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leseleucht
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Alfter

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Insgesamt 151 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2024
Nachts werden alle Wünsche wahr
Jenny, Zoë

Nachts werden alle Wünsche wahr


ausgezeichnet

Von Ängsten und Wünschen
Lea ist zwölf. Ihre Eltern sind getrennt. Lange konnte sie nachts nicht schlafen, weil Alpträume sie gequält haben. In der Schule sitzt sie neben Mia. Und die macht Ärger, wo es nur geht. Zum Glück hat Lea vier gute Freund:Innen. Mit denen geht sie durch dick und dünn. Da erhalten sie in der Buchhandlung von Leas Mutter eine Botschaft, die sie dazu bringt, ihre Ängste zu überwinden und sich auf den Weg zu machen, sich ihre Wünsche zu erfüllen.
Dass es nicht nur Lea mit ihren Ängsten so ergeht, zeigt der Jugendroman von Zoe Jenny auch an den anderen Figuren. Jeder von ihnen schleppt seinen Sorgenrucksack mit sich, auch Mia. Da helfen gute Freunde und der Mut, sich seinen Ängsten zu stellen. Die mutmachende Geschichte von Lea ist zugleich ein spannendes Leseabenteuer, in dem es bisweilen auch einmal magisch zugeht. Die tollen Bilder von Lisa Hänsch untermalen die ganz besondere Stimmung in dem Buch.
Besonders bemerkenswert finde ich, wie es Zoe Jenny gelingt, sich in den Kopf der zwölfjährigen Lea einzudenken und die Geschichte aus ihren Augen zu schreiben. Der Schreibstil ist dabei sehr packend und lädt zum Weiterlesen ein. Ein inspirierendes Leseabenteuer, das den Leser:Innen Mut macht, sich seinen bzw. ihren Ängsten zu stellen, um das Beste im Leben nicht zu verpassen: den Moment, in dem Wünsche wahr werden.

Bewertung vom 08.09.2024
Die Hüter der verborgenen Königreiche / Royal Institute of Magic Bd.1
Kloss, Victor

Die Hüter der verborgenen Königreiche / Royal Institute of Magic Bd.1


sehr gut

Harry Potter meets Herr der Ringe
Dass Victor Kloss ein großer Fan von „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“ ist, merkt man deutlich, wenn man den ersten Teil seiner Reihe über das „Royal Institute of Magic“ liest. Schon der Titel macht Bezüge zu Harry Potters Geschichte deutlich.

Ben, dessen Eltern schon vor längerer Zeit verschwunden sind, erhält von der Polizei Kisten mit ihren Habseligkeiten zurück, die zuvor der Ermittlung dienten. Darin findet er ein Kästchen, dass ihn auf eine Spur bringt. Gemeinsam mit seinem besten Freund Charlie macht er sich auf in die Welt der verborgenen Königreiche, um seine Eltern zu finden. Doch auch dort werden sie dringend gesucht, vermeintlich wegen eines Verbrechens, das sie begangen haben und das nun den Friedensschluss mit den gefährlichen Dunkelelfen ins Wanken bringen könnte. Und plötzlich befinden sich auch Ben und Charlie in der Schusslinie der Dunkelelfen und können nicht mehr erkennen, wer Freund und wer Feind ist am Royal Institute of Magic, an dem man nicht nur Geschichte und Diplomatie, sondern auch Zaubern und magische Kämpfe erlernen kann.
Wer „Harry Potter“ und „Der Herr der Ringe“ mag, wird hier sicherlich auf sein Kosten kommen. Es gibt Drachen, Trolle, Elfen – gute und böse, Greife und andere Flügelwesen, auf denen man sich in die Lüfte schwingen kann. Es gibt Parteiungen wider das Böse, das sich seinen Weg überall hin sucht, wahre Freundschaft und gefährliche Gegner. Und natürlich ein Geheimnis, das gelöst werden will. Allerdings noch nicht im ersten Teil der Geschichte. Und damit hat Victor Kloss einen effektiven Cliffhanger ans Ende gesetzt. Denn nun gibt es keine Alternative als weiterzulesen.
Dabei ist das „Royal Institute of Magic“ kein reiner Abklatsch der erfolgreichen Vorgänger, sondern hat auch seine ganz eigene Geschichte und originelle Elemente eines fantastischen Abenteuerromans. Das einzige, was das Lesevergnügen etwas trübt, ist die bisweilen recht umgangssprachliche Ausdrucksweise, was aber auch der Übersetzung geschuldet sein kann.

