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La Calavera Catrina

Bewertungen

Insgesamt 649 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2022
Butter
Yuzuki, Asako

Butter


sehr gut

In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber nicht nur mit köstlichen Speisen verwöhnt, sondern auch umgebracht zu haben.

„Diese Frau nutzte die Lücke im Herzen ihrer Opfer, die alle ein sehr einsames Leben führten.“

Rika möchte nicht nur dem ungewöhnlichen Fall und seiner Popularität auf den Grund gehen, sondern erhofft sich auch Wandlung für ihr festgefahrenes Leben. Über die Anschuldigungen will Manako Kajii in der Interviews allerdings nicht reden, sondern über ihre Kochkunst. Rika lässt sich darauf ein, obwohl sie sich nicht für Rezepte interessiert. Bei den Treffen im Gefängnis gibt die Inhaftierte den Ton an; sie hasse nichts mehr als Margarine und Diäten, was Rika verunsichert. Butter ist für Manako Kajii der Inbegriff der Köstlichkeit. Für die Recherche kauft sich Rika daraufhin Butter, beginnt für ihre Interviewpartnerin das zu tun, was sie nicht mehr kann, um ihre Beweggründe zu verstehen. Sie isst wie sie, und gerät immer mehr in den manipulativen Strudel der Anziehungskraft von Manako Kajii.

„Es gibt etwas, das jede Frau von Manako Kajii lernen kann. Solange sie sanftmütig ist und gut kochen kann, wird sich jeder in sie verlieben."

Immer wieder eine Rolle spielt die Bilderbuchgeschichte „Der kleine schwarze Sambo“, die 1928 von der schottischen Autorin Helene Bannerman veröffentlicht wurde. In diesem skurrilen Buch geht es um einen indischen Jungen und vier hungrige Tiger, die sich in Butter verwandeln und zu Pfannkuchen verarbeitet werden.

In dem Roman gibt es um den Verfall traditioneller Esskultur, die Leidenschaft für Milchprodukte, Frauenfeindlichkeit, die Verarbeitung von Traumata, Freundschaft und Selbstfindung. Die wichtigste Botschaft lautet jedoch: Frauen sollen sich selbst akzeptieren können, wie sie sind und Wertschätzung dafür erhalten. An Gewicht zuzunehmen, ist in Japan ein Indiz dafür, dass man sich gehen lässt. Auch Rika muss sich einige Bosheiten gefallen lassen, obwohl sie vorher ungesund dünn war und sich mit ihrem neuen Gewicht wohlfühlt.

Bildhaft und einnehmend schreibt die Japanerin Asako Yuzuki über Essen. Vom Einkaufen, über die Zubereitung bis zur Nahrungsaufnahme, ziehen einen ihre Beschreibungen über Geschmack, Konsistenz, Aussehen und Geruch in den Bann. Sie stellt die Sinnesfreunden und den Genuss in den Vordergrund und setzt die Entscheidung, nur zu essen, was einem schmeckt, mit Freiheit und Selbstbewusstsein gleich. Der Drang nach neuen Geschmackserlebnissen steht weit über ausgewogener Ernährung. Kochen ist keine Frage der eigenen Fähigkeiten, sondern der Prioritätssetzung und Sinnhaftigkeit. Auch der Austausch über Rezepte und Geschmackserlebnisse ist für die Autorin ein freudvoller Aspekt der Esskultur.

„Ihre liebevolle Zubereitung und ihr Duft waren wie eine zärtliche Umarmung (…) und die saisonalen Zutaten hatten ihr Kraft für den nächsten Tag gegeben.“

Streckenweise fiel es mir schwer, am Ball zu bleiben. Die Handlung dümpelt dialogreich vor sich hin. Es gibt nur kleine Momente der Spannung, die sich wieder verflüchtigen. Ins Essen fließt die ganze Leidenschaft der Autorin - und hier liegt die Stärke des Romans. Die Einblicke in die japanische Kultur sind bereichernd gewesen und einige Abschnitte waren besonders unterhaltsam. Die Entwicklung von Rika ist bemerkenswert. Sie gewinnt an Selbstbewusstsein und beginnt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Mir hat auch das Ende gut gefallen, die verhaltenen Beziehungen der Figuren, der kluge Schreibstil und der tiefsinnige Kontext, der das Buch lesenswert macht.

