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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 11.05.2019
Bella Ciao
Romagnolo, Raffaella

Bella Ciao


ausgezeichnet

Unter ärmlichsten Verhältnissen leben die Kleinpächter und Fabrikarbeiter in Borgo di Dentro Ende des 19. Jahrhunderts. Schon als kleine Mädchen mussten Giulia und ihre Freundin Anita in den Seidenspinnereien hart arbeiten. Der Lebensweg scheint für beide vorgezeichnet zu sein. Doch dann muss Giulia erfahren, dass ihre beste Freundin und Vertraute und ihr Verlobter sich in einander verliebten und verletzt verlässt sie ihre Heimat Richtung New York. Mittellos und schwanger landet sie dort in der Grosseria des Libero Manfredi, der sie großherzig aufnimmt, ihr und ihrem Kind Liebe und Heimstatt bietet.


Nach gut 50 Jahren kehrt Giulia, nun eine vermögende Amerikanerin mit ihrem Sohn Michael nach Borgo zurück. Wie wird ihr Zusammentreffen mit Anitia sein?


Der großartige Familienroman von Raffaella Romagnolo fächert ein breites Familienepos vor dem Hintergrund der turbulenten Zeitgeschichte auf. Über Borgo sind zwei Weltkriege hinweg gezogen, die viele Opfer in den Familien forderten. Auch Anita musste viel Blutzoll bezahlen. Es hat sich für die kleinen Leute nie etwas geändert, ob Republik oder Faschisten an der Macht waren. Während Giulia in Borgo ist, taucht sie immer wieder in Erinnerungen ein. Die ersten harte Jahre für Immigranten in New York, der allmähliche mühsam erarbeitete Wohlstand und immer wieder auch ihre Enttäuschung über Anita Leone und Pietro.


Ein zweiter, in die Handlung eingewobener Erzählstrang betrifft die Sippe der Leones, ihr Schicksal während der beiden Kriege und des Widerstands gegen die Faschisten.


Es ist die bildgewaltige Sprache, die mich fasziniert hat. Ein halbes Jahrhundert wird geschildert und die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge haben mir ausgesprochen gut gefallen. Ein interessantes Epos mit zwei starken Frauen im Mittelpunkt, zu denen sich im letzten Drittel noch eine weitere starke Frauenfigur mit der jungen Marchesina Adelaide gesellt.


Hatte ich, ein wenig durch den Klappentext ( …. sie hat noch eine Rechnung offen)in die Irre geführt, eine Rachegeschichte a lá „Besuch der alten Dame“ erwartet, stellt sich dieser Roman wesentlich vielschichtiger dar. Es ist ein farbiges, fesselndes Zeitbild eines sehr bewegten Jahrhunderts und wieder mal ein Beispiel dafür, dass der Diogenes Verlag ein Händchen für ganz besondere literarische Entdeckungen hat.

Bewertung vom 08.05.2019
Der stille Koog
Dick, Ilka

Der stille Koog


ausgezeichnet

„Der stille Koog“ heißt dieser Kriminalroman und der Titel ist bedeutsam. Nicht nur weil es in diesem abgeschiedenen Dorf nahe Büsum sehr still und ruhig zugeht, sondern weil es Stille ist, mit der Marlene Louven nun leben muss. Nach einer schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung hat sie ihr Gehör vollständig verloren. Zwar hat sie Implantate bekommen, aber die Welt ist anders geworden. Vertraute Stimmen klingen elektronisch verzerrt, wenn mehrere Menschen sprechen, verliert sie den Anschluss, Musik erkennt sie kaum wieder, aber sie weiß, dass sie ihr Schneckenhaus verlassen muss und daran arbeiten muss. Erste Schritte will sie eben in jenem Dorf mache, wo ihre Schwester Johanne mit Familie lebt.

Doch dann wird der angesehene Bauer Brodersen in seinem Haus ermordet. Er hat mit Windkraftanlagen ein Vermögen gemacht, auch als Bürgermeister des kleinen Ortes fungiert und auch polarisiert. Marlene und Johanne sind zufällig am Ort, als eine Nachbarin den Toten findet. Wie automatisch schaltet sie in den Berufsmodus, obwohl sie krankgeschrieben und auch nicht im heimischen Revier ist.

