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schreibtrieb

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Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 16.11.2016
Fangirl auf Umwegen (eBook, ePUB)
Murmann, Amelie

Fangirl auf Umwegen (eBook, ePUB)


sehr gut

Die 18-jährige Luna hat gerade Abitur gemacht und hofft, bald studieren zu können. Da hört sich von einer Verlosung, bei der ein Besuch der Harry Potter Welt in den Universal Studios und als Hauptpreis sogar jede Menge Geld zu gewinnen ist. Luna, das größte „Harry Potter Fangirl“ aller Zeiten und an die knappe Kasse eines Alleinerziehendenhaushaltes gewohnt, erwischt tatsächlich ein Ticket. Nur blöd, dass auch Leopold eines hat, selbst Sohn einer reichen Filmemacherfamilie. Um am Ende zu gewinnen, beschließt Luna, erst mal gemeinsame Sache mit Leo zu machen, doch der will offensichtlich gar nicht ihr Gegner sein.
Fangirl auf Umwegen ist eine wirklich schöne Geschichte für zwischendurch. Angenehm ist, dass es Luna ist, die am Anfang die Zicke raushängen lässt und Leo immer wieder auf Abstand hält. Er dagegen bleibt freundlich und versucht es immer wieder aufs Neue. Doch auch Leo trägt sein Päckchen mit sich herum, eine schöne, einfache, aber durchaus glaubhafte Psychologisierung der Figuren. Zumindest der Protagonisten, denn die Nebenfiguren bleiben ziemlich eindimensional.
Auch der Plot ist einfach gestrickt. Es wundert vielleicht etwas, wie schnell die anfangs so geldgeile Luna ganz andere Dinge interessieren, doch wichtige Elemente halten sich den Plot über und machen Figuren und Handlung authentisch. Lunas Stolz beispielsweise. Der Schauplatz schafft es dabei eine fantastische Umgebung zu simulieren, ohne darin einzutauchen. Luna muss mit Zauberstäben wedeln und Sprüche entschlüsseln, echte Magie aber tritt nicht auf. Dieser gut gemachte Blick auf „Magie“ als technisches Spiel und den Umgang unserer Gesellschaft mit solche „Hypes“ hat mir sehr gefallen.
Ansonsten ist das Buch unterhaltsam, nett und lustig. Die Bremse ist aber irgendwie eingebaut. Immer, wenn es richtig ernst werden könnte und die großen Konflikte anstehen, rudert die Geschichte zurück und alle Figuren sind plötzlich wieder lieb. Der ganze Eierkuchen-Sonnenschein färbt Fangirl auf Umwegen für mich etwas zu rosa. Dabei hätte der Roman durchaus Möglichkeiten, tiefer zu gehen und die Konflikte auszutragen.
Ihr seht, so ganz zufrieden bin ich mit dem Buch nicht, obwohl der Grundstock mir wirklich gut gefallen hat. Harry Potter – Liebhaber*innen werden ihre Freude dabei haben, mit Luna in die Welt von Hogwarts einzutauchen. Und die romantische Geschichte bietet einen ganz guten Rahmen dafür.