Bewertung vom 18.02.2022
Ein Zesel zieht ein / Grimm und Möhrchen Bd.1
Schneider, Stephanie

Ein Zesel zieht ein / Grimm und Möhrchen Bd.1


ausgezeichnet

„Ich bin ein Zesel. Ein bisschen Esel und ein bisschen Zebra. Von jedem etwas und von beidem das Beste.“

Grimm ist ein liebenswerter und höflicher Buchhändler, der es liebt zu dichten und ein bisschen in die tatkräftige freiwillige Feline verliebt ist. Als an einem regnerischen Tag ein kleiner Zesel namens Möhrchen in seine Bücherkiste stolpert, beginnt für Grimm ein wunderbares Jahr, voller Abwechslung und Lebendigkeit. „Und Grimm spürte bis in die Lockenspitzen, wie viel schöner es war, nicht mehr allein zu sein.“

Dreizehn Kapiteln erzählen von den gemeinsamen Alltagsabenteuern im Haus mit der schiefen Sieben. Es sind unabhängige Geschichten, die sich perfekt zum Vorlesen eignen. Besonders schön, sind die sehr zahlreichen Illustrationen, die farblich harmonisch, viele Situationen einfangen, die wir uns auch bebildert gewünscht hätten. Ganz oft findet man Blumen, Bücher oder Tiere - ein farbenfrohes Vergnügen. Möhrchen ist liebenswert, eigensinnig und liebt es, spielerisch neue Dinge auszuprobieren. Kinder werden sich gut mit ihm identifizieren können, weil er offen und neugierig die Umgebung erkundet, von der er vieles noch nicht kennt. Außerdem ist Möhrchen ziemlich einfallsreich und kommt auf unübliche Ideen, wie nachts wach bleiben oder nur runde Sachen essen. Grimm lässt sich immer wieder gern auf die Ideen seines neuen Freundes ein und bestärkt ihn darin, Neues auszuprobieren. Sie sammeln fast vergessene Wörter, um diese zu verschenken, damit sie nicht verloren gehen oder verabschieden den Sommer. Ganz wunderbar fanden wir die kreativen Wortschöpfungen, wie Herbstklopfen, Wennskranz oder Schlangeweile. Von kreativen Ideen wimmelt es im Buch nur so - großartig!

Fazit: Ein herzerwärmendes Kinderbuch zum Wohlfühlen, mit ganz viel Lesespaß und wertvollen Botschaften für kleine und große Menschen. Grimm und Möhrchen sind einfach großartig und wir können das Buch sehr empfehlen. „Grimms Möhrchen“ haben gerade erst angefangen und wir freuen uns jetzt schon sehr auf die Fortsetzung, in der Zesel den Weihnachtsmann kennenlernt.

Bewertung vom 04.02.2022
Tamons Geschichte
Hase, Seishu

Tamons Geschichte


sehr gut

Der Autor Seishū Hase bekam für dieses Buch einen der wichtigsten japanischen Literaturpreise. Deswegen war ich sehr neugierig auf dieses Buch; erinnert es doch an den japanischen Akita Hachiko, dessen beispielhafter Treue und Beharrlichkeit seit 1935 in Japan gedacht wird.

