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solveig

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Bewertung vom 08.10.2013
Der Maler und das Mädchen
Moor, Margriet de

Der Maler und das Mädchen


ausgezeichnet

Das eigentliche Geschehen spielt sich an nur einem Tag, innerhalb von 24 Stunden, in Amsterdam ab. Es ist der 3.Mai, Tag der Hinrichtung des 18jährigen dänischen Mädchens Elsje Christiaens. Für den Maler, dessen Name allerdings nie ausdrücklich genannt wird (es handelt sich um Rembrandt van Rijn), ist es ein Tag wie jeder andere, er kümmert sich um sein Malergeschäft, kauft Farben ein, macht sich Gedanken um ein neues Bild.
Natürlich erfährt er von der Hinrichtung; er muss sich mühsam seinen Weg gegen den Strom der Menschenmenge, die sensationslüstern zum Rathaus drängt, bahnen. Er schließt sich den Zuschauern bewusst nicht an; er hat zuviele Tote gesehen, seine zweite Ehefrau ist noch nicht lange begraben. Doch am Ende des Tages wird er mit dem Boot zum Volewijk fahren, wo die Tote, an den Schandpfahl gebunden, zur Schau gestellt wird, und zwei Zeichnungen des Mädchens anfertigen (heute zu sehen im Metropolitan Museum of Art, New York).

Erst an diesem Punkt treffen „der Maler und das Mädchen“ zusammen. Bis dahin werden ihre Lebensgeschichten parallel, getrennt voneinander, aber unaufhörlich aufeinander zu fließend, erzählt, bis zum Mord, dessentwegen Elsje zum Tode verurteilt wird, und dem Höhepunkt, der Hinrichtung.
Das Amsterdam des 17. Jahrhunderts und seine Bewohner werden aus dem Blickwinkel und mit den Augen eines Malers betrachtet. Es entsteht ein farbiges, lebendiges Bild jener Zeit, das es dem Leser leicht macht, sich in die Vergangenheit hinein zu versetzen.
Dabei arbeitet Margriet de Moor in mehreren Zeitebenen: während sie die Ereignisse des
3. Mai chronologisch wiedergibt, werden im Wechsel die Lebensgeschichten von Rembrandt und Elsje mit der Erzählung verwoben, wobei sich die Autorin jedoch nicht streng an die genaue Abfolge der Geschehnisse hält. Immer wieder sind auch Hinweise auf zukünftige Zeiten, etwa die Gegenwart des Lesers eingestreut („…heute heißt die Straße ….“ , „damals gab es noch…“), was dann wieder eine gewisse Distanz zum Roman aufkommen lässt: man taucht ein ins Geschehen, lässt sich mitreißen, wird aber immer wieder zurückgeholt.
Auch Van Goghs Zitate über Rembrandts Kunst verweisen in eine modernere Zeit.

Rembrandt hat Elsje Christiaens durch seine Zeichnungen über viele Jahrhunderte eine Bekanntheit und ein Interesse an ihrer Person verschafft, die sie (so makaber das ist) ohne ihre Hinrichtung nicht erlangt hätte. So hat der Maler „die Form mit einer Zeitdauer versehen, dem Blick“ - und dem Mädchen ein Denkmal geschaffen.

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