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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3578 Bewertungen
Bewertung vom 21.07.2022
Ansehen!

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ausgezeichnet

Im späten 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die künstlerischen Betätigungsfelder der Frauen noch sehr beschränkt. So wurde ihnen der Zugang zu den Kunstakademien noch weitgehend verwehrt. Daher wichen viele auf angewandte Kunstbereiche aus. Das Berliner Bröhan-Museum widmet vom 23. Juni bis 4. September 2022 sich den Künstlerinnen und Designerinnen um die Jahrhundertwende. Den knapp 1.000 männlichen Künstlern der Museumssammlung stehen nur 99 Künstlerinnen gegenüber. Neben Malerinnen, Bildhauerinnen, Designerinnen und Keramikerinnen werden auch Silberschmiedinnen und Glaskünstlerinnen vorgestellt.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche und reich illustrierte Katalog zu dieser bemerkenswerten Ausstellung erschienen. In elf Themenkomplexen werden Leben und Werk von über dreißig Künstlerinnen beleuchtet – von den skandinavischen Porzellankünstlerinnen, über die Künstlerinnen der Berliner Secession, der Wiener Moderne, der Weimarer Republik oder im Neuen Frankfurt bis hin zu den Designerinnen bei der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM). Sie alle prägten die künstlerische Erneuerung in dieser Epoche entscheidend mit.

Alle Künstlerinnen werden mit einer einseitigen Kurzbiografie und mit mehreren Abbildungen (mitunter ganzseitig) ihrer Werke vorgestellt. Im abschließenden Künstlerinnenindex (Verzeichnis) werden dann alle 99 Künstlerinnen aufgelistet, die in der Sammlung des Bröhan Museums vertreten sind. Eine interessante und längst fällige Würdigung.

Bewertung vom 15.07.2022
Goethes Urfaust.
Goethe, Johann Wolfgang von

Goethes Urfaust.


ausgezeichnet

Das Drama „Urfaust“, das Johann Wolfgang Goethe um 1775 verfasst hat, ist der Epoche des „Sturm und Drang“ zuzuordnen. Es sind 22 Szenen in lockerer Folge und der Text besteht größtenteils aus Knittelversen und teils aus Prosa – meist in einer derben Sprache. Auslöser für die stoffliche Bearbeitung war die Verurteilung und Hinrichtung der Frankfurter Magd und Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt, deren Gerichtsprozess Goethe verfolgt haben muss, wie die nach seinem Tod bei ihm gefundenen Kopien von Prozessakten zeigen. Die „Gretchen-Tragödie“ ist auch das zentrale Motiv des Dramas, dessen Ausarbeitung sehr skizzenhaft ist.

Das Manuskript war von Goethe vernichtet worden, weil er wohl annahm, dass die Weimarer Bildungsbürger seiner Zeit mit dem Stück ihre Probleme gehabt hätten. Es wurde jedoch in einer einzigen Abschrift des Weimarer Hoffräuleins Luise von Göchhausen überliefert. Allerdings tauchte das Exemplar erst 50 Jahre nach dem Tod seines Verfassers auf und wurde erstmals 1887 durch den deutschen Literaturwissenschaftler Erich Schmidt (1853-1913) veröffentlicht. Und erst am 8. Mai 1918 konnte der „Urfaust" in Frankfurt/M. uraufgeführt werden. In der Neuzeit wurden die Inszenierungen von Bertolt Brecht (1952/53) und Friedrich Dürrenmatt (1970) bekannt.

Die Zweitausendeins-Ausgabe folgt wort- und zeichengetreu dem von Erich Schmidt herausgegebenen wort- und zeichengetreuen Abdruck der von Luise von Göchhausen angefertigten Abschrift. Die kongenialen Illustrationen von F.W. Bernstein werden dieser ersten und rigorosen Faust-Fassung gerecht. In seinem Vorwort betont der Publizist Jürgen Roth (1945-2017): „Falls Sie keinen Bock haben, die ursprüngliche Geschichte des „Uebermenschen“ Faust zu lesen, dann schauen Sie sich halt bloß F.W. Bernsteins Zeichnungen an.“ Wahrlich, „es ist ein gros Ergözzen.“ (Wagner zu Faust). Bleibt nur noch zu erwähnen, dass die Ausgabe sehr ansprechend daherkommt: mit festem Leineneinband und Lesebändchen.

Bewertung vom 15.07.2022
Lebensansichten des Katers Murr
Hoffmann, E. T. A.

Lebensansichten des Katers Murr


ausgezeichnet

E.T.A. Hoffmanns Roman „Lebensansichten des Katers Murr“ ist die kuriose Verquickung der Autobiografie des sprechenden Katers Murr und der fragmentarischen Biografie des Kapellmeisters Johannes Kreisler. Im Stil eines eitlen Erfolgsliteraten erzählt der Kater seinen Bildungsweg; während Hoffmann sich mit dem genialisch-überspannten Kreisler ein literarisches Alter Ego und zugleich eine der wirkungsmächtigsten Künstlerfiguren der Romantik schuf. Das Zweigespann Murr und Kreisler gab Hoffmann die Gelegenheit, sich kritisch und parodistisch mit dem Philistertum und den literarischen Strömungen seiner Zeit auseinanderzusetzen. Die zeitgenössische Kritik reagierte allerdings eher zurückhaltend; die unkonventionelle Form des Erzählens galt als künstlerische Verirrung. Erst durch die Form- und Strukturanalysen der Literaturwissenschaft im 20. Jahrhundert wurden die komplizierten Erzählstrategien des Romans offengelegt. Heute gehört der Doppelroman zu den Glanzstücken der romantischen wie der satirischen Erzählliteratur und als Höhepunkt des dichterischen Werkes von E.T.A. Hoffmann.

Die „Zweitausendeins“-Ausgabe ist mit den historischen Illustrationen und Vignetten des Malers und Grafikers Maximilian Liebenwein (1869-1926) ausgestattet und wird zudem mit zwei Nachworten ergänzt: „Zu Kater Murrs 100. Geburtstag“ des österreichischen Dichters Richard von Schaukal (1874-1942) und „Hoffmann im Urteil seiner Zeitgenossen“ des deutschen Literaturhistorikers Carl Georg von Maassen (1880-1940).

Fazit: eine sehr ansprechende Ausgabe des Romantik-Klassikers mit vielen zusätzlichen Informationen.

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