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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 739 Bewertungen
Bewertung vom 06.08.2016
Die Zeit
Haber, Heinz

Die Zeit


gut

Die unvorstellbaren Zeiträume der Evolution

Heinz Haber gehörte in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren zu den bekanntesten Autoren populärwissenschaftlicher Bücher; bekannt war er auch durch zahlreiche naturwissenschaftliche Fernsehsendungen. Sein Schwerpunkt lag bei der Vermittlung der Grundlagen der Astronomie. In seinem Spätwerk „Die Zeit“ setzt er sich mit der Evolutionstheorie auseinander. Wie der Titel bereits andeutet, thematisiert er die unvorstellbaren Zeiträume von Milliarden von Jahren als Dreh- und Angelpunkt für die Wahrscheinlichkeit und letztlich Plausibilität der Evolutionstheorie.

Das Buch ist in 10 Kapitel gegliedert und angereichert mit zahlreichen Grafiken. Die Texte sind verständlich und machen neugierig. Autor Haber versteht es, schwierige Sachverhalte populärwissenschaftlich aufzuarbeiten. Ein Quellenverzeichnis sowie ein Stichwortverzeichnis mit Begriffserläuterungen fehlen. Lediglich ein Bildnachweis befindet sich am Ende des Buches.

Das Buch ist 25 Jahre alt und Habers Thesen entsprechen in Teilbereichen nicht (mehr) dem aktuellen Stand der Naturwissenschaften. Allgemein anerkannt ist, dass es in der Erdgeschichte mehrere Massensterben gab, deren Ursachen nicht bekannt sind. So auch vor ca. 60 Millionen Jahren, als die Saurier ausgestorben sind. Haber zweifelt daran, dass ein Meteoriteneinschlag für das Aussterben verantwortlich ist (S. 73 u. 145). Auch favorisiert Haber die Expansionstheorie der Erde (s.a. sein Buch „Unser blauer Planet“ aus dem Jahr 1965), die heute an Bedeutung verloren hat (S. 95 u. 99). Sein Zeitraffer, die Projektion der Erdgeschichte auf 1 Jahr, ist auch aus heutiger Sicht faszinierend.

Wenn man das Buch aktuell liest, muss man wissen, dass einige Hypothesen überholt sind. Es ist daher nicht als alleinige Informationsquelle geeignet. Auf der anderen Seite verstand es Haber wie kaum ein anderer Wissenschaftler, Themen für ein breites Publikum auf anschauliche Art und Weise aufzubereiten. Ich kann das Buch aus heutiger Sicht nur dann empfehlen (immerhin ist es für unter einem Euro zu haben), wenn man sich mit den behandelten Themen weiter beschäftigt und auch andere Bücher bzw. Informationsquellen zu Rate zieht.

Bewertung vom 06.08.2016
Das können Sie glauben!
Kuzmany, Stefan

Das können Sie glauben!


gut

Eine kritische Analyse religiöser Heilsversprechen

Stefan Kuzmany beschreibt einen Marktplatz der Religionen. Jeder kann frei nach dem Titel „Das können Sie glauben!“ selbst entscheiden, wo er sich zugehörig fühlt. Der Autor, Redakteur bei der taz, geht undogmatisch an das Thema ran. Er beschreibt seine Untersuchungen als Selbstversuch und so ist auch sein Buch aufgebaut. Den Weg seiner Ermittlungen zeichnet er nach. Seine Ausführungen erheben nach eigener Aussage keinen Anspruch auf Wahrheit oder normative Aussagekraft.

Zu den Hauptthemen gehören Islam, Christentum, Judentum, Buddhismus und Scientology. In einem sechsten Kapitel werden in Kurzform weitere Glaubensrichtungen beschrieben. Hinsichtlich der realen Verbreitung hätte dem Hinduismus ein eigenes Kapitel gewidmet und Scientology im sechsten Kapitel untergebracht werden können. Aus dem Blickwinkel der Aufklärung kann ich den Autor verstehen, dass er (im Interesse der Leser und Leserinnen) anders vorgegangen ist.

