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Wedma

Bewertungen

Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 17.11.2016
Gut leben
Zeldin, Theodore

Gut leben


sehr gut

Klappentext gibt treffend den Inhalt des Buches wieder. Wenn man das Vorwort liest, bekommt man Vorstellung des Autors von dem, wie die Diskussion aufgebaut ist und was im Buch insg. passieren wird. Es ist eine Art Gespräch, bei dem der Autor seine Sicht der Dinge zu den genannten Themen erläutert.
Es ist ein recht amüsantes Lesen. Die Denke von Theodore Zeldin ist so erfrischend anders, als das, was man sonst so im Bereich erwartet. Eine schnörkellose Stringenz der Gedankenführung, bei der erst die Thesenvorstellung, dann die aufgezählten Argumente in ihrer Eindeutigkeit und Klarheit folgen, dann Fazit als kurze Zusammenfassung des Gesagten, darf man hier nicht voraussetzen. Manchmal scheint, dass sich Zeldin vom Thema recht weit entfernt. Im Großen und Ganzen vermittelt er seine Aussagen sehr gut und deutlich. Wenn man sich einmal reingelesen hat, kann man nicht so leicht aufhören, da fliegen die Seiten nur dahin.
Theodore Zeldin ist ein Freidenker, dessen Ideen durchaus reizend und es wert sind, darüber allein zu sinnieren oder zusammen mit Freunden in einer geselligen Runde ausdiskutiert zu werden. Er stellt z.B. eine gängige Doktrin vor und sagt seine Meinung dazu, wie sinnvoll ihm dieses, oft hpts. in der öffentlichen Meinung existierende Gebilde erscheint, gibt auch Beispiele und Sicht der Dinge anderer Denker, manchmal aus früheren Jahrhunderten, Ost und West sind dabei bei gleichermaßen präsent. Zeldin erzählt das Leben bekannter und weniger bekannter Persönlichkeiten, die mit ihrem Gedankengut und ihren Werken eine Spur in der Geschichte, Philosophie und Literatur hinterlassen haben. Dabei musste ich staunen, was für eine Menge an Wissen dieser Mann bereits in sich aufgenommen hat. Er nutzt es, um seine eigenen Thesen zu erläutern und auch die Leser mit spannenden Lebensgeschichten zu unterhalten.
Das Buch ist auch sehr schön und hochwertig gestaltet. Leinen, wie in guten alten Zeiten, hält Festeinband und die darin enthaltenen Seiten prima zusammen und lädt zum Aufschlagen des Buches ein. Auf jeder Seite gibt es ein 1-2 Einsparungen, die eine knappe Zusammenfassung des gerade Gesagten darstellen.
Auf der Rückseite liest man einen Satz: „Zeldin ist ein mitreißender Weggefährte, ungezwungen und charmant, irrlichternd zwischen Geschichtsschreibung und Philosophie.“ The Independent. Das passt.

Fazit: Warum soll man dieses Buch lesen? Um Theodore Zeldin und seine Ideen kennenzulernen. Er gibt mit seinen Ausführungen ein breites Feld an Themen zum Nachdenken, sowohl über das eigene Leben, als auch über das der Gemeinschaft, in der man aktiv ist. Seine Vorschläge über die Gestaltung der Zukunft sind es wert, gehört und mit Freunden und Kollegen ausdiskutiert zu werden. Der Autor legt besonderen Wert auf den Gedankenaustausch und möchte diesen auch gezielt anregen. Er sagt, das kann zu gutem Leben führen. Das ist der Titel dieses Buches. Ich kann dieses Werk gerne weiterempfehlen. Als Geschenk zum Geburtstag oder zu den nicht mehr fernen Weihnachten für Freunde und Familie ist es eine gute Idee.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.11.2016
Die Schwester des Tänzers
Stachniak, Eva

Die Schwester des Tänzers


gut

„Die Schwester des Tänzers“ ist ein Frauenroman, der sich gründlicher Recherchen über die einst berühmte Familie Nijinsky und Künstlermilieu in Russland Anfang des XX Jh. bedient, jedoch kraft mangelnder Fertigkeit, die Leser auch emotional zu bewegen, nicht so recht überzeugen kann.

Es gibt zwei Zeitebenen. 1939 schreibt Blonislawa Nijinska, etwa Mitte vierzig, während der langen Schiffsüberfahrt in die USA ihre Erinnerungen ins Tagebuch. Sie denkt an ihre Kindheit zurück, an ihre Familie, an ihre Mutter, an ihren Vater, an ihren hochbegabten Bruder Waslaw, dem keiner etwas im Tanz vormachen konnte. Die damalige Zeit, was es hieß, in Russland als eine Künstlerfamilie zu leben, die Ideale der Kindheit, in die angesagte, vom Zaren unterstützte Tanzschule zu schaffen und dort die besten Ergebnisse zu erzielen, werden detailliert vor Augen der Leser ausgebreitet.

