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Benutzername: 
Jo
Wohnort: 
Hagen

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 26.04.2023
Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3
Seeburg, Uta

Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3


sehr gut

Gemächliche Zeitreise ins 19. Jahrhundert

Der Kriminalroman führt uns in die Jahre 1896 und 1916 und abwechselnd werden beide Zeitebenen beschrieben.
Der eigentliche Kriminalfall fällt in das Jahr 1896, als in München ein französischer Diplomat spurlos verschwindet. Eine knifflige Situation für den Ermittler Wilhelm von Gryszinski, denn es sind schwierige Verwicklungen zu befürchten, wenn man den Mann nicht findet. Doch dann ergibt sich eine Spur zu einem Erfinder, der eine Art "Fake-News-Maschine" entwickelt hat, die in Kriegszeiten eine wichtige Rolle spielen könnte. Zwanzig Jahre später ist der Fall noch immer nicht gelöst, als Wilhelms Sohn Fritz in den Wirren des 1. Weltkriegs eine neue Spur in dem Fall findet. Er macht sich heimlich auf den Weg ins Feindesland nach Paris.
Der Krimi ist sehr gemächlich geschrieben, erst nach etwa 100 Seiten geschieht ein Mord. Vorher wird oft gekocht, diniert und Kaffee oder Cognac getrunken. Man muss sich auf diese Langsamkeit einlassen. Wer das heutige Tempo gewohnt ist, wird zuerst Probleme haben.
Insgesamt ist aber das Flair der "guten, alten Zeit" geschickt eingefangen und die gesellschaftlichen Hintergründe dieser Epoche sind gut beleuchtet. Besonders gut gelingt das in dem Teil des Buches, der in der "Belle Epoque" spielt, der Kriegsteil bleibt dagegen etwas blass.
Mir hat diese Zeitreise gut gefallen, auch wenn ich mich zuerst daran gewöhnen musste, dass alles wie in Zeitlupe geschieht.

Bewertung vom 26.03.2023
Der weiße Fels
Hope, Anna

Der weiße Fels


sehr gut

Eine Reise durch die Zeit

Dieses Buch hat mich gleich angesprochen, sowohl wegen des schönen Covers als auch wegen seines interessanten formalen Aufbaus.
Vier Personen aus vier Jahrhunderten stehen im Mittelpunkt der Erzählungen: eine Schriftstellerin, die am Felsen ein Dankopfer für die Geburt ihrer gesunden Tochter darbringen will, der Sänger Jim Morrison, der nach seinen Drogenexzessen Ruhe in der Einsamkeit sucht, zwei Schwestern, die dem Yoeme-Stamm angehören und zur Zwangsarbeit in den kleinen Hafenort beim weißen Felsen verschleppt werden und ein spanischer Leutnant, der von hier aus eine Expedition in den Norden des amerikanischen Kontinents anführen soll.
Sie alle sind Menschen mit Problemen und Brüchen, sie alle erhoffen sich beim Felsen eine Art von Befreiung oder Erlösung.
Formal finde ich das Buch sehr interessant, weil es einem Aufstieg und einem Abstieg gleicht, vier Geschichten zum Aufstieg, dann der weiße Fels als Gipfel und dann in umgekehrter Reihung vier Geschichten der Protagonisten zum Abstieg. Das ergibt eine Art von Wellenbewegung.
Der Stil von Anna Hope gefällt mir sehr gut, er ist sensibel und sehr genau. Dazu ist er leicht lesbar, spannend und eingängig.
Ein Buch, das ich gern gelesen habe und wärmstens weiterempfehlen kann!