Seine Ausführungen sind ironisch, aber nicht zynisch, aufklärerisch und nicht fanatisch, humorvoll, aber auch kritisch. Es geht nicht nur um die Frage „Was will ich von der Religion?“, sondern auch darum „Was will die religiöse Institution von mir?“ Heilsversprechen haben ihren Preis. Der Autor beneidet Menschen, die an etwas glauben. Jedoch haben ihn die Angebote nicht überzeugt. Überzeugt haben ihn Menschen aus seinem Umfeld, die einfach nur mit Hingabe und guter Laune ihren Job tun.

„Das können Sie glauben!“ ist unterhaltsam und stellenweise ironisch. Die Gebrauchsanleitung auf den Seiten 11 u. 12 sollte man vorher lesen. Denjenigen, die Religionen nicht aus einer kritischen Distanz heraus betrachten können, würde ich das Buch nicht empfehlen. Umfassende Informationen (ohne Ironie) finden interessierte Leser z.B. in „Die fünf Weltreligionen“ von Helmuth von Glasenapp.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.08.2016
Ein Regenschirm für diesen Tag (eBook, ePUB)
Genazino, Wilhelm

Ein Regenschirm für diesen Tag (eBook, ePUB)


sehr gut

Alltag eines Lebenskünstlers

Kann man seinen Lebensunterhalt mit dem Probelaufen von Luxusschuhen bestreiten? Wilhelm Genazinos Protagonist ist ein Lebenskünstler, der auf diese Art und Weise sein Geld verdient. Auf seinen stundenlangen Streifzügen durch die City einer Großstadt befindet sich der 46-jährige Erzähler auf einer ständigen Gratwanderung zwischen Absturz und Überleben und beobachtet dabei seine Umwelt auf eine nicht alltägliche Weise. Seine Wahrnehmung ist fixiert auf die kleinen Dinge des Lebens. Dies können Tauben sein, die durch eine Unterführung fliegen, eine Arbeiterfrau, die Wäsche aufhängt oder ein Junge, der in einem Brunnen mit seinem Segelboot spielt.

In seinem Umfeld gibt es zahlreiche gescheiterte Existenzen. So zum Beispiel Herrn Habedank, der sich für einen passablen Fotografen hält und letztlich Prospekte verteilt oder Frau Dornseif, eine einfallslose Animateurin ohne Zukunft. Er selbst muss eine gewaltige Honorarkürzung hinnehmen. Probleme hat er damit nicht. Ein Blick in die Zukunft ist bei seinem Lebensstil ohnehin verpönt. Manchmal hat er Angst davor verrückt zu werden.

Man kann ihn trotz seiner Melancholie nicht als erfolglos darstellen. So führt seine eher scherzhafte Äußerung, er sei Leiter eines Institutes für Gedächtnis- und Erlebniskunst dazu, dass er eine Kundin zufrieden stellen kann. Sein Vorsprechen für Herrn Habedank beim Generalanzeiger bewirkt, dass er selbst einen Auftrag erhält. Aber letztendlich bleibt er Schuhtester und morgen ist auch noch ein Tag. Es sind der seltsame Charakter und die Merkwürdigkeiten des Alltags, die dem Werk Leben einhauchen.

Bewertung vom 06.08.2016
Gekaufte Journalisten
Ulfkotte, Udo

Gekaufte Journalisten


ausgezeichnet

Wie unsere Leitmedien funktionieren

In „Meinungsmacht“ [1] analysiert Uwe Krüger die Kommunikationsnetzwerke, in die Journalisten unserer Leitmedien eingebunden sind. Die direkten Verbindungen zur Wirtschaft, zur Politik und zu diversen Elitezirkeln bezeichnet Krüger in seiner wissenschaftlichen Arbeit als hoch problematisch. (148) Er fordert, dass "Qualitätsjournalismus den Elitendiskurs transzendieren sollte". (263)

Udo Ulfkotte bezieht sich u.a. auf Krüger und untermauert dessen wissenschaftliche Untersuchungen durch zahlreiche praktische Beispiele und eigene Erfahrungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Ulfkotte reinen Tisch macht und seine eigenen Verstrickungen einfließen lässt. "Ich selbst ... war ein Täter." (36) Ohne diese Zugeständnisse wäre er unglaubwürdig und angreifbar.