Bewertung vom 11.11.2016
Armstrong / Mäuseabenteuer Bd.2
Kuhlmann, Torben

Armstrong / Mäuseabenteuer Bd.2


ausgezeichnet

Eine junge Maus ist überzeugt, dass der Mond aus Gestein besteht und um die Erde kreist. Die anderen Mäuse denken aber, das ist Unsinn. Der Mond, glauben sie, muss aus Käse sein. Sie beten ihr geradezu an. Nur eine alte Maus, die in einem Museum wohnt, glaubt an die junge und macht ihr Mut. Mit allerlei Ideen, Nachforschen und Getüftel fängt die Maus an, eine Rakete zu bauen. Doch jemand ist ihr dicht auf den Fersen.
Die reine Natürlichkeit der Maus, die noch bei Lindbergh dominiert hat, bricht hier etwas auf. Die Mäuse zumindest kommunizieren untereinander. So kommt auch die vermeintliche Lindbergh-Maus der jungen zu Hilfe und wird ihr Mentor. Eine tolle Verbindung zwischen den Geschichten, die auch zeigt, wie die Entwicklung vom Flugzeug die der Raumfahrt mitbegründet hat. Solche Hinweise sind immer wieder liebevoll eingebunden, ohne zu stark zu werden. So wird der Bogen zwischen den Büchern und den technischen Fortschritt per se gespannt und toll ausgearbeitet.
Auch auf das Wettrüsten wird klug Bezug genommen. Denn die Maus wird diesmal nicht von Katzen oder Eulen bedrängt, sondern vom Menschen selbst. Diese unberechenbare Gefahr ist vielleicht weniger unmittelbar, als die Fressfeinde in Lindbergh, aber dafür sind die Auswirkungen bei Armstrong deutlicher. Vor allem aber spielt der Mensch an sich eine gefährlichere, aktivere Rolle. So wird nicht nur die Jagd nach dem Fortschritt der Anderen einbezogen, sondern auch die durchaus gefährliche Übermacht des Menschen.
Detailgetreu sind auch wieder die Zeichnungen. So liebevoll ausgearbeitet und natürlich, dass ich sie mir stundenlang anschauen könnte, und immer wieder kleine Besonderheiten entdecke. Wie schon bei Lindbergh sind auch bei Armstrong manche Doppelseiten ohne Text, die Bilder sprechen hier und halten gleichzeitig die Spannung durch neue Einzelheiten. Ein Buch, das sich einen festen Platz in Bücherregal und Leserherzen verdient hat. Sogar mein eher lesefaule Gatte ist hin und weg.

Bewertung vom 07.11.2016
Schlimmer geht immer / Miles & Niles Bd.2 (MP3-Download)
Barnett, Mac; John, Jory

Schlimmer geht immer / Miles & Niles Bd.2 (MP3-Download)


ausgezeichnet

Miles und Niles nennen sich die schrecklichen Zwei und spielen noch immer ihrem Schulleiter Barkin Streiche, die Ihresgleichen suchen. Doch die neuerliche Mehrung von Streichen ruft die Schulbehörde auf den Plan und Barkins Vater, den ehemaligen Direktor. Der lässt sich kurzerhand als Direktor einsetzen und schickt seinen Sohn in den unfreiwilligen Urlaub. Aber auch gegen Miles & Niles weiß er sich ganz schön zu wehren. Bald gibt es für die beiden nur noch ein Ziel. Mit aller Kraft bis Ende des Schuljahres wenigstens einen Streich schaffen.
Die Geschichte ist wirklich toll. Miles und Niles haben im (ehemaligen) Direktor einen würdigen Gegner, der Kopf und Körper fordert. Geradezu tyrannisch setzt er alle Mittel in Bewegung, die Trickser zu brechen. Dabei stoßen die Jungs ganz schön an ihre Grenzen. Während Miles dabei relativ gelassen bleibt und im richtigen Moment seine Glanzauftritte hat, steht hier eher Niles im Mittelpunkt, der mit seinem Scheitern absolut nicht klarkommt. Seine Vergangenheit wird Thema und die Figur darf aufblühen. Miles bleibt dabei etwas auf der Strecke, ist aber in sich beständig.
Statt aber Miles und Niles nach jedem Fehlversuch nur auf noch gewagtere Streiche spielen zu lassen, wie es im ersten Band der Fall war, reagieren die Trickser nun mit Resignation. Die Kehrseite des Scheiterns wird deutlich. Und auch die Kehrseite der Streiche überhaupt, denn zum ersten Mal müssen Miles und Niles sich auch mit den Folgen ihrer Taten für sich und andere beschäftigen. Das hat im ersten Teil nahezu gefehlt und wertet die Reihe in meinen Augen wirklich auf. Die Jungs werden dadurch vielschichtiger und auch die Handlung erfährt mehr Tiefen. Vor allem in den Nebenfiguren bleiben aber die kindgerechten Stereotypen bestehen.
Wie im ersten Band auch besticht Schlimmer geht immer durch eine gelungene Mischung von kindgerechter Sprache und etwas schwierigeren Formulierungen. Der unterschiedliche Wortschatz von Miles und Niles färbt dabei wieder die Figuren, macht die Geschichte selbst aber auch sprachlich interessant. Der Dauerwitz der Kuh, der im ersten Band schon fast schmerzhaft ausgereizt wurde, hat übrigens nur einen Gastauftritt. Wirklich genial am Hörbuch ist aber Christoph Maria Herbst als Sprecher. Mit eigenwilligen Stimmfärbungen bekommt jede Figur ihre eigene Stimme und Sprache. Das macht die Geschichte lebendig und sorgt immer wieder für Aufmerksamkeit. Unterhaltung pur also!