Bewertung vom 01.09.2024
Vielleicht können wir glücklich sein
Hennig von Lange, Alexa

Vielleicht können wir glücklich sein


gut

Spurensuche
Im letzten Band der Trilogie der „karierten Mädchen“ geht die Enkelin anhand der Briefe und aufgezeichneten Kassetten ihrer Großeltern auf die Spurensuche, nachdem ihre Großmutter verstorben ist. Und sie lernt, ihre Großmutter mit anderen Augen zu sehen.
Klara, einst Heimleiterin für eine Erziehungsheim für junge Mädchen, nun Mutter von vier Kindern, muss gegen Ende des 2. Weltkrieges sehen, wie sie sich und ihre Kinder durchbringt. Ihr Mann Täve ist an der Front und damit ein weiterer Grund zu permanenter Sorge. Die Bomber kommen näher. Lebensmittel sind dank des eigenen Gemüsegartens nicht gar so knapp. Aber mit drohender Niederlage und Untergang des 3. Reiches werden seine Anhänger zunehmend fanatischer und unberechenbarer. Und Klara schwankt zwischen der Sorge vor Deniunziation und zunehmendem Zweifel an dem, was sie getan hat. Sie hat sich als Leiterin des Erziehungsheimes in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie gestellt, sie hat das kleine jüdische Mädchen Tolla, das zehn Jahre in ihrer Obhut lebte, retten wollen. Doch war es niemals in England angekommen, wohin sie es hatte retten wollen, sondern wurde nach Theresienstadt deportiert. Klara fragt sich immer wieder, wie es ihm ergehen mag und ob es ein Chance zu überleben hat. Sie fühlt sich gefangen in der Verantwortung für ihre Kinder und zugleich in ihrer Schuld Tolla gegenüber.
Isabella, ihre Enkelin, selbst Mutter und oft genug schon überfordert mit der einen kleinen Tochter, spürt den Gefühlen ihrer Großmutter nach und stellt sich selbst die Frage nach Schuld und Verantwortung und nach dem Schicksal der kleinen Tolla.
Ich hatte ziemliche Mühe, mich in den dritten Band einzulesen. Weil ich die ersten beiden Bände mit großer Begeisterung gelesen habe, war ich von den dritten doch ein wenig enttäuscht. Obwohl es mit dem Ende des 2. Weltkriegs in eine spannende historische Phase geht, fand ich gerade den Einstieg sehr langatmig. Später habe ich mich etwas eingelesen. Aber ich fand die immer wiederkehrenden Gedanken Klaras und auch die Wiederholung aus den ersten beiden Teilen störend dabei, sich von der Geschichte packen zu lassen. Besonders im ersten Band hat mich die Figur der Klara sehr beeindruckend. Sie fehlt mir zum einen hier als aktiv handelnde Person. Zum anderen finde ich sie aus den Erinnerungen heraus bisweilen eher etwas unsympathisch dargestellt. In diesem Band liegt wohl die Betonung darauf, ihre Strenge Seite hervorzukehren, die für ihre Kinder und Enkelkinder später lange wenig nachvollziehbar war, bis die Kassettenaufzeichnungen über ihre Vergangenheit für Verständnis sorgt.
Ich finde das Projekt nach wie vor eine spannende Idee, und Klaras Geschichte, die ja auch die Geschichte der Großmutter der Autorin ist, unbedingt erzählenswert. Aber vielleicht ist die Geschichte mit den drei Bänden zu lang geraten. Der letzte ist für mich auf jeden Fall der schwächste in der Reihe.