Bewertung vom 26.03.2023
Morgen und für immer
Meta, Ermal

Morgen und für immer


ausgezeichnet

Brutal und bewegend

Obwohl das Buch in einer eher einfachen und manchmal etwas ungeschickt übersetzten Sprache geschrieben ist, hat es mich von Anfang an fasziniert.
Dajan lebt mit seinem Großvater in einem abgelegenen Ort in den Bergen Albaniens, seine Eltern kämpfen als Partisanen gegen die Deutschen. Als eines Tages ein deutscher Soldat auftaucht, der desertiert ist, wird er versteckt und durchgefüttert. Er bringt Dajan das Klavierspielen bei und nach dem Krieg gelingt es Dajan am Konservatorium in Tirana Pianist zu werden. Die Partei schickt ihn zum Vorspielen nach Ostberlin, doch da wird er entführt und gelangt auf vielen Umwegen nach Amerika. Obwohl er in den USA sein Glück zu finden meint, stehen ihm noch schwere Zeiten bevor, in denen er unmenschlicher und brutaler Folter ausgesetzt ist.
Das Buch beruht auf einer wahren Geschichte und ist ein historisches Zeugnis über ein Land, das für uns lange Zeit ferner war als der Mond. Die brutale Gewaltherrschaft Enver Hodschas und seiner Leute endete erst lange nach dem Fall der Mauer und prägt das arme Land als Trauma noch bis heute.
Die Geschichte geht zu Herzen und man kann kaum glauben, dass ein Mensch das alles aushalten kann.
Auch wenn die literarische Qualität etwas zu wünschen übrig lässt, so ist es doch ein beeindruckendes Zeugnis einer schlimmen Zeit und deshalb auf jeden Fall lesenswert!

Bewertung vom 14.03.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


sehr gut

Spannende Weltkriegsgeschichte

Joe McGrady ist Polizist in Honolulu und er soll einen Doppelmord aufklären. Doch die Geschichte entwickelt sich ganz anders als anfangs gedacht.
Die Toten sind der Neffe eines hohen Militärs und seine japanische Freundin, beide wurden grausam verstümmelt. McGrady findet eine Spur zu einem Mann, den er für einen Deutschen hält, und folgt ihm nach Hongkong. Doch dort geht als schief und er wird an die Japaner verraten, die ihn als Kriegsgefangenen mit nach Japan nehmen. Ihm droht die Todesstrafe, aber er bekommt unerwartete Hilfe von einem hohen Beamten des japanischen Außenministeriums. Erst fünf Jahre später kann er nach Honolulu zurückkehren, aber dort ist inzwischen alles anders.
Das Buch ist im Stil alter amerikanischer Kriminalromane geschrieben, es klingt sehr sachlich, lässt wenige Emotionen zu und ist eher ein Bericht als ein Thriller. Trotzdem ist es sehr spannend und sehr ungewöhnlich. Ich habe viele Dinge über den 2. Weltkrieg erfahren, die ich nicht wusste, besonders über die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan. Diese fremde Welt hat mich fasziniert und mein Interesse geweckt.
Das Spannungsniveau kann bis zum Ende gehalten werden, man liest atemlos weiter.
Das Buch bietet sich für eine Verfilmung an, es liest sich manchmal wie ein Drehbuch. Wirklich lesenswert!

Bewertung vom 21.02.2023
Malvenflug
Wiegele, Ursula

Malvenflug


sehr gut

Familiengeschichte aus Österreich

Zuerst fiel mir bei diesem Buch das schöne Titelbild mit den Vögeln und Quitten auf, das mag ich sehr.
Allerdings gab der Titel mir Rätsel auf und dieses Rätsel wurde dann im Buch erst spät gelöst.
Ursula Wiegele erzählt die Geschichte einer Familie in zwei sehr unterschiedlichen Teilen. Im ersten Teil des Buches wird in knappen Sätzen das Leben der Familie Prochatzka in den Jahren von 1940 bis 1945 geschildert. Die Eltern haben sich scheiden lassen, was zu der Zeit sehr ungewöhnlich war, und der Vater Paul ist ein echter Windhund, er schläft sich durch alle Betten. Dagegen ist die Mutter Emma fleißig und sparsam, die arbeitet als Köchin im vornehmen Davos, während ihre Kinder bei Verwandten in Kärnten und Brünn untergekommen sind. Aus den verschiedenen Perspektiven erleben wir das Leben während der Kriegstage mit.
Im zweiten Teil schildert die älteste Tochter Helga ihre Sicht der Dinge. Sie trat früh in ein Kloster ein und später wieder aus, führte ein recht freies Leben in Italien und Österreich und versucht nun die Familie zusammenzuhalten. Ihr Anteil des Buches beeindruckt durch eine viel wärmere und ausgefeiltere Sprache.
Mir hat das Buch gut gefallen, es spielt zwischen den verschiedenen Erfahrungsräumen Österreich, Schweiz und Italien.
Während man die Familiengeschichte im ersten Teil eher wie kleine Fragmente aus der Ferne miterlebt, kann man mit Helga im zweiten Teil doch warm werden und ihre Entscheidungen nachvollziehen.
Ich habe das Buch gern gelesen und es hat mir eine unbekannte Welt gezeigt.