„Unsere besten Journalisten lügen auf Kommando, wenn die Politik es will.“ (258) Und das ist keine Verschwörungstheorie, sondern wird vom Autor anhand von Beispielen belegt. Jedoch sollte keine Verallgemeinerung vorgenommen werden, wie Ulfkotte auch selbst einräumt. (29) Das umfangreiche Quellenverzeichnis (24 Seiten) sticht ins Auge. Der Autor kann belegen, was er behauptet. Da eine Klagewelle droht, ist eine saubere Recherche auch zwingend notwendig. Wie fundiert diese ist, wird die Zukunft zeigen.

Mein seit Jahren vorhandener Eindruck, dass man die Wahrheit nur noch im Kabarett erfährt, wird durch die haarsträubenden Ausführungen über unsere Medien bestätigt. Korruption, gepaart mit fehlender Einsicht, sind kein Einzelfall. Hofberichterstattung statt investigativer Journalismus gehören zum Geschäft. Entsprechendes gilt für den durch GEZ-Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Die Verantwortlichen unser Leitmedien haben ihre Entscheidung getroffen, wessen Interessen sie vertreten und von wem sie sich bezahlen lassen und die Bürger werden ihre Entscheidung treffen, ob sie noch bereit sind, für diese Medien Geld auszugeben. Die Krise ist hausgemacht. Dabei ist, wie im Internet erkennbar, eine große Nachfrage vorhanden nach unabhängiger kritischer Berichterstattung.

[1] „Meinungsmacht“ von Uwe Krüger, ISBN 978-3-86445-143-0

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.08.2016
Das Geheimnis der Eulerschen Formel
Ogawa, Yoko

Das Geheimnis der Eulerschen Formel


sehr gut

Eine einfühlsamer Roman aus Japan

Die Eulersche Formel verbindet verschiedene Bereiche der Mathematik auf elegante Art und Weise miteinander. In ihrer Einfachheit und Schönheit ist sie ein Symbol für die innere Harmonie komplexer mathematischer Strukturen. Welches Geheimnis verbirgt sich hinter dieser Formel?

Der Roman handelt von einer Haushälterin, die bei einem Professor für Mathematik beschäftigt ist. Sie ist alleinerziehende Mutter eines zehnjährigen Jungen. Der Professor, Experte für Zahlentheorie, hatte 1975 einen schweren Unfall und leidet seitdem an Amnesie. Alle achtzig Minuten verliert er seine jeweils neuen Erinnerungen. Daher trägt er Zettel an seiner Jacke mit wichtigen Informationen zur Orientierung.

Yoko Ogawa gelingt es von Beginn an, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, die den Leser in seinen Bann zieht. Der Verzicht auf Namen führt nicht dazu, dass die Geschichte unpersönlich wirkt. Die Charaktere sind markant; das gilt für den vergesslichen, aber gescheiten Professor genauso, wie für die einfühlsame und geduldige Haushälterin und ihren sensiblen Sohn.

Autorin Ogawa verarbeitet die Themen Genialität und extreme Vergesslichkeit in der Person des Professors. Mathematische Rätsel werden eingestreut. So wird der Sohn der Haushälterin, dem der Professor bei den Hausaufgaben hilft, u.a. mit einer Summationsaufgabe konfrontiert, für dessen Lösung der junge Gauß eine Formel gefunden hat.

Die mathematisch-physikalischen Beschreibungen sind nicht immer korrekt. So wird z.B. kinetische Energie nicht in Stundenkilometern gemessen. Dies dürfte aber für ein literarisches Werk nebensächlich sein. M.E. hätte aber die Verbindung der Eulerschen Formel, die mehrfach erwähnt wird, mit der (Beziehungs-)geschichte deutlicher verzahnt werden können. Immerhin wurde das Buch danach benannt. Am Ende des Romans geht es um existenzielle Fragen. Was bleibt übrig von einem genialen Menschen, wenn er von extremer Amnesie betroffen ist?