Bewertung vom 25.08.2024
Gute Nacht! Sei so nett und bring mich ins Bett!
Ofner, Agi

Gute Nacht! Sei so nett und bring mich ins Bett!


ausgezeichnet

Mit dem Siebenschläfer schlafen gehen
Eine zauberhafte Gute-Nacht-Geschichte erwartet die kleinen und die großen Leser in dem Bilderbuch „Gute Nacht“ von Agi Ofner. „Sei so nett und bring mich ins Bett!“, wer könnte der freundlichen Bitte des kleinen Siebenschläfer widerstehen. Und er braucht in der Tat ein bisschen Hilfe, wie die lieben Kleinen auch, wenn sie sehr müde sind oder das ins Bett gehen noch ein wenig hinauszögern wollen. Aber wenn sie dem Siebenschläfer helfen, sich fürs Bett fertig zu machen, dass sollten ihnen von so viel guten Tagen doch ganz langsam die Augen schwer werden. Auch wenn das ob der wundervollen Bilder wirklich schade ist. So tolle, ruhig gedämpfte Farben, so liebevolle Illustrationen! Da ist man froh, wenn man am nächsten Abend dem kleinen Siebenschläfer wieder helfen darf, wenn er bittet: „Sei so nett und bring mich ins Bett!“. Ein Buch zum Immer-wieder-Lesen und -Anschauen für Groß und Klein!

Bewertung vom 25.08.2024
Wir waren nur Mädchen
Jackson, Buzzy

Wir waren nur Mädchen


sehr gut

Mit den Waffen einer Frau
Der Roman „Wir waren nur Mädchen“ von Buzzy Jackson beschreibt die kaum bekannte Geschichte der niederländischen Widerstandskämpferin Hannie Schaft. Die schüchterne junge Frau studiert Jura, als die Nazis Holland besetzen. Dem zunehmenden Unrecht kann Hannie nicht tatenlos zusehen. Sie wächst über sich hinaus, und ist eben nicht „nur“ ein Mädchen. Sie nutzt die Waffen einer Frau, sich den Nazis zu nähern, sie auszuspionieren und sie zu töten.
Widerstand gegen die Tyrannei ist nur mit dem Mittel der Gewalt zu leisten. Das Beispiel der Hannie Schaft macht es wieder einmal deutlich. Das eindrucksvolle Buch von Buzzy Jackson setzt der mutigen jungen Frau ein wohlverdientes Merkmal. Auch wenn der Mittelteil bisweilen Längen zeigt und es manchmal sehr emotional wird, ist es Jacksons großer Verdienst, wider das Vergessen einer leisen Heldin eine Stimme zu verleihen. Hannie Schaft hatte den Mut, den viele nicht aufbringen konnten. Nicht nur den Mut, das eigene Leben zu riskieren, sondern auch den Mut, zum Äußersten zu greifen, um die Freiheit und das Recht zu wahren. Als Jurastudentin muss ihr der Zwiespalt zwischen richtigem und rechtem Verhalten besonders schmerzlich bewusst gewesen sein. Auf jeden Fall eine Lektüre, die nachdenklich stimmt!