„Tamons Geschichte“ erzählt von der außergewöhnlichen Reise eines Schäferhundmischlings nach dem katastrophalen Tsunami in Japan, verursacht durch das Tōhoku-Erdbeben 2011. Während seiner langen Wanderung Richtung Süden, begegnet Tamon unterschiedlichsten Charakteren: zwei Dieben, einem unglücklichen Ehepaar, einer Prostituierten und einem alten Jäger. Tamon bereichert mit seiner kurzen Anwesenheit das Leben dieser Menschen auf ganz unterschiedliche Weise. Friedlich, loyal, schlau und ruhig präsentiert Tamon sich als der Inbegriff von Treue und dient seinen vorübergehenden Herrchen und Frauchen als schützender Begleiter. Der Name ›Tamon‹ bedeutet nämlich soviel wie Schutzgott. Schnell stellt sich eine Vertrautheit ein und es entsteht bei den Charakteren das Gefühl, sie würden schon jahrelang mit dem Hund zusammenleben. Auch wenn manche sich an Tamon klammern, wird er stets mit Respekt behandelt und zieht weiter, wenn die Zeit gekommen ist. Denn jeder spürt: „Tamon hat schon eine Familie. Er war von ihr getrennt worden und suchte nach ihr.“ Und so bewegt sich Tamon, der unter besonderem Schutz zu stehen scheint, beharrlich seinem Ziel entgegen.

Nüchtern und distanziert schreibt Seishū Hase über Tamons Reise, und die Erbarmungslosigkeit des Lebens. Tamon wirkt dabei ganz bewusst wie das Ideal eines Hundes, der der lebendigen Vielschichtigkeit eines realistischen Tieres nicht gerecht wird. Trotzdem ist die Geschichte sehr bewegend. Man erfährt allerdings nur etwas aus der Zeit, die Tamon mit Menschen verbringt; was er erlebt, wenn er sich alleine durchschlägt, bleibt der Fantasie überlassen. Was Tamon wirklich antreibt, erschließt sich einem erst am Ende.

Fazit: Ein Hymne, auf die wunderbaren Fähigkeiten von Hunden und ihr treues Wesen. Eine kurzweilige Geschichte, die das Herz berührt und Einblicke in die japanische Kultur gewährt.

Bewertung vom 04.02.2022
The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1
Prose, Nita

The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1


sehr gut

Als das Zimmermädchen Molly Gray das Hotelzimmer wieder in seine ursprüngliche Perfektion zurückversetzen will, findet sie sich an einem Tatort wieder: ein Mann liegt tot in seinem Bett. Schließlich gerät Molly, aufgrund ihrer besonderen Persönlichkeit, selbst ins Visier der Ermittler.

Dieser amüsante Cosy-Krimi lebt von seiner bezaubernden Hauptfigur Molly, die in der Ich-Perspektive von ihrem innerem und äußerem Erleben berichtet. Die erste Hälfte konzentriert sich auf die Vorstellung der Charaktere und den Todesfall im Hotel, indem Molly als erste Person am Tatort eine entscheidende Rolle spielt. Freundlich und immer hilfsbereit plauderte sie sich mit einer Mischung aus Charme und Naivität in die Herzen der Leser:innen. Molly vermisst ihre verstorbene Großmutter und lebt ihre Berufung als Zimmermädchen. Der Aspekt der Unschuld eines Kindes verstärkt sich dadurch, wie Molly von ihrer Großmutter spricht, an dessen Sprichwörtern und moralischen Vorstellungen sie sich zu orientieren versucht. Dazu erkennt Molly oft nicht die sozialen Regeln der Erwachsenen und reagiert überfordert, wenn eine Situation nach Etikette verlangt oder starke Emotionen eine Reaktion erfordern. Das birgt natürlich Konfliktpotential und macht sie zu einem leichten Opfer. Es gibt viele Ähnlichkeiten zu der Filmfigur Forrest Gump, der ebenfalls mit seiner sanftmütigen und naiven Persönlichkeit in soziale Verstrickungen geriet. Aus ähnlich überraschenden Fügungen bestehen Mollys Erlebnisse. In der zweiten Hälfte nehmen diese an Fahrt auf und Molly macht eine interessante Figurenentwicklung durch. Hier fühlte ich mich schon etwas mehr an Columbo erinnert. Besonders das Ende hat mir gefallen.

