Bewertungen

Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 08.09.2007
Die dunkle Seite des Mondes
Suter, Martin

Die dunkle Seite des Mondes


sehr gut

Wer wünscht sich das nicht? Verblendet vom Beruf, verfahren im Beziehungsleben, tritt ein Ereignis in Urs Blanks Leben, das ihm nach einer kurzen Krise mit neuer Hoffnung erfüllt. Daß Martin Sutters Roman die engen Grenzen der Novelle sprengt, zeigt wie ein Wirtschaftsanwalt zu Fall kommt. Dies liegt vor allem daran, daß der Autor es schafft einen Menschen zu zeichnen, der zu Anfang seine Gefühle in Griff hat und durch über ihn hereinbrechenden Umstände im Chaos erleben muß, daß er so was wie Gefühle besitzt. Dabei hilft Lucille und die Macht halluzinogener Pilze, die seine Persönlichkeit sich selbst entzweit. Spannend bisweilen humorvoll. Den Roman als Krimi zu lesen, wird ihm nicht gerecht, dafür sprengt er das Genre zu sehr. Vielmehr dient der Spannungsaufbau der Geschichte vor allem, um Sutters Anliegen das Psychogramm einer Branche vorzuführen, die als eigener Kosmos in sich existiert. Daß er dafür zeitweilig eine eigene Sprache verwendet, spricht nur für die Vielseitigkeit des Autors.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2007
Belles Lettres
Simmons, Charles

Belles Lettres


ausgezeichnet

Aus manchen Redaktionstuben soll nach der Lektüre von Belles Lettres ein schallendes Gelächter zu hören gewesen sein. Verdiente Mitarbeiter haben sich auf ihrem Drehstuhl in alle Himmelsrichtungen aufgemacht, um mit ausgestrecktem Zeigefinger auf einen Kritiker zu deuten, den sie in diesem Roman porträtiert gesehen haben. Chefs wurden dabei nur hinter vorgehaltener Hand zum Abschuß freigegeben. Charles Simmons ist eine wunderbare satirische Auseinandersetzung mit dem Literaturbetrieb gelungen. Ein Glück, daß es das Internet und die Möglichkeit gibt, anonym seine Meinung über Bücher unters Volk zu bringen. Wir sind keiner lästigen Konkurrenz ausgesetzt, müssen keine Hitlisten aufstellen oder Shakespeare für schwul erklären. Frank Page kann einem in diesem Roman schon Leid tun. Unter Wölfe gefallen wirft das Schaf sich einen Pelz über und spielt grandios auf der Klaviatur, die andere für sich vereinnahmt haben. Für Insider und Outsider, so humorvoll sehen sich Kritiker sonst nicht.
Polar aus Aachen

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2007
Der Fänger im Roggen
Salinger, Jerome D.

Der Fänger im Roggen


ausgezeichnet

Es sind einige Jahrzehnte verstrichen, seitdem dieser Roman erschienen ist. Um Salinger ist ein Mythos entstanden. Der Autor, der sich zurückgezogen hat, der nichts mehr veröffentlicht. Und doch bleibt Der Fänger im Roggen frisch, was nicht allein an dem Thema liegt, das sich jeder Generation neu stellt. Salinger muß einen Ton gefunden haben, der die Zeit überdauert. 16 Jahre ist Holden Caulfield, ein Alter, das eigentlich für Pubertierende von Interesse sein sollte. Doch erwischen sich vor allem Ältere dabei, daß sie Caulfields Geschichte gebannt lesen. Sei es, weil der eigene Sohn nicht mehr mit einem redet und die Schule schmeißen will, sei es weil man selbst sich in der Figur wieder erkennt. Es ist die Entscheidung, etwas zu tun, von dem man selbst als einziger glaubt, daß es das Richtige für einen ist: Sich widersetzen, ausbrechen, weglaufen, sich die Freiheit nehmen, sich dem sexuellen Erlebnis stellen. Caulfield durchlebt einen Mischladen erster Erfahrungen, bis hinab zur Prostituierten. Salingers Offenheit war zu seiner Zeit ein Skandal, was heute kaum noch nachvollziehbar ist. Und so steht er als Moderner Klassiker in einer Reihe gleichgesinnter Romane, deren Ruf eher schädigend ist, da der ein oder andere, etwas von ihm erwartet, was der Roman nicht leisten kann. Er ist nicht für die Revolte, für den Verkauf unter den Ladentisch geschaffen. Es ist die faszinierende Geschichte eines verstörten Jungen, der aufbegehrt.
Polar aus Aachen

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2007
Jenseits von Eden
Steinbeck, John