Die eigentliche Geschichte ist in Rückblenden, chronologisch in Zeitabschnitte aufgeteilt, wie z.B. 1894-1900, 1900-1908, etc. erzählt worden. Ins Jahr 1939 wird nur kurz zurückgekehrt. Dort passiert auch nicht viel, höchstens Bronjas Sorge, ob sie heil ankommen und auch angenommen werden, bleibt davon über. Erst scheint, dass Bronja allein fährt, aber nach und nach stellt sich heraus, dass sie auch weitere Familienmitglieder dabei hat.
Im Grunde ist es die Geschichte der Künstlerin und ihrer Familie, denn Bronja war auch selbst eine begabte Tänzerin und später Choreografin, die mit ihrer Arbeit Profis wie Laien stets überzeugte. Bronja ist eine bodenständige Frau, die ihren praktisch orientierten Verstand und ihr Können täglich einsetzt und das Überleben ihrer Familie sichert. Als Kontrast zu ihr steht ihr hochbegabter und allerseits bewunderter Bruder. Zu genial, um zumindest sein eigenes Leben und sein Genie in die produktiven Bahnen zu lenken. Das sich im Laufe der Jahre ändernde Verhältnis zu ihrem Bruder ist gut und deutlich herausgekommen. Auch der Konflikt Waslaws mit seinem Vater ist ebenso bildhaft rübergebracht worden. Es ist eben eine oft tragische Geschichte voller zwischenmenschlicher Konflikte.

Viele bekannte Namen fallen im Laufe der Erzählung: Anna Pavlova, Tamara Karsavina, die prima Balerinas der damaligen Zeit, Fjodor Shaljapin, der berühmte russische Sänger, der mit seiner tiefen Stimme damals ganz Europa bezauberte, Sergej Diagilev, Manager und Freund des jungen Waslaw Nijinsky, Igor Strawinsky, der berühmte rus. Komponist, uvm.
Was kunsthistorischen Gehalt angeht, ist der Roman recht interessant und hörenswert. Er gibt tiefe Einblicke ins Künstlermilieu der damaligen Zeit, führt vor Augen, was es eigentlich hieß, das Leben dem Tanz und der Kunst zu widmen, was es für Bronja bedeutete, einen genialen Bruder zu haben und oft in seinem Schatten zu stehen, wobei sie selbst auch hochtalentiert war und harte Arbeit nie gescheut hatte. Solche Fragen wie Freundschaft, Liebe, Familienzusammenhalt, Verantwortung fürs Leben anderer übernehmen, Kinderkriegen, aber auch Kindertod, Schuldzuweisungen, familiärer Zwist, uvm. werden vor Augen der Leser/Hörer ausgebreitet. So gesehen ist es ein typischer Familienroman.

Aber von der Seite der Fertigkeit, eine mitreißende Geschichte zu erschaffen, konnte mich „Die Schwester des Tänzers“ nicht ganz überzeugen. An mehreren Stellen kam sie mir recht langatmig vor.
Gabriele Blum hat ganz gut vorgelesen. Sie hat Bronja ihre Stimme gegeben und sich große Mühe gemacht, die Geschichte unterhaltsamer und lebhafter zu präsentieren. Dies ist ihr auch größtenteils gelungen, aber ganz konnte sie dem Text seine Eintönigkeit nicht wegnehmen.

Fazit: Eine durchaus interessante Geschichte der hochbegabten Tänzerin und Choreografin Bronislawa Nijinska, die man gerne kennenlernen sollte, wenn man sich für das Leben der Tänzer am Anfang des 20.Jh in Russland interessiert und etwas vom Geist der damaligen Zeit auf sich wirken lassen möchte. Auf emotionaler Ebene kann es nicht ganz überzeugen.

