojo

Mein Leben in deinem (MP3-Download)


gut

Sam und Nisha

Ein ganzes halbes Jahr war ein wirklich packendes Buch. Das Niveau wieder zu erreichen ist schwierig.
Das neue Buch handelt von zwei unterschiedlichen Frauen, deren Leben sich durch einen Vertausch ihrer Taschen verändert.
Den Handlungsstrang um Sam bin ich ganz gerne gefolgt, die Geschichte um Nisha wirkte zu konstruiert, Das liegt auch an dem merkwürdigen Weltbild, das Jojo Moyes hat.
Luise Helm spricht das Hörbuch routiniert, wie immer. Aber sie hat durch den leicht rudimentären Stil der Autorin zu kämpfen.
Stärken entwickelt die Handlung, wenn es dramatische, spannende Passagen gibt und als Unterhaltungsroman funktioniert das Buch schließlich doch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.02.2023
Benedikts Vermächtnis
Seewald, Peter

Benedikts Vermächtnis


sehr gut

Das Erbe des deutschen Papstes für die Kirche und die Welt

Benedikts Vermächtnis ist das erste Buch über Papst Benedikt nach seinem Tod und es ist von seinem langjährigen Biografen Peter Seewald verfasst, der weiß wie man schreibt.
Es ist in keinster Weise kritisch, nicht die Spur einer Abrechnung mit Ratzingers katastrophalen Fehlern. Das sollte man zum jetzigen Zeitpunkt nicht erwarten. Das Buch zeigt Joseph Ratzingers Leben. Sein Aufwachsen in Bayern, der Kriegsbeginn. Sein Vater ein Nazigegner. Ratzinger wurde im Krieg Luftwaffenhelfer, kommt schließlich ins Kriegsgefangenschaft.
1951 wird er Priester.
Diese frühen Passagen über das Leben des deutschen Papstes haben mich sehr interessiert.

Zu dem Autor Peter Seewald fasst man schnell Vertrauen, da er ein so langer Kenner Benedikts war und er schreibt souverän.
In der Mitte des Buches verzettelt er sich einseitig in die Auseinandersetzungen Hans Küngs mit Ratzinger, doch die Beschreibungen der Verbindung Ratzingers mit Karol Wojtyła überzeugen. Später wird etwas sehr versucht, Benedikts angekratzten Ruf rein zu waschen.

Eigentlich gibt es, denke ich, einen Konsens darüber, dass Ratzinger ein Hardlliner und als Benedikt IVI der schwächste Papst seit Jahrzehnten war.
Aber unsympathisch war er nicht.
Und dieses Buch war alles andere als langweilig!

1 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.01.2023
Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen
Blum, Isaac

Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen


sehr gut

Intelligente Jugendliteratur

Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen ist ein intelligentes Jugendbuch mit einem Jungen im Mittelpunkt, der orthodoxer Jude ist.
Er trifft das Mädchen Anna-Marie. Das sich ein orthodoxer Junge mit einer Schickse abgibt, ist für die jüdische Gemeinschaft ein Problem. Erst Recht für seine Eltern.

Isaac Blum hat mit dem 16jährigen Hoodie eine originelle Figur geschaffen, der mit den zwängen und Sitten seiner Herkunft auf gewitzte Art umgeht. Dabei mangelt es nicht an Ironie und Selbstironie. Er ist nicht an sarkastischen Bemerkungen verlegen.
Das macht den Witz des Buches aus.
Nebenbei erfährt man einiges über das orthodox-jüdische Leben. Aber auch von Spannungen in der amerikanischen Gesellschaft, die bis zum Extremismus reicht.

Unbedingt erwähnenswert ist das Cover, das gut gezeichnet in relativ dunklen Farben das Paar des Buches samt kleinen Hund zeigt. Das ist sehr atmosphärisch.

Fazit: Ein Buch, das wirklich Spaß macht, aber auch einige wichtige Themen auf unverkrampfte Art anpackt.