Jenseits von Eden


ausgezeichnet

Zärtlichkeit und Haß, Zuneigung und Verstoßung prägen das Gefühl, mit dem die Menschen in diesem Roman über ihr Leben entscheiden wollen. Es läßt einen nicht unberührt, wenn sie aufeinander losgehen. Von der Tragödie zweier Brüder, Aron und Caleb, wird erzählt, deren Daseinsberechtigung scheinbar dem ewigen Buhlen um Anerkennung, dem Nachtragen von Liebe unterliegt. Es ist auch die Geschichte eines Vaters und einer Landschaft, die ihm alles abverlangt, ihn hart gegen sich selbst und gegen andere macht. Der Versuch der Jüngeren, dem allen zu entfliehen, scheitert kläglich. Jenseits von Eden existiert kein Paradies, und selbst die, die ohne Schuld zu sein scheinen, beladen sich mit ihr. John Steinbecks grandioser Roman führt uns in die Abgründe menschlichen Glaubens an sich. Daß ausgerechnet Cathy, die Mutter, sich von ihrem Mann abgewandt und in ein Bordell gegangen ist, stellt die Frage, wie Moral gewertet wird, angesichts einer in sich zerrütteten Welt. Es gibt kein Entkommen aus ihr. Kein Verzeihen. Keine Vergebung.
Polar aus Aachen

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2007
Blitzeis
Stamm, Peter

Blitzeis


sehr gut

Was ist so schlimm an der Suche? Muß man sie nicht von jedem jungen Menschen erwarten, der am Anfang seines Lebens steht. Wenn man sich auf die Suche begibt, birgt sie zumeist etwas Umstürzlerisches in sich. Man ist mit dem, was kennt, nicht zufrieden. Irgendwo muß es was Besseres geben. Je länger die Suche dauert, desto ernüchtert wird man. Peter Stamms Figuren treiben dahin. Er zeigt Momentaufnahmen, ohne Ausgang, ohne Ankunft. Seine Kurzgeschichten sind scharf umrissen, umso deutlicher treten dahinter die Gesichter zu Tage. Sprachlosigkeit prägt jede Generation. Wer auf sie blickt, flüchtet womöglich davor, die eigene wahrzunehmen. Ihr in diesem Buch zu begegnen, ist gut, das lindert die eigene Suche. Schöne, in sich abgerundete, empfindsame Storys hat Stamm in diesem Buch für uns aufgeschrieben.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2007
Der Tag der Eule
Sciascia, Leonardo

Der Tag der Eule


gut

Es mutet wie ein Bericht an. Nüchtern schildert Sciascia, wie sich Hauptmann Bellodi mit der Mafia herumschlägt. Alle Zutaten, die wir mit Italien verbinden, kommen darin vor. Die Erpressung, das Schweigen, das Töten, die Hilflosigkeit der Ermittler angesichts eines festgezurrten Systems. Und dann kommt noch der starre Apparat hinzu, dessen Bellodi sich bedienen könnte, wenn man ihn ließe. Fehlen darf auch die Verbindung zu den höchsten Stellen nicht. So stimmig dieses Sittengemälde erscheint, wagt es sich nahe ans Klischee heran. Sciascia war gut beraten, kein Epos daraus zu machen. Die Dinge zu nennen, wie sie sind und Aufklärung über die Verhältnisse zu bieten, indem er konstatiert. Das so etwas spannend geschrieben sein kann, liegt mit Der Tag der Eule in einem schmalen Band vor.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 08.09.2007
Der Schwarm
Schätzing, Frank

Der Schwarm


gut

Immer wieder hört man den Satz, daß man, nachdem man Der Schwarm gelesen hat, das Meer mit anderen Augen betrachtet. Fast traut man sich nicht mehr, seinen Fuß ins Wasser zu setzen. Was weniger an der aktionaufgeladenen Atmosphäre als an der faktenreichen Darstellung liegt, die Frank Schätzing vom unbekannten Leben tief am Boden des Ozeans zusammengetragen hat. Die Mischung aus Reality und Phantasy schlägt diesmal eindeutig zu Gunsten des Möglichen aus. Warum sollte es nicht so sein, daß etwas für unsere Sinne nicht Vorstellbare dort unten existiert? Das Leben in der absoluten Dunkelheit der Meere ist kaum erforscht. Wir kennen uns im Weltraum besser als in der Tiefe aus. Schätzings Roman unterstreicht, daß die Wissenschaft allerdings schon aus den Kinderschuhen heraus ist. Seine Version vom Untergang der Welt wird nicht erst durch einen Tsunami zum Ereignis in den Abendnachrichten. Für den Roman braucht man Zeit. Er ist, sicher auch wegen der intensiven Auseinandersetzung Schätzings mit dem Thema angeschwollen, und der Autor muß die Spannung über viele hunderte Seiten aufrechterhalten, so daß leider manchmal die Hollywoodnähe vor allem am Schluß überhand nimmt.
Polar aus Aachen

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.