Dass sie den ermittelnden Beamten kennt und sie sich gegenseitig schätzen, erleichtert es Marlene eigene Nachforschungen und Ermittlungen zu betreiben. Das ist ihr sehr wichtig, denn es scheint, dass ihr Schwager Bahne etwas verheimlicht, denn er wohl einer der Letzten, die Brodersen lebend gesehen haben.

Dieser Kriminalroman war etwas ganz Besonderes für mich. Nicht nur die Atmosphäre des Küstenorts und der Menschen, die dort leben, hat mir gefallen, auch die Hauptprotagonistin Marlene ist ein Charakter ganz nach meinen Geschmack. Sie steht im Leben, trotzt den Schwierigkeiten, die auf sie einstürmen und lässt trotzdem auch Schwäche und Zweifel zu. Ihre Ermittlungen bringen einiges zu Tage, was auf den ersten Blick am harmonische Dorfleben zweifeln lässt und die vielen verschiedenen Ansätze haben mich zum miträtseln verleitet. Aber das Geheimnis um den Mord lässt sich nicht so leicht entschlüsseln. Die Autorin hat einige raffinierte Wendungen eingebaut und dadurch durchgängige Spannung erzeugt.

Was mir aber ganz besonders gut gefallen hat, ist wie die Einschränkung von Marlene Eingang in die Geschichte integriert wurde. Sie ist ein wesentlicher Teil der Handlung, denn sie beherrscht die Handlungen und Überlegungen der Kommissarin. Sie muss nun auf Details in Gestik und Mimik achten, wo sie früher allein auf ihr Gehör vertraute. Sie wurde durch die Umstände gezwungen ihre selbst gewählte Isolation schneller und radikaler zu verlassen, als sie vorhatte und dass sie dazu bereit ist, gibt ihr Kraft. Diesen Prozess zu beobachten, darüber zu lesen und auch mich in diese Situation einzufühlen, hat mich an diesem Krimi – neben dem sehr spannenden Plot – besonders überzeugt

Bewertung vom 07.05.2019
Alte Sorten
Arenz, Ewald

Alte Sorten


ausgezeichnet

Sally rebelliert gegen eine Umgebung, die sie krank macht. Sie lehnt sich ihrer Eltern auf, die nur das Beste für sie wollen, aber eher das Beste für sich meinen, gegen Psychologen, die ihr sagen, wie sie ihr Leben in Griff bekommt, ihre Essstörung und ihre Selbstverletzungen. Deshalb haut sie aus der Klinik ab. Zufällig begegnet sie Liss, eine Frau in mittleren Jahren, die allein auf einem Bauernhof lebt.

Liss nimmt Sally auf, ohne viel zu fragen. Zum ersten Mal begegnet das junge Mädchen einem Menschen, der sie annimmt, wie sie ist ohne ihr zu sagen, wie sie sein sollte. Ganz allmählich und ohne große Worte knüpfen die zwei Frauen ein Band, öffnen sich allmählich und fassen Vertrauen zueinander.

Wenn auch auf den ersten Blick die Beiden grundverschieden scheinen, haben sie doch viele Gemeinsamkeiten. Liss erkennt sich in der rebellischen Sally wieder und erinnert sich schmerzhaft an ihre Kindheit und Jugend voller Enttäuschungen und Zwang.

In einer zarten, einfühlsamen Sprache entwickelt der Autor die Geschichte der beiden Frauen. Wie sie sich in der alltäglichen und harten Arbeit auf dem Hof sich langsam näher kommen, wie Sally plötzlich Verantwortung für sich übernehmen kann und über den Geschmack von reifen Birnen oder einfachen Kartoffeln auch wieder essen lernt, hat mich tief beeindruckt. Farbig und bildhaft beschreibt der Autor die Landschaft oder die Erntearbeit, ich hatte das Aroma der Früchte auf der Zunge und fühlte Wind und Sonne. Es ist eine Leichtigkeit in der Geschichte, trotz des ernsten Hintergrunds von Verlust und Schuld. Eine harte Schale umgibt die Seelen von Liss und Sally, aber sie bricht langsam auf und es ist die schriftstellerische Kunst des Autors den Leser daran teilhaben zu lassen.

Das Buch von Ewald Arenz besticht nicht nur durch die wunderschöne Sprache, sondern auch durch die äußere Gestaltung. Ein zartes Titelbild und ein schöner Einband mit Lesebändchen haben mich sofort eingenommen.