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2016
Plötzlich Banshee
MacKay, Nina

Plötzlich Banshee


sehr gut

Alana lebt mit ihrem besten Freund Clay in Santa Fee und arbeitet als Privatdetektivin. Das ist aber nicht das Seltsame an ihr. Viel merkwürdiger ist, dass sie losschreit, sobald jemand in ihrer Nähe nur noch kurze Zeit zu leben hat. Denn Alana sieht über jedem Menschen seine noch verbleibende Lebenszeit wie bei einer Digitaluhr ablaufen. Für Clay ist die Sache klar, Alana muss eine Banshee sein, eine irische Todesfee. Alana aber kann sich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Dann beginnen in Santa Fee Leichen auf zu tauchen und der gutaussehende Detective Dylan Shane beginnt nicht nur wegen der Fälle um Alana zu kreisen. Für sie jedenfalls ist klar, dass sie sich von Dylan fern halten sollte und gleichzeitig Clay retten muss. Denn mit seiner Lebensuhr stimmt irgendetwas ganz und gar nicht.Alana ist ein großes Kind. Obwohl sie über zwanzig ist, ist sie im Innern noch wie eine Jugendliche. Das zeigt sich nicht nur in ihren Treffen mit dem betörenden Detective, der seinerseits wie ein Schuljunge auf Alana reagiert. Auch in Bezug auf ihre Mutter, die Alana als Baby weggegeben hat oder auch nur angesichts der simplen Tatsache, dass es nicht normal ist, die Lebenszeit eines Menschen zu sehen, benimmt sich Alana kindisch ignorant. Gleichzeitig steht sie für eine Privatdetektivin mehr als nur einmal total auf dem Schlauch. Liebenswert, ja. Aber auf Dauer auch irgendwie zermürbend.
Insofern ist die Einordnung als Kinderbuch trotz des Alters der Protagonistin verständlich. Auch die Erzählebene bleibt relativ einfach verständlich und wird vor allem durch den chaotisch ironischen Ton der Erzählerin dominiert. Und die ist eben ein großes Kind.Die irische Mythologie ist da ein interessanter Hintergrund, der hier auch gut ausgenutzt wird. Plötzlich stehen an jeder Ecke Feen und Elfen. Das wird gut erklärt, so dass der Zufall nicht überstrapaziert wird. Auch andere Elemente, die zunächst etwas chaotisch wirken, zeigen später ihren größeren Zusammenhang. Ein gutes Konstrukt, das auf jeden Fall nicht zu früh das Ende verrät.
Als Ich-Erzählerin wird Alana ab und an von personalen Erzählern unterstützt. Eine Methode, die ich nur bedingt mag. Es erweitert zwar den Horizont des Lesers, baut aber zur Ich-Erzählerin dadurch Distanz auf. Ob das wirklich zum Verständnis nötig ist, bleibt da auf der Strecke. Außerdem schafft der Roman es trotzdem kaum tiefschichtige Figuren zu zeichnen. Während Alana als Mittelpunkt relativ viel Schärfe zeigt, bleiben die Figuren in ihrem Umfeld verwaschen. Gerade da der Protagonistin ihre Freunde aber so wichtig sind, hätte es da durchaus etwas mehr sein dürfen.Schade ist auch, das am Ende Lücken bleiben. Nicht nur, dass manche Erzählfäden nicht zu Ende gegangen werden, auch Erfahrungen und Elemente, die lange dominieren werden nicht konsequent abgeschlossen. Ein rundes Ende gehört aber irgendwie dazu und hätte bei dem leichten Chaos, das das Buch verströmt, zumindest etwas Einhalt geboten. Versteht mich nicht falsch: Der Roman hat seine Struktur und kommt zu seinem Ziel. Das leichte Verpeiltsein der Erzählerin setzt sich aber auch in der Handlung fort. Hinweise werden gegeben, die im Leeren verlaufen und Fäden gesponnen, die in der Luft hängen bleiben.
Ein Buch muss nicht absolut beendet sein, aber in sich stimmig. Und da kommt Plötzlich Banshee, ein unterhaltsamer Genuss für zwischendurch, nicht auf den Punkt. Irgendwie gut, aber irgendwie eben auch nicht.