Fazit:
Eigentlich ist es weniger ein Krimi, sondern eben ein Cosy-Krimi - um zu hohe Erwartungen vorweg zu nehmen -, die Story einer wunderbaren Figur, dessen Leben sich völlig verändert, als sie in einen Mord verwickelt wird. Mit gemächlichem Erzähtempo, Humor zum Schmunzeln, dichter Atmosphäre und interessanten Figuren ist es eine wirklich schöne Geschichte, die man wunderbar an einem entspannten Wochenende hören kann. Hier lohnt sich auch das Hörbuch, denn Anna Thalbach trifft mit ihrer Stimmlage gekonnt Mollys sanftmütige Persönlichkeit und verleiht auch anderen Charakteren ein hörbares Unterscheidungsmerkmal, weshalb ich immer wieder zum Hörbuch greifen würde. Interessant für alle, die positive Unterhaltungslektüre mit liebenswerten Charakteren und kriminalistischen Elementen mögen.

Bewertung vom 04.02.2022
Aurora und die Sache mit dem Glück
Weeks, Sarah

Aurora und die Sache mit dem Glück


ausgezeichnet

„Ich liebe diesen Hund so sehr, dass es manchmal wehtat. Er war mein bester Freund. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie das Leben ohne ihn wäre.“

Aurora ist ungefähr elf Jahre alt und in der Schule eine Außenseiterin. Auf ihre Mitschüler seltsam wirkend, ist Aurora vor allem eines: liebenswert. Sie liebt ihren Hund Duck über alles und verbringt gern Zeit mit ihren Eltern - überhaupt lieber mit Erwachsenen. Mit einem silbernem Bettelarmband beginnt der ganze Schlamassel. Plötzlich geschieht ein großes Unglück und Aurora verliert ihren einzigen besten Freund. Duck verschwindet und Aurora muss aufkommende Krisen ganz allein bewältigen.

Sarah Weeks hat mich mit „Aurora und die Sache mit dem Glück“ wirklich begeistert. Einige wunderbare Zitate verstecken sich in diesem Werk und ich fühlte mich beim Lesen inspiriert. Einfühlsam erzählt Weeks vom Anderssein, dem Wunsch nach Freunden und Zugehörigkeit, dem Rückhalt einer eng verbundenen Familie und anderen starken Gefühlen, die einen auf dem Weg zum Erwachsenenwerden begleiten. Die gewählte Ich-Perspektive ist perfekt und gewährt Einblicke in Auroras Gedanken und ihre große Liebe zu ihrem Hund Duck. Die Protagonisten sind vielfältig und liebevoll ausgearbeitet. Sie sind der Grund, weshalb ich mich mit der Geschichte so wohlgefühlt und mitgefiebert habe. Natürlich trägt auch der federleichte Schreibstil dazu bei, dessen kreative Ideen und eingeflochtenen Spielereien, mir sehr gefallen haben. Als krönender Abschluss sind dann noch Liebesbeweise als Kapitelüberschriften getarnt. Ich habe das Buch an einem Tag verschlungen.

Fazit: Ein wunderbares Büchlein, das mir beim Lesen Glücksgefühle geschenkt hat und seine großen und kleinen Fans finden wird. Empfehlenswert für alle, die gern Geschichten mit leisen Tönen und Tiefgang lesen, außergewöhnlich liebenswerte Persönlichkeiten (und Hunde) mögen und ein schmales Buch (155 Seiten) suchen.

Bewertung vom 04.02.2022
Brummps
Zipfel, Dita;Davies, Bea

Brummps


ausgezeichnet

Jonny und Butz verbindet eine ganz besondere Freundschaft. Jonny ist eine ziemlich groß geratene Ameise - was nicht das einzige ist, was ihn von den anderen Ameisen unterscheidet und isoliert. Die, im Gegensatz zu den Arbeiterameisen, gemütliche und gern plappernde Butz ist die einzige Freundin, die Jonny hat. Als ihn die ansteckende Krankheit Brummps befällt, sieht Butz die Chance ihres Lebens, um mit ihrem besten Kumpel ihr eigenes Ding zu machen.

