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Leseratte
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Frankfurt

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Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2023
schleich® Horse Club(TM) - Das geheimnisvolle Medaillon

schleich® Horse Club(TM) - Das geheimnisvolle Medaillon


sehr gut

Die vier Freundinnen Sarah, Lisa, Hannah und Sofia finden beim Aufräumen Tagebücher, Briefe sowie ein Foto, auf dem Hannahs Großmutter eine Kette mit einem schönen Medaillon trägt. Aber wo ist das Medaillon jetzt? Die Mädchen begeben sich auf Spurensuche und ein spannendes Abenteuer beginnt.
„Das geheimnisvolle Medaillon“ ist ein weiterer Band aus der Schleich Horse Club-Reihe. Der Einband ist stabil und fühlt sich griffig und weich an. Die Schrift ist groß genug, sodass auch Leseanfänger*innen gut damit klarkommen, das Verhältnis von Schrift zu Illustrationen ist ausgewogen und angenehm. Die Charaktere sind bis in die Nebenfiguren hinein sympathisch gezeichnet und die Handlung recht spannend. Ich kann mir vorstellen, dass sie die Kinder zum Nachspielen und Weiterspinnen der Geschichte anregt.
Ein Kritikpunkt für mich sind die Illustrationen, die mir persönlich gar nicht gefallen. Sie sind alle in Schwarz-Weiß gehalten und zeigen die Mädchen auf eine sehr klischeehafte Art. Mit ihren wallenden Haaren, ihrer überschlanken Figur und ihren langen Beinen wirken sie sehr wenig kindlich, sondern eher wie Barbiepuppen, was den pfiffigen Charakteren der Mädchen so gar nicht entspricht. Meine Enkelin hat sich aber nicht an der Darstellung gestört – besonders gefallen haben ihr die Illustrationen aber auch nicht.
Alles ist allem ein nettes Buch, das nicht nur kleinen Pferdefans gut gefallen wird.

Bewertung vom 07.09.2023
Hinter der Hecke die Welt
Molinari, Gianna

Hinter der Hecke die Welt


ausgezeichnet

„Hinter der Hecke die Welt“ ist ein faszinierendes Buch, das uns in eine surreal-realistische Welt entführt. Der Roman spielt auf zwei Ebenen: Da ist zum einen die Arktisforscherin Dora, die auf einem Forschungsschiff das Abschmelzen des Eises dokumentiert, auf der andere Seite ist da das Dorf, in dem alles im Schwinden begriffen ist . Auch die beiden verbliebenen Kinder wachsen nicht mehr, anders als eine riesige, immer weiter wuchernde Hecke, die das Dorf dominiert und sowohl Faszination als auch Bedrohung ausstrahlt.
Die Autorin versteht es meisterhaft, die beiden Erzählstränge miteinander zu verknüpfen. Eine untergründige, mit Schrecken und diffusem Horror gemischte Spannung zieht sich durch den gesamten Roman, der mich von der ersten Seite an gefesselt hat.
Besonders gut hat mir die Mischung aus magischen Elementen und Fakten gefallen. Man merkt, wie gründlich die Autorin recherchiert hat. Die eingestreuten Geschichten über die jetzt ausgestorbene Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte, die als erstes Opfer des Klimawandels identifiziert wurde, oder das Walross Freya, das sich in den Osloer Hafen verirrt hatte und schließlich getötet wurde, haben mich sehr betroffen und traurig gemacht.
Niemals gleitet die Autorin in eine belehrende oder moralisierende Tonart ab, sondern bewegt sich immer auf einer metaphorischen, poetischen Ebene. Der Klimawandel, die Verödung der Dörfer, das Verhältnis von Wachstum und Stillstand, die Frage nach der Zukunft der Menschheit – alles wird in dem Roman kunstvoll zu einem ganz außergewöhnlichen Leseerlebnis verwoben. Die Sprache der Autorin ist eindringlich und bildhaft und die Schilderungen der arktischen Landschaft sind von außergewöhnlicher Schönheit.
Fazit: Ein vielschichtiger Roman, der mit seinen starken Bildern und seiner eindringlichen Thematik noch lange nachhallt.