Bewertung vom 03.11.2016
Pernilla oder Wie die Beatles meine viel zu große Familie retteten / Pernilla Bd.1
Schlichtmann, Silke

Pernilla oder Wie die Beatles meine viel zu große Familie retteten / Pernilla Bd.1


ausgezeichnet

Pernilla freut sich sehr auf das neue Baby, das ihr Mutter bald bekommen wird. Vielleicht bekommt sie ja endlich weibliche Unterstützung gegen ihre zwei großen Brüder. Doch die Vorfreude wird jäh getrübt, als sie erfährt, dass eine Familie mit vier Kindern nirgendwo mehr eingeladen wird. Dabei ist eingeladen zu werden doch das Schönste überhaupt. Also heckt Pernilla mit ihren Brüdern einen Plan aus und beginnt Flaschen zu sammeln.
Unverfälschte Sichtweise
Was ich an Pernilla so mag, ist dass es die Autorin schafft eine absolut kindlichen Blick auf die Welt zu werden. Pernilla denkt nicht etwas wie eine kleine Erwachsene, sondern wie ein Kind. Die Assoziationen dabei sind grandios und haben mir als „Große“ beim Lesen geholfen, den naiven Blick des Mädchens einzunehmen. Pernilla ist ein Mädchen, das einfach ist, ohne groß darüber zu philosophieren. Sie will toten Ameisen eine Feuerbestattung gewähren und wissen, wie viele Schnecken in eine leere Klopapierrolle passen. Dass sie dabei weniger Klischee-Mädchen und dafür mehr Kind ist, finde ich wirklich gelungen und aus meiner Sicht realistisch.
Idee und Plan
Darum ist es nur logisch, dass Pernilla selbst weder Planung noch Umsetzung schafft. Dafür braucht sie ihre Brüder und weiß die auch einzuspannen. Die Zusammenarbeit der Geschwister ist dann auch holprig und mit allerlei Hürden gepflastert, angefangen am unterschiedlichen Verständnis von Erwachsenen und Kinder, was einen guten Gast ausmacht. Aber gerade das ist doch herrlich amüsant und wirklichkeitsgetreu. Das Buch zeigt unterschiedliche Facetten und lässt die Welt nicht etwa in Weiß und Schwarz getaucht. Diese Vielschichtigkeit ist aber sehr gelungen verbunden, sodass nichts aus der Luft gegriffen wirkt und der große Zusammenhang erkenntlich wird.
Groß und klein
Darum ist Pernilla auch nicht nur ein wunderbar leichtes und lustiges Buch für den jungen Leser, sondern auch für Erwachsene mit „mitlesen“ Unterhaltung pur. Ein bisschen Augenrollen ist bestimmt drin, aber im Grunde muss man Pernilla einfach lieben. Gerade das Einbeziehen der Beatles als Verbindung zur Großeltern- und Elterngeneration und die damit verbundene Zeitlosigkeit von Musik und Geschehen finde ich da wirklich gut gewählt. Ein Buch, das Spaß macht.