Der Schreibstil von Dita Zipfel ist unkonventionell. Der auktoriale Erzähler der Geschichte spricht seine Leser:innen direkt an, verliert sich hin und wieder in ausschweifenden Berichterstattungen, und holt etwas aus. Das macht aber den Charme des Buches aus, und die Idee dahinter ist genial. Denn die langatmig erscheinenden Textstellen halten wertvolle Botschaften, kreative Einfälle und besondere Einblicke bereit: wie beispielsweise die Erklärung des Maximalen-Zuhause-Gefühls oder einem ganz besonderem Ort: dem Waaf. Dita Zipfel nimmt sich Zeit, für diese besondere Geschichte, was sie letztlich auch so emotional und ergreifend macht. Schließlich geht es um tiefgreifende Themen, wie das Anderssein, Mobbing und Freundschaft. Neben den vielen klugen Anspielungen, enthält die Geschichte auch ganz nebenbei Sachwissen über Ameisen und und Käfer.
Besonders einzigartig fand ich das visuelle Konzept: durchgehend beispiellose Illustrationen von Bea Davies - in drei Farbnuancen - fangen die Stimmung ein, gestalten sogar den Übergang in die Nacht mit dunklen Seiten. Genial fügen sie sich nahtlos in den Text ein und nehmen vereinzelt die Züge eines Comics an, wenn Sprechblasen den Fließtext ergänzen. Jonny und Butz wurden von Bea Davies zum Leben erweckt und gerade über die Darstellung von Butz kann man sich köstlich amüsieren.

Fazit: Empfehlenswerte Geschichte für fortgeschrittene Selbstleser und Wortakrobaten (meine Empfehlung wäre ab 9 Jahren), und geübte Vorleser, die auch bei den umgangssprachlichen Dialogen nichts ins Stolpern kommen. Das Buch ist außergewöhnlich, macht richtig Spaß und lädt zum immer-wieder-lesen-wollen ein.

Bewertung vom 04.02.2022
Der fürsorgliche Mr Cave
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


gut

„Michelangelos Botschaft an mich, als ich vor der Pietà stand, war klar: Es erwartet dich unsägliches Leid, wenn du deine Tochter in eine Welt der verlorenen Seelen entlässt. Du musst sie beschützen und darfst sie niemals gehen lassen.“


Der Antiquitätenhändler Mr. Cave ist ein besonders fürsorglicher Familienvater; sein kleines Mädchen ist schließlich alles, was ihm geblieben ist, nachdem er seine Mutter, seine Frau und seinen Sohn nicht retten konnte. Von Schuldgefühlen und väterlichem Beschützerinstinkt besessen, spitzen sich die Auseinandersetzungen mit seiner adoleszenten Tochter immer weiter zu.

Mr. Cave fühlt sich getrieben, die Dinge nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Seine kraftlose Seele befindet sich im freien Fall, wie Matt Haig es formuliert, zeitweise wie von Sinnen, lässt ihn sein Verstand im Stich und er verliert immer mehr ausgerechnet das, wovon er sich so viel Sicherheit versprochen hatte: die Kontrolle. „Es ist, als würde man mit Hitler zusammenleben.“ Diese Worte richtet die Tochter an ihren Vater, und gibt damit einen seltenen Einblick, in ihre Sichtweise. Der Roman ist nämlich aus der einseitigen Perspektive des Vater verfasst, der einen Bericht an seine Tochter schreibt. Das strickte Einhalten dieser Erzählspur löst vorwiegend die beklemmende und zuspitzende Atmosphäre aus. So erfolgversprechend diese Erzählweise sich auch darstellt, ich hätte andere Perspektiven als aufschlussreich empfunden. Denn die ausschweifenden Gedankensprünge und Rückblenden haben das Durchhalten beim Lesen erschwert und die Handlung selten bereichert. Wie meistens bei Romanen von Matt Haig verstecken sich aber auch in diesem Buch interessante Gedanken, Wissenswertes und nachklingende Sätze. Er findet die richtigen Worte, um Leiden greifbar zu machen und neue Einsichten zu gewinnen.