Bewertung vom 29.08.2023
Das eigensinnige Kind - Teil 2
Ette, Wolfram;Nungeßer, Karin

Das eigensinnige Kind - Teil 2


ausgezeichnet

Das Buch „Das eigensinnige Kind – Teil 2“ setzt sich – ausgehend von einem Märchen der Brüder Grimm – mit der dem Eigensinn und dem Umgang mit diesem, wie das Autorenpaar Wolfram Ette und Karin Nungeßer befindet, sehr deutschen Gefühl. Das Autorenpaar beleuchtet das Thema in sieben Kapiteln aus verschiedenen Blickwinkeln, vor allem aus psychoanalytischer Sicht. Es vermittelt so ein echtes Verständnis für die Bedeutung des kindlichen Eigensinns und zeigt auf, welche fatalen Folgen die Unterdrückung des kindlichen Strebens nach Selbstbestimmung und Autonomie haben kann. Diese war vor allem das Ziel der Schwarzen Pädagogik, für die beispielhaft der berüchtigte Erziehungsratgeber von Johanna Haarer steht, dem das Autorenpaar ein ausführliches Kapitel widmet. Dieser Ratgeber wurde noch bis in die 1990er Jahre in leicht abgewandelter Form aufgelegt und teilweise als Lehrbuch genutzt. Besonders interessant war für mich die Analyse der Geschichte des Zappelphilips aus dem Struwwelpeter und wieviel Interessantes in diese kurze Geschichte hinein- und herausgelesen wird. Daran anschließen folgt ein Kapitel mit (für mich) sehr bedrückenden Lebensläufen. Es handelt sich dabei um kurze Geschichten, die durch ihre Intensität und oft auch literarische Qualität beeindrucken – ihnen allen ist gemeinsam, dass sie zeigen, welche Auswirkungen eine repressive Erziehung haben kann. In dem letzten Kapitel wird ein Bogen zu aktuellen gesellschaftspolitischen Problemen geschlagen. Das Autorenpaar benennt, untersucht und analysiert Probleme wie die Klimakrise, das Erstarken des Rechtsradikalismus und Verschwörungstheorien, Konsumterror und ADHS vorwiegend aus psychoanalytischer Sicht.

Das Autorenpaar betont die Notwendigkeit eines empathischen und respektvollen Umgangs mit Kindern. Es unterstreicht, dass der Eigensinn keine störende Eigenschaft ist, sondern notwendig für die gesunde Entwicklung des Kindes.

Ich habe das Buch mit sehr viel Interesse und größtem Gewinn gelesen. Es hat mir die Augen geöffnet und mich dazu angeregt, meine eigenen Einstellungen und mein eigenes Verhalten immer wieder neu zu überdenken und zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren – immer in Hinsicht auf einen respektvollen und empathischen Umgang mit Kindern.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2023
Simone
Reich, Anja

Simone


ausgezeichnet

Das Buch "Simone" ist ein berührender und sehr persönlicher Roman, dem eine existentielle Frage zugrunde liegt: Die Autorin sucht nach den Gründen für den tragischen Selbstmord ihrer Freundin Simone, die sich mit nur 27 Jahren das Leben genommen hat. Getrieben von Ratlosigkeit und wohl auch einem schlechten Gewissen, Simones Not nicht erkannt zu haben, trifft sie Angehörige und Freunde, sichtet Fotos und Dokumente, um das Leben der jungen Frau, die in der DDR geboren wurde und in der Nachwendezeit aufwuchs, nachzuzeichnen.
Der Autorin gelingt es ausgezeichnet, den widersprüchlichen Charakter von Simone einzufangen. Parallel dazu entsteht ein eindrückliches Bild der DDR sowie der Nachwendezeit in Berlin.
"Simone" ist sowohl Porträt als auch Zeitroman, es geht um Freundschaft, Schuld, um die Unauslotbarkeit der menschlichen Psyche und um den Versuch zu verstehen. Der Schreibstil der Autorin ist sehr empathisch und angenehm und ich habe das Buch mit großem Interesse und Betroffenheit gelesen. Auch wenn viele Fragen letztendlich ungeklärt bleiben: Simone hat mich berührt und ich bedauere den viel zu frühen Tod der jungen Frau sehr.