Bewertung vom 27.10.2016
Hilo - Der Junge, der auf die Erde krachte
Winick, Judd

Hilo - Der Junge, der auf die Erde krachte


ausgezeichnet

D.J. ist ein stinknormaler Junge. Ganz schön nervig, denn alle anderen können irgendetwas verdammt gut. Eines Tages sieht J.D. wie etwas vom Himmel fällt und dieses Etwas stellt sich als Hilo heraus. Der blonde Junge muss lernen, dass Grass nicht schmeckt und eine Unterhose als Kleindung nicht reicht. D.J. nimmt ihn mit nach Hause und will ihm helfen. Doch bald erkennen sie, dass Hilo noch viel mehr Hilfe braucht und die ganze Erde auf dem Spiel steht.
Wir sind alle von Hilo begeistert! Ich habe es meinem Sohn nach dem ersten Lesen in die Hand gedrückt und eigentlich sollte er da ins Bett. Zwei Stunden später kam er mit leuchtenden Augen wieder runter und erklärte, er habe das Buch durch. Am nächsten Tag hat er Hilo noch zweimal gelesen und seitdem begleitet es ihn überall hin. Zur Oma, zum Einkaufen, … Die Zeichnungen sind sehr gut und der Druck zeigt eine hohe Qualität, was bei so vielen Bildern einfach wichtig ist. Nicht jedes Bild ist mit Text, dafür sprechen die Zeichnungen teilweise sehr für sich. Das erzeugt viel Atmosphäre und Handlungsgeschwindigkeit.
Die Themen, die in Hilo angesprochen werden, sind dabei geradezu simpel. D.J. fühlt sich in seiner „Normalität“ als Außenseiter, sowohl in der Schule als auch Zuhause. Dank Hilo und seiner Freundin, die frisch aus der Großstadt zurückgekehrt ist, lernt er seine eigenen Besonderheiten kennen. Genau das sind auch die Stärken, die die Handlung beeinflussen. Genauso muss Hilo lernen, sich seinen Ängsten zu stellen und verstehen, dass Weglaufen nicht immer hilft. Einfache Themen, die aber gerade bei der Zielgruppe hochaktuell sind und hier deutlich, aber trotzdem nicht zu direkt angesprochen werden.
Das schöne ist, dass Hilo dadurch auf gewisse Weise zeitlos wird. Die Probleme, die Hilo und D.J. betreffen erfährt jedes Kind – oft sogar mehrmals. Im Grunde sind es solche, die auch uns Erwachsene noch immer beschäftigen. Gerade hier zeigt sich, dass Hilo zwar primär junge Leser anspricht, aber auch für ältere noch allerhand zu bieten hat. Kleinigkeiten im Humor beispielsweise, die Kinder nicht immer verstehen. Schön sind auch die immer wieder kehrenden Pointen, etwa wenn Hilo immer zur Begrüßung schreit, weil er das bei D.J. beobachten konnte. Aber auch die Kritik an den unterschiedlichen Eltern, die ihren Kinder entweder kaum beachten oder aber in eine bestimmte Richtung drängen wollen, spricht nicht nur den jungen Leser an.
Bei uns hat sich Hilo einen festen Platz im Bücherregal verdient. Schlimm findet mein Großer nur, dass er bis nächstes Jahr warten muss. Da soll nämlich im März der zweite Band erscheinen. Und den werden wir uns nicht entgehen lassen.