Bewertung vom 29.10.2016
Das Nest
Sweeney, Cynthia D'Aprix

Das Nest


ausgezeichnet

Nach dem Unfall von Leo, den er aus purer Selbstüberschätzung und reiner Vergnügungssucht verursacht hat, mussten dessen Folgen aus der vom Vater vor vielen Jahren angelegten Gemeinschaftskasse bezahlt werden, die eigentlich dazu gedacht war, am 40-sten Geburtstag von Melody, der Jüngsten der Familie Plumb, an alle vier Nachkommen in gleichen Teilen ausgezahlt zu werden. Die meisten Plumbs brauchen in der Finanzkrise frisches Geld, um die Konsequenzen ihrer wenig vorsichtigen Entscheidungen abwenden zu können. Um an ihre Anteile zu kommen, müssen sie eine für alle annehmbare Lösung finden.
Die vier Plumb Kinder stellen eine Art Archetypen der heutigen amer. Gesellschaft dar: Der charismatische Leo, der nur an sich denkt und als Erstes eigene Vorteile gelten lässt. Angenehmes Leben auf Kosten anderer ist für ihn kein Problem, viel mehr der Fall von kluger Vorsorge und erfolgreicher Überzeugungsarbeit gegenüber seinen Gläubigern. Sein kleiner Bruder, Leo-Light in der Schule genannt, der nun das Geld dringend braucht und von der Gnade seines großen Bruders abhängt. Leo-Light hätte sich aber genauso verhalten, wäre er an Leos Stelle. Melodie, die Jüngste, die ein für sie zu teures Haus auf Pump gekauft hat. Nun weiß sie nicht, wie sie die Raten dafür abstottern soll, denn ohne das Geld vom Vater sind die Zahlungen gar nicht zu bewältigen, zumal auch College für die Töchter bald bezahlt werden soll. Da gibt es noch Bea, einst erfolgreiche Autorin, die seit paar Jahrzehnten keinen Roman mehr geschrieben hat.
Diese Situation eignet sich bestens, um der Generation der heute 40-46 jähriger Großstädter in New York Spiegel vors Gesicht zu halten und zum Nachdenken über die Ursachen der selbst gemachten Krisen anzuregen. Die Autorin präsentiert insg. drei Generationen der Familie Plumb, die unterschiedlicher hätten nicht sein können.
Anhand von dieser Familie ist bildhaft wie unterhaltsam gezeigt worden, wie es zu der Finanzkrise kommen konnte, welche Werte oder Abwesenheit dessen im Spiel waren, um die einen, die die Krise in Gang gesetzt hatten, ungeschoren davonkommen zu lassen und die anderen, die ihr ganzes Leben den Dollar zwei Mal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben, für die Taten der Egomanen bezahlen und sonst alle Konsequenzen tragen zu lassen.
Der Roman ist eine Gesellschaftssatire: witzig, toll beobachtet und meisterhaft erzählt.
Die typischen Charakterzüge der Großstadtneurotiker wie die Scheinheiligkeit, Egomanie, Kaltherzigkeit usw. nimmt die Autorin gekonnt aufs Korn.
Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhänger und wechselt zu einer anderen Figur, bzw. zu einer weiteren Episode aus dem Leben der Mitglieder der Familie Plumb, auch zum Leos Unfallopfer und ihrer Familie, den Bekannten, etc., wodurch ein lebendiges Gemälde entsteht.
Viele Themen sind gekonnt in den Erzählteppich eingewoben worden. Die Nachwirkungen der Immobilienkrise sind für Melody von großer Wichtigkeit. 9/11 ist anhand einer rührenden Geschichte zweier Liebenden präsent. Der Mann spielt im letzten Drittel eine Rolle, die weiter für spannende Momente sorgt und in einem rührenden Höhepunkt mündet. Auch das Thema Erwachsenwerden ist am Beispiel von Melodys Töchtern dabei. Alleinerziehende Mütter sind durch Stephanie, Leos langjährige on/off Freundin gut präsent, etc.
„Das Nest“ hat auf mich einen sehr guten, authentischen Eindruck gemacht. Er folgt keinem (!) bekannten Erfolgsmuster, ist spannend, klug und einfach nur schön. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und fühlte mich in der gesamten Länge bestens, auf gutem intellektuellem Niveau unterhalten.

Fazit: Ein toller, sehr gut gelungener Familienroman. Überlebensgroße Figuren, toller Plot, meisterhaft erzählt. Ich habe mich für „Das Nest“ begeistert und kann es wärmstens weiterempfehlen. 5 von 5 möglichen Sternen.

Bewertung vom 17.10.2016
Widerfahrnis (eBook, ePUB)
Kirchhoff, Bodo

Widerfahrnis (eBook, ePUB)


sehr gut

Bei „Widerfahrnis“ von Bodo Kirchhoff handelt es sich um ein Stück gehobener Literatur. Das bedeutet u.a., dass die Bewertungskriterien hier andere sind, als diejenigen, die bei den reinen Unterhaltungsstücken Anwendung finden.
Es gibt wenig Personal. Der äußere Plot spielt eine untergeordnete Rolle. Vielmehr beschäftigt sich die Novelle mit zwei Protagonisten: ihrem Innenleben, der Entwicklung der Beziehung zwischen Reither, Mitte sechzig, ehem. Kleinverleger, und Leonie Palm, paar Jahre jünger, ehem. Hutladenbesitzerin, die im idyllischen Tal am Alpenrand ihren Ruhestand verbringen.
Leoni kommt eines Sonntagsabends zu Reither, um ihn zur nächsten Sitzung des örtlichen Lesekreises einzuladen. Sie reden miteinander, rauchen, trinken Wein und verspüren plötzlich die Lust loszufahren, etwas Schönes zu sehen und Neues zu erleben. Erst wollen sie bloß zum Sonnenaufgang bis zum nächsten See, dann aber geht es einfach weiter bis nach Sizilien.
Drei Tage dauert die Reise. Vielmehr geht es aber um eine innere Reise, bei der die beiden Protagonisten auf ihr Leben zurückblicken und einander nach und nach besser kennenlernen. Einiges eint sie: Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Weder Reither noch Leoni Palm war vom Leben verwöhnt, sowohl beruflich als auch privat. Verluste säumen die Lebenswege der beiden und fordern Lebensmut und die Kunstfertigkeit, mit der gegebenen Lebenssituation umzugehen. Die beiden leben schon eine Weile allein, also müssen sie erneut lernen, sich auf eine andere Person einzulassen, zu vertrauen und die Grenzen ihrer jüngst entstandenen Beziehung auszuloten.
Spannend zu sehen, insb. zum Schluss, wie unterschiedlich die beiden dennoch sind. Auch in dieser neuen Situation bleibt Reither der Mensch, der er immer gewesen war und kann seine Grenzen nicht überschreiten. Er erntet das, was er verdient. Im Klappentext heißt es: „Kirchhoff erzählt … die Parabel von einem doppelten Sturz: in die Liebe, ohne ausreichend lieben zu können, und in das Mitmenschliche, ohne ausreichend gut zu sein. ‚Aber wo wären wir ohne etwas Selbstüberschätzung“, sagt der Protagonist Reither, um sich Mut zu machen für den nächsten Kuss mit Leonie Palm, ‚jeder wäre nur in seinem Gehäuse, ein Flüchtling vor dem Leben.‘“. Das passt sehr gut.
Das Thema Flüchtlinge ist in „Widerfahrnis“ auch gut präsent. Anfangs wird über die Flucht einer jungen Frau aus Eritrea erzählt. Zum Schluss spielen die Flüchtlinge eine noch größere Rolle und lassen die beiden Protagonisten ihre Schlüsse ziehen.
Die Novelle bietet auch einige Sätze, die jedes Zitatenheft schmücken können, z.B.
„…auch böse Erinnerungen haben ihren Sinn, sie schärfen den Blick für das Gute in der Gegenwart…“ liest man Kapitel 4.
„… als wäre er ein Idiot der Liebe, glaubte, je größer das eigene Verlangen sie, desto größer sei auch das Recht auf Erlösung, was es aber nicht.“ Kapitel 3.
„...Erinnerungen sind keine Abschnitte in Handbüchern, es sind auch nicht nur Einflüsterungen. Viel eher sind es Splitter, auf die man barfuß im Dunklen tritt, weil man vergessen hat, dass etwas zu Bruch gegangen ist…“ Kapitel 7.