Fazit: Das absolute Gegenteil zu dem lebensbejahenden Roman „Die Mitternachtsbibliothek“. Ein beklemmendes psychologisches Drama, bei dem man nicht weiß, was dominiert, Liebe oder Wahnsinn. Ein schwermütiger Roman, der zwar faszinierend und sprachlich gelungen am Ende einen überraschenden Twist bereithält, aber zu keiner Zeit fesselt oder mitreißt - stattdessen war ich erleichtert, nachdem ich das Buch beendet hatte.

Bewertung vom 04.02.2022
Thirteen / Eddie Flynn Bd.4 (eBook, ePUB)
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein origineller Justizthriller, den ich unbedingt lesen wollte, nachdem ich viel Gutes darüber gehört/gelesen habe. Und soviel vorweg: ich wurde - trotz hoher Erwartungen - nicht enttäuscht.

Robert „Bobby“ Solomon ist der prominente Mordverdächtige, der sich vor Gericht den Anschuldigungen des Mordes an seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Personenschützer stellen muss. Alle Beweise sprechen gegen ihn und der Fall scheint klar. Der wahre Mörder jedoch sitzt in der Jury und entscheidet mit, über die Zukunft des Angeklagten. Ein spannender Prozess beginnt.

Der hochintelligente Mörder Joshua Kane ist ab den ersten Seite bekannt und gewährt Einblicke, in die Fortführung seines gerissenen Plans, ohne alle Handlungsschritte und Motive preiszugeben. Das Geniale: die Perspektiven wechseln. Während die Perspektive des Täters eine gekonnte Balance aus Nähe und Distanz ausloten, bildet die Ich-Perspektive des Strafverteidigers Eddy Flynn einen raffinierten Gegenpol und sympathischen Helden. Der Thriller ist absolut unvorhersehbar und voller überraschender Wendungen. Fast jedes Kapitel endet mit einem kleinen Cliffhanger, was dazu führt, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen will. Obwohl Steve Cavanagh auf unnötige Nebensächlichkeiten verzichtet, gelingt es ihm, dass man zu den wichtigsten Figuren ein Verbindung aufbaut, die es leichter macht, ihre Entscheidungen logisch nachzuvollziehen. Rückblicke, die Aufschlüsse zum Verhalten des Täters zulassen, und persönliche Einblicke in das Leben des Strafverteidigers Eddy Flynn. Der erinnert dabei ein bisschen an den Serienanwalt Mike Ross aus „Suits“, der ebenfalls mit einem photografischen Gedächtnis und einem moralischen Kompass zu überzeugen wusste.

Fazit: Wer gerade einen neuen Thriller sucht, der hochspannend, intelligent konstruiert und hervorragend recherchiert wurde, ist bei Steve Cavanagh´s sehr gut aufgehoben. Für mich schon jetzt, ein echtes Thriller-Highlight des Jahres 2022.

Bewertung vom 04.02.2022
Das Weltall
Gallerani, Simona;Orofino, Maria C.;Pezzulli, Edwige

Das Weltall


ausgezeichnet

Hochwertiges Wissen über das Weltall wird mit einer Geschichte verstrickt, in der sich zwei Schwestern eines nachts aufmachen, um den Sternenhimmel zu beobachten. Die große Schwestern studiert Astrophysik und erklärt u.a die Sternbilder am Himmel, die Unterschiede zwischen dem Nord- und Südhimmel und beantwortet spannende Fragen ihren kleinen Schwester, wie die folgende: “Ich meine, wenn ich jemandem, der auf einem anderen Planeten lebt, meine Adresse geben müsste, was würde ich sagen?“ Es ist ein Erlebnisbuch, das den Horizont erweitert, auch wenn es sich weniger zum Nachschlagen eignet, weil man es am besten chronologisch liest oder den Querverweisen folgt.