Bewertung vom 25.08.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


ausgezeichnet

Packender Ausflug in die finstere Welt des Mittelalters
Die Essex Dogs sind eine Truppe von Söldnern, die für den englischen König in den Krieg mit Frankreich ziehen. Im zweiten Band „Winterwölfe“ der Essex-Dogs-Trilogie kämpft der Rest der Truppe immer noch in diesem brutalen Krieg. Da man ihnen den Sold für die grausame Schlacht bei Crècy, der einigen von ihnen das Leben kostete, schuldig bliebt, bleibt ihnen nichts anderes, als weiterzukämpfen. In langer, zäher Belagerung der Stadt Calais werden die Essex Dogs auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Immer wieder scheint sich das Schicksal gegen sie zu stellen. Ihre Kräfte und Nerven werden immer weiter aufgerieben durch die skrupellose Ausbeutung der Mannschaften von den Herrschenden, denen es um nichts anders geht als Macht und Geld.
Dan Jones zeichnet ein packendes Bild der Brutalität des Kampfes und des Lebens in den Zeiten des 100jährigen Kriegs zwischen Engländern und Franzosen, in dem es oft nur um das Retten der nackten Existenz geht. Nicht nur die Krieger müssen unendliche Strapazen und Entbehrungen erdulden. Auch die Zivilbevölkerung ist Opfer des Krieges: Brutalität, Grausamkeit, Entbehrung, Hunger, Not und Gewalt ist ihr tägliches Los. Profiteure sind letztlich nur die, die mit dem Krieg Geschäfte machen, wie die Piraten und die Kaufleute. Und den Königen und Rittern ist das Schicksal ihrer Völker gänzlich gleich, nicht wert, bedacht zu werden.
Der Autor ist nicht nur ein kundiger Historiker, sondern auch ein guter Erzähler, der diesen fernen Zeiten wieder Leben einzuhauchen versteht und auch Nicht-Kenner dieser Zeit mit seiner Geschichte in denn Bann zieht. Sehr gelungen!

Bewertung vom 25.08.2024
Die Rückkehr der Kraniche
Fölck, Romy

Die Rückkehr der Kraniche


gut

WG von Einzelgängern
Thea kehrt nach langer Zeit als Ziegenhirtin nach Deutschland zurück. Sie findet Unterschlupf auf einem Lebenshof für Tiere, den Eigenbrötler Benno betreibt. Auf den stolpert auch Juli auf ihren Wandertrip durch die Lüneburger Heide. Alle drei sind vom Leben gebeutelt und von den Menschen enttäuscht. Da ist ihre zunächst unfreiwillige WG schon eine Herausforderung und nicht konfliktfrei. Aber die Rettung des Lebenshofes für Tiere, der vor dem finanziellen Ruin steht, eint die drei, für die Tiere sowieso die besseren Menschen sind.
Ich muss gestehen, dass mir keine der Figuren wirklich sympathisch geworden ist. Sie sind ruppig, unfreundlich, harsch und besserwisserisch. Das kann auch nicht entschuldigen, dass das Leben ihnen übel mitzuspielen scheint. Von der Frau verlassen, vom Freund betrogen, von der Mutter nicht beachtet. Schuld sind immer die anderen, so klingt es. Dazwischen packt die Autorin ein paar Weisheiten über das, was wichtig ist im Leben. Versüßt wird das ganze mit vielen detaillierten Beschreibungen von Mahlzeiten, die zubereitet werden. Essen hält eben doch immer Leib und Seele zusammen.
Insgesamt kann man den Roman „Das Licht in den Birken“ von Romy Fölk lesen, wenn man auf schwierige Familienkonstellationen steht und auf der Suche nach alternativen Lebensformen ist, man muss dabei aber gewisse Längen in Kauf nehmen.