Fazit: Leseerlebnis besonderer Art: zum Nachdenken anregend und bereichernd. Mit der Art der Stoffdarbietung muss man allerdings klarkommen, bzw. Durchhaltevermögen mitbringen. Schachtelsätze und ausschweifende Erklärungen sind nicht so meins. Daher vier Sterne und eine Leseempfehlung für diejenigen, die mal ein Stück anspruchsvoller Literatur kennenlernen möchten.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.10.2016
Mord in der Provence / Hannah Richter Bd.1 (eBook, ePUB)
Åslund, Sandra

Mord in der Provence / Hannah Richter Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Der Krimi wird im KT als „atmosphärisch und zugleich spannend“ beschrieben. Leider kann ich dem eher bedingt zustimmen. Die gängigen Zutaten sind zwar da, aber zu einem tollen, spannenden Leseerlebnis, das einen mit auf eine tolle Reise nimmt und begeistert zurücklässt, entwickelt es sich wohl kaum.
Hannah Richter hat leider nicht die Größe, um eine ganze Reihe tragen zu können: zu bieder, zu mittelmäßig. Mal verfällt sie in kleines Mädchen Verhalten, mal versucht sie sich als eine knallharte Ermittlerin. Gerade überzeugend und einnehmend wirkt sie nicht. Auch andere Figuren konnten mich nicht begeistern. Männliche Figuren, wenn sie nicht gerade versuchen, sich durchs Brüllen und Machogehabe zu behaupten, machen einen recht weiblichen Eindruck. Sie reden und benehmen sich oft wie es Frauen tun würden. Einige Dialoge wirkten daher einfach hölzern. Einige Verhaltensmuster waren schlicht Klischees, z.B. Hannahs Vorgesetzter und sein Benehmen Hannah gegenüber wirkte überzogen und doch recht lächerlich. Das Gleiche gilt für Luc Aurelien – Hannah. Einige Figuren waren doch recht passabel: Die kleine Französin, die neue Freundin von Hannah, Penelope, halte ich für die am besten gelungene Figur, gefolgt von Emma, der neuen Kollegin bei der provenzalischen Polizei. Auch Serge, der Musiker ohne Engagement, hat insg. einen guten Eindruck hinterlassen.
Der Fall ist zwar logisch aufgebaut und gut durchdacht, ist aber an sich nichts Neues: die altbekannten Motive und Elemente wie z.B. machtverliebte wohlhabende Männer, Frauen, die sich behaupten wollen und feministische Vereinigungen gründen, Zwangsprostitution, Missbrauch der Minderjährigen aus dem Ostblock, mehrere Morde in verschiedenen Locations (römischen Bauten), die doch alle zusammenhängen, etc. Der Freudsche Ansatz zur Begründung der Motive wird auch hier bemüht. Man hat so etwas in der Art schon etliche Male woanders und doch etwas gekonnter aufbereitet gelesen. Auch Neuinterpretation des Gutbekannten kann spannend und durchaus lesenswert sein, diese hat mir leider keine Gründe zur Begeisterung geliefert.
Die versprochene Atmosphäre kam nicht so recht auf. Der Krimi versucht sich teilweise als eine Art Reiseführer: da tingelt man von einem römischen Theater in der Provence zum nächsten und was für ein Zufall, da gibt es wieder eine Leiche, die Hannah gleich als weiteres Puzzlesteinchen identifiziert. Die Heldin geht auch durch einen provenzalischen Markt spazieren. Der wird zwar ausführlich beschrieben, aber das Flair kommt leider nicht auf: Von der bloßen Aufzählung der Ware wirkt es nicht so, als ob man dort selbst wäre und das Leben a la Gott in Frankreich auf sich wirken ließe. Zu Mittag wird da mal gerne schon mal Pastis und Rose serviert, gut gegessen und sich viel Zeit für soziale Kontakte genommen.
Sprachlich hätte es gerne auch etwas sicherer ausfallen können. In manchen Passagen jagte ein „war“ das nächste, dicht befolgt von „hatte“.
Positiv aufgefallen waren einige philosophisch angehauchte Überlegungen mancher Figuren, wie z.B. Serge zu Musik, zur (Un-)Art der Wohlhabenden, die eigenen Räume mit teuren Gegenständen zu schmücken, zu den Werten der New Market Economy. Penelope schwadroniert gerne über Schadhaftigkeit der industriell hergestellten Schampoos. Hannah stellt sich die Fragen der Notwendigkeit der Pflichtausübung und hinterfragt den Sinn ihrer Tätigkeit.