Bewertung vom 26.10.2016
Noah will nach Hause
Guskin, Sharon

Noah will nach Hause


gut

Janie liebt ihren Sohn Noah über alles. Die Alleinerziehende hat es nicht leicht und kämpft für sich und ihren Sohn. Doch Noah hat Albträume und schreit immer wieder nach seiner anderen Mama. Seine Mutter weiß sich nicht mehr zu helfen und sucht bei Psychologen Rat. Jerome Anderson hat sein Buch über das Phänomen der Wiedergeburt eigentlich schon beendet, als Janie ihn kontaktiert. Sie will ihrem Sohn helfen, zu vergessen und ist an die Grenzen des für sie Glaubhaften gestoßen. Aber will Anderson das auch?
Erinnern und Vergessen
Noah will nach Hause ist ein Buch über Vergessen und Erinnern in seinen extremsten Formen. Während Noah von einem anderen Leben träumt, steht Jerome vor der Gefahr, alles im Leben zu verlieren. Das große Vergessen steht vor ihm. Eine Krankheit droht, im die Fähigkeiten des Ausdrückens, der Sprache zu nehmen. Und Sprache ist ihm so ungemein wichtig. Sprache und Erinnerung bilden eine feste Einheit. Verlieren wir das eine, was bleibt noch vom anderen? Und anders herum hilft uns das Erinnern, Wörter zu finden, die wir eigentlich noch nicht kennen, wie es bei Noah der Fall ist. Ein sehr gut gewähltes Thema, eine ausdrucksstarke Verknüpfung von Erinnern und Vergessen, Reden und Schweigen, Sprache und Tod.
zu einfach gemacht
Neben dieser ausgeklügelten Thematik ist die Umsetzung leider nicht ganz so ausgereift. Großartig Umgesetzt ist die Verzweiflung der Figuren. Janies Machtlosigkeit vor Noahs Anfällen. Jeromes Angst vor dem Vergessen. Und der umfassende Schmerz, der anhand der „anderen“ Familie gezeigt wird. Daneben leider immer wieder Oberflächlichkeiten und Konflikte, die zu schnell vom Tisch sind, die tiefe Geschichte zu einfach machen. Immer wieder Spannungsmomente, die einfach fallen gelassen werden. Das verschwundene Kind, die Konfrontation mit dem Täter, das Erkennen des Gegenübers. Viel wird da einfach nicht aufgegriffen und umgesetzt. Und das ist wirklich schade.
gemütlich – nicht mehr
So wird Noah will nach Hause zu einem gemütlichen Lesegenuss, der die Tiefe, die er haben könnte, nie erreicht. Das finde ich einfach nur schade. Die großartig angelegte Thematik wird dadurch zusammengestaucht und nicht ausgespielt. Die Konflikte und die Auswirkungen von Noahs Erinnerungen werden gerade zu Beginn toll gezeigt und schrumpfen im Verlauf schrecklich zusammen. Noah will nach Hause ist kein spirituelles Buch, sondern versucht durch Beispiele und Zitate aus anderen Beispielen, die zumindest teilweise realen Berichten entsprechen (beispielsweise dem Fall Shanti Devis) eine gewisse Glaubhaftigkeit aufzubauen, die mehr wissenschaftlicher Untersuchung entspricht.
Das kann der Roman aber in keinem Fall leisten. Stattdessen stattet er das Thema Widergeburt mit einer Leichtigkeit aus, die der Tiefe der Thematik nicht gerecht wird. Vieles bleibt dabei nur angetastet und verliert sich. Für Zwischendurch ist das Buch ideal, mir hat einfach etwas mehr Tiefe und Spannung gefehlt, um die verschiedenen Ebenen zusammenzuführen und zu einem würdigen Ergebnis zu kommen.

Bewertung vom 20.10.2016
Studierst du noch oder lebst du schon?
Rivière, Tiphaine

Studierst du noch oder lebst du schon?