Bewertung vom 21.02.2023
Männer sterben bei uns nicht
Reich, Annika

Männer sterben bei uns nicht


gut

Weiberwirtschaft

Auf den ersten Blick hat das Buch ein wunderschönes Titelbild mit Blumen, Früchten und einer chinesischen Schale. Wenn man aber genauer hinsieht, dann bemerkt man den Verfall in diesem Stillleben. Die Schale ist angeschlagen, die Quitten werden runzlig und ein kleiner Goldfisch windet sich in Todesqualen.
Auch in dem Anwesen am See steht nicht alles zum Besten. Luise wächst dort auf, ein wunderbares Seegrundstück mit fünf Häusern hinter einer hohen Mauer, mit Tennisplatz und Bootshaus. Die Herrscherin über das Anwesen ist die Großmutter, die Wert auf Etikette legt und Luise in ihrem Sinne erzieht. Wer sich nicht in ihr Weltbild fügt, der wird aussortiert, so wie Luises Schwester Leni, die in ein entferntes Internat abgeschoben wird, oder andere Frauen der Verwandtschaft. Männer kommen auf dem Anwesen nur als Gäste vor, auch sie wurden abgelegt und weggeschickt.
Das Buch besteht aus zwei Erzählsträngen: einmal schildert die Ich-Erzählerin Luise die Beerdigung der Großmutter und zum anderen berichtet sie aus der Vergangenheit, als sie tote Frauen am Ufer fand und andere Begebenheiten.
Den Teil mit der Beerdigung fand ich herrlich obskur, ein absurdes Theater, wie man es besser nicht erfinden kann. Dagegen fiel der andere Teil ab, mir kam er ziemlich wirr vor und man erfuhr nicht, was mit den Männern, die es ja im Leben der Frauen gegeben haben musste, geschehen ist. Da gab es nur Andeutungen, die aber vage blieben.
Eigentlich ist das Buch gut und flüssig zu lesen, aber inhaltlich konnte es mich nicht ganz zufriedenstellen. Da verspricht das Cover mehr, als der Inhalt halten kann.

Bewertung vom 09.02.2023
Gleißendes Licht
Sinan, Marc

Gleißendes Licht


gut

Verwirrende Familiengeschichte

Marc Sinan erzählt in diesem Buch die Geschichte von Kaan, der eindeutig autobiografische Züge trägt. Beide sind Abkömmlinge einer deutsch-türkisch-armenischen Familie, beide sind Musiker und beide versuchen die Vergangenheit zu verarbeiten. Allerdings nutzt Sinan eine freie Form der Erzählung, die mit phantastischen und märchenhaften Elementen angereichert ist.
Das Buch spielt auf mehreren Zeitebenen und beginnt im Jahr 1913 mit Erlebnissen seines Großvaters. Glücklicherweise sind die einzelnen Kapitel mit Daten gekennzeichnet und man behält sehr gut den Überblick über die Handlung.
Sprachlich hat mir das Buch sehr gut gefallen, allerdings muss ich inhaltlich einige Abstriche machen. Es beschäftigt sich nur wenig real mit dem Völkermord an den Armeniern, da verspricht der Klappentext etwas anderes. Viel eher befasst sich Sinan mit den Traumata, die eine Familie über Generationen beherrschen und von denen auch seine Hauptperson Kaan betroffen ist.
Allerdings ist Kaan ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Wie er seine Freundin behandelt, wie egozentrisch er ist und in Selbstmitleid badet - unerträglich. Man kann ja viele Dinge auf die Traumata der Kindheit zurückführen, aber irgendwann ist man auch erwachsen und kann sich nicht mehr dahinter verstecken. Irgendwann war ich davon nur noch genervt.
Der Schluss des Buches ist eher eine Traumsequenz, damit konnte ich mich auch nicht anfreunden. Ich hatte eigentlich erwartet mehr über das Drama des Völkermords an den Armeniern zu erfahren, aber meine Erwartungen waren falsch.