Der Roman gehört zu den Büchern, die mich lange beschäftigen und begleiten werden und den ich nur wärmstens empfehlen kann.

Bewertung vom 06.05.2019
Johannisglut
Joachim, Karin

Johannisglut


sehr gut

Jana Vogt arbeitet als Tatortfotografin bei der Polizei. Im Augenblick kümmert sie sich um abgelegte Altfälle und recherchiert ob mit der heutigen Technik noch einmal eine Neuaufnahme lohnt. Für das Wochenende hat ihre Freundin Meike sie zu einer Wanderung am Ahrsteig eingeladen. Eine Gruppe ehemaliger Kommilitonen hat sich nach dreißig Jahren wieder getroffen und möchte die damalige Wanderung wiederholen und dazu nicht nur Meike als Wanderführerin engagiert, sondern auch noch eine Fotografin zur Dokumentation der Tour.


Jana ist neugierig, sowohl das Ziel der Wanderung, wie auch den Namen des Organisators Rainer Grossmann war in einem ihrer Altfälle erwähnt. Damals verschwand eine junge Frau spurlos. Ermittlungen waren wohl nur recht halbherzig geführt worden, denn Zeugen erklärten, dass die Vermisste Pläne hatte, nach Frankreich oder Spanien zu ziehen.


Schon sehr bald fällt Jana eine seltsame Stimmung unter den Wanderern auf und kurz danach ist eine Teilnehmerin tot. Jetzt kommt Janas Freund Hauptkommissar Clemens Wieland ins Spiel.
Anfangs war ich ein wenig verwundert, dass eine Polizeibeamtin nebenberuflich Fotografenjobs annimmt, aber das ist natürlich eine ideale Ausgangslage für diesen spannenden Krimi. Sie war und ist hautnah dabei und kann ihre Beobachtungen einbringen. Die unterschiedlichen Teilnehmer der Wanderung scheinen alle etwas zu verbergen und es ist sehr spannend, wie ich als Leserin mit Jana gleich in die Rolle der Ermittlerin schlüpfen konnte. Obwohl ich meine Schlussfolgerungen immer wieder berichtigen musste. Das machte das Lesen für mich besonders reizvoll. Viele, ganz unterschiedliche Charaktere, die gut beschrieben sind, lernt man gemeinsam mit Jana zu Beginn der Wanderung kennen, mal mehr oder weniger intensiv.


Polizeiarbeit kann sehr kleinteilig sein, aber im Zusammenspiel von Jana und Clemens entwickelte diese Routine sehr reizvolle Aspekte und war absolut logisch und folgerichtig. Die Schilderungen haben mir gut gefallen und nicht nur, weil sie durch Janas Terrier Usti aufgelockert werden.


Die Ahr und der Wandersteig ist eine wunderschöne Landschaft und sie kam hier auch ausgezeichnet zur Geltung. Die Beschreibung des Wegs und der Ortschaften habe ich sehr genossen. Da kam sofort richtiges Eifel-Feeling auf.


Dass es schon der dritte Band mit Jana als Ermittlerin ist, habe ich nur durch kurze Erwähnungen auf frühere Begebenheiten erkannt. Als neue Leserin der Reihe ist mir der Einstieg überhaupt nicht schwergefallen.

Bewertung vom 05.05.2019
Mörderisches Lavandou / Leon Ritter Bd.5
Eyssen, Remy

Mörderisches Lavandou / Leon Ritter Bd.5


sehr gut

Remy Eyssens 5. Kriminalroman führt ins herbstliche Le Lavandou. Die Touristenströme sind versiegt, nur noch Einheimische sind in den Cafés und Bistros zu finden. Auch Dr. Leon Ritter, der deutsche Rechtsmediziner der seit einiger Zeit in Frankreich lebt und arbeitet, lässt es ruhiger angehen.
Da wird ein blutig abgetrennter Frauenfuß ausgestellt auf der Promenade gefunden. Bald ist klar, er gehört einer seit kurzem vermissten jungen Frau. Sofort gerät ihr Freund, Stuntman bei einer reisenden Autoshow in Verdacht. Als später der Leichnam gefunden wird, ist offensichtlich, dass die junge Frau einem Folterer und abartigem Mörder zum Opfer fiel.