Bewertung vom 03.08.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

In „Mord auf der Insel Gokumon“ schickt uns der in Japan sehr bekannte und erfolgreich Krimiautor Seishi Yokomizo zusammen mit seinem Ermittler Kosuke Kindaichi auf die ehemalige Sträflingsinsel Gokumon. Er soll einer der hier lebenden Familien die Nachricht vom Tod eines ihrer Söhne überbringen und möchte gleichzeitig einer mysteriösen Prophezeiung auf den Grund gehen. Da nimmt das Unheil seinen Lauf….
„Mord auf der Insel Gokumon“ ist ein spannender Krimi, der mit seiner verzwickten Handlung im Stil der Krimis von Agatha Christie steht. Während der Lektüre wird der / die Leser*in in ein komplexes Netz aus Anspielungen, Verdächtigungen und Vermutungen verstrickt, sodass die Spannung steigt, je tiefer man in die Geschichte einsteigt. Gleichzeitig erhält er / sie eindrucksvolle Einblicke in die japanische Kulutr und Gesellschaft. Es geht nicht nur um Mord, sondern vor allem um die Gründe, die zu dem Verbrechen geführt haben und diese liegen tief in der japanischen Gesellschaft und ihren uns teils sehr fremden Traditionen verankert.
Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und ermöglichen es uns, in ihre Gefühls- und Gedankenwelt einzutauchen. So verliert man nie den Überblick, ein Personenregister sowie ein Glossar, in dem wichtige Begriffe erläutert werden, dienen ebenfalls der guten Orientierung.
Fazit: „Mord auf der Insel Gokumon“ ist ein intelligenter, wendungsreicher, spannungsreicher Krimi mit einer überraschenden Auflösung. Neben einem sympathischen Ermittler und vielschichtigen Charakteren bietet er tiefe Einblicke in die japanische Nachkriegsgesellschaft, ihre Kultur und Traditionen – eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bewertung vom 12.07.2023
La casa misteriosa a Venezia
Brusati, Silvana

La casa misteriosa a Venezia


ausgezeichnet

„La casa misteriosa a Venezia“ ist ein Lernkrimi, der für Italienischlernende auf dem Niveau A1 entwickelt wurde. Die spannende Geschichte erstreckt sich über mehrere Kapitel und bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, in die italienische Sprache einzutauchen, Sprachkenntnisse zu festigen und zu erweitern.

Wir verfolgen die beiden Protagonisten quer durch Venedig, wobei wir ganz nebenbei auch viel Interessantes und Landeskundliches erfahren. Am Ende jedes Kapitels warten knifflige Rätsel und Knobeleien auf den / die Leser*in. Sie lockern die Handlung auf und bieten darüber hinaus auch eine großartige Möglichkeit zur Verfestigung des Vokabulars. Die Geschichte sowie die Rätsel und Fragen sind ausgezeichnet auf das Niveau A1 abgestimmt, so dass ich als Sprachanfängerin keine Probleme hatte, der Handlung zu folgen. Trotzdem gibt es immer auch wieder kompliziertere und seltene Vokabeln und Strukturen, die einen Anreiz zum Nachschlagen oder weitergehenden Selbststudium bieten. Sehr hilfreich sind die Merkkästen auf Deutsch. Wenn man einmal „auf dem Schlauch steht“, gibt es hilfreiche Tipps zum Lösen der Rätsel, ohne dass man gleich schummeln müsste, indem man sich die Lösung anschaut. So bleibt der Spaß des Rätselns erhalten.

Positiv hervorzuheben sind auch die Gestaltung und das Layout des Buches. Das Format ist handlich, das Cover stabil, sodass man das Büchlein auch gut in der Tasche mit sich herumtragen kann. Das Verhältnis von Text zu Abbildungen ist sehr angenehm und ausgewogen, das Layout mit den farbig hervorgehobenen Vokabeln wird sehr durchdacht und motivierend.