Bewertung vom 23.01.2023
Frankie
Köhlmeier, Michael

Frankie


gut

Zwiespältig

Die Geschichte des 14jährigen Frank aus Wien wird aus dessen Perspektive erzählt. Er führt mit seiner Mutter ein zurückgezogenes und gleichförmiges Leben. Das ändert sich plötzlich, als sein Großvater nach 18 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Die Mutter fühlt sich verpflichtet zu helfen, tut das aber nur widerwillig und sie möchte nicht, dass Frank intensiven Kontakt zu seinem Großvater aufnimmt. Doch Frank ist zugleich fasziniert und abgestoßen von dem alten Mann. Er bringt Franks Leben vollkommen aus dem Gleichgewicht.
Die Sprache des Buches ist gut an das Denken und Fühlen eines Jugendlichen angepasst, manchmal nachdenklich, manchmal etwas naiv.
Insgesamt habe ich mich allerdings eher bei diesem Buch gequält. Es ist nicht leicht zu lesen, denn Frank erzählt manchmal sprunghaft und man muss sich erst an seine Art gewöhnen. Man erfährt wenig über den Großvater, weder warum er so lange im Gefängnis war noch über seine verkorkste Beziehung zu seiner Tochter. Am Ende bleiben viel zu viele Fragen offen.
Leider nicht mein Buch!

Bewertung vom 06.01.2023
Das glückliche Geheimnis
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis


sehr gut

Einblick in die Schriftstellerseele

Arno Geiger war mir von seinen Romanen her bekannt und so interessierte ich mich auch für sein neues Buch, das kein Roman, sondern eine Art Autobiografie ist.
Viele Jahre seines Lebens fuhr er mindestens einmal wöchentlich mit dem Fahrrad die Altpapiertonnen in seiner Heimatstadt Wien ab, wühlte im Müll und rettete Briefe, Bücher und Tagebücher aus dem Abfall. Anfangs verkaufte er viele Bücher auf dem Flohmarkt, um seinen Lebensunterhalt aufzubessern, doch er entdeckte auch viele Anregungen für seine Bücher im weggeworfenen Leben der Anderen. Geiger berichtet, dass diese Lebenszeichen fremder Menschen sein Schreiben stark beeinflusst haben, denn er hätte nie so intensiv in die Gedankenwelt von ihm fremden Menschen eindringen können, wenn er diese Konvolute nicht gelesen und aufgearbeitet hätte. Anfangs schämt er sich noch für sein Tun, aber mit der Zeit wird es für ihn eine innere Notwendigkeit, die er über Jahre beibehält und nur mit seiner Freundin K. teilt.
Das Buch lässt die Leser tief in das Leben des Schriftstellers eintauchen, nicht nur in sein Arbeitsleben, sondern auch in sein Privatleben: die Sorgen um die kranken Eltern, der Streit mit seiner Freundin und späteren Ehefrau K., Ärger mit Verlegern und den Stress auf Lesereisen.
Man kommt Arno Geiger sehr nahe und folgt ihm gern zu seinem glücklichen Geheimnis.

Bewertung vom 30.11.2022
Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
Lin, Tom

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu


sehr gut

Western oder Fantasy?

Dies ist ein seltsames Buch. Man kann sich nicht entscheiden, ob es ein Western oder ein Fantasyroman ist, aber im Grunde ist das auch egal, denn es ist spannend und gut geschrieben.
Es geht um den Profikiller Ming Tsu, der als Waisenkind bei einem anderen Killer aufwuchs und von ihm das "Handwerk" gelernt hat. Als er sich in die junge Ada verliebt und sie heimlich heiratet, wird er von deren Vater gefangengenommen und zur Zwangsarbeit beim Bau der Eisenbahn durch den amerikanischen Westen gezwungen. Er kann fliehen und nimmt seinen Beruf wieder auf. Aber er will unbedingt zurück zu Ada nach Sacramento. Zusammen mit einer ominösen Wundertruppe und einem blinden Propheten macht er sich auf den Weg. Unterwegs geschehen unheimliche Dinge und er muss mehrfach zur Waffe greifen, um sich und die Truppe zu verteidigen.
Das Buch ist ganz hervorragend geschrieben und obwohl ich kein Fan von Esoterik und Fantasy bin, so hat es mich doch fasziniert und begeistert. Man taucht ein die harte Welt des damals noch Wilden Westens, ein Menschenleben zählt nicht und Hunger und Durst gehören zu den ständigen Begleitern der Menschen.
Das Buch ist zuerst fremd, aber dann liest man sich schnell ein und kann kaum aufhören.
Ein spannendes und lesenswertes Buch!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.