sehr gut

Jeanne Dargan ist unzufrieden mit ihrem Leben als Lehrerin. Da kommt es ihr gerade recht, dass sie als Doktorandin zugelassen wurde. Enthusiastisch stürzt sie sich zurück in die Uni, ohne Stipendium und Job. Ihr berühmter Doktorvater stellt sich als Egomane heraus, die Institutssekretärin lebt nach dem Motto, wer arbeitet verliert und auch das Unterrichten an der Uni läuft nicht so, wie Jeanne sich das erträumt hat. Außerdem liegt ihr ihre Familie schnell damit in den Ohren, wie lange so eine Promotion denn braucht und was danach eigentlich kommt. Fragen, auf die auch Jeanne keine Antwort weiß.
Die Inhaltsangabe zeigt es deutlich, es geht hier weniger um ein Studium, als eine Promotion. Jeanne geht selbst nicht in Seminare, sondern gibt welche. Das ist ein ziemlicher Unterschied. Gleichzeitig schlittert Jeanne aber gerade darum in die Lethargie des eigenverantwortlichen Lernens und Schreibens. Niemand sagt ihr, was sie zu tun hat, das muss sie schön alleine herausfinden. Und schnell zeigt sich, dass so eine Arbeit gar nicht so einfach zu organisieren ist. Von wegen einfach nur schreiben.
Immer wieder gibt es in der Grafik Novel Zeitsprünge von mehreren Jahren. Dadurch geht durchaus etwas verloren. Jeanne wird von der euphorischen Neudoktorandin zur lethargischen Dauerpromovierenden. Überall sieht sie sich darum angegriffen. Beziehungen, Freundschaften, Familie – Jeanne schafft es einfach nicht, ihre Promotion da auszuklammern und von ihrem Privatleben zu trennen. Ein wichtiger Punkt, der auf viele Promotionssituationen zutrifft. Wer sich tagein tagaus mit einem Thema beschäftigt, dem fällt es schwer, über etwas anderes zu reden. Und der Unwille der Mitmenschen wächst.
Jeanne versteht nicht und wird gleichzeitig missverstanden. Gleichzeitig kann die Dissertation nicht die erste Rolle in ihrem Leben spielen, weil sie Geld verdienen und arbeiten muss, um die Promotion überhaupt zu finanzieren. Keine leichte Situation, die auch an Jeanne ihre Spuren zeigt. Nun ist dieses Grafik Novel aber keinesfalls ein schwarzgezeichnetes Manifest gegen Promotionen. Viel mehr arbeitet es die schwierigen Punkte gelungen komödiantisch ab. Etwa wenn Jeanne nackt in ihrer Wohnung die tiefen Fragen ihrer Dissertation zergrübelt, oder wenn ihr Doktorvater ihr sinnlose Antworten auf ernste Fragen liefert. Ein bisschen schwarzer Humor, durchaus, aber er sitzt.
Dass Jeanne ihr Ziel erreicht, ist ein fragliches Ergebnis. Immerhin zeigt Studierst du noch oder lebst du schon anhand befreundeter Doktoranden die Lage auf dem wissenschaftlichen Arbeitsmarkt – miserabel. Auch die Aussichten, was mit der Promotion am Ende anzufangen ist sind eher ernüchtern – im Grunde nichts. Promovieren, das zeigt sich aber, muss mit Leidenschaft und Durchhaltevermögen angegangen werden. Es ist keine schnelle Sache und eine, die das Leben so vereinnahmt, dass die Frage berechtigt ist, ob ein Doktorand denn noch studiert oder schon lebt. Eine Frage, die Jeanne jedenfalls nicht beantwortet.
Die als Zwischenhölle zugespitzte Situation jedenfalls ist makaber, aber amüsant. Heillos übertrieben, und gerade dadurch im Bann des Sarkasmus auf die Realität ausgerichtet. Die Zeichnungen passend und gerade in ihren Eigenheiten stark. Nicht beschönigend, sondern wie die Geschichte realistisch, sarkastisch, amüsant. Ein Buch, das jedem Promovierenden und allen im Uni-Betrieb Freude machen wird.