Uns hat das Buch begeistert, weil es die Faszination für das Weltall weckt. Man spürt die ansteckende Begeisterung der Astrophysikerinnen, die an dem Buch mitgewirkt haben, und der Illustratorin Alice Beniero, die atmosphärische Bilder und verständliche Grafiken geschaffen hat, die einen einfach in ihren Bann ziehen. Die originelle Gestaltung lädt zum Staunen, Verweilen und Stöbern ein - es fühlt sich gar nicht so an, als würde man ein Sachbuch lesen. Überraschende Hintergründe, Geschichten aus der Forschung, Gedichte und Experimente zum Selbermachen. Das alles in einem künstlerischen Gesamtkonzept eingebettet. Es macht große Lust, selbst aktiv zu werden, im Winter wie im Sommer den Sternenhimmel zu betrachten und von unendlichen Galaxien zu träumen.

Die Komplexität des Themas macht es nicht nur für Kinder zu einem spannenden Sachbuch. Wie der Klappentext es passend formuliert, ist es für alle Menschen ein Erlebnis. Für Kinder würde ich es aufgrund des Buchaufbaus und der Begrifflichkeiten ab zwölf Jahren empfehlen.

Bewertung vom 19.01.2022
Für immer Sommerby / Sommerby Bd.3
Boie, Kirsten

Für immer Sommerby / Sommerby Bd.3


ausgezeichnet

Eine stimmungsvolles Hörbuch, das einem sofort dieses magische Sommerby-Glücksgefühl beschert und alles enthält, was wir an den Reihe lieben - von Platt schnacken bis zum einfachen Lebensstil, den Oma Inge pflegt - ohne Handy und den ganzen Schnickschnack. Dieses mal gibt es ein Wiedersehen mit Oma Inge im Dezember, kurz vor Weihnachten. Leonie kommt mit ihren drei lüttjen Leckersnuten Martha, Mikkel und Mats ins verschneite „Winterby“. Jeden treibt etwas um: Martha hat Liebeskummer und Selbstzweifel, Mikkel lernt aus einem schlimmen Fehler und beweist großen Mut, Mats findet einen Schatz, der alle in Schrecken versetzt und Oma Inge hat ein kleines aber feines Geheimnis. Es gibt wieder Konflikte, Liebe, Nostalgie, dramatische Spannung, ganz viel Weihnachtsstimmung, Zusammenhalt und wieder aktuelle Themen wie Erziehungwandel oder Demonstrationen, auf dessen Spuren sich Erwachsene und Kinder gleichermaßen wiederfinden.

Kirsten Boie versteht sich einfach großartig darin, auszudrücken, was Kinder bewegt und kann sich ausgezeichnet in sie hineinversetzten. Gleichzeitig vermag sie es, Erwachsene zu berühren, sodass man sich in seine Kindheit zurückversetzt fühlt. Fast schon umbemerkt, werden wichtige Botschaften und Wissen vermittelt. Die Fortsetzung überzeugt wieder durch sprachliche Mühelosigkeit, schöne Denkanstöße und unterhaltsame Dialoge. Dabei hat jeder mit seinen eigenen Wünschen und Sorgen zu tun, was für viel Abwechslung sorgt. Mit ihrer Mannigfaltigkeit verleiht Julia Nachtmann jeder Figur einen Wiedererkennungswert und macht das Zuhören zu einem großen Vergnügen, zudem spricht sie hervorragend Plattdeutsch. Durch die drei Geschwister ist auch für jede Altersgruppe jemand dabei, mit dem man sich identifizieren kann.

Fazit: Ein Hörbuch fürs Wohlbefinden, welches wunderbar in die Winter- und Weihnachtszeit passt, einfach Spaß macht, und mit einem runden Ende verzaubert. Absolute Empfehlung für die ganze Familie. Wunderbares Hörvergnügen!