Für Ritter stellt sich der Fall allerdings vielschichtiger dar, da ist er ganz mit seiner Freundin Isabelle Morell, Capitaine bei der örtlichen Polizei, einer Meinung. Unterstützung erhält er auch von Dr. Claire Leblanc, die als Psychologin zufällig in Le Lavandou ist, weil sie Kommunikationsabläufe im Mitarbeiterstab optimieren soll.
Ich habe schon zwei-drei der Provence Krimis von Eyssen gelesen und war in diesem Fall von der Brutalität der Morde überrascht. Das bringt ein ganz neues Spannungselement in die Serie. Ritte muss dieses Mal an allen Fronten kämpfen, gegen den ignoranten Leiter der Polizeidienststelle, der immer gern cholerisch auf schnelle und einfache Lösungen setzt und auch ein wenig gegen die Eifersucht von Isabelle, die in der attraktiven Psychologin nicht ganz zu Unrecht eine Konkurrentin sieht. Je weiter Ritter ermittelt, desto näher kommt er dem wahren Täter und sieht sich plötzlich selbst unter Verdacht.

Mir hat auch dieser Krimi wieder sehr gut gefallen. Die Story ist wendungsreich aufgebaut und die Spannung steigert sich bis zum Schluss. Natürlich darf die wunderschöne Landschaft der Provence eine große Rolle spielen. Das erwarte ich fast schon von den Krimis von Remy Eyssen. Aufgelockert wird die Handlung immer wieder durch den cholerischen Polizeichef Zerna, die Diskussionen mit ihm haben immer ein großes Humorpotential.

Allerdings hat mich dieser Band nicht ganz so überzeugt wie seine Vorgänger. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Brutalität dieser Morde nicht so richtig mit dem Provence Feeling von Boule unter Platanen und Pastis im Bistro in Einklang bringen kann. Wobei das allerdings Jammern auf sehr hohem Niveau ist.

Bewertung vom 01.05.2019
Plötzlich Inselpolizist
Drawer, Nicole

Plötzlich Inselpolizist


sehr gut

Frank Bartels ist ein guter Polizist, auch wenn er in seinem Rechtsempfinden schon mal über’s Ziel hinausschießt. Als er einen Kleindealer festnimmt, erleiden sechs Autos einen Kollateralschaden. Nun reicht es, findet sein Chef. Seine Erfolge kommen Hamburg einfach zu teuer und so sieht sich Bartels auf Insel Neuendiek strafversetzt. Für einen Urlaub sicher ein Idyll, für einen engagierten Polizisten eine Wüste. Vor allem, als ihm schnell klar wird, dass die eingeschworenen Insulaner von einem Neuen gar nichts halten, dafür hat schon sein Vorgänger gesorgt. Vergehen werden unter der Hand geregelt oder gar ignoriert, die Putzfrau der Dienststelle nimmt schon mal Amtshandlungen vor und sein Dienstwagen ist eine Lachnummer.

Dann wird ein unbekannter Toter am Strand gefunden und das kann nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden und Frank ist ziemlich auf sich gestellt, durch einen Sturm ist keine Verstärkung vom Festland möglich und die Inselbewohner und selbst sein pensionierter Vorgänger mauern. Immer mehr wird Bartels klar – der Leser ist durch die eingeschobenen Gedankengänge des Täters schon etwas weiter – dass sich der Täter unter den Inselbewohnern zu suchen ist.

Das Titelbild ließ mich einen humorvollen Krimi erwarten, auch die Kurzbeschreibung sprach dafür. Aber Nicole Drawers Geschichte ist ein ganz ernsthafter und spannender Kriminalroman. Die gut ausgedachte Handlung machte mir unheimlich Spaß und Frank Bartels als Einzelkämpfer hat mir als Charakter sehr gut gefallen.
Natürlich fehlt es nicht an Humor, es gibt viele Situationskomik mit den Insulanern, viel Wortwitz und kauzige Charaktere, die perfekt auf eine ostfriesische Insel passen. Die optimale Mischung aus spannendem Plot, witzigen Szenen und urigen Figuren hat mir bei diesem Krimi besonders viel Spaß gemacht.

Frank Bartels mischt die Insel auf und selbst die alteingesessenen Bewohner müssen zugeben, dass der frische Wind nicht schlecht ist. Das lässt auf weitere Mordtaten auf Neuendiek hoffen.