Fazit: Wie gesagt, die typischen Zutaten sind zwar da, aber das Kochen muss man schon nahezu perfekt drauf haben, damit es zu einem beeindruckenden Gericht wird. Mit etablierten Krimi-Reihen wie Madame le Commissaire, Leon Ritter, oder der von C. Rademacher kann diese leider nicht mithalten. Drei gute Sterne kann ich hier vergeben, was nach meinen Bewertungskriterien bedeutet: ganz gut, hat aber Luft nach oben.

Bewertung vom 13.10.2016
Denken heilt!
Kitzler, Albert

Denken heilt!


ausgezeichnet

„Denken heilt!“ von Albert Kitzler ist ein lehrreiches, sehr gut geschriebenes, absolut lesenswertes Buch, das ich gerne gelesen habe und wärmstens weiterempfehle.
Wer nicht glaubt, dass Philosophie Spaß machen und gleichzeitig nützlich kann, der sollte auf jeden Fall hier reinschauen. Schon allein diese Klarheit der Gedanken und aussagekräftige Sprache machen Lust auf mehr und lassen das Buch kaum aus der Hand legen.
Der Stoff ist prima geordnet dargeboten worden: Erst die anschauliche Vorstellung des Problems, z.B. Ärger, Wut, Hass, Neid, Habgier, Geiz uvm., s. auch Inhaltsverzeichnis, die möglichen Ausprägungen, dann die Ursachen, anschließend kommen die Heilmittel, i.e. die Ratschläge, die zur Besserung, ggf. Eliminierung der ungesunden Züge führen (können). Am Ende des jeweiligen Kapitels werden die Heilmittel nochmals aufgelistet. Wie in einem guten Lehrbuch, zur Bekräftigung des Gelernten.
Ein großer Vorteil ist auch, dass nicht nur die abendländischen Philosophen zur Sprache kommen, sondern auch Buddha, Konfuzius, Lao Tse, Zhuangzi, Patanali, etc.
Man bekommt eine Art Werkzeugkasten aus den Lebensweisheiten der Philosophen rund um die Welt in die Hand, das man zur Selbstentwicklung sofort einsetzen kann. Man erfährt, was die alten Philosophen für richtig gehalten, wie sie sich den Weg zum glücklichen Leben vorgestellt, welche Haltung, welche Art zu denken sie als gesundheitsförderlich angesehen haben.

Es wird aber auch gleich zu Anfang darauf hingewiesen, dass nur derjenige, der das gesunde Denken auch täglich praktiziert, die Früchte seiner Arbeit ernten kann. Man sollte mit dem Buch also aktiv arbeiten, um etwas davon zu haben. Das nötige Wissen dazu wird wunderbar zugänglich vermittelt, die tw. komplexen Zusammenhänge einfach und anschaulich, i.e. mithilfe von vielen Beispielen und Zitaten erklärt.
Faszinierend ist auch an diesem Werk, dass es sowohl für Anfänger geeignet ist, als auch Fortgeschrittenen die eine oder andere bisher unentdeckte Seite der Philosophie und des gesunden Denkens offenbart. Das Buch liefert viele Denkanstöße, die man durchaus mal (wieder) unter die Lupe nehmen kann, selbst wenn sie einem nicht mehr so neu vorkommen. Ein anderer Blickwinkel, als bisher üblich, das Wohlbekannte, aber in einem anderen, ggf. neuen Kontext erzählt, können durchaus zu erkenntnisreichen Einsichten, tieferer Selbstreflexion, Fortschritten in der Entwicklung der eigenen Person und letztendlich zum glücklicheren Leben führen.

Natürlich stellt sich die Frage der Anwendbarkeit, wie auch bei jedem Ratgeber, aber die Anregungen, die man in diesem Buch mit auf den Weg bekommt, sind auf jeden Fall des Kennenlernens wert und wirken noch lange nach. Man kann/sollte das Buch auch mehrmals zur Hand nehmen, z.B. aus gegebenem Anlass gezielt die Heilmittel nachschlagen. Mag sein, dass dies wie ein Gespräch mit einem guten Freund wirken wird, der immer einen guten Rat parat hat.