Dies war für mich der erste Roman einer japanischen Autorin. Die Verbindung von Mathematik und Literatur hat mich angezogen. Prägend für den Roman ist neben den mathematischen Spielereien das Beziehungsgeflecht zwischen dem Professor, der Haushälterin und ihrem Sohn. Das ständige neue Kennenlernen wirkt sympathisch; das ständige Vergessen tritt angesichts der bestehenden Harmonie in den Hintergrund.

Bewertung vom 05.08.2016
Das große Buch vom Menschen
Fischer, Ernst Peter

Das große Buch vom Menschen


sehr gut

Das Wunder Mensch

In diesem Buch präsentiert Ernst Peter Fischer den Menschen in seiner Vielfalt und Einmaligkeit aus verschiedenen Perspektiven. Hierzu gehören Naturwissenschaft, Technik, Kultur, Kunst, Religion und Philosophie. Entstanden ist eine populärwissenschaftliche Gesamtschau, die Akzente setzt, jedoch thematisch nicht gleichzeitig in die Tiefe gehen kann.

Positiv fallen die vielen ausdrucksstarken Fotos auf. Mehr als vierhundert teilweise Emotionen auslösende Fotos visualisieren die Kernaussagen des Textes. Neben den Fotos mit ihren Untertexten enthält der Band zahlreiche farblich gekennzeichnete Texteinschübe, in denen weitergehende Erläuterungen außerhalb des Fließtextes eingefügt sind.

Inhaltlich ist das Buch nach fachübergreifenden Fragestellungen aufgebaut. In diesem Sinne gibt es keine eigenen Kapitel „Naturwissenschaft“, „Technik“, „Kultur“ etc., sondern in jedem Kapitel werden unterschiedliche Perspektiven verarbeitet. Zu den Themen gehören z.B. „In der ganzen Welt zu Hause“, „Was ist der Mensch?“, „Das menschliche Treiben“ oder „Das kommende Leben“.

„Freude und Fröhlichkeit gehören ebenso zum humanen Leben wie Wissen und Weisheit, wobei dem Autor der [von der Hirnforschung [1] bestätigte] Gedanke gefällt, dass die Fähigkeit zur Freude zu der Lust am Wissen führt.“ (39) Fischer erläutert innerhalb der Kapitel seine Motivation für das vorliegende Buch.

Die Entwicklung des Menschen stellt Fischer anders da als Juan L. Arsuaga [2] oder Ruth Omphalius [3]. Danach ist der Neandertaler nicht ausgestorben, sondern hat sich vor 50.000 Jahren zumindest in einigen Fällen mit dem Homo sapiens gepaart, wodurch die Gene vermischt wurden und auch die DNA des modernen Menschen noch Neandertaler-Gene enthält. (127)

Fischer erläutert zahlreiche Weisheiten über den Menschen. So erklärt er, warum uns Vollkommenheit nicht bekommt (161) und dass der Mensch handlungsorientiert ist (Zitat Goethe: „Im Anfang war die Tat!“). Er bezieht sich auf den amerikanischen Philosophen John Searle, der thematisiert, dass „Sprechen eigentlich Handeln meint“. (176) Sprache kann Wirklichkeit hervorbringen [4].

Zu den großen Themen gehören auch Religionen. Fischer stellt die bekannten Religionen kurz vor. „Das Paradies auf Erden, es gibt es wohl doch nicht, was genauer heißt, dass weiter danach gesucht werden kann.“ (279) Das gilt wohl auch für Samoa in der Südsee, auch wenn Margaret Mead dass 1925 anders sah. „Vollkommenheit ist im Diesseits nicht erreichbar“ ist bereits die Quintessenz bei Nagib Machfus [5].