Bewertung vom 24.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


ausgezeichnet

Oscar und das Wunder der Mathematik
In dem Roman „Pi mal Daumen“ von Alina Bronsky begegnen sich zwei, die sich im „normalen Leben“ so wohl nie über den Weg gelaufen werden. Denn sie scheinen grundverschieden.
In einer Mathematikvorlesung sitzt der 17jährige Oscar, ein Mathematikgenie mit autistischen Zügen. Oscar und, wie er die Welt sieht: Das Mathestudium ist viel zu einfach, die meisten Menschen sind dumm und gehören deshalb nicht in den Studiengang Mathematik, sondern sind besser in der Germanistik aufgehoben. Moni ordnet er noch nicht einmal als Studentin ein, als sie sich in der Mathematikvorlesung neben ihn setzt. Sie ist viel zu alt und ihr Outfit viel zu schrill. Und sie wird, so Oscars Meinung, niemals das Studium schaffen. Doch da er für die Lösung der obligatorischen Pflichtaufgaben einen Partner braucht und er sonst keine Menschen mag, geschweige denn Freunde hätte, schlägt er Moni vor, die Aufgaben zu erledigen und ihren Namen mit auf den Lösungsbogen zu schreiben. Moni nimmt den Vorschlag an, aber nicht, wie Oscar glaubt, dankbar darüber, dass jemand ihr hilft, sondern im Laufe der Zeit ist es viel mehr Moni, die Oscar unter ihre Fittiche nimmt und ihm in all den Dingen hilft, die man Alltag nennt und für die Oscar gänzlich ungeeignet scheint. Dass Moni dabei in Mathe gar nicht so schlecht ist, verwundert Oscar zwar immer noch, aber immer weniger. Und dass auch Moni Hilfe braucht, da sie eine Kümmerin ist, die sich immer schon gekümmert hat, nur nicht um sich selbst und um das, was sie im Leben möchte, merkt schließlich auch Oscar. Oder vielmehr endlich einmal jemand überhaupt.
In dem Roman haben sich zwei Figuren gefunden, die zeigen, wie wundervoll und ergänzend eine Freundschaft werden kann, wenn man alle Vorurteile beiseite schiebt und dem Auf-den-ersten-Blick eine zweite Chance gibt. Mit wunderbarem Humor schildert Alina Bronsky die skurile Sicht auf die Welt aus Augen Oscars und die liebevolle Beziehung, die zwischen dem ungleichen Paar entsteht. Oscar erfährt, dass so etwas wie menschliche Nähe etwas Schönes und Bereicherndes sein kann. Und Moni erfährt, dass sich jemand auch einmal über sie Gedanken macht, wenn diese manchmal auch etwas direkt und ungefiltert aus Oscar herauspoltern. Bei aller Situationskomik fehlen nicht die ernsten Töne und ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Mit der Zeit enthüllen sich Geheimnisse aus Monis Familie, die zeigen, wie sehr sie ihr Leben in den Schatten anderer stellt und wie sehr eine Lücke im Leben seine Spuren hinterlässt.
Oscar lernt, das Leben „Pi mal Daumen“ zu sehen und nicht alles in mathematische Kategorien von „wahr“ und „falsch“ einzuordnen. Er entwickelt Gefühle und menschliche Zuwendung. Und Moni erfährt, dass auch ihr Leben einen anderen Wert hat als den, immer für andere dazu sein.
Ein wunderbar heiter, aber auch berührendes Buch mit einer großen Liebe zu den eigenen Figuren!

Bewertung vom 22.08.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


ausgezeichnet

Der Hass ist real

Was ist nur aus diesem Land geworden, fragt sich BKA-Kommissarin Yasira Saad, die in einem Fall der Vergewaltigung der Schülerin Laura Palmer ermittelt, dessen Video zuvor viral gegangen ist. Die darin gezeigten Täter hatten eine dunkle Hautfarbe, was eine Hatz im Netz und in der Realität auf „Ausländer“ auslöste. Angeführt wurde diese von der „Heimatfront“, die mit Hilfe dieses Videos Front macht gegen Überfremdung und im Namen der Selbstverteidigung zur Selbstjustiz aufruft – wieder per Video viral. Doch je weiter Yasira in den Ermittlung vorstößt, desto mehr Fragen tun sich auf, bis hin zu der Frage, wie wirklich die Wirklichkeit denn nun wirklich ist. Und bald gerät Yasira, nicht nur, weil auch sie als „Ausländerin“ zählt, in die Schusslinie von Presse und der „Heimatfront“.
Die Gemüter kochen hoch in dem Roman „Views“ von Marc-Uwe Kling. Ein ungewohnt ernster Roman für einen Autor, der vor allem für seine Komik bekannt ist durch die Känguruh-Trilogie oder die Quality-Bände, die sich auch schon mit dem Thema „Internet“ und die Steuerung der Gesellschaft durch das „Netz“ auseinandersetzten. Allerdings eher auf eine lustige Art. Dass sich der Autor hier weitestgehend jeglichen flapsigen Seitenhieb unterlässt, ist dem Thema auch mehr als angemessen. Denn hier geht es um das ernste und mehr als aktuelle Thema, wie „Fake news“ die öffentliche Meinung manipuliert und zwar ohne Grenze. Ohne hier das Ende verraten zu wollen, eröffnen sich in Klings Roman bisher noch nicht ganz vorstellbare Möglichkeiten der Manipulation durch künstliche Intelligenz, die lediglich über unendliche Fähig- und Fertigkeit, nicht aber über ein Bewusstsein für Richtig oder Falsch verfügt.
Marc-Uwe Kling nutzt das Medium der Literatur, eine mögliche Welt zu erschaffen, in der er modellhaft durchspielen kann, was bereits in Ethikkommissionen auf abstraktem Level diskutiert wird. Ein schon vom Buchcover her intelligent gemachtes Kabinettstück über die Möglichkeiten des Machbaren und deren fehlende Grenzen. Und die Moral von der Geschicht ist, dass, egal, welche „Wahrheiten“ das virtuelle Netz erfindet, die Reaktion der Menschen darauf immer echt und real ist.