Die Leseempfehlungen und Literaturverzeichnis, falls man auf den Geschmack gekommen ist und nicht genug bekommen kann, sowie die kurz zusammengefassten Beschreibungen der zitierten Philosophen, sind am Ende des Buches aufgelistet und bieten eine willkommene wie lehrreiche Ergänzung dar.

Fazit: Ein sehr gutes, prima geschriebenes, absolut lesenswertes Buch, das Potenzial hat, Ihr Leben leichter, glücklicher und zufriedener werden zu lassen.

Bewertung vom 13.10.2016
Veilchens Blut / Valerie Mauser Bd.3
Fischler, Joe

Veilchens Blut / Valerie Mauser Bd.3


gut

Veilchens Tochter ist aufgetaucht und steckt in Schwierigkeiten. Veilchen eilt ihr zur Hilfe und muss es nicht nur mit dem vielfachen Mörder, sondern auch mit der Polizei und der gesamten Staatsgewalt aufnehmen.
Die Handlung ist im Klappentext als rasant und actionsreich beschreiben. Dem stimme ich voll zu. Der Spanungsbogen wird gekonnt von der ersten bis zur letzten Seite hochgehalten. Von gefährlichen Situationen und Verfolgungsjagden gibt es gleich mehrere. Es geht ums Leben und Tod.
Fall 3 liest sich flott, sodass man das Buch in ein-zwei Sitzungen durchlesen kann.
Die Figuren, die man aus vorigen Fällen kennt, trifft man auch hier wieder: der treue Gefährte Stolwerk ist dabei und steht Veilchen mit Rat und Tat zur Seite. Der singende Nachbar von unten Sandro Weiler ist voll mit von der Partie. Veilchens ehem. EDV-Spezi Schmatz spielt eine der zentralen Rollen, zusammen mit Veilchens Tochter. Auch Oligarch Marinov taucht mal wieder auf und sorgt hpts. für Streuung gängiger Klischees, was Russen und Wodka anbelangt. Eine neue Figur, der alte Arzt, der die Verletzten in Marinovs Villa versorgt, hat mir sehr gut gefallen. Auf diesen Paar Seiten fühlte ich mich so wohl, fast wie im Fall 1, für den ich mich restlos begeistern konnte.
Was mein Lesevergnügen deutlich dezimiert hat:
Veilchens Tochter ist ein Früchtchen, das Ihresgleichen sucht, und alles andere als Sympathieträgerin. Die übrigen Figuren sind größtenteils verflacht, i.e. entbehren der Tiefe, die in vorigen Fällen ihr Markenzeichen war. Auch einige Wendungen, wie Motive der Figuren kamen mir zu oberflächlich vor. Vieles ist zudem gnadenlos überzeichnet. Insg. erinnert der Fall 3 an ein Comicheft, auch was die Sprache angeht: Peng, peng, brrr, brumm, etc., sowie die zahlreichen Ausdrücke der Fäkalsprache, derer sich Veilchens Tochter aktiv bedient, sind allgegenwärtig.
Vielerorts tauchten Glaubwürdigkeitsfragen auf, z.B. Veilchen ist am Hüftknochen frisch verletzt, zudem, dass sie eigentlich ihren Kopf nach Fall 2 auskurieren soll, agiert aber so, als ob sie sich bester Gesundheit erfreut. Die Polizei/Staatsgewaltverteter erscheinen schon reichlich blind und verfolgen einheitlich eine Linie: egal was, hpts. gegen Veilchen.
Die Jugend steht oft unter Drogen. Dies scheint absolut gesellschaftsfähig zu sein.
Einige Szenen werden wiederholt erzählt. Zwar aus verschiedenen Perspektiven, aber Wiederholung bleibt Wiederholung und überstrapaziert unnötig die Geduld.
Insg. fühlte ich mich im Fall 3 nicht abgeholt. Ich erkannte Veilchen kaum wieder und fand, dass sie ihre Authentizität deutlich eingebüßt hat, in dem die dritte Folge zu einem austauschbaren Actionkrimi mit all den typischen Elementen mutiert ist. Alles, was mir lieb und teuer an Veilchen war, ist nicht mehr da, stattdessen ein überzeichneter, wenig glaubwürdiger, aber aktionsreicher Slapstick. Diese Hinwendung weg von einzigartigen Figuren, ihrer Tiefe, humorig-sarkastischen Dialogen und feinem, gesellschaftskritischen Humor, die mich in den letzten zwei Folgen prima unterhalten haben, hin zu fragwürdigem Aktionismus und Primitivität insg. halte ich für keine gute Idee.
Es ist zwar sehr mutig, mal einen ganz anderen Ansatz zu wählen und ein regelrechtes Kontrastprogramm zu den zwei vorigen Fällen aufzutischen, zumal die Spannung konsequent durchgehalten wird und dieses rasante Erzählen zweifelsfrei vom Können des Autors zeugt, was durchaus und gerne als Kompliment aufgefasst werden darf, dennoch wünsche ich für die Fortsetzung, dass sich Veilchen auf ihre Werte aus ihren Anfängen wieder besinnt. Fall 1 hat richtig Spaß gemacht. So authentisch, tiefgründig und eigen möchte ich Veilchen& Co. wieder erleben.
Fazit: Wer actionreiche Krimis mit Slapstickcharakter mag und nicht allzu hohe Ansprüche an die Sprache und sonst hat, wird seinen Spaß daran finden können.
Ich bleibe auf die Fortsetzung gespannt und kann mich diesmal leider nur zu max. 3 Sternen durchringen.