Bewertung vom 07.07.2023
Glücksorte im Weltall
Kron, Jürgen

Glücksorte im Weltall


ausgezeichnet

Mit größtem Vergnügen habe ich „Glücksorte im Weltall“ gelesen, ein Buch, das auf äußerst unterhaltsame und witzige Weise an die bekannte Reihe „Glücksorte in….“ anknüpft. Nur handelt es sich bei dem vorliegenden Buch nicht um Hamburg, Dortmund oder das Rhein-Main-Gebiet, sondern den unendlichen Weltraum. Im Stil eines Reiseführers beschreibt der Autor mit überbordender Phantasie und witzigem Charme 80 verschiedene Destinationen und ihre Highlights und verbindet dabei Fakt und Fiktion. Für alle astronomisch Interessierten und Leser*innen von witzigen Parodien bietet das Buch einen Lesegenuss erster Güte.
Was das Buch vor allem auszeichnet, ist die Art, wie der Autor die Grenzen der Realität sprengt und uns in eine Welt entführt, in der die „Glücksorte im Weltall“ existieren. Von einer Tour in Richtung Urknall bis hin zu einem Tag in einem Schwarzen Loch hat der Autor zahlreiche Tipps für verrückte und abstruse Weltraumtripps. Dabei gelingt ihm perfekt die Balance zwischen der Schaffung fiktiver Welten und astronomischer Fakten, sodass ich aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam.
Der Schreibstil des Autors ist witzig und sehr angenehm zu lesen, die verschiedenen Orte sind detailliert und lebendig beschrieben. Witzige Bezugnahmen und ironische Anspielungen lockern die Lektüre auf und bringen den / die Leser*in zum Schmunzeln.
Durch das geschickte Einstreuen interessanter Fakten bietet das Buch viel Informatives zum Thema Weltraum und Astronomie. Es ist deutlich erkennbar, dass der Autor ausführliche Recherchen zu diesem Thema durchgeführt hat, um die fiktiven Glückorte mit Fachwissen zu untermauern. Surreal wirkende Bilder und künstlerisch verfremdete Fotographien ergänzen die Beschreibung der einzelnen Glücksorte.
Fazit: Der Autor nimmt uns mit auf eine unterhaltsame und erstaunliche Reise zu 80 verschiedenen Glücksorten im Weltall. Durch die Lektüre fühlte ich mich ausgezeichnet unterhalten, musste sehr oft schmunzeln, freute mich über beziehungsreiche Anspielungen und habe ganz nebenbei viel Interessantes über fremde Welten, Sterne und Galaxien erfahren.

Bewertung vom 04.07.2023
Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10
Lüding, Kristina

Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10


sehr gut

Der Roman „Greta Garbo – Die einsame Göttin“ ist eine gut recherchierte und unterhaltsame Darstellung des Lebenswegs der berühmten Schauspielerin. Wir begleiten sie von ihrer Zeit als 16jährige Hutverkäuferin bis hin zu ihrem Aufstieg als Hollywood-Ikone, wir verfolgen ihre Niederlagen und ihre Triumphe. Der Autorin ist es gelungen, die historischen Details gut zu erfassen und sie in einen unterhaltsamen Roman einzubinden. Die Sprache ist flüssig und die teils sehr kurzen Kapitel schließen gut aneinander an. Die Autorin verliert sich nicht in langatmigen Beschreibungen oder Reflexionen, sondern treibt die Handlung durch viele Dialoge voran.
Das Buch eröffnet dem / der Leser*in darüber hinaus auch einen guten Einblick in die Dynamik der Filmindustrie sowie die Macht und das Vorgehen der Studiobosse. Man erfährt nicht nur viel über Greta Garbo, sondern auch über die Zeit und das Milieu, in dem sie lebte.
Obwohl das Buch doch recht unterhaltsam ist, könnte man bemängeln, dass die Charaktere doch ziemlich klischeehaft gestaltet sind. Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, der Person Greta Gustafsson nahegekommen zu sein. Vielmehr reiht sich das Buch für mich nahtlos ein in die Reihe der im Moment so beliebten semi-fiktionalen Romanbiographien, die alle mehr oder weniger nach demselben Muster funktionieren und die weder im Stil noch in der Charakterschilderung mit großen Überraschungen aufwarten. Den Zauber und die Aura, die Greta Garbo heute immer noch umgibt, hat die Autorin für mich nicht erklärt – mir aber ein paar angenehme Lesestunden beschert.