Im Verhältnis zur Bedeutung für die Philosophie und seit mehreren Jahrzehnten auch für die Hirnforschung wird das zutiefst menschliche Thema „Freiheit des Menschen“ auf drei Seiten recht knapp abgehandelt. Zahlreiche Autoren (Michael Pauen [6], Gerhard Roth [7] u.v.a.m. ) haben sich ausführlich damit beschäftigt, wie die Experimente von Libet zur Willensfreiheit interpretiert werden können.

Die Themen Kunst und Literatur kommen m.E. zu kurz. Aber auch wenn der „Mensch als literarisches Wesen“ nicht explizit behandelt wird, enthält das Buch eine Vielzahl von Bezügen zur Literatur. Der Autor hat zweifelsohne eine Vorliebe für Goethe, der an vielen Stellen zitiert wird. Dieser hat seine eigene Antwort auf den Menschen: „Diese Unvergleichlichen, wollen immer weiter, sehnsuchtsvolle Hungerleider, nach dem Unerreichlichen.“ (156)

[1] "Braintertainment" von Manfred Spitzer und Wulf Bertram
[2] „Der Schmuck des Neandertalers“ von Juan L. Arsuaga
[3] „Der Neandertaler“ von Ruth Omphalius
[4] „Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit“ von John R. Searle
[5] „Die Reise des Ibn Fattuma“ von Nagib Machfus
[6] „Was ist der Mensch?“ von Michael Pauen
[7] „Das Gehirn und seine Wirklichkeit“ von Gerhard Roth

Bewertung vom 05.08.2016
Switch
Heath, Chip;Heath, Dan

Switch


gut

Yes we can

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, erkannte Goethe. Bereits Platon sprach von einem „rationalen Wagenlenker, der ein wildes Pferd zügeln muss“. (14) Gemeint sind der rationale Verstand und die Emotionen, die beiden Systeme, die den Menschen steuern.

Chip und Dan Heath bauen auf dieser Erkenntnis ihr Buch auf, in welchem es darum geht, Veränderungen umzusetzen. Sie veranschaulichen ihre Thesen mit einem einprägsamen Bild von einem Elefanten (emotionale Seite) und seinem Reiter (rationale Seite).

Wie gelingt es dem (schwachen) Reiter, den (starken) Elefanten nachhaltig in eine bestimmte Richtung zu bewegen? Davon handelt das Buch. Aus dem beruflichen und privaten Alltag weiß jeder, dass es schwierig ist, Veränderungen umzusetzen.

Das Buch enthält wenig Theorie, dafür sehr viele Beispiele aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. In getrennten Abschnitten stehen jeweils die Aspekte „Reiter“, „Elefant“ und „Weg“ im Fokus. Die Ausführungen sind verständlich.

Das Buch wirkt typisch amerikanisch, beschrieben werden Erfolgswege und keine Misserfolge. Die Beschreibungen klingen plausibel. Dennoch bleiben Fragen offen: Wie hoch ist die Erfolgsquote? Wie nachhaltig sind die Veränderungen? Gibt es Nebenwirkungen?

Für meinen Geschmack hätten wenige Fallbeispiele ausgereicht. Das Buch könnte bei gleicher Aussagekraft auf die Hälfte reduziert werden. Es handelt sich um einen Ratgeber, den man lesen kann, aber nicht lesen muss, denn die Autoren vermitteln keine neuen Erkenntnisse über den Menschen.

Bewertung vom 05.08.2016
So machst du dir Freunde
Matthews, Andrew

So machst du dir Freunde


ausgezeichnet

Nichts ändert sich, außer man selbst ändert sich

Das Buch handelt, wie schon der Titel verspricht, von zwischenmenschlichen Beziehungen. Im Umgang mit anderen Menschen haben wir, wie uns Autor Andrew Matthews versichert, immer die Wahl zwischen verschiedenen Verhaltensweisen. Das Buch dient dazu, gewohnte Verhaltens- und Denkmuster kritisch zu hinterfragen und neue Wege aufzuzeigen.