Bewertung vom 10.10.2016
Die langen Tage von Castellamare (eBook, ePUB)
Banner, Catherine

Die langen Tage von Castellamare (eBook, ePUB)


sehr gut

Der Klappentext gibt die Ausgangssituation treffend wieder: „Castellamare, eine winzige Insel fünf Meilen vor der Küste Siziliens. Die Dorfgemeinschaft fühlt sich wohl, so am Rande der Welt. Als der Arzt Amedeo Esposito aus Florenz auf die Insel kommt, wird er misstrauisch beäugt. Er jedoch liebt seine neue Heimat und beginnt, ihre alten Legenden zu sammeln und aufzuschreiben. Eines Nachts hilft er bei zwei Geburten, das Kind seiner Frau und das Kind seiner Geliebten kommen auf die Welt. Dieser Skandal kostet ihn die Stelle. Um bleiben zu können, übernimmt er zusammen mit seiner Frau die einzige Bar auf der Insel, »Das Haus am Rande der Nacht«. Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen, denn die Bar soll ein Ort der Wunder sein. Sie wird der Mittelpunkt der Familie und der Insel – über mehrere Generationen hinweg, durch alle Kriege und Krisen hindurch, allen Veränderungen zum Trotz.“
Auf 480 Seiten wird eine Familiengeschichte über 90 Jahre hinweg erzählt. Sie fängt kurz vor dem ersten Weltkrieg an und endet 2008 in der Finanzkrise mit einer netten Überraschung.
Trotz anfänglichen Schwierigkeiten gründet junger Arzt Amedeo aus Florenz eine Familie auf der Insel, bekommt Söhne und eine Tochter, die später mit viel Enthusiasmus und Hingabe die Aufgabe ihrer Eltern weiterführt und Dreh- und Angelpunkt der Insel bleibt.
Sehr atmosphärisch und mit viel Liebe zum Detail ist das Leben der Familie Esposito und kleinen Inselgemeinschaft erzählt worden: all ihre Lebens- und Liebesgeschichten, Bräuche, Denk- und Lebensweise, Essensangewohnheiten, all die Sagen und Geschichten rund um die Insel und ihre Bewohner und ihre Schutzpatronin St. Agatha, die sich hin und wieder zu großen und kleinen Wundern hinreißen lässt. Man entflieht in eine ganz andere, faszinierende Welt und kann alles um sich vergessen.
Die Handlung des Romans ist wunderbar in die Zeitgeschichte eingeflochten worden. Auch der Zweite Weltkrieg und später die Finanzkrise 2008 hinterlassen ihre Spuren auf der Insel. Familie Esposito ist davon keineswegs verschont geblieben. Dabei gibt es durchaus positive und weniger positive Erlebnisse. Aber mit etwas Chuzpe und gesundem Gottvertrauen findet alles seine Ordnung.
Alle Figuren kamen mir authentisch und überlebensgroß vor. Da gab es keine Zweifel, dass alles so wie es im Buch steht, stattgefunden hat. Es war wie ein Film, der gleich am Anfang vorm inneren Auge startete und einen bis zum Schluss nicht losließ. Die Frage „und wie ging es da weiter?“ ließ die Pausen, insb. in der zweiten Hälfte, immer kürzer werden. Dabei ging es vielfach um Lebensgeschichten, Kinderkriegen, Kindererziehen, Familienleben, über die Heimat und ihre Anziehungskraft, auch die Anziehungskraft der Gemeinschaft, in der man aufgewachsen ist, aber auch um Machtverhältnisse auf der kleinen Insel, um ihre Wandlung und Traditionen, um den Unsinn des Krieges, um das liebe Geld, und um die Liebe, die doch alles besiegt und überdauert.
Ein kleiner Wermutstropfen: Die Art der Stoffdarbietung, die hier und dort hätte etwas gekonnter, elaborierter ausfallen können. Die daraus folgenden Längen, die die Spannung verflachten und öfter mal Pausen einlegen ließen, sind durchaus vermeinbar. Etwas Geduld war insb. in der ersten Hälfte angesagt. Auch hatte ich anfangs den Eindruck, dass man doch mehr über Amadeo und seine Herkunft erfahren würde. Die Geschichte ist aber nach vorne erzählt worden, was an sich ganz gut ist, aber die Hoffnungen, die dann nicht erfüllt wurden, hätte man nicht wecken müssen.