Bewertung vom 27.06.2023
Die Körper, die sich bewegen
Ngene, Bunye

Die Körper, die sich bewegen


ausgezeichnet

„Die Körper, die sich bewegen“ von Bunye Ngene erzählt die bewegende Geschichte von Nosa, einem gut ausgebildeten jungen Mann aus Nigeria. Das Buch schildert die Perspektivlosigkeit, der er in seiner Heimat ausgesetzt ist und die Bedingungen, die ihn zur Flucht nach Europa bewogen haben. Der / die Leser*in erlebt hautnah die gefahrvolle Flucht sowie die unmenschlichen Zustände, mit denen er auf seiner Reise konfrontiert wird. Das Ende ist offen. Kann Nosa auf eine Zukunft hoffen?
Es ist deutlich spürbar, dass das Buch auf wahren Begebenheiten basiert. Die Darstellungen der frustrierenden Zustände im Land und der gefährlichen Flucht sind äußerst eindringlich. Die Beschreibungen der Grenzübertritte, die Begegnungen mit brutalen Schleppern und Menschen, die von der Situation der Flüchtlinge profitieren, erzeugen eine beklemmende Atmosphäre sowie ein Gefühl der Wut. Man kann Nosas Verzweiflung förmlich spüren und leidet mit ihm, während er versucht, der Armut und der Hoffnungslosigkeit in seinem Heimatland zu entfliehen. Das Buch enthält eindrückliche Schilderungen der unmenschlichen Zustände, von mangelnder Hygiene, Hunger, Ungerechtigkeit und Machtlosigkeit, denen die Geflüchteten ausgesetzt sind. Dies ruft in mir ein Gefühl der Trauer, aber gleichzeitig auch der Wut und Empörung hervor.
Eine der Stärken des Buchs ist es, dass der Autor auch auf die Hintergründe und die politische Situation, die zur Flucht des Protagonisten geführt haben, eingeht. Er verleiht den Menschen, die sich aus größter persönlicher Not auf den gefahrvollen Weg nach Europa machen, ein Gesicht und eine Stimme und holt sie aus der Anonymität. Was wir als „Flüchtlingswelle“ wahrnehmen, als „Körper, die sich bewegen“, sind Menschen aus Fleisch und Blut, die ein individuelles Schicksal haben und die in ihrer Heimat keine Zukunft mehr für sich sehen. Das Buch ruft Empathie hervor und hat mich zum Nachdenken über die globale Flüchtlingsthematik angeregt.

Bewertung vom 14.06.2023
Putin im Wartezimmer
Lou, Bihl

Putin im Wartezimmer


ausgezeichnet

„Putin im Wartezimmer“ ist ein faszinierendes Buch, das auf einer interessanten Idee basiert. Im Wartezimmer einer Arztpraxis kommen sieben übergewichtige Personen zusammen, die, während sie auf ihre Therapie warten, über den Krieg in der Ukraine diskutieren. Diese Personen repräsentieren ganz unterschiedliche Ansichten und Positionen zu dem Konflikt und seinen Hintergründen, die im Laufe der Diskussionen deutlich werden.

Dem Buch liegt eine sehr gründliche Recherche, die sich in einem umfangreichen Quellenapparat zeigt, zugrunde. Die Autorin hat zahlreiche seröse Quellen in ihr Buch mit einfließen lassen. So erhält der / die Leser*in ein gutes Verständnis für die verschiedenen Aspekte dieses Konflikts.

Die Charaktere sind in erster Linie Vertreter bestimmter Ideen, wirken jedoch auch als Personen authentisch und überzeugend. Die Autorin schafft es sehr gut, den einzelnen Positionen ein Gesicht zu geben. Durch Rede und Gegenrede, Argument und Gegenargument wirken die Diskussionen sehr lebhaft und kontrovers. So ist der / die Leser*in angehalten, seine / ihre eigene Position zu dem Thema zu überdenken und zu hinterfragen. Positiv ist mir auch aufgefallen, dass die Autorin nicht versucht, dem / der Leser*in ihre eigene Meinung aufzuzwingen. Stattdessen ermöglicht sie es ihren Leser*innen, sich mit verschiedenen Positionen auseinanderzusetzen und sich letztendlich eine eigene Meinung zu bilden. Im Laufe der Lektüre wird klar, dass die Welt nicht einfach nur schwarz-weiß ist, sondern sehr komplex und dass es zahlreiche Graustufen gibt. Das Ende des Buchs löst sich dann etwas vom Ukraine-Konflikt und dehnt sich ins Philosophische aus, der Ausklang ist versöhnlich und hoffnungsvoll. Und ohne Hoffnung ist alles verloren!

Fazit: Ein ungewöhnliches Buch, das ich mit größtem Interesse gelesen habe. Es wirkt als aktuelle Bestandsaufnahme des Ukrainekriegs im Jahr 2022 / 23. Ich kann es jedem empfehlen, der sich selbst ein Bild der vom Stand der Diskussion machen möchte.