Bewertung vom 18.10.2016
Casting
Richter, Yvonne

Casting


weniger gut

Jovis lebt in einer Welt, in der alles ercastet werden muss. Nur wer gewinnt, bekommt Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Wer nicht mehr mitmacht wird ausgecastet und fristet sein Dasein in einer Fabrik unter miserablen Bedinungen. Nur die herrschende Klasse kennt Wohlstand und bestimmt, welche Casting überhaupt weiterlaufen, denn der Zuschauer entscheidet. Als Jovis in dieser Welt, wo jeder gegen jeden kämpft, Jo trifft und sich mit ihr anfreundet beginnt er, einen Ausweg zu suchen. Einen Weg zu Freundschaft, Familie, Gemeinschaft.
Mich hat die Medienkritik sehr interessiert. Sogenannte Castingshows pflanzen sich in der Fernsehlandschaft fort, wie es Kanienchen nachgesagt wird. Ich war sehr gespannt, wie das bei Casting umgesetzt wird. Auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft hat mich neugierig gemacht. Nicht zuletzt war es die Frage, wie in einer Welt ohne Vertrauen dennoch Freundschaft keimen kann. Leider wurden die vielen Möglichkeiten der Materie kaum genutzt.
Stattdessen gehen viele Fragen schnell in den Leerlauf. Jovis und Jo freunden sich einfach an und finden auch schnell weitere Freunde. Castings gibt es eben. Fabriken gibt es eben. Das System gibt es eben, ohne das Gründe genannt werden. Dabei sind Jovis und Jo keinesfalls einfache Kinder, sondern Jugendliche. Außerdem wird erwähnt, dass die Zeit vor den Castings kaum eine Generation zurück liegt. Jovis kann sich noch daran erinnern, mit seiner Mutter in einem Haus mit Garten gelebt zu haben, bevor die Castings Überhand genommen haben. Trotzdem ist die gesammte Gesellschaft nur noch auf Castings eingestellt, normale Berufe gibt es nicht mehr, die Menschen wissen nicht einmal mehr, wie sie sich um sich selbst kümmern sollen.
So gut der Ansatz auch ist, so unvollständig ist die Umsetzung. Beispielsweise gibt es in Museum, in dem Handwerker bei ihrer Arbeit beobachtet werden können. Diese Menschen sind betont alt. Das sticht sich für mich mit der Aussage über Jovis frühe Kindheit. Die Menschen vergessen ja nicht einfach von heute auf morgen ihre Schulbildung und Ausbildung, wenn sie gezwungen werden, bei Castings mitzumachen. Auch der Ausgang der Geschichte ist zwar nett, aber nicht konsequent. Von Profit auf Wohltäter in zwei Seiten. Und die Frage, nach der herrschenden Klasse stellt sich der Roman im Grunde nicht. Wenn alle in Castings sitzten oder für sie arbeiten, wer produziert dann, wer arbeitet, wer schaut fern? Die ominösen Anderen haben jedenfalls keinen Raum im Roman.
Auch die Namensgebung erinnert eher an ein humoristisches Kinderbuch. „Quassel Strippe“ und „Kon To“ agieren neben „Schlawienchen“, „Admiral“ und „Kami Katze“. Das wirkt schnell gezwungen komisch und in einer Dystopie in der Ausprägung auch irgendwie fehl am Platz. Gleiches gilt für den oft sehr einfach gehaltenen Stil, die Aussagen, die sich  mitunter widersprechen. Ein wichtiges Beispiel ist für mich Jovis‘ Mutter, die in einer Fabrik wohnt, weil sie den Castings den Rücken gekehrt hat, von ihrem Sohn aber besucht wird und ihn besucht, und der Überraschung Jovis‘ als er erfährt, dass „ausgecastete“ in Fabriken wohnen. Der Roman ist hier schlicht nicht konsequent, und leider nicht nur hier.
Casting. Spiel ums Leben hat einen guten Ansatz und könnte eigentlich auch ein guter Roman sein. Der Stil ist in den Grundzügen gut, allein die Ausarbeitung passt nicht zur Dystopie und dem Genre des Jugendbuchs. Eine kuriose Mischung aus kindlichen Elementen, die hier eher kindisch wirken und Protagonisten, die dem schon entwachsen sind. Casting hat mich leider nicht begeistern können.