Bewertung vom 25.04.2019
Weiße Fracht / Leander Lost Bd.3
Ribeiro, Gil

Weiße Fracht / Leander Lost Bd.3


ausgezeichnet

Endlich hat das Warten ein Ende. Gleich am Erscheinungstag stand ich schon in der Buchhandlung und habe mir den dritten Band von „Lost in Fuseta“ gekauft. Ich war gespannt, ob meine hochgeschraubten Erwartungen erfüllt werden.


Das Austauschjahr an der Algarve für Leander Lost nähert sich seinem Ende. Er sieht seiner Rückkehr nach Hamburg ungern entgegen. Seine deutschen Kollegen haben ihn schon für den nächsten Auslandseinsatz vorgemerkt, Hauptsache er bleibt ihnen fern. In Portugal dagegen hat er Anerkennung gefunden. Seine Chefin und die Kollegen wissen um sein Asperger und den daraus resultierenden Eigenheiten, aber auch um die besonderen Begabungen die Lost mitbringt. Sein fotografisches Gedächtnis, sein absolutes logisches Denken und damit verbunden die Fähigkeit schnelle Rückschlüsse zu ziehen, hat sich bei vergangenen Fällen als großes Plus erwiesen. Auch menschlich fühlt Lost sich angenommen, mit der Schwester seiner Chefin verbindet er ein ganz besonderes Gefühl.


In der trägen Julihitze macht ein Mord der Policia Judicária zu schaffen. Ein deutscher Aussteiger wurde tot in seiner Wohnung gefunden und die Vorgehensweise erinnert sehr an zwei weit zurückliegende Taten in Spanien. Hat ein Serienmörder wieder zugeschlagen? Dann stellt sich heraus, dass der Tote der Bruder eines ranghohen Hamburger Polizeibeamten war und nun hat die Dienststelle und auch Lost eine Abordnung seiner deutschen Kollegen am Hals. Bald wird auch klar, auf was sich der Titel „Weiße Fracht“ bezieht.


Was diesen Roman wieder so besonders macht, ist die Figur des Leander Lost. Mit viel Einfühlungsvermögen und auch Humor und Witz hat der Autor diesen Charakter ausgestaltet. Das Spannungsfeld das sich aus den Handlungen zwischen ihm und „neurotypischen“ Menschen ergibt, ist für mich außerordentlich gelungen. Aber auch alle anderen Figuren sind toll charakterisiert.


Ich finde den dritten Band mindestens genauso spannend, wie seine Vorgänger. Das Tempo ist bei den Actionszenen hoch und da der Leser die Gedankengänge Losts allmählich erkennt, bleibt diese Spannung bis zur letzten Seite erhalten.


Dazu gefällt mir einfach die wunderbare Beschreibung dieses Fleckens an der Algarve. Hier spürt man mit jedem Satz die große Sympathie, die der Autor mit der Landschaft und den Portugiesen hat. Das hat mich unmittelbar an die Schauplätze versetzt.


Gil Ribeiro und seine Krimis gehören inzwischen zu meinen großen Favoriten. Ja, das Buch hat alle meine Erwartungen erfüllt und jetzt beginnt wieder das Warten auf den nächsten Band.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.04.2019
Die Bildermacherin Bd.1
Omasreiter, Christiane;Scheck, Kathrin