Fazit: „Die langen Tage von Castellamare“ ist ein gut gelungener, authentischer, eigenartiger im Sinne unverbrauchter Familienroman, den man nicht jeden Tag serviert bekommt. Es ist ein Wohlfühlbuch, das man/frau gerne in langen, kalten Abenden bei guter Tasse Tee vor dem Kamin vergnüglich durchschmökern kann. Ich habe es gerne gelesen und kann es gut eiterempfehlen, insb. an die Leserinnen, die gerne Frauenromane und Familiengeschichten mögen.

Bewertung vom 29.09.2016
Die Feder eines Greifs / Drachenreiter Bd.2
Funke, Cornelia

Die Feder eines Greifs / Drachenreiter Bd.2


ausgezeichnet

Als ich gehört habe, dass es eine Fortsetzung von „Drachenreiter“ (1997) gibt, war ich restlos begeistert. Den „Drachenreiter“ samt allen darin vorkommenden Figuren habe ich schon vor über 15 Jahren ins Herz geschlossen und nun war ich auf „Die Feder eines Greifs“ sehr gespannt. Ich muss sagen, meine Erwartungen wurden sogar übertroffen. Es gab nicht nur ein lang ersehntes Wiedersehen mit den witzigen, sympathischen, fürs Gute kämpfenden Figuren. Eine zauberhafte, kluge Geschichte voller Magie und Lebensweisheit überzeugte auf der ganzen Linie.
„Die Feder eines Greifs" ist Lesegenuss vom Feinsten: spannend, magisch und atmosphärisch. Ein großer, fantastischer Roman der international gefeierten, preisgekrönten Autorin Cornelia Funke.“ Die zwei letzten Sätze kann ich ohne wenn und aber unterschreiben. Es war so magisch, atmosphärisch und spannend, dass ich das Buch fast einem Rutsch gelesen habe.
Man trifft viele Fabelwesen, die in dem neu erschaffenen Areal in den entlegenen Gebieten Norwegens ihr Zuhause gefunden haben. Barnabas Wiesengrund hat dafür gesorgt und nun hat er und seine Familie, Ben inklusive, eine Lebensaufgabe, die Fabelwesen, deren Existenz bedroht ist, aus allen Ecken der Welt dorthin in Sicherheit zu bringen. Von noch mehr Fabelwesen wird gesprochen oder sie werden auch nur flüchtig erwähnt. Tatsache ist: man taucht in diese andere, magische Welt ein und es gibt kein Zurück bis das Buch ausgelesen ist.
Es gibt einige neue Figuren, die es sich lohnt kennenzulernen. Ein Krebs namens Eugen mit zehn Beinen und vier Augen auf Stengeln ist nur einer davon. So viel kreativer Phantasie, die diese Geschichte in sich hat, ließ mich immer wieder staunen.
Die Geschichte lässt sich auf mind. zwei Ebenen lesen: Vordergründig ist es ein Abenteuer, eine magische Reise zu einer geheimnisvollen Insel in Indonesien, wo es Greife mit goldenen Federn gibt. Wenn man aber auch hinter das Abenteuerliche schauen mag, entdeckt klare Botschaften, die der Menschheit Spiegel vors Gesicht halten und zum besseren, rücksichtsvolleren Umgang miteinander und der Umwelt aufrufen.
Die zahlreichen Zeichnungen von Cornelia Funke, die fast jede Seite dieses wunderbaren Buches schmücken, führen einem vor Augen, wie die Figuren und Handlungsorte in den Augen der Autorin aussehen. Da gibt es z.B. einen Drachen mit niedlichem Röschenmuster auf seinem Panzer, da ist Lola Grauschwanz ganz stolz wie abenteuerbereit in ihrer Fliegermontur, da sind Lung und Ben, Barnabas, der Homunkulus uvm. Alle: Menschen, Tiere und Fabelwesen haben auf diesen Zeichnungen immer einen bestimmten Gesichtsausdruck, der gerade zu der beschriebenen Situation bestens passt.
Lola Grauschwanz ist diesmal für lustige Wortschöpfungen zuständig. Schon allein wie sie das Wort Homunkulus jedes Mal verbiegt, ließ mich öfter schmunzeln. Bei ihren Schimpftiraden musste ich schon fast auflachen. Aber auch das Koboldmädchen lässt hier und dort ein witziges Schimpf-Wörtchen hören, dem viel Fantasie zugrundeliegt.
Als Tüpfelchen auf dem i gibt es wunderschöne Zitate vor jedem Kapitel aus diversen bekannten und weniger bekannten Werken anderer Autoren, die nachdenklich stimmen und den Inhalt des kommenden Kapitels auf ihre besondere Art beleuchten. Auch das hat das Buch so spannend und lesenswert gemacht und zum Lesegenuss wesentlich beigetragen.

Fazit: Ein sehr schönes Buch. In jeder Hinsicht. Eignet sich prima für Kinder und diejenigen, die es auch nach Jahrzehnten geblieben sind.
Vielen herzlichen Dank für dieses wundervolle, magische, weise Buch. Ich freue mich, dass die Autorin zurück zum Drachenreiter gefunden hat und diese Geschichte fortgesetzt wurde. Ich hoffe, dass sie uns mit noch vielen weiteren Bändern davon beglücken wird.

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