Andrew Matthews ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Cartoonist und Porträtist. 70 Illustrationen dienen zur visuellen Unterstützung seiner Thesen, die er auf 6 Kapitel verteilt in leicht lesbarer Form präsentiert. Der Autor spricht die Leser direkt an und erzeugt dadurch eine intime Atmosphäre. Kleine Geschichten, die in die Texte eingewoben sind, untermauern die wichtigsten Aussagen des Buches. Am Ende der Kapitel bzw. Abschnitte befinden sich unter der Rubrik „Des Pudels Kern“ kurze Zusammenfassungen.

Das Buch ist hinsichtlich der Aussagen zeitlos, dazu humorvoll und leicht verständlich geschrieben. Hintergründe werden nicht wissenschaftlich aufgearbeitet, sondern Kernaussagen plausibel begründet. Matthews geht die Themen pragmatisch an. Seine Erkenntnisse sind nicht neu und sie leuchten unmittelbar ein („Aha-Effekt“). Es ist so, als ob Matthews zahllose psychologische Ratgeber analysiert hätte und er die Quintessenz daraus in seinem Buch auf witzige Art und Weise präsentiert.

Bewertung vom 05.08.2016
Krieg und Frieden
Tolstoi, Leo N.

Krieg und Frieden


ausgezeichnet

Ein historisches Monumentalwerk

„Krieg und Frieden“ beinhaltet die Geschichte der drei russischen Adelsfamilien Bolkonski, Besuchow und Rostow über einen Zeitraum von 7 Jahren (1805 – 1812). Es ist die Zeit von Napoleon I und Zar Alexander I. Die Perspektive ist die des russischen Adels. Es handelt sich um ein epochales Werk, bestehend aus zahlreichen unterschiedlichen Handlungssträngen, eingewoben in ein umfangreiches Beziehungsgeflecht. Ein Nachwort gibt Aufschluss über den weiteren Werdegang der Protagonisten. Außerdem wird die Zeit Napoleons I aus russischer Sicht reflektiert.

Der Roman umfasst 250 Personen, was dazu führen kann, dass man als Leser mit den Namen und den Beziehungen durcheinander geraten kann. Einmal angelesen, sollte man am Ball bleiben und den Roman zügig zu Ende lesen. Belohnt wird man durch einen Familien- und Bildungsroman mit historischem Hintergrund, der das gesellschaftliche Leben und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der russischen und der französischen Armee auf plastische Weise darstellt. Die Leser befinden sich mitten im Geschehen.

In dem Roman kommen historische Personen wie Napoleon I und Kutusow (Oberbefehlshaber der russischen Armee) ebenso vor, wie detaillierte Beschreibungen der Schlachten von Borodino und Smolensk, sowie die Besetzung Moskaus durch die Franzosen und deren Abzug. Als Leser taucht man ein in diese Zeit und bekommt Perspektiven vermittelt, die in Geschichtsbüchern fehlen.

Tolstoj thematisiert, dass bei den kriegerischen Auseinandersetzungen der Zufall eine viel größere Rolle gespielt hat, als große Feldherren uns Glauben machen wollen. Befehlsketten funktionierten oftmals nicht, weil z.B. Boten nicht ankamen oder sich die Umstände zwischenzeitlich geändert hatten. Das Chaos auf den Kriegsschauplätzen war weitaus größer als die Planspiele der Strategen am grünen Tisch uns weismachen wollen. Der Roman beinhaltet eine massive Kritik am Krieg (s. z.B. die Ausführungen von Fürst Andrej Bolkonski bei seinem letzten Treffen mit Graf Pierre Besuchow).

Die Erzählungen sind einfach und verständlich. Die Spannung hält sich in Grenzen, was bei Klassikern (aus unserer heutigen Perspektive betrachtet) nicht ungewöhnlich ist. Dafür ist der Roman reich an Hintergrundinformationen und Charakterbeschreibungen, die in modernen Thrillern häufig fehlen. Ein Interesse an russischer Literatur sollte vorhanden sein, wenn man zu diesem Monumentalwerk greift.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.