Die Bildermacherin Bd.1


sehr gut

Die angesagte Modefotografin Amalia hält sich gerade in Kenia auf, als sie vom Tod ihrer Großmutter Zille erfährt. Sie hatte ein inniges Verhältnis zu ihr, denn nach dem Unfalltod der Eltern wurde sie von hier aufgezogen, erfuhr viel Liebe und Unterstützung. Sie kommt eben noch rechtzeitig zur Beerdigung und ist wie vor den Kopf geschlagen, als sie erfährt, dass ihre Großmutter erschossen wurde. Wahrscheinlich ein Querschläger eines unvorsichtigen Jägers, doch als diese These von der Polizei in vorsätzlichen Mord umgewandelt wird und Amalias Nachfragen bei Weggefährten der Großmutter auf Schweigen stößt, beginnt sie in der Vergangenheit zu stöbern.
Der Titel „Die Bildermacherin“ bezieht sich auf den Beruf der Großmutter, auch sie war Fotografin mit einem kleinen Atelier und Laden. Sie fotografiert auf Hochzeiten und bei großen festlichen Ereignissen, ihr Fotobestand ist fast ein kleines historisches Archiv für Pfunders.
Und tatsächlich spielt die Geschichte dieser kleinen Südtiroler Ortschaft eine große Rolle in diesem Kriminalroman. Südtirols Vergangenheit zwischen den Weltkriegen und die Nachkriegszeit ist von großen gesellschaftlichen Verwerfungen geprägt. Südtirol kam zu Italien und nicht zu Österreich, wie es der Wunsch der Bewohner gewesen wäre. Die neue Staatsmacht Italien versuchte ihren Einfluss zu festigen. Alle relevanten Stellen wurden mit „importierten“ italienischen Fachkräften besetzt, die deutschsprachen Südtiroler deutlich benachteiligt. Der Widerstand manifestierte sich in Anschlägen und Sabotageakten, vor allem die jungen Leute engagierten sich. Dabei wohl auch die Zille und ihre Freunde.
Das Autorinnenduo hat den historischen Hintergrund dieses Krimis unaufdringlich, aber sehr authentisch und interessant in die Handlung eingebaut. Das hat mir an diesem Buch sehr gut gefallen, ein Krimi, der nicht nur spannend unterhalten will, sondern auch viel Wissenswertes dem Leser mitgibt. Die Figuren sind allesamt sehr realistisch dargestellt, wobei ich allerdings anmerken möchte, dass sich Amalia für meinen Geschmack zu schnell von der weltgewandten, vielgereisten Fotografin zur Frau mit Sehnsucht nach ihren Wurzeln in den Südtiroler Bergen wandelt – den Wunsch nach Familie und Kindern eingeschlossen.
Sehr gut gefallen hat mir die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, das ist sehr schlüssig aufgebaut und bringt fortlaufend Spannung und Tempo in den Plot.
Natürlich bietet die wunderschöne Landschaft einen idealen Hintergrund für den Krimi und Südtirol Fans kommen mit den bildhaften Beschreibungen auf ihre Kosten.
Ein guter und klassisch aufgebauter Krimi, denn ich gerne empfehle.

Bewertung vom 21.04.2019
Der Sommer mit Pauline
Calberac, Ivan

Der Sommer mit Pauline


sehr gut

Émile hat sich verliebt. Pauline ist sehr hübsch, charmant und sie schwärmt für Tennis und Filme genau wie er. Für Émile ist diese erste Liebe wie ein Traum, auch wenn Pauline aus einer ganz anderen Gesellschaftsschicht stammt. Während er mit seiner schrägen Familie in einem Wohnwagen lebt, bis es endlich zum Hausbau reicht, wohnt Pauline in einer eleganten Villa. Dann lädt Pauline ihn nach Venedig ein, dort hat sie mit ihrem Jugendorchester einen Auftritt. Èmiles Freude bekommt einen jähen Dämpfer, als seine Eltern und sein älterer Bruder beschließen mitzufahren und im Wohnwagen Urlaub zu machen.


Es gibt Situationen, da sind einem Jugendlichen die Eltern einfach nur peinlich, auch wenn man sie von Herzen liebt. Und Èmiles Eltern bieten jede Menge Anlass für peinliche Augenblicke. Da ist sein Vater, ein Vertreter und sein aufgesetzter Verkäuferoptimismus, und seine Mutter, die bequeme, zur Schlampigkeit neigende Kleidung liebt und aus unerfindlichen Gründen darauf besteht Èmiles Haare regelmäßig zu blondieren. So gerät die Reise naturgemäß zu einem Desaster für den Jungen. Aber das Gefühl, zum ersten Mal verliebt zu sein, kann ihm niemand mehr nehmen.


Die Geschichte ist liebenswert und warmherzig, durchzogen von einer bittersüßen Melancholie und immer wieder aufgelockert durch irrwitzige Situationskomik. Sicher will der Autor junge Erwachsene ansprechen, aber ich denke eher, dass es LeserInnen anspricht, die sich wehmütig an ihre eigene Jugendzeit erinnern.


Es wird mit dem Satz beworben „Der Buchhändlerliebling aus Frankreich“. Das kann ich mir gut vorstellen und passt auch zu meiner Einschätzung. Ein zauberhafter kleiner Roman, typisch französisch, da werden auch Enttäuschungen mit Esprit beschrieben. Eine schöne, melodische Sprache macht diesen Roman sehr charmant und sommerlich leicht.