Bewertung vom 18.08.2024
Die Gräfin
Nelles, Irma

Die Gräfin


gut

Merkwürdiges Ende
Die erst Hälfte des Romans „Die Gräfin“ von Irma Nelles habe ich mit großer Begeisterung gelesen. Die Gräfin lebt mit ihrem Knecht und ihrer Haushälterin auf einer Hallig. Dort bietet sie nicht nur ausgemusterten Pferden Obdach, sondern verhilft auch denen, die sich vor den Nazis verbergen müssen, zur Flucht. Es ist das Jahr 1944, als ein englischer Pilot auf der Hallig abstürzt und mit seiner Anwesenheit die Halligbewohner in Gefahr zu bringen droht. Er löst in allen dreien unterschiedliche Gefühle aus.
Die Naturgewalten und das einfache Leben auf der Hallig werden sehr eindringlich und anschaulich beschrieben. Zunächst erscheint die Gräfin als eigenwillige, aber durchaus bewundernswerte Person, die allem Komfort eines adeligen Lebens zugunsten einer einfachen, naturnahen Existenz aufgegeben hat. Ihre beiden Mitbewohner sind schon fast mehr Freunde als Angestellte. Und auch mit einigen Festlandbewohnern gibt es engen Kontakt, zumeist aus der gemeinsamem Ablehnung der Nazis heraus.
Mit dem Auftauchen des Fliegers entsteht eine für mich nicht ganz nachvollziehbare Dynamik. Die Gräfin wird zusehends exzentrischer und ihr Verhalten skurriler. Auch der Pilot ist in seinem Verhalten wenig verstehbar: statt dankbar für seine Rettung zu sein, fühlt er sich von den Vergangenheitsgeschichten der Gräfin zunehmend genervt, auch wenn verständlich ist, dass er die lebensrettende Insel so schnell wie möglich verlassen will.
Das Ende lässt dann wirklich alle Fragen offen. Sie verweist auf eine Beziehungsebene zwischen Gräfin und Piloten, die zuvor auch schon einmal kurz angedeutet wurde, als die Gräfin bedauert, dass sie schon zu alt sei und die Liebe im Alter schwinde und schal werde. Irgendwie aber passt ein möglicher amouröser Zug sogar nicht in die Beziehung der beiden, zumal der Pilot sich mehr für die gleichaltrige Meta zu interessieren scheint.
Warum dann noch eine weitere Person auf die Insel kommt und wie es mit allen weitergeht, bleibt völlig unklar. Ein wenig wird sogar angedeutet, dass der Pilot auf der Insel etwas gefunden haben könnte, von dem er noch nicht einmal wusste, dass er es suchte.
Das Ende lässt etwas ratlos und ziemlich unbefriedigt zurück. Schade.